Albvereinsblatt_2008-4.pdf
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Schauplatz Kloster Lorch<br />
Schwarze Fahnen wehten vom Hohenstaufen,<br />
der Gesang der Vögel war verstummt,<br />
als man am 28. August des Jahres 1208 Königin<br />
Irene von Byzanz, »Die Rose ohne<br />
Dorn«, im Kloster Lorch zu Grabe trug. Nur<br />
28 Lebensjahre waren der mystischsten<br />
Frauenpersönlichkeit des Hohen Mittel al -<br />
ters ver gönnt. Eine Königin, deren faszinierendes<br />
Erscheinungsbild auch dem jungen<br />
Minnesänger Walther von der Vogelweide<br />
an Weihnachten des Jahres 1199 im<br />
Magdeburger Dom den Atem verschlug.<br />
Und so reimte er voller Bewunder ung sein<br />
berühmtes Gedicht von der »Rose ohne<br />
Dorn, der Taube sonder Gallen«, als er das<br />
anmutige Königspaar beim Gottesdienst<br />
erblickt hatte. Auch über König Philipp, den<br />
jüng sten Sohn des verstorbenen Kaisers<br />
Friedrich Barbaros sa, fand er begeisterte Worte: »der junge,<br />
süße Mann«. Trotz ihrer Jugend (Philipp zählte zu dieser<br />
Zeit gerade einmal 24 Lebensjahre, seine Frau Irene war erst<br />
20 Jahre alt) hatten die beiden schon ein bewegtes Lebens<br />
hinter sich. Im Alter von 14 Jahren war die byzantinische Kaisertochter<br />
Ire ne von ihrem Vater mit einem blutjungen<br />
Normannenkö nig ins Königreich Sizilien verheiratet worden.<br />
Nur wenige Mo nate später starb ihr Ehemann; damit war<br />
Irene mit 15 Jah re Witwe. Im selben Jahr eroberten die Staufer<br />
unter Führung von Kaiser Heinrich VI., Philipps Bruder,<br />
das Normannen reich, und die junge Witwe wurde als eine<br />
Geisel der Staufer nach Süddeutschland gebracht, wo sie<br />
Philipp kennen- und später auch lieben lernte.<br />
Philipp, der eigentlich eine geistliche Laufbahn hatte ein -<br />
schla gen wollen (mit 14 Jahren war er schon zum Bischof von<br />
Würz burg gewählt worden), musste zu dieser Zeit aus familiä -<br />
ren Gründen, nachdem zwei seiner Brüder gestorben waren,<br />
gezwungenermaßen das Amt des Herzogs der Toscana<br />
und später auch das Herzogsamt von Schwaben übernehmen.<br />
Seine Hochzeit mit Irene dürfte eine der wenigen Liebesheiraten<br />
in der Geschichte der deutschen Könige gewe -<br />
sen sein. Eigentlich hatte er dieses Amt niemals bekleiden<br />
wollen, doch als sein Bruder Heinrich in Italien an Malaria<br />
starb, wählten ihn die staufischen Parteigänger zum Deutschen<br />
König. Zur selben Zeit war der Welfe Otto IV. von einer<br />
starken Opposition ebenfalls zum König ausgerufen worden.<br />
Ausdruck einer von heftigen Machtkämpfen zerrissenen<br />
Zeit: Während Otto nun in Aachen, dem richtigen<br />
Krö nungsort, gekrönt wurde, musste Philipp mit Mainz (dem<br />
fal schen Ort) vorlieb nehmen. Auch der so genannte Korona -<br />
tor war bei Philipp der falsche, denn der Erzbischof von Köln<br />
stand auf Seiten des Welfen. Dafür jedoch verfügte Philipp<br />
– im Gegensatz zu Otto –über die richtige Krone des Reiches,<br />
mit der schon sein Vater und sein Bruder gekrönt worden<br />
waren. Die Folge dieses Wirrwarrs war der Ausbruch eines<br />
zehn Jahre währenden Bürgerkriegs, den Philipp und<br />
Die Klosterkirche in Lorch aus dem 11. Jahrhundert wird von wuchtigen romanischen<br />
Pfeilern gestützt. Sie sind mit den Bildnissen der Stauferkaiser bemalt, die der Künstler<br />
in der Tracht seiner Zeit, der Renaissance, kleidete.<br />
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vor allem auch Irene immer hatten verhindern wollen. Im<br />
Jahr 1208 schließlich schien sich die Waage zugunsten des<br />
Staufers zu neigen, im späten Frühjahr war ein Waffenstillstand<br />
geschlossen worden, der aber im Kürze auslaufen würde.<br />
Ein neuer lich es Aufflackern der Kämpfe war zu befürchten.<br />
In dieser Si tuation entschloss sich Philipp zu einem<br />
spektakulären Schritt: Vor Bamberg entließ er einfach<br />
sein Heer samt den ent geisterten Offizieren. Denn ohne<br />
Heer kann es keine Käm pfe geben, so war seine Schlussfolgerung:<br />
ein in der Welt geschichte einzigartiger Vorgang,<br />
der bisher längst nicht die Würdigung erfahren hat, die er<br />
eigentlich verdient hätte. Philipp hat diesen mutigen Entschluss<br />
keinen Tag lang über lebt, denn kaum hatte er sich<br />
in den Bamberger Bi schofs palast zurückgezogen, wurde er<br />
von Otto von Wittels bach heimtückisch ermordet.<br />
Die hochschwangere Königin Irene floh in panischem Entset -<br />
zen auf den Hohenstaufen, wo sie am 27. August bei der Geburt<br />
ihres fünften Kindes starb. Die genauen Umstände ihres<br />
Todes werden wohl für immer ungeklärt bleiben. Im ganzen<br />
Volk herrschte lähmendes Entsetzen, als sich die Nach -<br />
richt von Irenes Tod verbreitete: Die Welt habe den Atem<br />
angehalten, als man sie im Kloster Lorch zu Grabe trug. Bis<br />
heute ist »die Rose ohne Dorn« unvergessen –an ihrem To -<br />
des tag wird ihr im Kloster Lorch alljährlich gedacht –in diesem<br />
800. Todesjahr natürlich in ganz besonderem Maße.<br />
Unser nächster Ausflug führt nach Westen –ins Grenzland zwischen Baden<br />
und Württemberg. Dort haben ab dem 17. Jahr hundert Glaubensflüchtlinge<br />
aus Frankreich eine neue Hei mat gefunden. Wenn Sie wissen,<br />
wie man diese Menschen genannt hat, dann schreiben Sie Ihre Lösung<br />
bitte auf einer Postkarte an die Blätter des Schwäbischen Albvereins,<br />
Waldburgstrasse 48, 70563 Stuttgart. Einsendeschluss ist der 23. Juli<br />
<strong>2008</strong>.<br />
Zu gewinnen gibt es diesmal Gunter Haugs historischen Roman über<br />
das Leben der Königin Irene »Die Rose ohne Dorn«. Die Rätselfrage aus<br />
dem letzten Heft hat Anneliese Nickel aus Schorndorf gewonnen.<br />
Thomas Pfündel