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ZT | Dezember 2013

Ausgabe 21 - 12/13

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DANKe<br />

editorial<br />

Liebe Geschäftspartner, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Freunde,<br />

ein sehr spannendes Jahr geht zu Ende und wir schauen - zumindest - neugierig auf das, was<br />

kommt.<br />

Viele wichtige Begleiter, nicht nur meiner Lebenswelt, haben eine Lücke gerissen - Nelson Mandela<br />

ins Weltgeschehen, Dieter Hildebrandt ins Kabarett, Chris Howland ins Showbizz, Doris<br />

Lessing in den Literaturbetrieb. Sie alle werden fehlen; Paul Kuhn, der Mann am Klavier, der<br />

Vater der Gummibärchen Hans Riegel, der von mir verehrte Schauspieler Otto Sander, die kritische<br />

Stimme von Marcel Reich-Ranicki, die nachdenklichen Texte von Georg Moustaki und<br />

nicht zuletzt im Privaten Onkel Hans und Onkel Willi. Sie alle haben sich über die Regenbogenbrücke<br />

davongemacht und eine Lücke hinterlassen, die erst gefüllt werden muss. So sie gefüllt<br />

werden kann.<br />

Das Jahresende ist die Zeit zum Nachdenken über das Vergangene, aber auch zum Visionieren<br />

zukünftiger Ziele.<br />

Was erwartet uns mit der „Groko“; werden endlich neue Werte ausgefaltet? Was passiert in Kiew,<br />

in Syrien, im Iran und nicht zu vergessen in den USA, im politischen und wirtschaftlichen Weltgeschehen<br />

- und in der kleinen, privaten Welt?<br />

Im spannenden, emotionalen Rückblick auf die Geschichte der TAM Trainer-Akademie München,<br />

meiner beruflichen Lebenswelt der letzten 30 Jahre, hatte ich ebenso viele Möglichkeiten<br />

der bipolaren Reflektion wie im Blick auf die bevorstehende, spannende Großveranstaltung<br />

zum Jubiläum „40 Jahre TAM“. Hier gelingt es einen Spannungsbogen der aktuellen Diskussionen<br />

von der Neurowissenschaft bis zur Erwachsenenbildung, Personalentwicklung, Lebenskunst<br />

und Launologie zu schlagen.<br />

Lasst uns neue Wege finden, neue Gedankenfelder eröffnen und mit Stolz die alten Wegmarkierungen<br />

einsortieren. Lasst uns feiern, solange es möglich ist! Jeder für sich und in Gesellschaft.<br />

In diesem Heft haben wir - etwas ausführlicher als sonst - die Referentinnen und Referenten zu<br />

Wort kommen lassen. Wir lehnen uns mit unserer Veranstaltung im Mai sehr weit aus dem Fenster<br />

und lassen eine Phalanx der aktuell herausragenden Experten aufmarschieren, die vermutlich<br />

in dieser Kombination einzigartig ist. Und es kommen noch weitere Überraschungen hinzu!<br />

Ein Grund zur Freude auf 2014. Damit auch wirtschaftlich nicht in der Topliga spielende Kollegen<br />

und Kolleginnen gemeinsam mit uns den Geburtstag feiern können, haben wir einen<br />

Frühanmelderabatt definiert, der knapp an der Kostengrenze liegt.<br />

Es wird ein Fest des Wiedersehens und des Austausches. Wir freuen uns sehr auf alle Wegbegleiter<br />

der Vergangenheit und der Zukunft!<br />

Hasta la vista im Mai,<br />

Ihr<br />

Helmut Fuchs<br />

GEMEINSAM SCHAFFEN WIR GROSSES<br />

ZUKUNFT-TRAINING<br />

<strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> | <strong>ZT</strong> 3


Ausgabe 21 12/13<br />

Inhalt<br />

06 Quo vadis TAM?<br />

40 Jahre TAM-Trainer-Akademie München<br />

TAM Trainer-Akademie-München<br />

14 Lachen erlaubt - Ganz im Ernst<br />

Felix Gaudo<br />

20 Wie man lehrt, ohne zu belehren<br />

Prof. Dr. Rolf Arnold<br />

28 Energy-Push<br />

Raus aus dem Kopf, rein in den Flow!<br />

Uwe Kloss<br />

34 Lass los!<br />

Und du bist Meister deiner Zeit<br />

Prof. Dr. Lothar Seiwert<br />

42 Marketing ist eine<br />

Bestätigungsmaschinerie<br />

Prof. Dr. Christian Belz<br />

48 Die Schlüsselfragen<br />

zur Einzigartigkeit<br />

Otto Belz<br />

56 Quellen des Glücks<br />

Wilhelm Schmid<br />

62 Was weiß Amazon,<br />

was Elkes Mann nicht weiß?<br />

Eine Glosse<br />

Prof. Dr. Elisabeth Heinemann<br />

72 Mit Diplomatie zum Ziel<br />

Stéphane Etrillard<br />

80 Was für ein Stress!<br />

Werner Tiki Küstenmacher<br />

88 Persönlichkeit & Charakter<br />

Prof. Dr. Dr. Jürgen Hennig<br />

94 Wir brauchen ein neues<br />

Führungs-Design<br />

Sabine Asgodom<br />

Fotocredits<br />

Die verwendeten Fotos stammen von<br />

fotolia.de, pixeden.de oder aus dem<br />

privaten Archiv unserer Autoren.<br />

In Zusammenarbeit mit<br />

TAM-Edition Verlag<br />

Trainer-Akademie München<br />

p5 media<br />

Kontakt<br />

Web<br />

Redaktion<br />

Anzeigen<br />

www.zukunfttrainining.de<br />

redaktion@zukunfttraining.de<br />

anzeigen@zukunfttraining.de<br />

Coverfoto<br />

Zukunft-Trainining - TAM-Lernkongress<br />

4 <strong>ZT</strong> | <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> | <strong>ZT</strong> 5


QUO<br />

VADIS<br />

?<br />

40 JAHRE TAM TRAINER-AKADEMIE MÜNCHEN<br />

6 <strong>ZT</strong> | <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> | <strong>ZT</strong> 7


„<br />

QUO<br />

VADIS<br />

Nordamerika erliegt er 48-jährig einem Herzinfarkt.<br />

Eine schwierige Phase folgt. Günter B.<br />

J. Brinker führt mit wechselnden Teammitgliedern<br />

die Geschäfte der TAM: Michael Cramer,<br />

Anton Grässle, Dr. Horst Kaltenbach und Dr.<br />

Schmidbauer. Auseinandersetzungen bezüglich<br />

der Erb- und Rechtsnachfolge lähmen das<br />

Unternehmen über lange Zeit. Probleme gibt es<br />

auch im Umfeld: 1982 trifft die Weltwirtschaftskrise<br />

Deutschland. Es ist die Zeit, in der die AEG<br />

Konkurs anmeldet, die Zinsen auf 13% ansteigen<br />

und die Regierung Helmut Schmidt stürzt.<br />

MIT DER SWISSAIR-<br />

TOCHTER „INTERNATIONAL<br />

CATERING SERVICES“ WIRD<br />

DAS TRANSFER-TRAINING<br />

ENTWICKELT<br />

Clemens Mangos<br />

Neubeginn<br />

?<br />

40 JAHRE TAM TRAINER-AKADEMIE MÜNCHEN<br />

Ein Rückblick in die Geschichte der Trainer-Akademie München mag aufschlußreich, für Beteiligte<br />

sogar bewegend sein. Wir möchten unsere Geschichte dennoch in eine andere Richtung, nämlich<br />

nach vorne lesen: als Vorlauf einer spannenden Gegenwart und Zukunft.<br />

Expansionsschub<br />

Die Jahre von 1974 bis 1980 sind durch starke<br />

Expansion gekennzeichnet. Roland Berger<br />

scheidet aus. In firmeninternen und überbetrieblichen<br />

Veranstaltungen qualifizieren sich<br />

jährlich etwa 120 Teilnehmer/innen als Trainer/<br />

innen. Neben Methoden- und Organisationskompetenz<br />

setzt Mangos eine weitere Qualifikation:<br />

„...das Wissen um den Menschen selbst<br />

und die gleichzeitige Fähigkeit, ihm in seiner<br />

Rolle als Mensch im besten Sinne des Wortes<br />

behilflich zu sein.“ (Mangos 1979) Die Akademie<br />

baut ihren Vorsprung gegenüber herkömmlichen<br />

Trainingsinstituten aus.<br />

1. Krisenzeit<br />

Am 13. August 1980 stirbt Clemens Mangos in<br />

Calgary, Kanada. Auf einer Arbeitsreise durch<br />

Winfried U. Graichen<br />

1984 wird die TAM vom Psychologen Winfried<br />

U. Graichen übernommen. 1986 kommt der<br />

Psychotherapeut und Wirtschaftspädagoge<br />

Helmut Fuchs dazu. Zunächst werden neue<br />

Schwerpunkte gesetzt:<br />

„<br />

TAM GOES<br />

INTERNATIONAL<br />

Gründerjahre<br />

1974 wird die Trainer-Akademie<br />

München, Clemens<br />

Mangos&Roland Berger OHG,<br />

ins Leben gerufen. Die Firmen-<br />

Gründer stellen die Akademie auf ein solides<br />

Fundament. Zunächst wird fast eine Million DM<br />

in Forschung, Entwicklung und Validierung erfolgreicher<br />

Trainingsprogramme gesteckt. Diese<br />

Investition zahlt sich aus. Erstmals wird im<br />

deutschsprachigen Raum Europas eine abgeschlossene<br />

Grundausbildung für Verkaufstrainer<br />

angeboten. TAM-Absolventen können nach<br />

erfolgreicher Ausbildung schon Mitte der 70er<br />

Jahre mit einem Start-Jahresgehalt von 50.000<br />

bis 70.000 DM rechnen.<br />

Früh honoriert der Berufsverband der Verkaufstrainer,<br />

BDVT (Bund deutscher Verkaufsförderer<br />

und Verkaufstrainer) die sorgfältige<br />

Arbeit der Akademie. Als erstem wirtschaftlich<br />

unabhängigem Unternehmen wird der TAM die<br />

Anerkennung als vorbildliche Ausbildungsstätte<br />

für Verkaufstrainer ausgesprochen. „Kenntnisse<br />

und Erfahrungen auf dem Gebiet der<br />

Erwachsenenbildung aus allen einschlägigen<br />

europäischen Ländern, aus den USA, Japan<br />

und der UDSSR werden bei der TAM zu einem<br />

deutschsprachigen vorbildlichen Lehrprogramm<br />

vereinigt,“ schreibt der BDVT 1975 in<br />

seiner Verbandszeitschrift.<br />

Günter B. J. Brinker<br />

Die in 10 Jahren immer feiner auf Bedürfnisse<br />

von Weiterbildnern eingestellte TAM Trainer-<br />

Ausbildung wird um entscheidende Impulse<br />

bereichert. Neue Lern- und Lehrmethoden führen<br />

zu noch stärkerem Praxisbezug (siehe mvg-<br />

Buch „Moderne Lernmethoden“ von H. Fuchs<br />

und W. U. Graichen). Mit einem für den eigenen<br />

Bedarf komplett erstellten, mehrfach geprüften<br />

neunstufigen Trainingskonzept verlassen die<br />

Teilnehmenden die Ausbildung. Gemeinsam<br />

haben sie vorher eine zweitägige Veranstaltung<br />

für eine Zielgruppe am Ausbildungsort organisiert,<br />

durchgeführt und nachbereitet.<br />

8 <strong>ZT</strong> | <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> | <strong>ZT</strong> 9


Mit der Swissair-Tochter „International Catering<br />

Services“ wird das PMS- (später Transfer-) Training<br />

entwickelt. Verschiedene Teams setzten<br />

unter der Leitung ihrer Vorgesetzten damit<br />

Schritt für Schritt gemeinsam getroffene Vereinbarungen<br />

erfolgreich in die betriebliche<br />

Praxis um. Firmen wie American Express, Bosch,<br />

Hapag Lloyd, Jacobs Suchard, Lind&Sprüngli,<br />

Mövenpick, IKEA, Lufthansa u.v.a. erkennen<br />

schnell den Nutzen dieser Führungs- und<br />

Kommunikationsmethode für die „lernende<br />

Organisation“: Strategische Ziele, Corporate<br />

Identity und Führungsleitbilder werden mit<br />

regelmäßigen Transfer-Trainings am Arbeitsplatz<br />

wirkungsvoll mit Leben gefüllt. Mit den<br />

15-Minuten-Treffs wird Unternehmen darüber<br />

hinaus ein verfeinertes Feedback-System zur<br />

Verfügung gestellt. Verbesserungsvorschläge<br />

einzelner Teams sind über einfache Auswertungsmechanismen<br />

für alle im Unternehmen<br />

verfügbar. Die Wirksamkeit dieser von der TAM<br />

schon sehr früh visionär entwickelten Grundgedanken<br />

wurden später durch Lernstatt,<br />

Quality-Circle, Smart-Change und schließlich<br />

Action-Learning und Virtual Action Learning-<br />

Programme bestätigt.<br />

den Niederlanden und den USA, in Portugal,<br />

Indien, Australien und der Schweiz stärken die<br />

internationale Vernetzung der TAM. Um den<br />

deutschsprachigen Markt aus zentraler Lage<br />

gezielt bedienen zu können, wird 1993 die<br />

TAM Trainer und Berater-Akademie St.Gallen<br />

(Schweiz) - später EATD AG European Academy<br />

for Training an Development - ins Leben<br />

gerufen. Im Tagungszentrum Landegg, direkt<br />

am Bodensee gelegen, werden ab 1994 überbetriebliche<br />

Trainer- und Berater-Ausbildungen<br />

durchgeführt.<br />

Krisenzeit<br />

1995 scheidet Winfried U. Graichen überraschend<br />

aus und widmet sich neuen Aktionsfeldern<br />

in Fernost. Als zur gleichen Zeit auch der<br />

PAIDIA-Verlag trotz inhaltlich überzeugender<br />

Autoren wie Dudley Lynch, Ned Herrman und<br />

Ervin Laszlo das bundesweite Verlagsterben<br />

nicht überlebt, wird der Wind stärker. Helmut<br />

Fuchs, als einsamer Kapitän, versucht die TAM<br />

und den Verlag auf hoher See zu halten, den hohen<br />

Zeit- und Arbeitsaufwand zu kontrollieren<br />

und einen neuen Kurs einzuleiten.<br />

Neue Wege, neue Methoden, neue Perspektiven.<br />

Hier setzt die TAM Maßstäbe, bildet mehr<br />

als 200 Trainerinnen und Trainer mit der Zusatzqualifikation<br />

„Erlebnisorientierte/r Trainer/<br />

in“ aus und kann - auch durch die qualifizierte<br />

Mitarbeit des Outdoorspezialisten Artur Zoll -<br />

mit Fug und Recht als Wegbereiterin der High-<br />

Ropes-Entwicklung in Deutschland bezeichnet<br />

werden.<br />

Artur Zoll<br />

Das neue Lernen<br />

Trainingskonzept. Es werden 5 eigene High-Ropes-Parcours<br />

in Wirsberg, Bad-Gögging, Fulda,<br />

Lüneburg und Bitburg gebaut und mit lokalen<br />

Kolleginnen und Kollegen betrieben. Zahlreiche<br />

Veröffentlichungen in Fachzeitschriften,<br />

Personalhandbüchern und bei Personal- und<br />

Trainingskongressen positionieren die TAM in<br />

einem neuen Lernverständnis, dessen Wirksamkeit<br />

ab 2005 von der Neurowissenschaft<br />

und der Erwachsenenpädagogik bestätigt wird.<br />

Lernen folgt neuen Regeln und Erkenntnissen.<br />

Der Wandel von der Erzeugungsdidaktik zur<br />

Ermöglichungsdidaktik erzeugt neue Wellen.<br />

Speziell in den mittlerweile 4 Mal im Jahr stattfindenden<br />

Trainer-Lehrgängen profitieren die<br />

Teilnehmenden von dieser Ausrichtung und<br />

diesem frühen Wissen.<br />

Quo vadis TAM?<br />

Mit der parallel zu den laufenden Trainer-Lehrgängen<br />

stattfindenden Weiterentwicklung wird<br />

2007 die Launologie als Protowissenschaft aus<br />

der Taufe gehoben und mit großem Publikumserfolg<br />

(Zahlreiche Talkshows, Launeus-Award,<br />

TV- und Radiosendungen, Fachartikel, Bücher,<br />

DVDs u.a.m.) positioniert. Mit der Gründung<br />

des WIFAL-Instituts (wissenschaftliches Institut<br />

für angewandte Launologie) in Berlin und<br />

der Lizenzierung der Gute-LAUNE-Akademie<br />

in Leipzig und Berlin wird der eingeschlagene<br />

Weg, Lernen mit Begeisterung, Gelassenheit<br />

und guter Laune zu verbinden, konsequent<br />

fortgesetzt. Auch das sehr erfolgreiche Psychologische<br />

Kabarett von Helmut Fuchs und die<br />

neuen Bücher und Trainingsprogramme trugen<br />

dazu bei, sowie das mittlerweile von der Fachwelt<br />

sehr geschätzte Magazin Zukunft-Training,<br />

das von Frederic M. Fuchs ebenso visionär im<br />

Markt verortet wurde.<br />

<strong>2013</strong> wurde Helmut Fuchs für sein Psychologisches<br />

Kabarett, mit dem er zehntausende von<br />

Zuhöreren begeisterte, mit der Auszeichnung<br />

„Vortragsredner des Jahres“ geehrt.<br />

Mit der Entwicklung der Charakterstärkenanalyse<br />

CHARA24, gemeinsam mit Prof. Dr.<br />

Dr. Jürgen Hennig von der JLU Gießen, hat die<br />

TAM den Paradigemenwechsel zur positiven<br />

Psychologie wirkungsvoll begleitet und bietet<br />

seit 2011 Charakterstärkentraining und Charamaster-Ausbildungen<br />

an. Die bundesweite<br />

Etablierung dieser Ausfächerung beginnt 2014<br />

mit dem Charakarma Institut von Hajo Depper<br />

in München und wird weitere Lizenznehmer<br />

finden.<br />

2014 findet nun das 40-jährige Jubiläum statt.<br />

Bei dieser Gelegenheit werden nicht nur international<br />

anerkannte Referentinnen und Referenten<br />

auftreten, es wird auch der neue TAM-<br />

Master-Lehrgang „Vom Managementtrainer<br />

zum Lernarchitekten“ eingeführt und eine neue<br />

bundesweite Netzwerkstruktur für Trainer und<br />

Coaches gemeinsam mit dem Gründungsberater<br />

Jan Wieland aus Leipzig vorgestellt. Dies<br />

bildet einen weiteren Schritt, die TAM Trainer-<br />

Akademie München als Edelschmiede für Managementtrainer<br />

und -berater mit bewährter<br />

und neuer Stärke zu verankern.<br />

Vielleicht sind Sie mit dabei - sprechen Sie mit<br />

uns!<br />

***<br />

TAM Trainer-Akademie München<br />

Synergie durch Zusammenarbeit<br />

Der Sitz der TAM wird 1987 nach Fulda verlegt.<br />

Synergie-Effekte durch gezielte Zusammenarbeit<br />

der beiden Geschäftsführer Fuchs und<br />

Graichen mit anderen Spezialisten führen zur<br />

Gründung des PAIDIA-Verlages. Beteiligungen<br />

an der TAM- Marketing- und Vertriebs GmbH<br />

mit Peter Dau, der Herrmann Institut Deutschland<br />

GmbH mit Roland Spinola und der Millennium<br />

GmbH mit Bernd Schwentick erschließen<br />

als strategische Allianz neue Marktsegmente.<br />

TAM goes international<br />

Dieses Motto gilt zunehmend ab 1990: Beiträge<br />

während der jährlichen Konferenz der American<br />

Society for Training and Development (ASTD)<br />

in den USA oder des International Service and<br />

Quality Forums (ISQF) in Frankreich verbreiten<br />

zentrale Gedanken der TAM und bilden oft eine<br />

der wenigen Stimmen deutscher Personalentwickler<br />

im Ausland. Aufträge in Großbritannien,<br />

Nach heftigem Sturm mit Mastbruch und<br />

„Mann über Bord“ gelingt dies letztlich mit großem<br />

Erfolg. Mit überwältigendem Engagement<br />

durch den Lotsen und Kapitän Helmut Fuchs,<br />

der zudem hauptamtlich als mittlerweile alleinerziehender<br />

Vater von 4 Kindern vielbeschäftigt<br />

ist, startet eine neue Regatta.<br />

Die „neue TAM“ beginnt sich ab 1998 wieder<br />

als „Edelschmiede“ der Weiterbildungsszene zu<br />

positionieren und entwickelt ein Ausbildungsprogramm<br />

für Managementtrainer im Kontext<br />

der Zeit mit neuen tools und Referenten. Im<br />

Jahr 1998 wird die TAM für ein spezielles Weiterbildungsprogramm<br />

mit der Deutschen Bahn<br />

mit dem Deutschen Trainingspreis in Gold ausgezeichnet,<br />

im Jahr 2000 für die bahnbrechende<br />

Entwicklung des erlebnisorientierten Lernens<br />

für Führungskräfte und Unternehmen mit<br />

dem Kunden Janssen-Cilag mit dem Certificate<br />

of Excellence des BDVT.<br />

Mit der Jahrtausendwende startet eine völlig<br />

neu ausgerichtete TAM Trainer-Akademie München.<br />

Durch den Abwurf von Ballast nimmt sie,<br />

stark verschlankt, wieder Fahrt auf. Die mittlerweile<br />

durch Helmt Fuchs eher psycholgisch und<br />

wissenschaftlich ausgerichteten Aktivitäten der<br />

TAM werden durch enge Zusammenarbeit mit<br />

verschiedenen Universitäten und Hochschulen<br />

(JLU Gießen, TU München u.a.) verstärkt.<br />

Studien zum Outdoortraining, zur Volitionsund<br />

Handlungsforschung und schließlich zur<br />

Motivationsforschung belegen die visionäre<br />

Stoßrichtung des Vordenkers Helmut Fuchs.<br />

Die nun von Artur Zoll als Geschäftsführer betreute<br />

TAM Trainer-Akademie München holt Dr.<br />

Andreas Huber an Bord, das Motivationstool<br />

Reiss-Profil nach Europa, entwickelt mit der<br />

Motivstrukturanalyse MSA ein völlig eigenständiges<br />

Analysetool für die Motivanalyse, mit IN-<br />

TRINSIC eine Personalauswahlanalyse und mit<br />

dem Rubicon-Prinzip ein handlungsorientiertes<br />

Die TAM Trainer-Akademie München unter der Leitung des Cheftrainers Dr. Helmut Fuchs zählt zu den renommiertesten deutschen Ausbildungsstätten<br />

für Managementtrainer und -coaches. Mit 40 Jahren Erfahrung und zahlreichen Auszeichungen für vorbildliche Aus- und Weiterbildung und<br />

mehr als 1500 ausgebildeten Trainer, über 200 High-Ropes Trainern und der Entwicklung strategischer Weiterbildungsprogrammen ist die TAM in der<br />

deutschen Weiterbildungsszene hervorragend positioniert.<br />

TAM Trainer-Akademie München<br />

www.trainer-akademie.de<br />

10 <strong>ZT</strong> | <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> | <strong>ZT</strong> 11


DER MENSCH IST<br />

LERNFÄHIG<br />

aBer unBeLeHrBar.<br />

Profl Dr. Lothar Seiwert<br />

Prof. Dr. Elisabeth Heinemann<br />

Felix Gaudo<br />

Der TAM Lernkongress 2014<br />

Der Kongress für Trainer, Speaker, Coaches, Unternehmer & Leader<br />

02. BIS 04. MAI 2014 | BERLIN<br />

Prof. Dr. Wilhelm Schmid<br />

Sabine Asgodom<br />

Uwe Kloss<br />

Stéphane Etrillard<br />

Prof. Dr. Christian Belz<br />

Otto Belz<br />

Prof. Dr. Rolf Arnold<br />

Prof. Dr. Jürgen Hennig<br />

Werner ‘Tiki’ Küstenmacher<br />

Helmut Fuchs<br />

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12 <strong>ZT</strong> | <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> | <strong>ZT</strong> 13


L A CHEN<br />

ERLAUBT<br />

– GANZ IM ERNST –<br />

VON FELIX GAUDO


L A CHEN<br />

ERLAUBT<br />

– GANZ IM ERNST –<br />

VON FELIX GAUDO<br />

Auch wenn der Alltag oft alles andere als lustig sein kann; es lohnt sich, das Leben immer<br />

wieder aus der positiven und humorvollen Perspektive zu sehen. Wie ein Kabarettist und Klinikclown<br />

Kindern glückliche Momente schenkt und Menschen ermuntert, auch im Ernst das Lachen nicht zu<br />

verlieren.<br />

Vorsichtig öffnen mein Kollege und<br />

ich die Tür und schauen zum Bett am<br />

Fenster. Es ist ein Bett auf Rädern, ein<br />

Krankenhausbett. Dort liegt Paulina,<br />

sie ist 7 Jahre alt und heute geht es<br />

ihr besonders schlecht. Aber heute betrete ich den<br />

Raum auch als Dr. Mops, mein Kollege nennt sich<br />

Dr. Yeah. Mit dem Teddybär neben Paulina beginnen<br />

wir die erste Kontaktaufnahme, zwischen uns<br />

Clowns und dem Stofftier entwickelt sich ein kleines<br />

Zauberspiel. Offensichtlich stellen wir uns zu ungeschickt<br />

an, sodass Paulina die Situation schließlich<br />

selbst in die Hand nimmt und uns hilft. Sie zaubert<br />

sich zu ihrer eigenen Überraschung eine rote Nase<br />

in die Hand und ein Lächeln ins Gesicht, das wenige<br />

Minuten vorher noch von Schmerzen gezeichnet<br />

war. Diese Aufgabe, fröhliches Lachen und Gekicher<br />

in einen Raum zu bringen, in dem es sonst meist<br />

Ernst zugeht, beschreibt das Prinzip: „Lachen erlaubt<br />

- ganz im Ernst“.<br />

Wenn ich einmal in der Woche als Clown morgens<br />

zu den Kindern ins Krankenhaus komme, ist das<br />

natürlich eine vollkommen andere Situation als<br />

sonst auf der Bühne. Nicht die Leute kommen zu<br />

mir, um mein Programm zu sehen, sondern ich<br />

komme zu den Menschen. Da kann ich meinen Plan<br />

zu Hause lassen, denn jetzt heißt es, genau auf die<br />

Situation zu schauen, mich darauf einzustellen und<br />

individuell etwas Positives und Fröhliches daraus zu<br />

machen.<br />

Ganz ähnlich wie beim Besuch im Krankenzimmer,<br />

bei dem man situativ auf die jeweilige Gegebenheit<br />

eingehen muss, ist es auch immer wieder in unserer<br />

Berufswelt. Wie wir mit täglichem Stress umgehen,<br />

wie wir Situationen einschätzen, hängt viel weniger<br />

von äußeren Umständen ab, als wir oft annehmen.<br />

Immer ist auch die emotionale Bewertung der Lage<br />

entscheidend für den Umgang mit negativen Einflüssen,<br />

und diese entsteht durch unseren persönlichen<br />

Blickwinkel.<br />

Ob wir uns durch Stress und Rückschläge entmutigen<br />

lassen, oder es schnell wieder schaffen, ausgeglichen<br />

zu sein, hängt in erster Linie von uns selbst<br />

ab.<br />

DIESE AUFGABE, FRÖHLICHES<br />

LACHEN UND GEKICHER IN EINEN<br />

RAUM ZU BRINGEN, IN DEM ES<br />

SONST MEIST ERNST ZUGEHT, BE-<br />

SCHREIBT DAS PRINZIP: „LACHEN<br />

ERLAUBT - GANZ IM ERNST“.<br />

16 <strong>ZT</strong> | <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> | <strong>ZT</strong> 17


Als Moderator und gelernter Schauspieler<br />

probiere ich in meinen Vorträgen mit den Teilnehmenden<br />

auch häufig Übungen aus dem<br />

Bereich des Improvisationstheaters aus. Das<br />

führt zu unmittelbar erlebbaren Erfahrungen<br />

und macht das Reden über den Humor immer<br />

wieder aufs Neue zu einem amüsanten Erlebnis.<br />

In den 20 Jahren, die ich auf der Bühne stehe,<br />

habe ich schon Unterschiedlichstes erlebt,<br />

auch unangenehme und peinliche Situationen:<br />

Plötzlich ist für 10 Minuten mitten in der<br />

Großveranstaltung der Strom weg. Mit meinem<br />

damaligen Bühnenpartner musste ich dann im<br />

Dunkeln improvisieren, ohne Mikrofon und nur<br />

mit dem Kerzenlicht auf den Tischen des Publikums.<br />

Wir wussten nicht, wie lange es dauern<br />

würde, bis der Strom wieder da ist, wie lange<br />

uns noch irgendetwas einfallen würde. Als<br />

dann endlich das Licht wieder anging, dachten<br />

die Gäste, das wäre alles so geplant gewesen,<br />

alles nur eine Inszenierung. Noch Jahre später<br />

denken wir gerne daran zurück, wie stolz wir<br />

damals darauf waren, die Lage mit Humor gemeistert<br />

zu haben.<br />

Die Situation wurde letztlich zu einem schönen<br />

Erlebnis, weil wir uns damals nicht geärgert,<br />

sondern die Gegebenheit, die wir nicht ändern<br />

konnten, als Chance genutzt haben.<br />

Natürlich gingen einige Missgeschicke nicht<br />

immer so glücklich aus. Dann war es oft tröstlich,<br />

wenn wir es schafften, über uns selbst<br />

zu lachen. Mit unserem Comedy-Ensemble<br />

„Think-Theatre“ waren wir viele Jahre auf verschiedensten<br />

Bühnen unterwegs. Wir hatten<br />

viele tolle Erlebnisse, bis wir eines Tages in die<br />

Stadthalle nach Freital bei Dresden eingeladen<br />

wurden. Gebucht waren wir in einer Abo-Reihe,<br />

in der sonst nur Schlager- und Volksmusik geboten<br />

wurde. Die Erwartungen des Publikums<br />

krachten dementsprechend enorm mit unserer<br />

Vorstellung aufeinander. Die Leute wollten hübsche<br />

Sängerinnen, bekamen dann aber 5 quatschende<br />

Typen. Das unvermeidliche Ergebnis<br />

ließ nicht lange auf sich warten: Das Publikum<br />

stand während der Vorstellung tatsächlich reihenweise<br />

auf und verließ laut schimpfend den<br />

Saal. Irgendwann schauten wir uns auf der Bühne<br />

gegenseitig an - und mussten einfach über<br />

die absurde Situation lachen. Das war herrlich<br />

befreiend. Und es war wohl das einzige Mittel,<br />

um dieses Desaster erträglich zu machen.<br />

Als meine jüngste Tochter zwei Jahre alt war,<br />

musste sie für eine Weile ins Krankenhaus. Sie<br />

bekam täglich Spritzen und Infusionen. Wie<br />

sollte ich einer Zweijährigen verständlich machen,<br />

wie wichtig es für ihre Gesundheit ist,<br />

dass täglich Leute in Weiß kommen und ihr<br />

weh tun?<br />

Bei so einem jungen Menschen bleibt in dieser<br />

Situation vermutlich vordergründig der<br />

Eindruck, dass er an einem fremden und sehr<br />

feindlichen Ort ist, an dem ihm Schmerzen angetan<br />

werden, und Mama und Papa lassen das<br />

auch noch zu. Meine Tochter zog sich damals<br />

immer mehr in sich zurück, wurde regelrecht<br />

apathisch und böse auf ihre Umwelt. Keine gute<br />

Voraussetzung, um wieder gesund zu werden.<br />

Eines Morgens kamen zwei Clowns auf ihre Station.<br />

Mit Musik, Seifenblasen und vielen bunten<br />

Farben schafften sie es, dass sie das erste Mal<br />

seit Tagen wieder neugierig wurde, dass sie sich<br />

dafür interessierte, was da um sie herum los war.<br />

Das erste Mal kam sie wieder aus ihrem kleinen<br />

traurigen Schneckenhaus und konnte wieder<br />

Kind sein und nicht nur Patientin. Für mich war<br />

diese Erfahrung der Auslöser, um selbst nebenberuflich<br />

als Klinikclown anzufangen.<br />

Durch die Arbeit bei den Clown-Doktoren aus<br />

Wiesbaden erlebe ich immer wieder, wie wohltuend<br />

es sein kann, den Dingen mit Humor zu<br />

begegnen. Auch und gerade für Kinder und<br />

Eltern mit wirklich harten Schicksalen. Gerade<br />

dort ist es immer wieder berührend zu sehen,<br />

wie willkommen eine heitere Ablenkung sein<br />

kann. Weltweit gehören Clowns inzwischen<br />

zum festen Bestandteil vieler Kinderkliniken,<br />

denn es ist wissenschaftlich erwiesen, dass das<br />

Lachen durch die damit verbundene Ausschüttung<br />

von Endorphinen das Wohlbefinden steigert,<br />

das Immunsystem stärkt und damit auch<br />

gezielt in der Schmerztherapie einsetzbar ist.<br />

In meinen Vorträgen spreche ich über die<br />

Grundlagen und Humortechniken, mit denen<br />

uns im Alltag mehr Gelassenheit und geistige<br />

Beweglichkeit gelingen kann.<br />

Selbstverständlich sollte in unserer Berufswelt<br />

Humor nicht mit Kalauern und Schenkelklopfern<br />

verwechselt werden. Es geht nicht darum,<br />

dass wir uns ständig kaputt lachen, um uns vom<br />

Ernst des Lebens abzulenken. Im Gegenteil<br />

sollten wir uns viel mehr eine gelassene Grundhaltung<br />

aneignen, die uns dabei unterstützen<br />

kann, mit schwierigen Situationen und Gesprächen<br />

besser umzugehen. Der Kabarettist und<br />

Schauspieler Werner Finck sagte einmal: „Wo<br />

der Spaß aufhört, fängt der Humor an.“ Damit<br />

zeigt sich der Humor auch als ein wichtiges, elementares<br />

Werkzeug in verschiedenen Formen<br />

der Unternehmenskommunikation.<br />

Humorvolle Menschen sind erwiesenermaßen<br />

kreativer, flexibler, leistungsfähiger und auch<br />

gesünder. Das Lachen ist nicht zuletzt das<br />

beste Mittel, um Menschen einander näher zu<br />

bringen. Denn Humor in seiner besten Form ist<br />

für mich das versöhnliche Augenzwinkern im<br />

Umgang mit den Unzulänglichkeiten unseres<br />

Lebens.<br />

***<br />

Felix Gaudo<br />

Autorenprofil<br />

Felix Gaudo, ist Speaker, Moderator, Trainer, Kabarettist und Klinikclown.<br />

Er verbindet auf unverwechselbare Weise seine Erfahrungen als Business-Moderator und Coach mit schauspielerischem Wissen und komödiantischem<br />

Bühnentalent. Über 2500 Live-Auftritte und 25 Jahre Bühnenerfahrung auf Tagungen und Events machen seine Vorträge zu einem mitreißenden<br />

Erlebnis.<br />

Felix gaudo<br />

www.felixgaudo.de<br />

18 <strong>ZT</strong> | <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> | <strong>ZT</strong> 19


WIE MAN<br />

LEHRT,<br />

OHNE ZU BELEHREN<br />

VON PROF. DR. ROLF ARNOLD<br />

20 <strong>ZT</strong> | <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> | <strong>ZT</strong> 21


WIE MAN<br />

LEHRT,<br />

OHNE ZU BELEHREN<br />

Wie sehen Sie die Rolle der Lehrenden?<br />

Lehrende sind Begleitpersonen. Ihre Aufgabe ist es, die Lernumgebung<br />

möglichst anregend und vielfältig zu gestalten. Die Lernenden und ihre<br />

jeweiligen Lernprozesse stehen im Mittelpunkt. Wir müssen aufhören, zu<br />

lehren. Vielmehr müssen wir darauf achten, dass die Lernenden Probleme<br />

selbst lösen und sich neue Sichtweisen, neues Wissen und neue Handlungsformen<br />

selbständig aneignen können. Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang<br />

die Wende hin zu einer „Fehlertoleranz“, die es erlaubt, Fehler<br />

zu machen und aus Fehlern zu lernen, denn nur durch Fehler kann sich die<br />

neue Fähigkeit wirksam verankern. Man muss sich als Mensch, der etwas<br />

Neues lernt, egal ob als Kind oder Erwachsener, trauen, etwas auszuprobieren.<br />

Was bedeutet „Selbstlernkompetenz“ und wie entwickelt man diese?<br />

VON PROF. DR. ROLF ARNOLD<br />

Schon Maria Montessori, eine Vorreiterin in der Pädagogik, formulierte vor<br />

Jahrzehnten: „Hilf mir, es selbst zu tun“. Entscheidend ist, dass ein Mensch<br />

von sich selbst erwartet und daran glaubt, etwas bewirken und selbstständig<br />

handeln zu können. Diese Selbstwirksamkeit ist die Substanz der Lernfähigkeit.<br />

Lernende sollen daher selbst nach Lösungen suchen dürfen und<br />

auch die Zeit und den Raum dafür haben. Wichtig ist ein positives Feedback,<br />

also die Lernenden nicht ermahnen, sondern sie ernst nehmen, Fehler zulassen<br />

und ihnen Wertschätzung entgegenbringen.<br />

Was ist denn die ideale Art zu lernen?<br />

LERNEN<br />

Was versteht die aktuelle Lernforschung<br />

unter dem Begriff des Lernens?<br />

Was passiert dabei im Kopf?<br />

Wir haben allen Grund, Lernen neu zu denken.<br />

Früher stellte man sich den Lernprozess recht<br />

einfach vor: Ein Hirn schickt ein Fax an ein anderes<br />

Hirn. Wenn der Lernerfolg nicht eintritt,<br />

dann muss die Faxübertragung, also die Vermittlung,<br />

verbessert werden. Heute weiß die<br />

Hirnforschung, dass schon das Wort „vermit-<br />

Was meint die Wissenschaft mit<br />

„Lerntypen“?<br />

Ich denke, dass solche Typologien mehr schaden<br />

als nützen. Menschen nehmen Dinge über<br />

unterschiedliche Kanäle auf, die wiederum mit<br />

verschiedenen Erfahrungen besetzt sind. Wenn<br />

man zum Beispiel sagt, jemand sei ein „visueller“<br />

oder ein „auditiver“ Typ, dann legt man<br />

diesen Menschen fest. Das ist eine Brille, durch<br />

die er oder sie betrachtet wird oder sich selbst<br />

betrachtet. Viel interessanter wäre es, auch die<br />

anderen Kanäle zum Schwingen zu bringen!<br />

Kompetenzen, von Bildung ist eine Leistung, die<br />

Lernende selbst erzeugen müssen. Das heißt:<br />

Wir müssen uns von der Illusion verabschieden,<br />

dass Menschen dann am besten lernen, wenn<br />

sie einen Lehrer haben. Damit unterschätzen<br />

wir die Potenziale des Menschen. Wir müssen<br />

die Selbstlernfähigkeiten der Menschen ernst<br />

nehmen und stärken.<br />

Welchen Einfluss haben Eltern und Lehrende<br />

für eine positive Lerneinstellung?<br />

Wir wissen, dass Erfahrungen in der frühesten<br />

Es ist erwiesen, dass man 80% des Erlernten in seinem Leben außerhalb<br />

der Schule durch Erfahrungen lernt. Schüler lernen viel beim Spielen, Erwachsene<br />

in der Arbeit, in ihren Bezeihungen oder in Vereinen. Je erfahrungsreicher<br />

und lebendiger der Lernstoff, desto nachhaltiger funktioniert<br />

das Lernen. Dieses Wissen sollten sich Bildungsinstitutionen zunutze machen.<br />

Vom herkömmlichen „Vermittlungs-Lernprozess“ sind die Lernenden<br />

überfordert, denn es kann sich niemand stundenlang konzentrieren. Wir<br />

wissen zum Beispiel, dass das Gehirn von Kindern im Schulalter gerne von<br />

8-13 Uhr auf „Sleep-Modus“ schaltet. Teilweise gibt es schon gute Ansätze<br />

mit Praxisprojekten, Fallstudien, lebendigen Gruppendiskussionen – solche<br />

Methoden überraschen, irritieren kurzfristig und leiten zum Selbstlernen an.<br />

teln“ in die Irre führt. Denn ob und wie jemand<br />

lernt, hängt davon ab, welche Erfahrungen,<br />

welche inneren Bilder bereits vorhanden sind.<br />

Menschen bauen sich ihre Weltsicht aus den<br />

Mustern, die sie bereits kennen. Lernen bedeutet<br />

also nicht, etwas zu speichern, sondern etwas<br />

neu zu konstruieren. Wenn das so ist, dann<br />

muss man das Lernen ganz anders organisieren,<br />

als Unterricht zu halten oder ein Seminar<br />

zu geben.<br />

Muss man Lernen auch lernen oder kann das<br />

jede/r von Natur aus?<br />

Man kann nicht nicht lernen. Sämtliche Lebensäußerungen<br />

des Menschen basieren auf<br />

Lernprozessen. Der Mensch hat nur deshalb<br />

überlebt, weil er lernfähig war, weil er sich an<br />

unterschiedliche Umgebungen anpassen kann.<br />

Bildung ist ein Prozess, der nicht künstlich hergestellt<br />

werden kann. Die Entwicklung von<br />

Kindheit eine Rolle spielen. Kinder brauchen<br />

die Erfahrung, dass sie selbst etwas bewirken<br />

können, dass sie sich etwas zutrauen und Mut<br />

zum Risiko entwickeln können. Oft reifen Kinder<br />

auch in der Schule in dieser Hinsicht nach,<br />

wenn sie entsprechende Bezugspersonen wie<br />

Lehrkräfte oder Trainerinnen und Trainer haben.<br />

Übrigens tun dies auch gute Führungskräfte<br />

in Unternehmen: Sie stärken die Potenziale<br />

der Belegschaft.<br />

Was sagen Sie zum Satz „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“?<br />

Gibt es Unterschiede beim Lernen von Erwachsenen und Kindern?<br />

Der Unterschied ist, dass Erwachsene schon festgelegter sind, sie haben<br />

schon eine Lernbiografie und mehr Erfahrungen als Kinder. Manche denken<br />

aus ihrer Vergangenheit „Lernen ist nichts für mich“. Prinzipiell funktioniert<br />

Lernen aber für Erwachsene und Kinder gleich. Entscheidend ist die Lernmotivation,<br />

die dahinter steckt. Am besten lernen Erwachsene anhand von<br />

Fällen aus ihrem eigenen beruflichen oder privaten Leben.<br />

22 <strong>ZT</strong> | <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong>


Wie verändert sich das Lernen in der<br />

Zukunft? Was ist Ihre Prognose?<br />

Ich halte es für wenig sinnvoll, Lernende aufgrund<br />

unserer bisherigen Erfahrungen auf das<br />

Kommende vorbereiten zu wollen. Viel wichtiger<br />

ist es, Lernenden Aufgeschlossenheit nahe<br />

zu bringen, sie anzuleiten, mit Vielfalt umzugehen.<br />

Künftig wird das Lernen selbst im Vordergrund<br />

stehen. Die Lehrenden sind Begleiter und<br />

Berater. Sie leiten an, Fragen zu stellen, Probleme<br />

selbst zu lösen und Ressourcen zu stärken.<br />

Bildung muss auch nicht unbedingt in Häusern<br />

stattfinden. Über Youtube etwa können schon<br />

heute Studierende Vorlesungen der Besten eines<br />

Faches aus der ganzen Welt abrufen.<br />

WEITERBILDUNG<br />

Was ist der Unterschied zwischen Wissen<br />

und Können?<br />

Früher war Wissen das, was man in Bibliotheken<br />

fand. Heute entsteht relevantes Wissen längst<br />

nicht mehr nur an der Universität, sondern im<br />

Forschungskontext mit Wirtschaft und Unternehmen.<br />

Wissen heißt heute, Zusammenhänge<br />

zu erkennen. Wissen schafft aber noch keine<br />

Kompetenz. Wir müssen da viel nüchterner<br />

werden. Man kann nämlich durchaus viel wissen<br />

und nichts können. Kompetenz heißt zum<br />

Beispiel Fehler erkennen, zuhören können, Lösungen<br />

finden.<br />

Welche Rahmenbedingungen braucht es,<br />

damit das Lernen nachhaltig und lebendig<br />

ist?<br />

Lernen ist dann nachhaltig, wenn es praxisnah,<br />

anschaulich und lebendig ist. Wir müssen<br />

erkennen: Nur wer eine persönliche Erfahrung<br />

macht, kann sich nachhaltig etwas einprägen.<br />

Gelerntes Wissen alleine zählt nicht mehr. Heute<br />

ist es wichtig, Inhalte so anzubieten, dass die<br />

Lernenden Problemlösungskompetenz erlangen,<br />

vernetztes Denken üben, wissen, wo sie<br />

nachschlagen können, und das Wissen bestmöglich<br />

in die eigene Praxis umsetzen können.<br />

Was sind die größten Barrieren für<br />

Menschen, wenn sie nachhaltig lernen<br />

wollen?<br />

Die größte Barriere ist die gelernte Hilflosigkeit.<br />

In Lernstätten fühlt man sich oft kontrolliert,<br />

hat Angst vor Prüfungen. Viele Lehrende unterrichten<br />

noch so, wie sie selbst unterrichtet<br />

wurden: „Vorlesen statt Selbstlesen“, „Lehren<br />

statt Lernen“ und „Zuhören statt Selbstkonstruktion“.<br />

Aber es gibt sie, die Treibhäuser der<br />

Zukunft! Bildungseinrichtungen, wo Lehrende<br />

motivierende Begleitpersonen sind, wo eine<br />

anregende Umgebung herrscht, wo moderne<br />

Methoden eingesetzt werden, die zum Selbstlernen<br />

anleiten.<br />

Welche Rolle haben Trainerinnen und Trainer?<br />

Moderne Trainerinnen und Trainer beobachten<br />

achtsam, regen an und gebe Feedback.<br />

Sie bieten Inhalte möglichst lebendig an und<br />

verwenden Methoden und Tools, die auf die<br />

verschiedenen Lernvorlieben und die Vielfalt<br />

an Vorerfahrungen der Lernenden eingehen.<br />

Sie verstehen sich als Lernbegleitpersonen, die<br />

die Motivation der Lernenden und ihre Selbstlernkompetenzen<br />

fördern und sie dabei unterstützen,<br />

die Verantwortung für den Lernerfolg<br />

selbst zu übernehmen.<br />

WIFI LERNMODELL<br />

Sie unterstützen das WIFI bei der Implementierung<br />

eines neuen Lernmodells. Was sind<br />

aus Ihrer Sicht dabei die wichtigsten Parameter?<br />

Entscheidend ist, die Rolle der Trainerinnen und<br />

Trainer als Lernbegleitpersonen in den Blick zu<br />

rücken. Und zwar von innen heraus, denn das<br />

WIFI hat gute, erfahrene Lehrkräfte, die vielfach<br />

schon jetzt moderne Methoden anwenden, die<br />

die Selbstlernkompetenz stärken. Gemeinsam<br />

erfinden sich die Trainerinnen und Trainer neu.<br />

Ganz wichtig ist auch, auf die Lernenden zuzugehen<br />

und ihnen als WIFI sinnvolle Beratungsleistungen<br />

rund um das Lernen anzubieten.<br />

Was wird durch die Einführung des Lernmodells<br />

am WIFI denn dann so anders sein als<br />

in anderen Einrichtungen der Erwachsenenbildung?<br />

In der Organisation wird es viele Nadelstiche<br />

brauchen, viele Zusammenkünfte. Denn selbstverständlich<br />

muss auch das WIFI selbst eine<br />

lernende Organisation sein, die das Lernmodell<br />

widerspiegelt. Entscheidend ist auch, dass die<br />

Erfahrungen der Trainerinnen und Trainer einfließen.<br />

Wirksame, nachhaltige Lernprozesse<br />

sind der Trend der Zeit – die Teilnehmenden<br />

kommen mit entsprechenden Erwartungen<br />

und merken, dass das WIFI diesen Trend mit<br />

hervorragenden Trainerinnen und Trainern, in<br />

der Konzeption von Curricula und Seminaren<br />

am professionellsten umsetzt.<br />

Sind die aktivierenden Methoden des neuen<br />

Lernmodells für alle Lernenden geeignet?<br />

Kann es sein, dass vielleicht ältere Kursteilnehmerinnen<br />

und -teilnehmer, die den Frontalunterricht<br />

gewohnt sind, damit Schwierigkeiten<br />

haben?<br />

Vielleicht wirken neue Methoden anfangs<br />

irritierend, doch Menschen lieben es, zu kooperieren.<br />

Kompetenzwirksames Lernen tut<br />

außerdem allen gut. Es ist eine Frage, wie man<br />

aufeinander zugeht. Wer erfährt, dass er oder<br />

sie selbst lernen kann und Talente hat, wird persönlich<br />

gestärkt. Talente sind ja nicht angeboren,<br />

sondern entwickeln sich durch Erfahrung.<br />

Welchen Vorteil werden die WIFI-Kunden<br />

vom neuen Lernmodell haben? Und wie wird<br />

sich das messen lassen?<br />

Den Erfolg des neuen Lernmodells werden am<br />

schnellsten die Unternehmen feststellen. Denn<br />

wer beim WIFI war, ist gestärkt, traut sich mehr<br />

zu und agiert innovativer. Viele Impulse für die<br />

Erwachsenenbildung kommen ja aus Betrieben,<br />

die sagen: So, wie die Menschen heute aus<br />

der Schule kommen, können wir sie nicht brauchen.<br />

Führungskräfte wollen immer weniger<br />

„herrschen“, sondern sie wünschen sich, dass<br />

sich die Menschen selbst bewegen.<br />

LERNEN UND GESELLSCHAFT<br />

Was können leitende Personen in Unternehmen<br />

oder Personalvermittlungen von<br />

diesem Ansatz lernen? Wie können sie nachhaltiges<br />

Lernen in den Betrieben verankern?<br />

Beobachten Sie, wie avantgardistische Unternehmen<br />

das machen! Sie offerieren den Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeitern Möglichkeiten<br />

zum Lernen und Ausprobieren. Routinen werden<br />

aufgeweicht, damit Neues entstehen kann.<br />

Mein Tipp an Unternehmen ist: Gewähren Sie<br />

Freiräume, honorieren Sie Ideen, fördern Sie<br />

kritische Gedanken und bringen Sie den Menschen<br />

Wertschätzung entgegen!<br />

Gibt es volkswirtschaftliche Zahlen, was falsches<br />

Lernen der Gesellschaft kostet?<br />

Es geht nicht um die Geldmenge an sich. Vielmehr<br />

sollten wir uns angesichts hoher Bildungskosten<br />

fragen, ob es sich lohnt, so viel<br />

Geld auszugeben für das, was herauskommt.<br />

Wenn wir auf die Stärkung der Kompetenzen<br />

setzen, auf moderne Didaktik, dann rechnen<br />

sich Bildungsaufwendungen.<br />

Was fasziniert Sie persönlich am Lernen?<br />

Mich faszinieren die unglaublich revolutionären<br />

Potenziale, die in Lernenden schlummern,<br />

und die zur Entfaltung gelangen können, wenn<br />

wir es nicht verhindern. Zum Beispiel ist es<br />

möglich, in nur drei Monaten eine neue Fremdsprache<br />

verhandlungssicher zu beherrschen!<br />

Faszinierend finde ich auch, dass wir lernen,<br />

wenn wir es gar nicht merken. Leben bedeutet<br />

Lernen.<br />

***<br />

Prof. Arnold, vielen Dank<br />

für das Interview.<br />

Autorenprofil<br />

Prof. Dr. Rolf Arnold, Jahrgang 1952, ist Professor für Pädagogik an der Universität Kaiserslautern.<br />

Nach einem Studium der Pädagogik, insbesondere der Erwachsenenbildung und der Berufspädagogik, war er zunächst drei Jahre als wissenschaftlicher<br />

Assistent im Hochschulbereich tätig. Im Jahre 1983 promovierte er an der Universität Heidelberg, 1987 habilitierte ihn der Fachbereich Erziehungs- und<br />

Sozialwissenschaften der Fern-Universität Hagen, und im Jahre 1990 erfolgte der Ruf an die Universität Kaiserslautern. Rolf Arnold ist wissenschaftlicher<br />

Direktor des Distance Independent Studies Center (DISC) der TU Kaiserslautern sowie Sprecher des Virtuellen Campus Rheinland-Pfalz (VCRP).<br />

Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Gebieten der Erwachsenenbildung, schulischen Berufsbildung, betrieblichen Aus- und Weiterbildung,<br />

Lehr-Lernsystementwicklung (z.B. Fernstudien), der Interkulturellen Berufspädagogik sowie dem Emotionalen Lernen.<br />

Prof. Dr. Rolf Arnold<br />

www.sowi.uni-kl.de<br />

24 <strong>ZT</strong> | <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> | <strong>ZT</strong> 25


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26 <strong>ZT</strong> | <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> | <strong>ZT</strong> 27


RAUS AUS DEM KOPF,<br />

REIN IN DEN FLOW!<br />

VON UWE KLOSS<br />

28 <strong>ZT</strong> | <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> | <strong>ZT</strong> 29


RAUS AUS DEM KOPF,<br />

REIN IN DEN FLOW!<br />

VON UWE KLOSS<br />

Halbwach in der hintersten Seminarreihe, acht Stunden vor dem Computer oder den halben Tag<br />

im Auto: Viele Menschen bewegen sich zu wenig. Und wenn, dann nur zur Arbeit und wieder aufs<br />

heimische Sofa. Das Körper- und Bewegungstraining ENERGY DANCE® schafft Abhilfe, da es von<br />

Anfang an Spaß macht und einen leichten Einstieg für alle bietet.<br />

zen Körper hindurch bis zum Becken und in den Oberschenkel hinein spürbar.<br />

Über den Atem tauche ich ein in die vielseitigen Bewegungen meines Körpers,<br />

beobachte den Tanz der Gelenke, das Spiel der muskulären Kräfte,<br />

die sich je nach Charakter von Musik und Bewegung immer wieder<br />

verändern. Ja, mein Körper ist beweglich – und glücklicherweise ist er<br />

es nicht nur bei ruhigen Dehnübungen, sondern ich darf ihn in seiner<br />

Bewegungsvielfalt, die schier unerschöpflich ist, tänzerisch immer<br />

wieder neu erleben.“<br />

Was hier von einer Teilnehmerin beschrieben und im Folgenden noch<br />

näher skizziert wird, ist Folge eines Trainings, das wie kein zweites das<br />

Fasziennetzwerk unseres Körpers umfassend anspricht.<br />

Faszien sind netzartige Gewebe, die sämtliche Muskeln, Sehnen, Knochen,<br />

neuronale Strukturen und alle Organe umhüllen und den ganzen<br />

Körper in dreidimensionaler Weise durchdringen. Je nach Aufgabe<br />

und Funktion sind sie elastisch, straff, oder beides zugleich, auch<br />

Dichte und Stärke sind variabel. Sie sind enorm vielseitig ausgeprägt<br />

und können sich bei Belastungen den erforderlichen Gegebenheiten<br />

anpassen. Das fasziale Gewebe braucht innere und äußere Bewegungsreize,<br />

um sich ernähren zu können und um eine optimale<br />

Elastizität und Gleitfähigkeit zu erhalten. Neueste wissenschaftliche<br />

Untersuchungen haben ergeben, dass der Einfluss des Fasziennetzwerkes<br />

auf die Gesundheit einen weit größeren<br />

Einfluss hat, als bislang angenommen, da es über<br />

den Austausch von Energie, Materie und Information<br />

das innere Gleichgewicht aufrechterhält.<br />

Als größtes Sinnesorgan ist das Fasziennetzwerk<br />

Grundlage für Körpersinn und<br />

Selbstwahrnehmung, hat großen Einfluss<br />

auf die Geschmeidigkeit und Genauigkeit<br />

in der Bewegung, unterstützt hochkomplexe<br />

Immunabwehrprozesse und hat eine große<br />

Bedeutung für die Leistungsfähigkeit der Muskulatur.<br />

Dieses System verbindet im Körper alles<br />

mit allem.<br />

Tanzend das Fasziennetzwerk trainieren<br />

Vital in der Bewegung – flexibel im Denken<br />

Beweglichkeit ist ein Thema unserer Zeit. Wir<br />

alle sollen möglichst flexibel im Denken und<br />

Handeln sein. Im Gegensatz dazu steht allerdings,<br />

dass unsere Körper seit Jahren immer<br />

unbeweglicher werden. Sitzende Tätigkeiten,<br />

mangelnde Bewegung schon im Kindesalter<br />

und Übergewicht schränken unsere Beweglichkeit<br />

ein. Wir rasten und rosten und setzen damit<br />

langfristig nicht nur unsere Mobilität, unsere<br />

körperliche Balance und unser Wohlbefinden,<br />

sondern auch unsere geistige Flexibilität aufs<br />

Spiel. Das ENERGY DANCE® - Trainingskonzept<br />

zeigt einen Ausweg aus diesem Teufelskreis,<br />

durch fließende Bewegungen zu dynamischen<br />

Rhythmen, ganz ohne Choreographie, dafür<br />

aber mit umso mehr Freude!<br />

„ENERGY DANCE® hat mich und meinen Körper<br />

verändert. Ich trainiere jetzt seit einigen Jahren<br />

und bin deutlich beweglicher geworden.<br />

Damit meine ich nicht nur dehnfähiger beim<br />

Stretching, sondern insgesamt raumgreifender<br />

und damit präsenter. ENERGY DANCE® ist für<br />

mich immer wieder eine intensive Erfahrung.<br />

Bei ausladenden Bewegungen öffnet sich mein<br />

Brustkorb während meine Schulterpartie dem<br />

Zug des Armes nach hinten folgt. Ich liebe dieses<br />

Gefühl von fließender Weitung, Aufrichtung<br />

und Öffnung! Die Dehnung ist diagonal über<br />

meine seitlichen Bauchmuskeln durch den gan-<br />

ENERGY DANCE® ist ein rhythmisch-dynamisches Training<br />

in fließenden Bewegungsfolgen. Zu mitreißender Musik<br />

wird der Körper und sein Fasziensystem umfassend trainiert.<br />

So wird auf tänzerisch-leichte Weise Beweglichkeit, Koordination<br />

und Kraft vermehrt und eine Aktivierung des Herz-Kreislauf-Systems<br />

bewirkt.<br />

Der Weg ist das Ziel – diese alte östliche Weisheit ist bei ENERGY<br />

DANCE® wörtlich zu verstehen, denn der Bewegungsfluss entfaltet<br />

sich in kleinen Veränderungen der jeweiligen Bewegung<br />

– Schritt für Schritt. Bei jeder Modifikation, sei sie noch so<br />

30 <strong>ZT</strong> | <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> | <strong>ZT</strong> 31


klein, werden Muskulatur und Faszien auf eine<br />

etwas andere Weise angesprochen. Das Zusammenspiel<br />

von Muskeln und Faszien des gesamten<br />

Körpers wird so trainiert und koordinative<br />

Fähigkeiten werden mit Leichtigkeit ganz<br />

nebenbei entwickelt. Die Bewegungsformen<br />

sind natürlich, das heißt vom Bau des Körpers<br />

abgeleitet. So mobilisieren sie die Kugelgelenke<br />

körpergerecht rotierend in alle Richtungen,<br />

oder sie schwingen durch den ganzen Körper<br />

hindurch, wobei dieser zunehmend an Durchlässigkeit<br />

und Wendigkeit gewinnt.<br />

Ablauf einer Trainingseinheit<br />

Zu Beginn der Stunde lenkt die Trainerin oder<br />

der Trainer die Aufmerksamkeit der Teilnehmenden<br />

auf den Kontakt der Füße zum Boden.<br />

Es wird gespürt, wie die Fußsohlen abrollen, die<br />

„Abdrücke“, die sie auf dem Untergrund hinterlassen,<br />

werden wahrgenommen. So massieren<br />

alle die kräftige Fußfaszie, die die Sohle bildet.<br />

Zeit, um im Raum, am Platz und im Körper anzukommen.<br />

Alle Körperteile werden wohltuend<br />

durchgearbeitet, erwärmt und gelockert,<br />

mit Aufmerksamkeit und Energie versorgt. Als<br />

besonders genussvoll wird das sanftes dynamische<br />

Dehnen bei langsam fließenden Bewegungen<br />

empfunden. Es tut gut, sich in die<br />

Höhe, in die Seite und nach hinten zu entfalten<br />

und den vom vielen Sitzen in sich zusammengesunkenen<br />

Körper zu seiner vollen Größe aufzurichten.<br />

Man kann im übertragenen Sinne<br />

alles Einschränkende hinter sich lassen. So ist<br />

der Körper gut vorbereitet, wenn schnellere<br />

Rhythmen im Hauptteil der Stunde die Dynamik<br />

steigern. Seien es leichte Hüpfer, rasche Latino-Moves<br />

oder feurig-explosive Sprünge wie<br />

beim „Happy Jump“ – Jeder ist „da“, präsent und<br />

geschmeidig, im Einklang von Körper und Sein.<br />

Erde, Wasser, Luft und Feuer – Beweglich mit<br />

den vier Elementen<br />

Um den Bewegungen eine spezifische Qualität<br />

zu verleihen, bedient sich ENERGY DANCE® der<br />

vier Elemente Erde, Wasser, Luft und Feuer. Diese<br />

vier Erfahrungsqualitäten der westlichen Mythologie<br />

spiegeln sich in der Bewegung wider<br />

und haben jeweils eine Entsprechung auf der<br />

psychischen Ebene.<br />

Das Element Erde steht für alles Materielle, also<br />

unseren Körper mit seinen Knochen, Muskeln,<br />

Bändern, Sehen, Gelenkknorpeln – sprich für<br />

das „Baumaterial“. Auf der mentalen Ebene für<br />

Sicherheit, Halt, Vertrauen und Kraft.<br />

Wasser, aus dem unser Körper zu etwa 70% besteht,<br />

steht für die Gefühlswelt, das Sinnliche,<br />

für die Verbindung mit anderen Menschen, Liebe<br />

und Sexualität.<br />

Luft repräsentiert den Raum – zwischen den Organen,<br />

den Zellen und ihren Atomen. Wir erfahren<br />

das Luftelement in unserem Atem (Atman<br />

(sanskrit) = Geist), dem Lebenshauch, der die<br />

Materie beseelt, und als das Mentale, die kreative<br />

Welt der Ideen, das Spielerische, Spontane,<br />

die Leichtigkeit des Seins.<br />

Das Feuerelement gibt uns Antrieb und Tatkraft,<br />

nach außen zu gehen, sprühende Begeisterung<br />

und Power.<br />

Jede dieser Qualitäten findet beim ENERGY<br />

DANCE® in der Bewegung ihren Ausdruck, sodass<br />

wir sie erfahren und über dieses Erleben<br />

in Einklang gebracht werden. Je differenzierter<br />

man in der Lage ist, mit der Verschiedenartigkeit<br />

der vier Elemente zu „spielen“, desto mehr<br />

Beweglichkeit und Bewegunsqualität wird<br />

möglich. Ganz nebenbei wird dadurch das Fasziensystem<br />

optimal unterstützt und trainiert.<br />

Und nicht nur das: Auch auf das Innenleben<br />

und die Lebendigkeit und Kreativität im Alltag<br />

hat diese Bewegungsart positive Auswirkungen.<br />

So wohltuend ein umfassendes Training bestimmter<br />

Qualität, Intensität und Quantität<br />

für uns Menschen und unser Fasziennetzwerk<br />

ist, so nachteilig ist es auch, wenn man darauf<br />

verzichtet und das Grundbedürfnis des Körpers<br />

nach Bewegung missachtet. Denn: Ein Mangel<br />

an vielfältiger und umfassender Bewegung<br />

führt dazu, dass die Faszien miteinander ‚verkleben’<br />

und ihre Elastizität einbüßen. Dies kann so<br />

weit gehen, dass Schmerzen und Bewegungseinschränkungen<br />

die Folge sind. Führt dann<br />

die Bewegungseinschränkung aufgrund der<br />

Schmerzen dazu, sich noch weniger zu bewegen,<br />

entsteht ein Teufelskreis.<br />

Natürlich unterliegt auch das Faziennetzwerk<br />

einem natürlichen Alterungsprozess, der mit einem<br />

Verlust an Beweglichkeit einhergeht. Aber<br />

man kann diesen Prozess durch ein entsprechendes<br />

Training verlangsamen und hinauszögern,<br />

da sich die Faszien bis ins hohe Alter immer<br />

wieder auf neue Belastungsreize einstellen<br />

und sich anpassen. Es ist also nie zu spät, mit<br />

dem Training zu beginnen.<br />

Beweglichkeit für alle Generationen<br />

Was kann ENERGY DANCE® leisten, um Beweglichkeit<br />

herzustellen und zu erhalten? Einige<br />

unserer Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die<br />

diese Sportart teilweise seit mehr als zwanzig<br />

Jahren ausüben, zählen mittlerweile zu der Altersgruppe<br />

60+. Sie sind von ihrem Bewegungsvermögen<br />

her für viele Jüngere ein deutliches<br />

Vorbild an Fitness, Vitalität und Lebensfreude.<br />

Tänzerisch flink, wendig und ausdrucksstark<br />

stehen sie den „jungen Hüpfern“ auch konditionell<br />

in nichts nach.<br />

Es gibt etliche Beispiele von Teilnehmenden,<br />

die u.a. durch regelmäßigen Besuch ihre gesundheitlichen<br />

Probleme in den Griff bekommen<br />

haben. Eine von ihnen litt z.B. an den Folgen<br />

einer Borreliose und konnte den Kontakt<br />

ihrer Füße zum Boden nicht mehr spüren. Auf<br />

einem Bein zu balancieren war ihr wegen ihres<br />

stark gestörten Gleichgewichtssinns nicht mehr<br />

möglich. Dank alternativer Heilmethoden und<br />

ENERGY DANCE® habe sie nicht nur ihre körperliche<br />

Gesundheit wieder erlangt, sondern sei<br />

so fit wie nie zuvor. Mittlerweile ist sie Trainerin<br />

und leitet mehrere Kurse pro Woche.<br />

Sicher ist es gut, frühzeitig mit gesundheitsfördernder<br />

Bewegung zu beginnen, um dem<br />

„Einrosten“ im Alter vorzubeugen. Gruppen<br />

wie die „Powerladies“ aus Berlin, deren Tänzerinnen<br />

teils erst im Seniorenalter sportlich aktiv<br />

wurden, sind allerdings der blühende Beweis,<br />

dass Beweglichkeit auch im gehobenen Alter<br />

(wieder-) zu erlangen ist. Die ältesten Teilnehmerinnen<br />

dieser Seniorengruppe sind heute<br />

über 80 Jahre alt und mittlerweile „fit wie ein<br />

Turnschuh“. Seniorensport? Von wegen! Zu intensiver<br />

Musik dauert der schweißtreibende<br />

Unterricht bei der Trainerin 90 Minuten, ebenso<br />

lang wie in den Gruppen für Jüngere. Klar, die<br />

Damen bleiben mehr „auf dem Boden“ als in anderen<br />

Kursen. Anstatt zu hüpfen wird gewippt,<br />

um die Gelenke zu schonen.<br />

Ansonsten gilt das ENERGY DANCE® - Prinzip:<br />

Für jede so viel, wie sie braucht. Ausmaß und<br />

Intensität werden von den Teilnehmerinnen<br />

selbst bestimmt. So können auch Neueinsteigerinnen<br />

mitmachen und von Anfang an Spaß<br />

haben.<br />

***<br />

Uwe Kloss<br />

Autorenprofil<br />

Uwe Kloss, Jahrgang 1950, hat ein Staatsexamen in Sportwissenschaft und Politologie und absolvierte zahlreiche Weiterbildungen, u.a. in den Bereichen<br />

Gymnastik, Tanz und Bewegung, Stretching, Funktionsgymnastik, Yoga, Tanztherapie, Energiearbeit und Entspannung. Er ist Dozent für verschiedene<br />

Sport- und Bildungsorganisationen im Bereich Gymnastik, Fitness und Tanz sowie Entwickler und Begründer der ENERGY DANCE® Methode. Seit<br />

1995 leitet er die ENERGY DANCE®- Academy für die Trainer-Ausbildung mit Zertifikats-Abschluss. Uwe Kloss ist zudem Vorstandsmitglied im ENERGY<br />

DANCE Sportverband e.V., Veranstalter von Winterurlaubsreisen der Konzeption ‚Ganzheitliches Skilaufen mit Inner Skiing’ für den Allegra Skiclub Berlin.<br />

uwe Kloss<br />

www.energydance.de<br />

32 <strong>ZT</strong> | <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> | <strong>ZT</strong> 33


LASS LOS!<br />

UND DU BIST MEISTER DEINER ZEIT<br />

VON PROF. DR. LOTHAR SEIWERT<br />

34 <strong>ZT</strong> | <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> | <strong>ZT</strong> 35


LASS LOS!<br />

UND DU BIST MEISTER DEINER ZEIT<br />

Wissen Sie oft nicht, was Sie<br />

zuerst tun sollen? Läuft Ihnen<br />

immer wieder die Zeit<br />

davon? Bekommen Sie<br />

Ihre Aktivitäten kaum<br />

mehr unter einen Hut? Sind Sie hin- und hergerissen<br />

zwischen beruflicher Belastung, den Bedürfnissen<br />

der Familie und Ihren eigenen Wünschen?<br />

Fühlen Sie sich gefangen in einem<br />

Korsett aus Terminen und Pflichten? Wenn Sie<br />

dem Beschleunigungstrend entkommen und<br />

zu einem bewussten und eigenständigen Umgang<br />

mit Ihrer Zeit gelangen möchten, dann<br />

begeben Sie sich mit mir auf eine Reise in die<br />

Welt des Konfuzius. Als Reiseleiter mit von der<br />

Partie ist ein chinesischer Glücksdrache, der das<br />

elementare Wissen, das vielen Menschen heute<br />

fehlt, in einer charmanten Parabel zum Leben<br />

erweckt. Weil ich im chinesischen Zeichen des<br />

Drachen geboren bin, habe ich eine besondere<br />

Vorliebe für Drachen. Sie sind im Gegensatz zu<br />

ihren europäischen Verwandten keine furchteinflößenden<br />

Ungeheuer, sondern sie symbolisieren<br />

Glück, Weisheit, Güte, Stärke, Frieden<br />

und göttlichen Schutz. Der Drache trägt die<br />

Hoffnungen der Menschen in den Himmel.<br />

Lektion 1: Fokussieren<br />

Konfuzius sagt:<br />

Am Baum der guten Vorsätze gibt es viele Blüten,<br />

aber wenig Früchte.<br />

Eine Langzeitstudie der Universität Harvard<br />

zeigt, dass Studienabgänger, die klare und<br />

schriftlich formulierte Ziele haben, später dreimal<br />

soviel wie ihre ehemaligen Kommilitonen<br />

verdienen, die sich im Leben einfach treiben<br />

ließen. Viele Menschen lassen jedoch alles auf<br />

sich zukommen, statt sich Ziele zu setzen. Der<br />

Stress, der dabei entsteht, ist hausgemacht.<br />

Wer sich nicht auf das fokussiert, was ihm wichtig<br />

ist, lebt in einem Ungleichgewicht zwischen<br />

dem, was er will, und dem, was er tut. Drei Etappen<br />

führen ans Ziel:<br />

1. Eine Bestandsaufnahme machen: Was<br />

zählt im Leben?<br />

2. Einen genauen Plan erarbeiten: Wie viele<br />

Schritte führen ans Ziel?<br />

3. Prioritäten setzen und nein sagen: Was ist<br />

wichtig? Was ist unwichtig?<br />

Lektion 2: Reduzieren<br />

2. Das Jetzt-Prinzip: Langweilige oder komplexe<br />

Aufgaben und Entscheidungen vor<br />

sich herschieben erzeugt unnötige Arbeitsberge.<br />

Wer alles, was sich innerhalb<br />

von fünf Minuten erledigen lässt, sofort<br />

tut, behält den Überblick und den Kopf<br />

frei für Wichtiges.<br />

3. Das „Lass andere für dich arbeiten“-Prinzip:<br />

Delegieren heißt das Zauberwort<br />

für einen reduzierten und vereinfachten<br />

Lebensalltag. Routineaufgaben, Erledigungen,<br />

organisatorische und ungeliebte<br />

Tätigkeiten frühzeitig abgeben!<br />

Lektion 3: Entschleunigen<br />

Konfuzius sagt:<br />

Es ist nicht von Bedeutung, wie langsam du<br />

gehst, so lange du nicht stehen bleibst.<br />

Die Tempogesellschaft schätzt Geschwindigkeit.<br />

Menschen, die unaufhörlich in Bewegung<br />

sind, erwecken den Eindruck, beschäftigt und<br />

damit wichtig zu sein.<br />

Wer der Hektik des Alltags entkommen und den<br />

Stress abschalten will, kann in drei Schritten<br />

entschleunigen:<br />

VON PROF. DR. LOTHAR SEIWERT<br />

Konfuzius sagt:<br />

Das Leben ist einfach, aber wir bestehen darauf,<br />

es kompliziert zu machen.<br />

Konfuzius sagt:<br />

Ein wahrhaft großer Mensch verliert nie die<br />

Einfachheit eines Kindes.<br />

1. Mit speziellen Achtsamkeitsübungen und<br />

einfachen Meditationspausen zur Ruhe<br />

kommen.<br />

Zunehmende Hektik im Alltag kann dazu führen, subjektiv immer schneller zu arbeiten und zugleich<br />

das Gefühl zu haben, zu wenig zu schaffen. Die Lehre des Konfuzius hilft auch heute dabei,<br />

sich von fremdbestimmtem Zeit- und Leistungsdruck zu befreien und die eigene Geschwindigkeit<br />

zu finden.<br />

Was der berühmte chinesische Gelehrte bereits<br />

vor 2.500 Jahren wusste, ist in unserer hektischen<br />

Gegenwart aktueller denn je. Die Zeiten<br />

mögen sich zwar verändert haben, doch die<br />

Zeit an sich bleibt immer gleich. Ein Tag hat 24<br />

Stunden und ist damit noch genauso lang wie<br />

zur Zeit des Konfuzius. Das Wissen des großen<br />

Philosophen half den Menschen seiner Zeit dabei,<br />

ihre Probleme zu bewältigen, und auch uns<br />

Menschen des 21. Jahrhunderts kann er noch<br />

dabei unterstützen. Die konfuzianische Weisheit<br />

ist scharfsinnig, kraftvoll, schlicht und zeitlos,<br />

ihre Lehre dreht sich um die Harmonie – das<br />

höchste Ziel, das ein Mensch nach Konfuzius erreichen<br />

kann. Zu Lebensbalance und -qualität<br />

findet, wer die folgenden fünf Lektionen lernt<br />

und beherzigt:<br />

Je komplexer und stressiger sich das Leben gestaltet,<br />

desto mehr wächst die Sehnsucht nach<br />

einfachen Formen und Strukturen. Zu viel Auswahl<br />

blockiert die Entscheidungskraft. Daher<br />

lautet die Devise: Weniger ist mehr. Sie gilt für<br />

den Arbeitsplatz genauso wie für die Beziehungen<br />

und die eigenen vier Wände. Drei Prinzipien,<br />

mit denen man sich von Unwesentlichem<br />

trennen und mehr Raum für wirklich Wichtiges<br />

schaffen kann:<br />

1. Das Bedürfnis-Prinzip: Was brauche ich<br />

wirklich zum Leben? Bei den meisten<br />

Menschen sind das ganz einfache Dinge<br />

wie der Duft einer Frühlingswiese oder<br />

das Lächeln ihrer Lieben. Kinder brauchen<br />

am allerwenigsten um glücklich zu sein.<br />

Sie widmen sich voller Leidenschaft dem,<br />

was sie gerade tun.<br />

2. Auf Zeitlupe schalten und mit Entschleunigungs-Strategien<br />

den Tempomat nach<br />

dem individuellen Wohlfühlgeschwindigkeit<br />

einstellen.<br />

3. Mit zielgerichtetem Nichtstun in eine<br />

gelassene Gangart umschalten. Das hat<br />

nichts mit Faulheit oder Arbeitsverweigerung<br />

zu tun, Mußestunden erhalten die<br />

Gesundheit, fördern die Kreativität und<br />

schaffen Raum für neue Erlebnisse.<br />

Lektion 4: Balancieren<br />

Konfuzius sagt:<br />

Die Lebensspanne ist dieselbe, ob man sie<br />

lachend oder weinend verbringt.<br />

Ein Leben in Balance erreicht man nicht, indem<br />

man das Berufsleben besser mit dem Privatleben<br />

koordiniert. Es geht nicht darum, mehr zu<br />

36 <strong>ZT</strong> | <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> | <strong>ZT</strong> 37


haben oder zu sein. Es geht um Lebensqualität.<br />

unter Stress. Der Grad der Selbstbestimmung<br />

Fazit: Mehr Zeit – aber nicht für Arbeit<br />

Sie und lässt sich auf drei Arten erreichen und<br />

sieht doch für jeden Menschen anders aus:<br />

1. Nach dem Fahrplan der inneren Uhr leben:<br />

Chronobiologen unterscheiden zwischen<br />

dem Morgentyp, der nach dem aufstehen<br />

fit ist, und dem Abendtyp, der nur<br />

schwer in die Gänge kommt.<br />

2. Gute Beziehungen: Ein erfülltes Privatleben<br />

ist der beste Schutz gegen Stress.<br />

3. Werte schaffen Eigen-Sinn. Sie bilden in<br />

unsicheren und schnelllebigen Zeiten ein<br />

stabiles Fundament, das Sicherheit gibt.<br />

Lektion 5: Selbstbestimmen<br />

Konfuzius sagt:<br />

Das Entscheidende am Wissen ist, dass man es<br />

beherzigt.<br />

Wer es sich in der eigenen Komfortzone bequem<br />

macht und die wichtigen Entscheidungen im<br />

entscheidet darüber, ob man das Leben aus<br />

freien Stücken genießen oder sich von Anderen<br />

unter Druck setzen lässt. Ein Mensch, der<br />

den Maßstab seines Handelns an den Urteilen<br />

Anderer ausrichtet, ist den Anforderungen von<br />

außen hilflos ausgeliefert. Selbstbestimmung<br />

steigert man in drei Stufen:<br />

1. Das Anti-Perfektionismus-Programm: Hinter<br />

perfektionistischem Denken stecken<br />

häufig negative Glaubenssätze und die<br />

Angst, zu versagen.<br />

2. Pro-Aktivität: Selbstbestimmte Menschen<br />

überlegen rechtzeitig, was sie wollen und<br />

welche Wirkung sie damit erzielen.<br />

3. Veränderungskompetenz: Ein Lernprozess,<br />

in dem man sich nach und nach<br />

Flexibilität und Know-how aneignet. Das<br />

Unmögliche ist erst schwer, das Schwere<br />

wird irgendwann leicht und das Leichte<br />

Konfuzius sagt:<br />

Nur wer mit dem Strom schwimmt, wird das Meer<br />

erreichen.<br />

Fokussieren, reduzieren, entschleunigen, balancieren<br />

und selbst bestimmen – das sind die<br />

besten Voraussetzungen für ein ent-stresstes<br />

Leben. Aber: Was tun mit der freien Zeit? Was<br />

nützt die Meisterschaft über die Zeit, wenn man<br />

dabei die Freude und das Glück aus den Augen<br />

verliert? Wer sich keine Zeit fürs Glück nimmt,<br />

läuft ihm immer hinterher – und wird es nie erreichen.<br />

Wer hingegen den Stress loslässt, hat<br />

beide Hände frei, um sein Glück beim Schopf<br />

zu packen. Der wahre Meister lädt sich nicht<br />

noch mehr Arbeit auf, sondern nutzt seine Zeit<br />

sinnvoll – auf der Suche nach dem persönlichen<br />

Lebenssinn. Wollen Sie wirklich schneller sein<br />

als das Glück? Wenn Sie lieber entschleunigen<br />

möchten, dann genießen Sie jeden Augenblick:<br />

Denn die glücklichste Zeit im Leben ist immer<br />

jetzt!<br />

***<br />

Die 10 Drachen-Gebote für wahre Meister der Zeit<br />

1. Formuliere deine Träume, Wünsche und Visionen als Ziele und folge ihnen.<br />

Sie bestimmen den Sinn und die Richtung deines Denkens und Handelns.<br />

2. Weniger ist mehr. Nimm dir nicht zu viel vor und verplane nicht deine gesamte Zeit. So bleibst du flexibel<br />

und bist weniger gestresst.<br />

3. Sorge für eine ausgewogene Zeit und Lebensbalance. Eine qualitative Zeitbalance zwischen allen Lebensbereichen<br />

ist wichtiger als eine quantitative.<br />

4. Konzentriere dich immer auf das Wesentliche. Du allein weißt, was das ist.<br />

5. Entfliehe der Dringlichkeitsfalle. Wenn du dringende Dinge erledigst, reagierst du nur. Tust du dagegen die<br />

wichtigen Dinge, dann agierst du.<br />

6. Plane regelmäßig und konsequent Zeit für dich selbst ein. Gönne dir diese Zeit für Muße, Nichtstun, zum<br />

Nachdenken und Pläneschmieden.<br />

7. Geh mit deiner Lebenszeit stets selbstbestimmt und souverän um. Lass dir keinen Zeit und Termindruck<br />

machen. Du bestimmst darüber, wie langsam oder wie schnell du gehen musst, um dein Ziel zu erreichen.<br />

8. Hör auf deine innere Weisheit und lerne, deinem Zeitgefühl, deiner Intuition und Inspiration zu vertrauen.<br />

9. Sei dankbar für die Erfolge und für alles, was dir Freude bereitet und dich glücklich macht.<br />

10. Verleugne niemals deine wahre Natur: Nur wenn du lebst, was du bist, kannst du erreichen, was du willst.<br />

Leben anderen überlässt, steht zwangsläufig<br />

am Ende schön.<br />

Lothar Seiwert<br />

MEHR INFORMATIONEN ZUM THEMA:<br />

Autorenprofil<br />

Prof. Dr. Lothar Seiwert, CSP, gilt als Europas einflussreichster Denker und Redner zu Fragen<br />

der Zeitautonomie. Mit mehr als 10 Awards ist er der am häufigsten ausgezeichnete Keynote-<br />

Speaker und Bestseller-Autor („Simplify your Life“, „Simplify your Time“, „Die Bären-Strategie“,<br />

„Ausgetickt“). Über 4 Mio. verkaufte Bücher und fast eine halbe Mio. Besucher seiner Seminare<br />

und Vorträge haben ihn zum „Zeitmanagement-Guru“ (Manager Magazin) und Top-Ten-Vortragsredner<br />

gemacht. Lothar Seiwert war Präsident der German Speakers Association (GSA).<br />

2010 wurde er in den USA mit dem höchsten und härtesten Qualitätssiegel für Vortragsredner,<br />

dem CSP = Certified Speaking Professional, ausgezeichnet.<br />

Lothar Seiwert<br />

LASS LOS UND DU BIST MEISTER DEINER ZEIT<br />

Mit Konfuzius entschleunigen und Lebensqualität gewinnen<br />

128 Seiten<br />

12,99 Eur[D]<br />

ISBN-13: 978-3833833908<br />

September <strong>2013</strong><br />

http://www.lothar-seiwert.de/top-10-publikationen/lass-los-und-du-bist-meister-deiner-zeit/<br />

Prof. Dr. Lothar seiwert<br />

www.lothar-seiwert.de<br />

38 <strong>ZT</strong> | <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> | <strong>ZT</strong> 39


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[...] signifikant höhere Messgenauigkeit und weniger Antwort-Verzerrungen [...]<br />

Dr. Susanne Steiner, Lehrstuhl für Psychologie, TU München<br />

Forschungsgebiet : Motivation, Volition & Selbstregulation


MARKETING<br />

IST EINE BESTÄTIGUNGSMASCHINERIE<br />

VON PROF. DR. CHRISTIAN BELZ<br />

Fachleute neigen dazu, sich gegenseitig zu bestätigen. Das ist menschlich. Bestätigung wirkt auch produktiv, sie beruht<br />

auf der Übereinstimmung von Beteiligten, sie selektioniert Phänomene aus der komplexen Wirklichkeit und verstärkt<br />

die Anstrengungen in einer Richtung. Kontraproduktiv wirkt Bestätigung erst dann, wenn sie sich auf vermeintliche<br />

Gesetzmäßigkeiten richtet, wenn sie verzerrt und verhindert, die Realität offen zu betrachten. Die These: Verbreitete<br />

Marketingerkenntnisse verbauen wirksame Lösungen, weil in den Augen der Spezialisten nicht sein kann, was nicht sein<br />

darf. Die gleichförmige Aus- und Weiterbildung der Marketingabsolventen an Universitäten und Fachhochschulen hat<br />

dazu wesentlich beigetragen.<br />

42 <strong>ZT</strong> | <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> | <strong>ZT</strong> 43


„<br />

Marketing ist pulverisiert<br />

„<br />

Es ist schwieriger geworden, so einzigartig und begehrenswert zu sein, dass sich<br />

Kunden auch bewegen. Gute Gedanken und Gefühle, Absichten oder angegebene<br />

Präferenzen in den Marktforschungen führen längst nicht zum Kauf; auch wenn<br />

ein Bild vom Menschen, der handelt, wie er denkt, positiv ist.<br />

Marketing ist inzwischen alles andere als eine homogene Disziplin. Das<br />

Sortiment von Ansätzen wuchert und reicht von Bio-Marketing, Jugendmarketing,<br />

Solution Provider, Value Pricing und Marketing über Customer<br />

Relationship Management und Social Media bis hin zu Eventmarketing.<br />

Wir unterscheiden inzwischen rund 150 relevante Ansätze. Während wir<br />

früher veritable Marketingverantwortliche antrafen, diskutieren inzwischen<br />

die Spezialisten unter sich. So bilden beispielsweise die Anhänger<br />

von Marken, Sponsoring, Events, CRM, Direct Marketing oder E-Marketing<br />

und Social Media jeweils eigene Gemeinschaften. Sie treffen sich zu Fachtagungen<br />

und feiern ihre Disziplin. Seltsamerweise gelingt es jedem Bereich,<br />

jeweils mit Charts zu belegen, dass die Bedeutung ihres Bereiches<br />

wächst und sie weisen auch den direkten Zusammenhang zum Erfolg von<br />

Unternehmen nach. Besucher mehrerer Tagungen sind irritiert, irgendwie<br />

gewinnen sie das Gefühl, sich jeweils in einem anderen Film zu bewegen.<br />

Alles wird offenbar wichtiger und mündet in einen Kampf der Disziplinen<br />

und Spezialisten. Auch innerhalb von Unternehmen brauchen besondere<br />

Marketingabteilungen inzwischen viel Kraft, um sich intern zu behaupten<br />

und laufend zu belegen, wie wichtig sie sind.<br />

Das Phänomen betrifft die Spezialisten in der Praxis und der Forschung<br />

und ist auch geprägt durch die handfesten Interessen der Dienstleister im<br />

Marketing. Während aber Marketingforscher besonders in ihren Lehrbüchern<br />

leicht ganz unterschiedliche Perspektiven addieren, müssen Unternehmen<br />

entscheiden, wofür sie ihren Marketing-Euro ausgeben.<br />

Fragliche Wirkung von Positionen und Images<br />

Verbreitet ist beispielsweise die Sichtweise zur Kraft von Marken, Emotionen,<br />

Bildern, Ästhetik und Positionierungen. Die Grundannahme: Positive<br />

sowie einzigartige Gedanken und Gefühle des Kunden zu Unternehmen<br />

oder Leistungen mobilisieren auch das Unterbewusste des Kunden und<br />

führen schließlich zum Kauf, dem automatischen Griff zum richtigen Produkt<br />

im Regal, zum Bestell-Button im Internet oder zur Wahl des Lieferanten.<br />

Kurz: Die Gedanken, Gefühle und Identifikationen führen zu Kaufhandlungen.<br />

Das mag vor allem für soziale Produkte teilweise stimmen, etwa für Luxus-Angebote<br />

oder sehr modische Produkte. Auch hier werden jedoch<br />

die Kundenhandlungen und der Kundenprozess wichtiger, seit sich selbst<br />

Anbieter von Tiernahrung glamourös inszenieren oder Billiganbieter globale<br />

Celebrities einsetzen.<br />

Es wird schwieriger, so einzigartig und begehrenswert zu sein, dass sich<br />

die Kunden auch bewegen. Gute Gedanken und Gefühle, Absichten oder<br />

angegebene Präferenzen in den Marktforschungen führen längst nicht<br />

zum Kauf; auch wenn das Bild vom Menschen, der handelt wie er denkt,<br />

positiv ist.<br />

Jede Kundenhandlung prägt zudem die Markenstärke und –dynamik<br />

weit mehr als die Gedanken des Kunden. So beruhen starke Marken wie<br />

Google und Amazon auf den Klicks im Internet, nicht auf Werbekampagnen.<br />

Das iPhone stützt sich auf das konkrete Erlebnis der Kundschaft,<br />

Autorenprofil<br />

Prof. Dr. Christian Belz ist Ordinarius für Marketing an der Universität St.<br />

Gallen und leitet dort das Institut für Marketing. Er ist einer der führenden<br />

Marketingwissenschaftler im deutschsprachigen Raum und steht für<br />

eine exzellente Verbindung von Wissenschaft und Praxis. Christian Belz<br />

ist Mitbegründer und Mitherausgeber der «Marketing Review St. Gallen»<br />

und Autor zahlreicher Fachbücher und Fachartikel.<br />

Prof. Dr. Christian belz<br />

www.unisg.ch<br />

wenn sie die Geräte in der Hand hält und bedient, kaum<br />

auf der Schattenwerbung von Apple. Damit wird die Beziehung<br />

von Ursache und Wirkung umgekehrt. Kundenhandlungen<br />

machen die Marke stark, nicht die Markenkampagnen<br />

bewirken Kundenhandlungen. Gleichwohl es hierbei<br />

natürlich auch ein Wechselspiel gibt.<br />

Kundenprozesse als Bezug<br />

Im Gerangel der Märkte mit Informationsflut, zahllosen Angeboten<br />

und vielen parallelen Kaufprozessen der Kunden<br />

funktioniert die Inszenierung meistens nicht. Die Kundin<br />

oder der Kunde durchläuft oft 20 bis 50 Zwischenschritte<br />

bis zum Kauf und es ist eine Illusion zu glauben, dass ein<br />

nettes Bild mit fröhlichen Senioren dazu führt, dass die<br />

Betrachter sich bewegen und beispielsweise ihre Altersvorsorge<br />

grundsätzlich neu regeln. Die Prozesse werden<br />

heute immer länger und sie werden auch häufig unterbrochen.<br />

Kaufprozesse fliessen und sind durch zahlreiche<br />

situative Gegebenheiten geprägt.<br />

Hier setzt ein Marketing an, das reale Kundenprozesse<br />

erfasst und wichtige Zwischenschritte von Abbruch oder<br />

Weiterführung identifiziert. Ein Marketing, dass die Muster<br />

der Kundenhandlungen aus dem analytischen Customer<br />

Relationship Management ableitet. Ein Marketing,<br />

welches den Kunden handeln lässt und schrittweise zum<br />

Kauf führt. Ein Marketing, welches sich nahe am Kunden<br />

bewegt, beim Kunden präsent ist und nicht abhebt. Naheliegend<br />

sind Instrumente wie persönlicher Verkauf, Direct<br />

Marketing, Telefonmarketing, Social Media und Internet.<br />

Nicht die Instrumente sind aber entscheidend, denn auch<br />

Medienkampagnen lassen sich auf Kundenhandlungen<br />

orientieren. Demgegenüber amüsiert ein Youtube-Filmchen<br />

oft die Masse, bewegt sich aber nur in der Gedankenwelt<br />

des Kunden und unterhält, entspricht also dem<br />

klassischen Markenverständnis.<br />

Führungskräfte brauchen die Lizenz zum Zweifel<br />

Das klassische Markenverständnis verbaut viele Wege<br />

zum wirksamen Marketing. Das Gegenteil von dem,<br />

was sich Marketingexperten gegenseitig bestätigen,<br />

kann hingegen oft richtig sein. Führungskräfte müssen<br />

ihren eigenen Weg finden, mit Augenmaß und gesundem<br />

Menschenverstand vorzugehen. Dazu brauchen<br />

sie die Lizenz zum Zweifel. Führungskräfte und<br />

Forscher, die offenbar wissen, wie es läuft, sind mir suspekt.<br />

***<br />

Christian Belz<br />

Marketing gegen den Strom<br />

Misstrauen Sie Trends und Experten –<br />

Finden Sie Ihren eigenen Weg!<br />

Christian Belz<br />

Trends und Expertenmeinungen hinterfragen.<br />

Auf diese Weise spürt Christian Belz 33 Marketing-Irrtümer<br />

auf – Aktionsfeld um Aktionsfeld.<br />

Sein Fazit: Wer Trends gegenüber kritisch<br />

bleibt und eigene Wege geht, hat bessere Karten.<br />

Das gelingt mit «zumutbarem» Marketing<br />

statt unbegrenzter Kundenorientierung, mit<br />

mehr Sein als Schein, mit dem Fokus auf der<br />

Umsetzung statt auf Konzepten. Ein frisches<br />

Buch, das für die 2. Auflage vollständig überarbeitet<br />

und erweitert wurde. Mit vielen wissenschaftlichen<br />

Studien und Praxisbeispielen.<br />

* Neue Impulse für Marketingprofis.<br />

* Alle relevanten Aktionsfelder auf dem<br />

Prüfstand.<br />

* Leitfaden für ein authentisches, unverwechselbares<br />

und wirksames Marketing.<br />

* In vierfarbigem Layout mit vielen Abbildungen.<br />

Stuttgart: Schäffer-Poeschel 2012<br />

2., überarbeitete und aktualisierte Auflage<br />

XVII, 174 Seiten, gebunden, 4-farbig<br />

CHF 54.–/EUR 39.95<br />

ISBN 978-3-7910-3199-6<br />

www.thexis.ch<br />

44 <strong>ZT</strong> | <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> | <strong>ZT</strong> 45


Das Veranstaltungsformat für HR-Verantwortliche,<br />

Marketing-Leiter, Kongressveranstalter und<br />

Referenten- oder Eventagenturen, die auf der Suche<br />

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Verschaffen Sie sich live<br />

einen Überblick über Wirkung,<br />

Stil und Vortragsinhalte<br />

von 16 Rednern der GSA!<br />

BUSINESS<br />

FORUM 2014<br />

27. März 2014 in Frankfurt<br />

Dr. Jens Wegmann<br />

Kommunikationschancen<br />

2014<br />

Susanne Wendel<br />

work-life-fun-balance!<br />

Daniel Enz<br />

Die Generation<br />

KundenBRATER 3.0<br />

Martin Müller<br />

Online finden – Offline binden:<br />

Soziale Netzwerke<br />

für hochwertige Kontakte<br />

Josua Kohberg<br />

GLÜCKREICH ® –<br />

lebe glücklich und<br />

erfolgreich!<br />

Nils Bäumer<br />

Kreativität ist Science<br />

Fiction – Gehirnlust statt<br />

Ideenfrust<br />

Jan Thorsten Eßwein<br />

Selbstmanagement durch<br />

Achtsamkeit – Auf das<br />

Wesentliche fokussieren<br />

Stefan Dudas<br />

Bewusstsein 3.0 für Selbstdenker –<br />

Was wir von DSDS & RTL2-<br />

Reportagen lernen können<br />

Dr. Carl Naughton<br />

NEUGIER – ein Impuls,<br />

der die Welt antreibt<br />

Christoph Burkhardt<br />

Die Evolution von Ideen –<br />

warum gute Ideen nicht<br />

automatisch überleben<br />

Markus Jotzo<br />

Loslassen für Führungskräfte<br />

– Mitarbeiter<br />

in die Verantwortung<br />

Mira Christine Mühlenhof<br />

Und warum sind Sie heute<br />

morgen aufgestanden?<br />

Was uns wirklich antreibt<br />

Stefan Hagen<br />

Hagen rüttelt wach –<br />

Chancen verschlafen<br />

gilt nicht!<br />

Stefan Dederichs<br />

Brennt die Flamme in Dir?<br />

Ein Erfolgsschlüssel<br />

der Spitzenverkäufer!<br />

Cordula Nussbaum<br />

Geht doch!<br />

Tun Sie doch, was Sie<br />

wirklich wollen! Jetzt!<br />

Gerriet Danz<br />

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diesen gerne nachkommen!<br />

46 <strong>ZT</strong> | <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> | <strong>ZT</strong> 47


DIE<br />

SCHLÜSSELFRAGEN<br />

ZUR EINZIGARTIGKEIT<br />

VON OTTO BELZ<br />

48 <strong>ZT</strong> | <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> | <strong>ZT</strong> 49


DIE<br />

SCHLÜSSELFRAGEN<br />

ZUR EINZIGARTIGKEIT<br />

VON OTTO BELZ<br />

Was würde fehlen auf der Welt, wenn es mein Unternehmen nicht gäbe? So lautet eine der Schlüsselfragen,<br />

die sich Unternehmen in gesättigten Märkten stellen müssen. Wer dazu eine kurze, klare<br />

Antwort hat, weiß, auf welche Aufgaben er sich konzentrieren kann, worin die Einzi gartigkeit seiner<br />

Leistungen besteht, wer zu seinen Kunden gehören soll und wer nicht. Wem es nun noch<br />

gelingt, die Preise entsprechend seinen Leistungen zu gestalten und durch eine wirkungsvolle<br />

Kommunikation Kunden zu gewinnen, die zu ihm passen, wird nicht nur erfolgreich, sondern<br />

auf dem besten Wege sein, ein einzigartiges Unternehmen zu führen. Und dabei gutes Geld zu<br />

verdienen.<br />

1.<br />

Die Ausgangslage: Warum<br />

müssen wir einzigartig sein?<br />

Auf unseren Märkten ist das Angebot<br />

höher als die Nachfrage.<br />

Deshalb gilt: Wer als Anbieter tut, was auch die<br />

Anderen tun, wird überflüssig. Wenn alle gleich<br />

sind, kauft der Kunde dort, wo er die niedrigsten<br />

Preise bekommt. Das ist das Gesetz, durch<br />

das Unternehmen ihre Rentabilität verlieren<br />

und an dem sie schließlich zerbrechen können.<br />

Es genügt nicht mehr, das angestammte Geschäft<br />

immer besser, schlanker und effektiver<br />

abzuwickeln. Die Nachfrage ist gering, der Konkurrenzdruck<br />

groß, die Kunden haben die bewährten<br />

Geschäftsbeziehungen früherer Jahre<br />

vergessen, von grundlegender Treue ist nicht<br />

mehr auszugehen.<br />

Erfolgreich ist zunehmend nur, wem es gelingt,<br />

sich von seinen Konkurrenten abzusetzen und<br />

sich ein Alleinstellungsmerkmal zu erarbeiten.<br />

Niemand aber bereitet uns darauf vor, anders<br />

als die Anderen zu sein. In Kursen und Seminaren<br />

lernt man, wie es gemacht wird; Berater<br />

erklären, welche die Spielregeln einer Branche<br />

sind. Wer eine besonders gute Lösung entwickelt<br />

hat, wird sofort kopiert. Wer lange genug<br />

im Geschäft ist, weiß, wie es geht, und weil die<br />

Anderen auch schon eine Weile dabei sind, ist<br />

man sich einig. Die Erfahrungen Einzelner verdichten<br />

sich so zu kollektiven Irrtümern, die<br />

man schließlich für Wahrheiten hält.<br />

Die wichtigste Fähigkeit, die ein Unternehmen<br />

in Zukunft haben muss, ist es, einen eigenen<br />

Weg zu finden, sich zu differenzieren. Die<br />

Möglichkeiten dazu sind so vielfältig wie die<br />

Unternehmen selbst. Ein paar Schlüsselfragen<br />

können jedoch helfen, die richtigen Antworten<br />

zu finden.<br />

2. Die Aufgabe: Wofür will ich zuständig<br />

sein?<br />

Der Kunde kauft heute situativ. Wenn ihm eine<br />

Sache wichtig ist, möchte er höchste Kennerschaft<br />

beweisen, will beste Qualität und ist<br />

bereit, dafür Spitzenpreise zu zahlen. Ist eine<br />

Sache für ihn weniger wichtig, spart er, kauft<br />

Produkte und Leistungen, die für ihn zum tiefstmöglichen<br />

Preis den Grundnutzen - und nur<br />

diesen - erfüllen. Der gleiche Konsument leistet<br />

sich möglicherweise Ferien auf den Malediven,<br />

kauft sich ein teures Rennrad, einen Kaschmir-<br />

Pullover oder eine Stereoanlage für 15.000<br />

Euro. Gleichzeitig wohnt er in einer bescheidenen<br />

Wohnung, verzichtet auf ein größeres Auto,<br />

spart vielleicht sogar an der Qualität des Essens.<br />

Die Konsequenzen: Die Marktsegmentierung<br />

nach Zielgruppen wird immer schwieriger. Wer<br />

sich situativ verhält, ist nur schwer mit statistischen<br />

Grössen einzufangen. Gleichzeitig sind<br />

die Märkte in ihrer Spitze breiter geworden,<br />

denn viel mehr Personen nehmen daran teil<br />

und finanzieren sich ihre Spitzenprodukte dort<br />

durch Einsparungen in anderen Lebensbereichen.<br />

Die wichtigste Konsequenz aus diesem<br />

situativen Verhalten aber ist: An der Spitze zu<br />

stehen bedeutet, zu wissen, für welche Bedürfnissituation<br />

man zuständig ist - und für welche<br />

nicht. Für das Bedürfnis, sich schnell und einfach<br />

einzurichten, steht vielleicht IKEA genauso<br />

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an der Spitze wie Wellis oder Interlübke in einer<br />

anderen Welt. Swatch ist nicht mit IWC zu vergleichen,<br />

aber für das Bedürfnis „momentaner<br />

Spaß“ am Handgelenk steht Swatch genau so<br />

an der Spitze, wie IWC dies in einem anderen<br />

Bereich tut.<br />

Einzigartigkeit beginnt damit, dass man weiß,<br />

für welche Aufgabe oder Bedürfnissituation<br />

ein Unternehmen zuständig ist. Einzigartigkeit<br />

ist verbunden mit der Fähigkeit, eine ganz bestimmte<br />

Aufgabe oder Problemstellung besser<br />

zu lösen, als dies sonst jemand tut. Herausragend<br />

wichtig dabei ist es, diese Aufgabe auch<br />

formulieren zu können. Der Beschlägehersteller<br />

Blum hat schon lange aufgehört, sich als Produzent<br />

von Rollschubführungen und Beschlägen<br />

zu betrachten: Er erfüllt die Aufgaben, die nötig<br />

sind, um das Innenleben einer Küche gestalten<br />

zu können. Steeltec verkauft nicht einfach<br />

Spezialstähle, sondern hilft seinen Kunden dabei,<br />

die Möglichkeiten des Werkstoffes für eine<br />

wirtschaftliche Teileproduktion zu nutzen. Und<br />

das Hotel Therme in Vals ist nicht einfach ein<br />

schönes Hotel in einem ebenso schönen Tal,<br />

sondern es hat sich der Aufgabe verschrieben,<br />

den Gästen ein guter Partner zu sein, wenn sie<br />

sich für einige Tage eine Auszeit gönnen. All<br />

dies sind Positionierungen, die eine klare Aufgabenstellung<br />

beschreiben. Eine Aufgabenstellung,<br />

die deutlich macht, welche Kunden<br />

zum Unternehmen passen und welche nicht<br />

und aus der sich im Sinne einer Ausrichtung sofort<br />

Rückschlüsse auf benötigte Produkte und<br />

Dienstleistungen ziehen lassen.<br />

3. Die Leistung: Warum lösen wir die<br />

gewählte Aufgabe besser?<br />

In den wenigsten Fällen beschränkt sich die<br />

Leistung eines Unternehmens auf das bloße<br />

Produkt. Mit diesem ist meist ein ganzes Leistungspaket<br />

verbunden, das sich allerdings im<br />

Preis des einzelnen Produkts niederschlägt. Ein<br />

breites Sortiment, kompetente Beratung und<br />

schnelle Verfügbarkeit gehen ebenso in den<br />

Produktpreis ein wie die Schulung des Kunden,<br />

die Attraktivität eines Geschäfts oder geforderte<br />

Finanzierungserleichterungen. Dadurch wird<br />

der Produktpreis höher als der des Konkurrenten,<br />

der ausschließlich seine Produkte, ohne<br />

weitere Dienstleistungen, verkauft.<br />

Wenn es jedoch nicht mehr gelingt, die Vorteile<br />

einer Zusammenarbeit an jedem einzelnen<br />

Produkt zu belegen, genügt es auch nicht, die<br />

dazugehörenden Dienstleistungen aufzuzählen.<br />

Es gilt, den Kunden davon zu überzeugen,<br />

dass es besser ist, nicht ein einzelnes Produkt<br />

zu evaluieren, sondern einen Partner zu wählen,<br />

mit dem sich Geld verdienen lässt. Denn<br />

dazu sind Dienstleistungen da: Sie sparen Lagerkosten,<br />

helfen verkaufen, ermöglichen es,<br />

den eigenen Produktionsprozess schlanker und<br />

wirtschaftlicher zu gestalten. Sie stärken die<br />

Wettbewerbskraft des Kunden, erst damit sind<br />

sie ihr Geld wert.<br />

4. Der Wert: Lässt sich mit unseren Preisen<br />

Geld verdienen?<br />

Immer häufiger neigen auch Unternehmen mit<br />

hervorragenden Leistungen dazu, bei der Preisfestsetzung<br />

auf die Konkurrenz zu schauen. Sie<br />

vergleichen nur noch Preise, nicht mehr Qualitäten.<br />

Zunehmend lassen sich Marketingleute<br />

von Verkäufern anstecken und konzentrieren<br />

ihre Anstrengungen darauf, den Kunden offen<br />

oder versteckt mit Preisnachlässen zu ködern.<br />

Dabei geht es nicht nur um Rabatte, Tiefstpreise<br />

und Rückvergütungen - wer eine Hose, eine<br />

Pumpe oder eine neue Bohrmaschine kauft,<br />

bekommt dazu noch eine Uhr, ein Mittagessen<br />

oder ein Los für eine Südsee-Reise geschenkt.<br />

So wird der Kundschaft zu verstehen gegeben:<br />

Wenn die Leistung nichts wert ist, so kauf wenigstens<br />

auch das Zusatzprodukt.<br />

Ein Preis ist ein Preis und keine Verhandlungsbasis.<br />

Wenn es dem Marketing nicht gelingt,<br />

Qualitäts- und Leistungsunterschiede sichtbar<br />

zu machen und die Verkäufer in ihren Verhandlungen<br />

für höhere Preise zu stärken, stimmt etwas<br />

nicht.<br />

5. Die Kommunikation: Wie prägen wir das<br />

Bild, das unsere Kunden von uns haben?<br />

Der Konkurrenzkampf spielt sich im Kopf des<br />

Kunden ab. Seine Sicht der Dinge wird als wichtiges<br />

Element des Marketings neu entdeckt,<br />

und so schwer dies manchmal zu verstehen<br />

ist, die gleichen Leistungen können sehr unterschiedlich<br />

wahrgenommen werden. Natürlich<br />

prägt neben den Leistungen auch die Art<br />

und Weise, wie sie erbracht werden, unser Bild<br />

beim Kunden. Wenn es gut geht, enthält die<br />

Werbung ein Leistungsversprechen, das eingehalten<br />

werden kann, und der Verkäufer stiftet<br />

Vertrauen, anstatt es zu verspielen. Immer<br />

wichtiger werden die Kontaktpunkte, durch<br />

die der Kunde mit dem Unternehmen in Berührung<br />

kommt: die Rechnung, die ihm geschickt<br />

wird, das Angebot, das genauso aussieht wie<br />

das der Konkurrenz, aber im Preis höher liegt,<br />

die Mails und die Briefe, die dem Kunden deutlicher<br />

als jeder Prospekt zeigen, ob man auf<br />

seine Anliegen eingeht und wie wertvoll er für<br />

den Absender ist. „Zwischen den Zeilen“ wird<br />

in Gebrauchsanweisungen, im Briefverkehr<br />

und auf der Homepage vieles erzählt, was der<br />

Kunde wissen will. Und der Kunde interpretiert<br />

unweigerlich diese Botschaften und zieht seine<br />

Schlüsse daraus. Die meisten Unternehmen<br />

haben die Bedeutung dieser Botschaftsüberbringer<br />

erkannt, analysieren sie und beurteilen,<br />

ob sie dem Kunden wirklich das erzählen, was<br />

gewünscht ist.<br />

Gute Leistungen sind heute meist nicht nur<br />

etwas teurer als die, die in rauen Mengen den<br />

Markt überschwemmen. Außergewöhnlich Gutes<br />

ist deutlich teurer, manchmal nur für den<br />

zwei- oder dreifach höheren Preis zu haben. Mit<br />

Recht stellt sich dabei die Frage, was der Kunde<br />

über diesen Mehrwert teurer Leistungen weiß,<br />

ob er den Nutzen erkennt, der damit verbunden<br />

ist. Wenn nicht, wer erzählt es ihm, wenn<br />

nicht das Unternehmen, das diese guten Leistungen<br />

verkaufen möchte? Es ist oft erstaunlich,<br />

wie wenig professionell Unternehmen mit<br />

herausragenden Leistungen ihre Kommunikation<br />

betreiben. Oder, noch schlimmer, sie diese<br />

ganz ihrer Agentur überlassen.<br />

6. Die Nachhaltigkeit: Wie durchdacht und<br />

stimmig sind unsere Konzepte?<br />

Nur Marketingmaßnahmen, die sich im Zeitablauf<br />

gegenseitig verstärken, sind erfolgreich.<br />

Maßnahmen der Gegenwart sollten die der<br />

Vergangenheit nutzen und ein Fundament für<br />

die Maßnahmen der Zukunft sein. Das ist nachhaltiges<br />

Marketing: Sorgfältig und durchdacht,<br />

kontinuierlich in seiner Wirkung und haushälterisch<br />

klug im Umgang mit den eingesetzten<br />

Mitteln.<br />

Die Realität jedoch sieht häufig anders aus.<br />

Hier beginnt das Leben mit jeder Budgetperiode<br />

neu. Bedenkenlos werden Kampagnen<br />

gewechselt, Marken umgetauft, Produkte vom<br />

Markt genommen oder neu eingeführt. Ein Verkäuferwettbewerb<br />

folgt dem anderen, die Kunden<br />

werden mit einem Wust von halbfertigen<br />

Dienstleistungen zugedeckt und mit zahllosen<br />

Events geködert. Es heißt, der Schnellere fresse<br />

den Langsameren und es sei alleweil besser,<br />

sofort etwas halbwegs Richtiges zu tun, als Zeit<br />

mit der<br />

„<br />

Suche nach der besten Lösung zu verschwenden.<br />

Hauptsache, es läuft etwas.<br />

Wer Marketing so betreibt, bleibt wirkungslos.<br />

Er wird über kurz oder lang wegrationalisiert,<br />

weil er Jeden verärgert, dem Produkte oder<br />

Kunden wichtig sind. Langsam setzt sich die<br />

Erkenntnis durch: Wer schnell sein und flexibel<br />

handeln will, kann dies nur auf der Grundlage<br />

durchdachter Konzepte tun.<br />

7. Die Innovation: Wie können wir unsere<br />

Aufgaben immer wieder besser lösen?<br />

Spitzenpositionen müssen immer wieder neu<br />

besetzt werden. Dem Besten kleben die Konkurrenten<br />

an den Fersen, sie kopieren seine<br />

Innovationen und Produkte. Zur Führung einer<br />

Spitzenposition gehört deshalb die Fähigkeit,<br />

in einer ganz bestimmten Entwicklungsrichtung<br />

immer wieder wegweisende Leistungen<br />

auf den Markt zu bringen und durchzusetzen.<br />

Wichtig ist dabei, dass jede neue Leistung die<br />

Glaubwürdigkeit des Unternehmens sichtbar<br />

macht und in den Augen der Kunden und der<br />

eigenen Belegschaft die Stärken der eigenen<br />

Leistung zum Ausdruck bringt.<br />

8. Das Anspruchsniveau: Gelingt es uns,<br />

auch die Ansprüche der Kenner und<br />

Liebhaber zu befriedigen?<br />

Sich nach oben abzuheben heißt, sich konsequent<br />

auf hohe Ansprüche, Denkweisen und<br />

WER SCHNELL SEIN UND FLEXIBEL HANDELN<br />

WILL, KANN DIES NUR AUF DER GRUNDLAGE<br />

DURCHDACHTER KONZEPTE TUN.<br />

Charakteristiken von Kennern und Liebhabern<br />

auszurichten. Nur der Kenner macht sich die<br />

Mühe, durch immerwährendes Vergleichen<br />

und intensive Auseinandersetzung das eigene<br />

Beurteilungsvermögen zu verfeinern. Nur er<br />

erkennt schließlich den kleinen, aber wichtigen<br />

(und unheimlich teuren) Unterschied, durch<br />

den sich das Bessere vom Guten abhebt.<br />

Es ist schwer, für Kenner zu arbeiten: Sie sind<br />

kritisch, empfindlich, kompromisslos in ihren<br />

Forderungen und unerbittlich, wenn ihre Erwartungen<br />

enttäuscht werden. Die Zusammenarbeit<br />

mit ihnen aber trägt gleichzeitig<br />

die Möglichkeiten des Fortschrittes in sich, die<br />

Chancen zu lernen, eben besser zu werden und<br />

weiterhin an der Spitze zu stehen, gleich, ob es<br />

sich dabei um Lastwagen, Köstlichkeiten der<br />

Nouvelle Confiserie, oder Konzertflügel handelt.<br />

9. Die Marktforschung: Brauchen wir sie<br />

wirklich?<br />

„Gib dem Kunden, was er will - und zwar sofort“<br />

fordern Marketingleute. Sie fragen jeden, was<br />

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ihm sonst noch helfen könnte, zersplittern ihre<br />

Kräfte, entwickeln eine Flut von Produktvarianten<br />

und Dienstleistungen, die am Schluss doch<br />

niemand kauft.<br />

Die meisten Kunden wissen nicht so genau, was<br />

sie brauchen. Nach bestem Wissen teilen sie<br />

zwar mit, was sie sich vorstellen – aber das ist<br />

selten die Leistung, die auch ihre Probleme löst.<br />

Hier lohnt es sich, strikt zu trennen zwischen<br />

dem Problem des Kunden und dem Angebot,<br />

das es löst. Die Probleme und Schwierigkeiten<br />

der Kunden kann man erfragen, sehen, herausfinden<br />

- für die Lösung ist der Leistungserbringer<br />

zuständig. Er hat die Kompetenz und<br />

das Know-how und nur er kann entscheiden,<br />

welche Leistungen er anbieten und wovon er<br />

besser die Finger lassen sollte. Denn gemessen<br />

werden seine Leistungen nur an ihrer Fähigkeit,<br />

die Probleme des Kunden zu lösen, ganz unabhängig<br />

davon, welche Leistungen von welchen<br />

Kunden vorgeschlagen worden sind.<br />

Viel wichtiger als Marktforschung sind erfahrungsgemäß<br />

regelmäßige Gespräche der<br />

Führungskräfte mit Kunden, vorzugsweise mit<br />

denen, die zu den Kennern gehören. Zwar las-<br />

können - dafür aber übermittelt der Kunde im<br />

Gespräch die Wichtigkeit eines Problems. Es<br />

werden Problemerlebnisse geschaffen und<br />

Suchspannungen aufgebaut, die letztendlich<br />

die Grundlage jeder Verbesserung darstellen.<br />

Jetzt erst sollte man über Marktforschung reden.<br />

10. Die Mitarbeiter: Gelingt es, sie für eine<br />

gemeinsame Aufgabe zu gewinnen?<br />

Nichts prägt das Bild eines Unternehmens stärker<br />

als seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.<br />

So, wie Führungskräfte mit ihren Mitarbeitern<br />

zusammenarbeiten, gehen diese mit den Kunden<br />

um.<br />

Wenn Mitarbeiter nach Regeln und Anweisungen<br />

geführt werden, werden sie diese Regeln<br />

befolgen - und kaum je einen Kunden individuell<br />

behandeln. Wenn klare Verantwortlichkeiten<br />

und Pflichten wichtig sind, werden Mitarbeiter<br />

diese erfüllen - und arbeiten, weil sie zuständig<br />

sind und nicht, um ein Problem zu lösen. Wenn<br />

wir Verkäufer mit ausgefeilten Bonus- und Provisionsplänen<br />

motivieren, werden diese auch<br />

ihre Beratung danach ausrichten und nicht<br />

nach dem Kunden.<br />

überzeugt sind, können diese Überzeugung<br />

auch nicht auf den Kunden übertragen. Wie soll<br />

der Kellner einen teuren Wein empfehlen, wenn<br />

er nur Bier trinkt; wie soll ein Versicherungsvertreter<br />

auch nur einen Termin bekommen, wenn<br />

er schon vorher das Gefühl hat, seine Kunden<br />

nur zu stören und wie soll der Maschinenverkäufer,<br />

dessen Maschine ein Drittel teurer ist als<br />

die der Konkurrenz, aber in seinen Augen auch<br />

nicht viel mehr kann, bei Preisverhandlungen<br />

hart bleiben?<br />

Zusammenfassung: Marketing wandelt sich<br />

Das Marketing, wie es in den letzten Jahren in<br />

vielen Unternehmen betrieben wurde, stirbt.<br />

Die Zeit der Checklisten, der sicheren Rezepte<br />

und Regeln, der richtigen Antworten und ausgefeilten<br />

Methoden geht zu Ende. Glücklicherweise,<br />

denn damit rutscht das Marketing aus<br />

der Hand der Experten in die Verantwortung<br />

derer, die zu verstehen suchen, die neugierig<br />

sind, mehr fragen als wissen und verzaubert<br />

sind von der Aufgabe, die sie erfüllen. Und die<br />

bereit sind, einen eigenen Weg zu gehen.<br />

Wo bist Du?<br />

sen sich daraus keine Erkenntnisse gewinnen,<br />

die mit genauen Prozentzahlen belegt werden<br />

Es liegt auf der Hand: Mitarbeiter, die nicht restlos<br />

von den Leistungen ihres Unternehmens<br />

***<br />

Otto Belz<br />

Autorenprofil<br />

Otto Belz, Unternehmer aus Leidenschaft, steht für Marketing und Unternehmensführung mit<br />

gesundem Menschenverstand. Der Schweizer führt die Geschäfte der internationalen Beratungsfirma<br />

perSens AG seit 30 Jahren. Zu seinen Kunden zählen namhafte Konzerne und mittelständische<br />

Unternehmen. Otto Belz hat sich der Aufgabe verschrieben, die Einzigartigkeit seiner Kunden zu<br />

entwickeln und sichtbar zu machen – eine der wesentlichen Voraussetzungen, um sich in gesättigten<br />

Märkten erfolgreich durchzusetzen. Er ist anerkannter Experte für Unternehmensführung<br />

und Marketing, Aufsichtsratsmitglied und Mitinhaber einer ganzen Reihe von mittelständischen<br />

Unternehmen. Gleichzeitig ist er Herausgeber der Schweizer Fachzeitschrift „index – Management<br />

mit gesundem Menschenverstand“. In Seminaren und Vorträgen begeistert er die mit seinem<br />

Engagement, seiner Klarheit und seinen praxisnahen Inhalten.<br />

Otto belz<br />

www.persens.com<br />

www.eiskimo-watch.de<br />

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QUELLEN<br />

DES GLÜCKS<br />

VON WILHELM SCHMID<br />

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QUELLEN<br />

DES GLÜCKS<br />

VON WILHELM SCHMID<br />

Die Frage, was Glück eigentlich genau ist, wird uns Menschen wohl ewig beschäftigen. Was ein<br />

glücklicher Moment ist, kann hingegen Jede/r beantworten. So sollten wir vielleicht weniger über<br />

das Glück grübeln und uns mehr den kleinen Glücksbringern hingeben, die uns täglich umgeben.<br />

Wie bei so vielem stellt sich auch hier heraus: Nur das rechte Maß macht wirklich glücklich.<br />

Viele Menschen beschäftigt die Frage:<br />

Was ist Glück? Und vor allem: Wo ist<br />

es zu bekommen? Nicht das gesamte<br />

Leben kann aus Glück bestehen,<br />

aber das Glück, das Menschen fürs<br />

Leben brauchen, ist überall zu finden: Unsere Kultur<br />

steckt voller Angebote, die Momente des Glücks<br />

versprechen, denn auch frühere Generationen haben<br />

daran gearbeitet und Möglichkeiten zum Erleben<br />

von Glück geschaffen. Damit ist nicht gleich die<br />

Hochkultur gemeint, sondern erst einmal die Alltagskultur.<br />

An den folgenden Beispielen kann man<br />

im Kleinen für sich die Frage beantworten: Was bedeutet<br />

Glück für mich? Wo kann ich es finden? Was<br />

kann ich dafür tun?<br />

Es ist die Liebe zum Essen, die Menschen glücklich<br />

macht und dem Leben viel Sinn geben kann. Eine<br />

liebevolle zubereitete Mahlzeit ist Ausdruck der<br />

Liebe zu sich selbst und zu Anderen. Zudem<br />

regt sie zu einem bewussten<br />

und besonnenen Umgang mit<br />

Ernährungsfragen an. Seit in<br />

westlichen Industrienationen<br />

beliebig viele Nahrungsmittel<br />

zur Verfügung stehen, ist hier<br />

die Versuchung groß geworden,<br />

ebenso beliebig zu konsumieren,<br />

ohne Rücksicht auf die<br />

Konsequenzen für sich und Andere.<br />

Das Glück des genussvollen<br />

Essens erfordert hier, achtsam und<br />

maßvoll zu sein, ohne auf jede<br />

Bratwurst zu verzichten.<br />

Glücklich macht, was<br />

schmeckt. Aber jeden<br />

Tag Bratwurst<br />

macht auf Dauer<br />

unglücklich.<br />

Auch bei der Liebe<br />

zum Wein<br />

kommt es darauf<br />

an, ein eigenes Maß zwischen<br />

den Ex tremen des Zuviel<br />

und Zuwenig zu finden.<br />

Seit jeher wird die anregende<br />

Wirkung des Weines geschätzt,<br />

aber auch gefürchtet,<br />

denn „Der erste Becher ist für<br />

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den Durst, der zweite für die Fröhlichkeit, der<br />

dritte für den Genuss und der vierte für die Tollheit.“,<br />

wie schon der antike Schriftsteller, Redner<br />

und Philosoph Lucius Apuleius (um 125-180 n.<br />

Chr.) wusste. Weinliebhaberinnen und -liebhaber<br />

verfeinern ihr Hobby noch durch die Kenntnis<br />

der Rebsorten, Anbaugebiete, Lagen und<br />

Böden; sie kennen die Sonnentage eines Jahrgangs<br />

und die Menge der geernteten Trauben;<br />

ihren Wein beziehen sie am liebsten von den<br />

Weinbauern, die sie persönlich kennen.<br />

Ohne guten Kaffee könnte ich persönlich nicht<br />

leben. Die Liebe zum Kaffee ist, wie jede andere,<br />

außer auf die naturgegebene Fähigkeit zur<br />

Ekstase auch auf die zur Askese angewiesen:<br />

Wer das Getränk liebt, kommt nicht umhin,<br />

gelegentlich Verzicht zu üben, um sich den<br />

Genuss zu erhalten und den Körper nicht zu<br />

übersäuern. Den Kaffee schlückchenweise zu<br />

trinken und geruhsame Pausen zu machen, ist<br />

bekömmlicher, als ihn achtlos in sich hineinzuschütten.<br />

Von selbst entfaltet sich dann die flirrende<br />

Wirkung in allen Adern, die stundenlang<br />

vorhält; der Gaumen kostet den charakteristischen<br />

Geschmack den ganzen Tag lang nach.<br />

Genüsse des Essens und Trinkens, Anreize für<br />

alle Sinne und Sinn-Ebenen sind ein Grund für<br />

die Liebe zum Fest. Bereits die antiken Dionysien<br />

setzten Körper und Geist mit Musik, Tanz<br />

und Theater in Bewegung und erzeugten mit<br />

sinnlichen Mitteln ekstatische, transzendente<br />

Zustände, die die Menschen mitreißen und<br />

über sich hinaustreiben können. Moderne Dionysien<br />

werden in Klubs, auf Tanzflächen und<br />

in Darkrooms rund um den Planeten gefeiert.<br />

Von ebensolcher Bedeutung sind private Feste,<br />

Geburtstage, Erfolge oder Jahrestage. Auch Feiertage<br />

wie Thanksgiving, Weihnachten, Passah<br />

oder das Fastenbrechen am Ende des Ramadan,<br />

deren Anlässe in Tradition und Konvention fußen,<br />

deren Ausgestaltung aber Privatsache ist,<br />

gehören dazu.<br />

Eine weitere Möglichkeit des Glücks ist die<br />

Liebe zum Sport. Viele geben mit dieser Liebe<br />

ihrem Leben Sinn, meist in Form von Leidenschaft<br />

für eine bestimmte Sportart wie<br />

Schwimmen, Laufen oder Skifahren. Nicht unbedingt<br />

muss der Sport aktiv betrieben werden<br />

– ihn zu lieben kann auch heißen, ihn passiv zu<br />

pflegen und mit denen mitzufiebern, die ihn<br />

intensiv betreiben, sich mit ihren ausgefeilten<br />

Techniken und Kunstgriffen, Problemen und<br />

möglichen Lösungen zu befassen, um sich an<br />

den Feinheiten der praktischen Ausübung zu<br />

erfreuen.<br />

Auch neue Technologien können zum persönlichen<br />

Glück beitragen. Besonders auffällig ist<br />

etwa die Liebe zum Smartphone, das als Minicomputer<br />

zum ständigen Lebensbegleiter des<br />

Menschen geworden ist. Bereits der Siegeszug<br />

des gewöhnlichen Mobiltelefons wäre undenkbar<br />

gewesen ohne seinen elementaren Beitrag<br />

zur Lebensbewältigung und Lebensgestaltung.<br />

Folglich stellen sich Entzugserscheinungen ein,<br />

wenn auch nur eine Stunde ohne das Handy<br />

zugebracht werden muss, das die Nabelschnur<br />

zur ganzen Welt darstellt, da es jederzeit die<br />

existenziell wichtigen Verbindungen zu Anderen<br />

sicherstellt. Jede Neuerung erweitert noch<br />

dazu die Möglichkeiten des Herumspielens,<br />

sodass keine Langeweile mehr im Leben aufkommt.<br />

Glücklich machen kann sogar die Liebe zur<br />

Arbeit: Zur Liebe zu ihr verführen kann die Erfahrung,<br />

dass mit ihr jederzeit eine Geliebte, ein<br />

Geliebter zur Verfügung steht, hinreichend fügsam,<br />

um den Liebenden nicht zu entmutigen,<br />

hinreichend widerständig, um die Spannung<br />

der Beziehung zu bewahren. Die Liebe wird als<br />

erfüllend erlebt, wenn die Arbeit befriedigend<br />

ausfällt, und sie befriedigt am meisten, wenn<br />

sie gut und sehr gut getan werden kann, mit<br />

einer Exzellenz, die nicht identisch ist mit Perfektion.<br />

Freilich bedarf auch diese Liebe nicht<br />

nur der Anstrengung, sondern auch der Muße,<br />

die ein Atemholen erlaubt. Arbeit macht Sinn,<br />

wenn mit ihr etwas zusammengefügt, aufgebaut,<br />

gestaltet und umgestaltet werden kann.<br />

Und das ist letzten Endes wohl auch der Zweck<br />

aller Kunst und Kultur, die aus Arbeit hervorgeht:<br />

Den Menschen in Sinn einzuspinnen und<br />

ihn so in der Welt zu beheimaten.<br />

Alle Kunst und Kultur setzt freilich schreibende,<br />

rechnende, fragende, forschende, kommunizierende,<br />

fabrizierende, malende, spielende<br />

Menschen voraus. Sich in die entsprechenden<br />

Künste und Wissenschaften einzuüben und<br />

sie weiterzugeben, ist auf eine Liebe zur Bildung<br />

und Weiterbildung angewiesen – nicht<br />

nur bei denen, die lernen, sondern mehr noch<br />

bei denen, die lehren, denn deren Liebe kann<br />

ansteckend sein. Ziel ist die Befähigung zur Besinnung,<br />

um sich und Andere, das eigene Leben<br />

und das Leben mit Anderen besser verstehen<br />

und gestalten zu können, wo immer es möglich<br />

ist. Kunst und Kultur ist jedes menschliche<br />

Werk, das zur Sicherung, Gestaltung und Sinngebung<br />

der menschlichen Existenz beiträgt.<br />

Alle Kunst und Kultur kann glücklich machen.<br />

***<br />

Wilhelm Schmid<br />

Autorenprofil<br />

Wilhelm Schmid, geb. 1953, lebt in Berlin und lehrt Philosophie als außerplanmäßiger Professor an der Universität Erfurt. Twitter: @lebenskunstphil.<br />

Jüngere Bücher:<br />

• Dem Leben Sinn geben, Suhrkamp Verlag <strong>2013</strong>.<br />

• Glück, Insel Verlag 2007.<br />

• Unglücklich sein – Eine Ermutigung, Insel Verlag 2012.<br />

• Liebe – Warum sie so schwierig ist und wie sie am besten gelingt, Insel Verlag 2011.<br />

• Mit sich selbst befreundet sein, Suhrkamp Taschenbuch 2007.<br />

Wilhelm schmid<br />

www.lebenskunstphilosophie.de<br />

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WaS WEISS<br />

,<br />

WaS ElKES Mann nICht WEISS?<br />

EINE GLOSSE<br />

VON PROF. DR. ELISABETH HEINEMANN


ich hätte wissen müssen, dass ich sie gefühlte fünf Sekunden<br />

später zutiefst bereuen würde.<br />

„Und? Was hat dir Michi zum Geburtstag geschenkt?“<br />

„Konzertkarten.“ Das kommt ungefähr so begeistert<br />

aus Elkes Mund wie die Ankündigung, nächste Woche<br />

zwecks Wurzelbehandlung zum Zahnarzt zu müssen.<br />

„AMAZON WEISS WENIGSTENS,<br />

WOMIT ES MIR EINE FREUDE MACHEN<br />

KÖNNTE. AUF DER STARTSEITE<br />

ERSCHEINEN GANZ OFT SACHEN, DIE<br />

ICH RICHTIG GUT FINDE.”<br />

„Hey, das ist doch prima. Und für wen oder was?“ Ich<br />

erkenne sofort, dass meine Begeisterung in keinem Verhältnis<br />

zu der ihren steht.<br />

„Grunge Babes“, zischt sie mir giftig entgegen.<br />

WaS WEISS<br />

WaS ElKES Mann nICht WEISS?<br />

EINE GLOSSE<br />

VON PROF. DR. ELISABETH HEINEMANN<br />

,<br />

„Oh. Aber… ist das nicht Michis Lieblingsband?“ Treffer<br />

– versenkt. Einfühlungsvermögen gehört im Normalfall<br />

durchaus zu meinen Tugenden, aber in diesem Fall<br />

war der Mund einfach schneller als das Hirn.<br />

„Korrekt. Michi hört die rauf und runter. ICH find die<br />

einfach nur ätzend.“ Elke ist kurz vor der Explosion.<br />

„364 Tage lang habe ich in regelmäßigen Abständen<br />

mit dem Zaunpfahl gewunken. Ach, was sag‘ ich… mit<br />

ganzen Mauern. Wenn wir z.B. in einem Schaufenster<br />

was Schönes gesehen haben: Michi, schau‘ mal – das<br />

ist aber hübsch, oder? Michi, da sind noch freie Kettenglieder<br />

an meinem Bettelarmband. Michi, hast Du diesen<br />

super Lederrock gesehen? Der würde mir bestimmt<br />

total gut stehen, findest Du nicht auch?“ Elke äfft sich<br />

sehr überzeugend selbst nach und ich ahne, wie es Michi<br />

wohl dabei ergangen ist.<br />

„1000 Ideen habe ich im quasi auf dem Silbertablett<br />

präsentiert. Und? Was macht ER? Er schenkt mir Konzertkarten<br />

für seine, wohlgemerkt SEINE Lieblingsband,<br />

von der er ganz genau weiß, dass ich sie nicht ausstehen<br />

kann. Und dann hat er sich auch noch gewundert,<br />

warum ich den restlichen Abend kein Wort mehr mit<br />

ihm gesprochen habe…“<br />

Ich bestelle noch zwei Weinschorlen.<br />

Elke ist eine liebe Freundin. Und Michi<br />

ist Elkes Mann. Eigentlich sind<br />

die beiden ein echt gutes Team. O.k.,<br />

ich weiß schon: das klingt jetzt nicht<br />

wirklich romantisch, aber nach 16<br />

Jahren Ehe ist der Team-Aspekt wohl einfach<br />

vordergründiger, wie mir Michi letztes Silvester,<br />

nicht mehr ganz nüchtern und außerhalb von<br />

Elkes Mithörradius, glaubwürdig versicherte.<br />

Michi ist Mathematiker. Und als ob das nicht<br />

schon hart genug für eine romantisch veranlagte<br />

Frau wäre, ist er auch noch im Management<br />

gelandet, genauer gesagt im Controlling, dem<br />

natürlichen Feind jeglicher Romantik. Aber das<br />

wusste Elke und hat Michi trotzdem geheiratet.<br />

Selber schuld, sag ich da nur. Dennoch versucht<br />

sie seit dem Tag ihrer Hochzeit in Michi so etwas<br />

wie den George Clooney der Bruchrechnung zu<br />

wecken. Und erstaunlicherweise ist sie immer<br />

wieder völlig überrascht, wenn das gründlich<br />

in die Hosen geht. So wie an ihrem letzten Geburtstag.<br />

Da sitzen wir also ein paar Tage später<br />

bei Gino und zwei Weißweinschorlen zusammen,<br />

als ich ihr genau die Frage stelle, von der<br />

„Das war zugegebenermaßen nicht sonderlich geschickt<br />

von ihm, aber er hat es bestimmt nicht böse<br />

gemeint.“<br />

„Willst Du ihn jetzt etwa auch noch verteidigen?“<br />

„Nein, nein“, beeile ich mich zu versichern, unserer<br />

Freundschaft zuliebe und mit großem Verständnis für<br />

den Ernst der Lage. „Aber ich finde, dass Männer in Sa-<br />

64 <strong>ZT</strong> | <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> | <strong>ZT</strong> 65


chen Geschenke ein naturgegebenes Anrecht<br />

auf mildernde Umstände haben. Es sind einfach<br />

nur sehr wenige Exemplare der Spezies Mann<br />

in der Lage, die diesbezüglichen Signale ihrer<br />

Frauen zu verstehen; und dann auch noch umzusetzen.<br />

Und diejenigen, die sogar selbsttätig<br />

auf gute Ideen kommen… naja, was soll ich sagen:<br />

Klarer Sechser im Lotto.“<br />

Elke nickt. Sie tut mir wirklich leid, denn die Sache<br />

mit dem Geburtstagsgeschenk hat Michi<br />

ohne jeden Zweifel in den Sand gesetzt. Aber<br />

um ehrlich zu sein: mein Freund hört auch selten<br />

bis nie auf das, was ich so übers Jahr hinweg<br />

an Hinweisen platziere. Immerhin geht er<br />

neuerdings auf Nummer sicher und schenkt mir<br />

Gutscheine. Und damit die Romantik zumindest<br />

latent vorhanden ist, sind diese dann meist<br />

ganz entzückend verpackt. Er hat wirklich ein<br />

sehr gutes Händchen dafür, die richtigen Läden<br />

herauszusuchen. Die Gutscheine sind samt und<br />

sonders immer für Sachen, mit denen eine moderne<br />

und praktisch veranlagte Frau von heute<br />

etwas anfangen kann: Handtaschen, Schuhe<br />

und iGedöns.<br />

„Weißt Du, was richtig bitter ist?“ Elke setzt ihre<br />

Weinschorle ab. „Dass mich Amazon besser<br />

kennt als mein eigener Mann.“<br />

„Bitte? Wie kommst Du denn darauf?“<br />

„Amazon weiß wenigstens, womit es mir eine<br />

Freude machen könnte. Auf der Startseite erscheinen<br />

ganz oft Sachen, die ich richtig gut<br />

finde. Und auch gebrauchen könnte, wie z.B.<br />

einen neuen Stabmixer oder rote Pumps. Letztens<br />

hat mir Amazon im Newsletter genau die<br />

Anhänger für mein Bettelarmband vorgeschlagen,<br />

die echt klasse zu meinen restlichen passen<br />

würden. Und auch in punkto Leseempfehlungen<br />

trifft es ganz oft meinen Geschmack. Im<br />

Gegensatz zu Michi.“<br />

„Das ist auch wirklich kein Wunder, meine<br />

Liebe.“ entgegne ich. „Michi beschäftigt sich<br />

sicherlich nicht so intensiv mit dem Sammeln<br />

relevanter Hinweise, die ihm ein genaues Waskönnte-Elke-gefallen-Profil<br />

liefern, wie das<br />

Amazon macht.“<br />

„Aha. Und wie machen die das?“<br />

„Jedes Mal, wenn du dich auf Amazon.de anmeldest,<br />

dann merkt sich Amazon genau, was<br />

du auf der Seite so treibst. Wenn du dir Anhänger<br />

für dein Bettelarmband anschaust, merkt<br />

sich das eine im Hintergrund laufende Software<br />

und bietet dir im nächsten Newsletter eben genau<br />

diese oder ähnliche Anhänger an. Du hast<br />

ja schon mal Interesse gezeigt und brauchst<br />

vielleicht nur noch einen kleinen Kaufimpuls.<br />

Wenn du ein bestimmtes Buch anschaust oder<br />

sogar auf deinem virtuellen Wunschzettel abspeicherst,<br />

dann behält das Amazon quasi im<br />

Hinterkopf. Weil alle Bücher u.a. nach Autoren,<br />

Schlagworten, Themen, etc. kategorisiert sind,<br />

denkt sich daher der schlaue Online-Händler<br />

deines Vertrauens: ‚Mmh, wenn sie sich für Bücher<br />

von Herrn Müller interessiert, dann findet<br />

sie vielleicht auch Bücher zum gleichen Thema,<br />

aber dafür von Frau Maier lesenswert‘. Und<br />

wenn du das eine Buch von Frau Maier gekauft<br />

hast, dann magst du vielleicht auch ihr anderes<br />

lesen. Da steckt viel kreuz-und-quer-Rechnerei<br />

dahinter, aber im Grunde läuft alles auf das eine<br />

Ziel hinaus: dich zum Einkaufen zu verführen.<br />

Das nennt sich übrigens Personalisierung, wenn<br />

das dir gezeigte Angebot auf dein bisheriges<br />

Kaufverhalten ausgerichtet ist. Heißt aber auch,<br />

dass du, weil du einmal nach einem Dildo als<br />

Geschenk für eine Freundin gesucht hast, möglicherweise<br />

wochenlang mit Empfehlungen in<br />

Sachen pimp-your-sex-life genervt wirst.“<br />

„Aha.“ Elke denkt offenkundig nach. „Und was<br />

ist mit diesen Quasi-Empfehlungen anderer<br />

Kunden?“<br />

„Du meinst dieses ‚Frauen, die mit Michi in die<br />

Kiste gestiegen sind, interessierten sich auch<br />

für Achim, Klaus und Steffen‘?<br />

Elke prustet den letzten Schluck Weinschorle<br />

Nr. 2 über den Tisch. „Ja, genau das meine ich.“<br />

„Das ist so ähnlich. Du rufst irgendein Produkt<br />

auf. Amazon schaut in seinen gesammelten<br />

Daten nach, wer dieses Produkt schon einmal<br />

gekauft hat und welche anderen Bücher, CDs<br />

oder weiß der Kuckuck was, diese Käufer dann<br />

noch angeklickt oder sogar gekauft haben.<br />

Jetzt vermutet Amazon, dass ihr denselben Geschmack<br />

haben könntet, gleicht vielleicht noch<br />

euer Alter ab – dein Geburtsdatum hast du ja<br />

beim Anmelden brav angegeben – und macht,<br />

basierend auf diesen zueinander in Beziehung<br />

gesetzten Informationen Vorschläge. Könnte ja<br />

was für dich dabei sein.“ Ich bestelle noch zwei<br />

Weinschorlen.<br />

„Du meine Güte. Und der ganze Aufwand nur,<br />

um Zeugs zu finden, das mir gefallen könnte?“,<br />

fragt Elke, sichtlich nachdenklich.<br />

„Genau. Allerdings weniger, um dir eine Freude<br />

zu machen, sondern vornehmlich um Umsatz<br />

zu generieren.“<br />

„Das ist mir doch total wurscht – sollen sie doch<br />

Geld verdienen. Schließlich denken sie ja auch<br />

total viel darüber nach, was mir gefallen könnte.“<br />

Manchmal beneide ich Elke um ihre schlichte<br />

Logik. Sie schaut mich grinsend an. „Könntest<br />

du diesen Vortrag bei Gelegenheit bitte<br />

nochmal Michi halten? Vielleicht endet dann<br />

mein nächster Geburtstag nicht damit, dass ich<br />

ihn samt Kopfkissen und Kuscheldecke auf die<br />

Wohnzimmercouch verbanne.“<br />

***<br />

Elisabeth Heinemann<br />

Autorenprofil<br />

Prof. Dr. Elisabeth Heinemann beleuchtet in ihren Keynotes und Kabarettprogrammen das Leben & Arbeiten in unserer digitalen Welt und wie wir<br />

die damit verbundene Komplexität des täglichen Seins wirkungsvoll meistern. „Frau Professor“ weiß dabei genau, wovon sie redet, denn als ehemalige<br />

Beraterin und Führungskraft kennt sie die Herausforderungen, denen wir uns privat wie beruflich tagtäglich stellen müssen, als Informatikprofessorin ist<br />

sie in der „Welt der Tekkies“ zu Hause und als bekennende Rampensau liebt sie es, beidem mit Humor und Charme auf der Bühne ein Gesicht zu geben.<br />

Eine Frau mit vielen Facetten: „leicht komplex“, aber niemals kompliziert.<br />

Prof. Dr. elisabeth Heinemann<br />

www.frauprofessor.de<br />

66 <strong>ZT</strong> | <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> | <strong>ZT</strong> 67


LAUNEUS<br />

AWARD<br />

PREISTRÄGERIN 2014<br />

WIR GRATULIEREN<br />

Prof. Dr. Elisabeth Heinemann<br />

Der LAUNEUS-AWARD wird an Personen verliehen, die in ihrem Wirken außergewöhnliche Beiträge<br />

68<br />

für eine heitere und gelungene Lebensführung geleistet haben.<br />

<strong>ZT</strong> | <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> | <strong>ZT</strong> 69


Die Trainer-Ausbildung der Trainer-Akademie München<br />

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70 1 <strong>ZT</strong> <strong>ZT</strong> | | <strong>Dezember</strong> März <strong>2013</strong> <strong>2013</strong> <strong>Dezember</strong> März <strong>2013</strong> | | <strong>ZT</strong> <strong>ZT</strong> 2 71


MIT<br />

DIPLOMATIE<br />

ZIEL<br />

ZUM VON STÉPHANE ETRILLARD


MIT<br />

DIPLOMATIE<br />

ZIEL<br />

ZUM Diplomatie darf nicht missverstanden<br />

werden als ein softer<br />

und defensiver Kommunikationsstil,<br />

bei dem um des lieben<br />

Friedens willen einfach ein paar<br />

Zugeständnisse gemacht werden. Diplomaten<br />

verfolgen im Gegenteil eine sehr klare Linie und<br />

setzen eindeutige Grenzen. Sie wissen genau,<br />

wo ihr Verhandlungsspielraum endet, welches<br />

Verhalten sie nicht mehr tolerieren, was ihnen<br />

wichtig ist und wie weit sie dem. Anderen entgegenkommen<br />

können oder wollen. Das heißt:<br />

Ein guter Diplomat kennt seine persönlichen<br />

Werte und Grenzen und weiß, wie er richtig reagiert,<br />

wenn diese Grenzen erreicht sind. Dabei<br />

geht es sowohl um inhaltliche als auch um persönliche<br />

und emotionale Grenzlinien. Das Wissen<br />

um die eigenen Grenzen ist allerdings nur<br />

dann von Bedeutung, wenn man diese auch<br />

einhält und gegenüber Anderen durchsetzt.<br />

Die Kunst besteht nun darin, konsequent zu<br />

agieren, ohne dabei die Beziehung zum Gegenüber<br />

zu gefährden. Das ist insbesondere dann<br />

schwierig, wenn der Andere zu unfairen Mitteln<br />

greift.<br />

VON STÉPHANE ETRILLARD<br />

Mit Diplomatie verbinden wir üblicherweise Verständnis, Toleranz, Fingerspitzengefühl und Nachsicht<br />

und denken dabei an einen sanften Weg der Verständigung. Doch bei allem Einfühlungsvermögen<br />

wissen Diplomaten ganz genau, an welchem Punkt Schluss ist mit Verständnis und<br />

Nachsicht. – Und sie handeln entsprechend.<br />

Unfaires Verhalten ist in einer guten<br />

Beziehung tabu<br />

Der (un)faire Umgang miteinander stellt für<br />

viele Menschen eine Grenze dar, die in Beziehungen,<br />

Gesprächen und Auseinandersetzungen<br />

nicht überschritten werden darf. Manipulationsversuche,<br />

Angriffe unter der Gürtellinie,<br />

Hinterhältigkeit, emotionale Erpressung, respektloser<br />

Umgang, Kampfrhetorik, Rücksichtslosigkeit<br />

und ähnliche Verhaltensweisen sind<br />

deshalb in einer guten Beziehung tabu. Zumindest<br />

lautet so der Anspruch. Tatsächlich treten<br />

all diese Dinge immer wieder auf – weil einer<br />

der Beteiligten sich nicht anders zu helfen weiß,<br />

Stärke demonstrieren will oder glaubt, dadurch<br />

einen Vorteil zu erlangen, oder auch, weil er die<br />

Gefahr für die Beziehung nicht erkennt.<br />

Gefährlich sind unfaire Strategien und Verhaltensweisen<br />

vor allem, weil sie sich nicht auf<br />

der sachlichen Ebene abspielen, sondern direkt<br />

die Beziehungsebene angreifen. Es wird sehr<br />

persönlich, wenn es unfair wird. Und für die<br />

„<br />

DIPLOMATIE IST KEIN SOFTER, DEFENSIVER<br />

KOMMUNIKATIONSSTIL.<br />

DIPLOMATEN VERFOLGEN EINE GANZ KLARE<br />

LINIE UND ZIEHEN EBENSO KLARE GRENZEN.<br />

74 <strong>ZT</strong> | <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> | <strong>ZT</strong> 75


meisten Menschen ist es schwierig, mit einem<br />

solchen persönlichen Angriff souverän umzugehen.<br />

Sie reagieren häufig verärgert, verletzt<br />

und verunsichert darauf, denn sie fühlen sich<br />

als Person infrage gestellt. Da fällt es schwer, die<br />

eigenen Emotionen unter Kontrolle zu halten<br />

und nicht gleich zum Gegenangriff auszuholen.<br />

Wer diplomatisch geschickt vorgehen will,<br />

braucht daher Strategien, die eine Eskalation<br />

verhindern und gleichzeitig den Anderen in<br />

seine Schranken weisen, ohne die Beziehungsebene<br />

weiter zu belasten.<br />

Konsequent agieren, klare Grenzen ziehen<br />

Gelassenheit ist ein erstes Stichwort für die<br />

Fälle, in denen ein Gegenüber tatsächlich versucht,<br />

mit unfairen Mitteln seine (Gesprächs-)<br />

Ziele zu erreichen. Gelassenheit bedeutet jedoch<br />

nicht, alles stoisch hinzunehmen. Es geht<br />

vielmehr darum, Ruhe zu bewahren, Konsequenz<br />

zu zeigen und Grenzen zu setzen. Das<br />

beginnt bereits damit, dass man über verbale<br />

Angriffe, Respektlosigkeiten oder gar Manipulationsversuche<br />

nicht einfach hinwegsieht,<br />

sondern diese entlarvt, sobald man sie erkannt<br />

hat. So zeigen Sie Ihrem Gegenüber deutlich,<br />

dass er eine entscheidende Grenze überschritten<br />

hat. Wenn Sie jedoch zögern und Ihren Gesprächspartner<br />

erst einmal gewähren lassen,<br />

bis es Ihnen irgendwann dann doch zu bunt<br />

wird, provozieren Sie unter Umständen, dass er<br />

es immer wieder versucht. Machen Sie hingegen<br />

von Anfang an klar, wo Ihre Grenzen liegen<br />

und dass Sie eine Verletzung dieser Grenzen<br />

nicht akzeptieren, wird er seine Manipulationsversuche<br />

wahrscheinlich einstellen. In vielen<br />

Fällen reicht das sofortige Entlarven schon aus,<br />

um die Taktik des Gegenübers wirkungslos zu<br />

machen und ihn gleichzeitig in die Schranken<br />

zu weisen. Denn die meisten unfairen Mittel<br />

funktionieren nur so lange, wie sie unentdeckt<br />

bleiben. Ein deutlicher Wink mit dem Zaunpfahl<br />

bewegt viele Gesprächspartner bereits, es nicht<br />

weiter zu versuchen. Machen Sie also klar: „Ich<br />

merke, was du vorhast. Lass es sein, es führt zu<br />

nichts.“<br />

In einem privaten Streit zwischen guten Freunden<br />

spricht auch nichts dagegen, diese Beobachtung<br />

ohne Umschweife auszusprechen und<br />

darum zu bitten, den Rest des Gesprächs fair<br />

zu bestreiten. Schwieriger ist es meist im beruflichen<br />

Umfeld. Professionelle Beziehungen,<br />

zumal wenn die Beteiligten verschiedenen Hierarchieebenen<br />

angehören, sind in der Regel<br />

fragiler und anfälliger für Störungen als gefestigte<br />

private Freundschaften. Trotzdem gibt<br />

es auch hier Möglichkeiten, unfaires Verhalten<br />

aufzudecken und diesem Einhalt zu gebieten,<br />

zum Beispiel:<br />

• Wer sich nicht auf Provokationen oder ein<br />

Spiel auf der persönlichen Ebene, sondern<br />

konsequent bei der Sache bleibt, zeigt<br />

deutlich, dass er den sachlichen und fairen<br />

Umgang miteinander bevorzugt.<br />

• Konsequent auf unfaire Mittel zu verzichten,<br />

markiert deutlich, wo die eigenen<br />

Grenzen liegen.<br />

• Bei verbalen Provokationen und Unverschämtheiten<br />

ist demonstrative Höflichkeit<br />

ein deutliches Signal.<br />

• Das Gleiche gilt für ein betont ruhiges<br />

Auftreten, wenn der andere gerade so<br />

richtig aufdreht.<br />

• Mit gezielten Fragen kann das Gegenüber<br />

zur sachlichen Auseinandersetzung und<br />

einer konstruktiven Gesprächsführung<br />

zurückgeführt werden. So wird deutlich,<br />

dass die Sache und die Suche nach einer<br />

Lösung im Zentrum stehen und stehen<br />

bleiben sollen.<br />

• Um die inakzeptablen Strategien des Gegenübers<br />

offen anzusprechen, eignet sich<br />

am besten ein Sprung auf die Metaebene.<br />

So lassen sich die Spielregeln für die<br />

Auseinandersetzung thematisieren und<br />

festlegen.<br />

Diese Maßnahmen haben den großen Vorteil,<br />

dass sie sich nicht negativ auf die Beziehung<br />

der Beteiligten auswirken und so auch für die<br />

Zukunft keine ungünstigen Folgen zu befürchten<br />

sind. Gehen Sie hingegen mit harten Bandagen<br />

gegen einen unfairen Gesprächspartner<br />

vor, stellt dies oft eine große Belastung für zukünftige<br />

Gespräche und für die zukünftige Zusammenarbeit.<br />

Die diplomatischen und diskreten Vorgehensweisen<br />

geben dem Gegenüber zudem die Gelegenheit<br />

zum Rückzug, ohne klein beigeben<br />

zu müssen oder (vor Dritten) das Gesicht zu<br />

verlieren. Das macht es ihm häufig leichter, sein<br />

eigenes Fehlverhalten ohne viel Aufhebens zu<br />

korrigieren.<br />

Überhaupt nicht zu empfehlen sind hingegen<br />

Belehrungen von oben herab wie „Bitte zügeln<br />

Sie Ihr Temperament!“ oder „Ich verbitte mir<br />

diesen Tonfall!“. Sie provozieren den Zurechtgewiesenen<br />

eher noch, als dass sie ihn zur Räson<br />

bringen. Sie wirken nur auf der persönlichen<br />

Ebene, sind anmaßend und greifen die Person<br />

an, was eine entsprechende Abwehrreaktion<br />

und in der Folge eine Eskalation provoziert.<br />

Das gilt im Übrigen auch für die etwas netter<br />

klingenden ironischen Varianten solcher Sätze<br />

(„Na, da ist heute aber einer mit dem falschen<br />

Fuß aufgestanden!“), die trotz der humorigen<br />

Formulierung sehr verletzend sein können.<br />

Bei aller Diplomatie und Gelassenheit wird es<br />

immer wieder auch Menschen geben, die sich<br />

von nichts und niemandem beeindrucken lassen<br />

und unbeirrt auf unfaire Methoden setzen.<br />

Dann hilft nur eines: die Situaion unterbrechen.<br />

Der Gesprächsabbruch – und erst recht der<br />

Beziehungsabbruch – sollte allerdings nur als<br />

allerletztes Mittel gewählt werden, wenn alle<br />

anderen Versuche einer konstruktiven und<br />

fairen Auseinandersetzung gescheitert sind.<br />

Dann allerdings ist Konsequenz gefragt. Eine<br />

bloße Androhung ist kontraproduktiv. Wer den<br />

Gesprächsabbruch ins Spiel bringt, weil es keinen<br />

anderen Ausweg mehr gibt, der muss das<br />

Gespräch dann auch konsequent und unverzüglich<br />

abbrechen. Auch wenn der Andere versucht,<br />

einen Abbruch durch Zugeständnisse,<br />

Einsichten oder Entschuldigungen zu verhindern.<br />

Ein kurzer erklärender Satz und das Angebot<br />

für einen neuen, späteren Gesprächsver-<br />

„<br />

WER GRENZEN SETZEN WILL,<br />

MUSS KONSEQUENT AGIEREN.<br />

such sind alles, was dann noch zu sagen bleibt:<br />

„Herr Meier, das führt heute zu nichts. Ich kann<br />

und will Ihre persönlichen Angriffe nicht weiter<br />

akzeptieren und werde das Gespräch daher<br />

jetzt abbrechen. Wenn Sie möchten, können<br />

wir uns nächste Woche noch einmal zusammensetzen<br />

und bis dahin unsere Positionen<br />

überdenken. Auf Wiedersehen.“<br />

Mit Bestimmtheit Nein sagen<br />

Doch nicht immer sind es so offensichtliche<br />

Dinge, die eine konsequente Grenzziehung<br />

erfordern. Manchmal ist es auch eine freundlich<br />

gestellte Bitte um einen Gefallen. Sei es<br />

die wiederholte Bitte einer Kollegin, für sie den<br />

Telefondienst zu übernehmen, damit sie etwas<br />

früher gehen kann, oder die zu häufige Bitte<br />

einer Freundin, als Babysitter einzuspringen –<br />

wer immer nur Ja sagt, bürdet sich mit der Zeit<br />

zu viele Aufgaben auf, fühlt sich früher oder<br />

später ausgenutzt und ärgert sich dann auch<br />

noch über sich selbst. Auf Dauer kann das nicht<br />

gutgehen.<br />

Eine häufige Folge ist dann, dass die übernommenen<br />

Aufgaben nur zähneknirschend und<br />

nicht mit vollem Einsatz erledigt werden. Weil<br />

die Aufgabe dann nicht zufriedenstellend erledigt<br />

wird, kommt es womöglich auch noch<br />

zu Konflikten zwischen Bittsteller und demjenigen,<br />

der die Bitte nicht ausschlagen konnte.<br />

Das belastet auf Dauer die Beziehung zwischen<br />

den Beteiligten.<br />

Nein sagen zu können, ist also unverzichtbar.<br />

Doch vielen Menschen fällt es sehr schwer, eine<br />

Bitte auszuschlagen. Sie befürchten, den Anderen<br />

mit ihrer Absage zu verletzen oder Sympathiepunkte<br />

zu verspielen. Auch möchten viele<br />

Menschen gern als großzügig und hilfsbereit<br />

wahrgenommen werden, was ein Nein nun<br />

nicht gerade befördert. Vor allem im Berufsleben<br />

besteht auch die Angst, arbeitsunwillig<br />

oder unkollegial zu wirken, wenn man das Anliegen<br />

eines Kollegen – oder gar des/der Vorgesetzten<br />

– ablehnt.<br />

Auch fürs Nein sagen sind also diplomatische<br />

Qualitäten gefragt. Ziel ist dabei, einerseits klar<br />

76 <strong>ZT</strong> | <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> | <strong>ZT</strong> 77


„MIT DIPLOMATISCHEM GESCHICK IST ES<br />

MÖGLICH, NEIN ZU SAGEN, OHNE DEN<br />

BITTSTELLER VOR DEN KOPF ZU STOSSEN.<br />

und unmissverständlich Nein sagen zu können<br />

und andererseits die Fragenden nicht vor den<br />

Kopf zu stoßen, sodass die Beziehung unbelastet<br />

bleibt. Einen großen Schritt in Richtung<br />

Ziel gehen Sie bereits, wenn Sie bestimmte Reaktionen<br />

vermeiden. Dazu zählen zum Bespiel<br />

fadenscheinige Ausreden, Ausflüchte und vage<br />

Antworten sowie das Herunterspielen des Problems.<br />

Auch wenn Sie ungebeten Lösungsvorschläge<br />

machen, wie das Ganze auch ohne Ihre<br />

Hilfe zu machen sei, kommt das in der Regel<br />

nicht so gut an. – Besser, diplomatischer sind<br />

folgende Möglichkeiten:<br />

• Sagen Sie nur das zu, was Sie auch tatsächlich<br />

halten können und wollen.<br />

• Zeigen Sie auch bei einer Absage Verständnis<br />

für das Anliegen.<br />

• Formulieren Sie Ihr Nein direkt und unmissverständlich.<br />

• Begründen Sie Ihr Nein plausibel und<br />

wahrheitsgemäß.<br />

• Wenn möglich, verbinden Sie Ihr Nein mit<br />

einer eingeschränkten Zusage. So können<br />

Sie eventuell eine Teilaufgabe übernehmen<br />

oder stehen für einen bestimmten<br />

Zeitraum zur Verfügung.<br />

• Knüpfen Sie Ihre Zusage bei Bedarf an<br />

eine Gegenleistung, um chronischen Bittstellern<br />

zu signalisieren, dass Sie sich nicht<br />

ausnutzen lassen.<br />

Das heißt natürlich nicht, dass Sie nun jedes<br />

Anliegen ausschlagen sollten, nur damit Sie als<br />

konsequente Person wahrgenommen werden.<br />

Entscheidend ist vielmehr, dass Sie bei aller<br />

Hilfsbereitschaft Ihre eigenen Bedürfnisse und<br />

Interessen nicht vernachlässigen und das dem<br />

Fragenden verdeutlichen, ohne sein Anliegen<br />

abzuwerten. Für Ihre Beziehung zum Fragenden<br />

ist es sogar vorteilhafter, ausgewählte Bitten<br />

oder Anfragen mit echtem Engagement<br />

zu erfüllen, anstatt auf viele oder wiederholte<br />

Anliegen nur halbherzig oder widerwillig einzugehen.<br />

Beziehungen stärken und erhalten<br />

Ein wesentliches Ziel der Diplomatie bleibt,<br />

gute Beziehungen zu erhalten, sie zu stärken<br />

und neue Beziehungen einzugehen. Das gelingt<br />

dann am besten, wenn wir uns selbst gut<br />

kennen. Kenne ich meine eigenen wunden<br />

Punkte und weiß ich, dass ich auf bestimmte<br />

Vorhaltungen schnell ein bisschen empfindlich<br />

reagiere, kann ich mich leichter von dem Automatismus<br />

lösen, in Nachrichten immer einen<br />

Vorwurf zu hören. Genauso sollte ich das Bild,<br />

das ich mir von meinem Gegenüber mache, hin<br />

und wieder hinterfragen, um auch hier eingeschliffene<br />

Reaktionsweisen aufzudecken, die<br />

mich an alternativen Interpretationen hindern.<br />

Dies ist eine solide Basis dafür, die eigenen Ziele<br />

auf dem diplomatischen Wege schneller und<br />

leichter zu erreichen.<br />

***<br />

Stéphane Etrillard<br />

Autorenprofil<br />

Stéphane Etrillard ist internationaler Keynote Speaker und zählt zu den meistgefragten und besthonorierten Top-Wirtschaftstrainern im deutschsprachigen<br />

Raum. Der mehrsprachige Vortragsredner gilt als führender europäischer Experte für „persönliche Souveränität“ sowie für die Bereiche Rhetorik,<br />

Körpersprache und Selbst-PR. In seiner Freizeit beschäftigt er sich leidenschaftlich mit Philosophie, Literatur und Klaviermusik. Sein einzigartiges Knowhow<br />

ist in den letzten 18 Jahren in der Beobachtung und Begleitung von mehreren Tausend Führungs- und Nachwuchskräften aus unterschiedlichsten<br />

Branchen entstanden. Zudem wurde er als Ausnahmepersönlichkeit unter die Top 100 Speakers aufgenommen.<br />

stéphane etrillard<br />

www.etrillard.com<br />

78 <strong>ZT</strong> | <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> | <strong>ZT</strong> 79


WAS FÜR EIN<br />

STRESS!<br />

VON WERNER TIKI KÜSTENMACHER<br />

80 <strong>ZT</strong> | <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> | <strong>ZT</strong> 81


WAS FÜR EIN<br />

STRESS!<br />

VON WERNER TIKI KÜSTENMACHER<br />

Wenn der Stress im Job oder im Privatleben überhand nimmt, kann er zur dauerhaften Belastung<br />

werden und sogar krank machen. Der Kern des Problems jedoch, das Gefühl, dem Druck hilflos ausgeliefert<br />

zu sein, lässt sich mit einigen, verblüffend simplen Tricks im Alltag deutlich vermindern.<br />

Stress, so liest man immer wieder, war früher eine<br />

gesunde und notwendige Reaktion. Gern wird<br />

diese Argumentation mit einem vereinfacht<br />

konstruierten Urmenschen illustriert, der noch<br />

gegen Säbelzahntiger und Mammuts kämpfen<br />

musste; da wurden, so heißt es, diese Stressmechanismen<br />

noch wirklich gebraucht. Heute dagegen hätten wir es nur<br />

noch mit vergleichsweise marginalen Gefahren zu tun. Das<br />

glaube ich nicht. Das limbische System, sozusagen unser<br />

Säugetiergehirn, entwickelt heute die gleichen berechtigten<br />

Emotionen wie in der frühen Steinzeit. Kinder haben Angst<br />

vorm Lehrer, Erwachsene sind wütend auf ihren Chef oder<br />

zornig über ihren Partner. Das alles führt zu wirklich empfundenem,<br />

echtem Stress, der ernst zu nehmen ist.<br />

Ungesund sind hierbei nicht unbedingt die Bedingungen,<br />

die den Stress provozieren. Gefährlich kann vielmehr unser<br />

Gefühl der Ausweglosigkeit werden, das in unübersichtlichen<br />

oder überfordernden Situationen aufkommt. Die<br />

Lösung liegt darin, eine höhere Toleranz gegenüber unangenehmen<br />

Menschen und Situationen zu entwickeln, die<br />

sogenannte Resilienz. Es gilt, sich die simple Frage zu stellen:<br />

„Lässt sich das, worüber ich mich gerade so aufrege, überhaupt<br />

ändern?“ Viele Menschen sind furchtbar wütend über<br />

ihre Vergangenheit: Wie ihre Eltern sie behandelt haben,<br />

was man in der Schule mit ihnen gemacht hat, dass sie die<br />

falsche Ausbildung gewählt haben. Da muss man cool und<br />

vernünftig sagen: „Schluss damit, das ist Schnee von gestern,<br />

da kann ich nichts dran machen, ich will nach vorne blicken.“<br />

Woran merke ich aber persönlich, wann mein gesundes Maß<br />

an Stress erreicht ist? Dafür besitzen wir ein wunderbares<br />

und sicheres Anzeigeinstrument: Unseren Körper. Körperliche<br />

Signale zeigen uns frühzeitig, wenn’s zu viel wird. Dann<br />

tut der Rücken weh, die Haut juckt, man wacht mitten in<br />

der Nacht auf und kann nicht mehr einschlafen. Im fortgeschrittenen<br />

Stadium plagen einen Sehstörungen, das Gehör<br />

fällt aus oder es pfeift im Ohr. Zunächst ist es wichtig, diese<br />

Warnsignale des Körpers überhaupt aktiv wahrzunehmen;<br />

viele Menschen ignorieren sie, bis es nicht mehr geht. Auch<br />

sollte man auf keinen Fall einfach die Symptome behandeln,<br />

sondern sich schonungslos fragen: Was will mein Körper mir<br />

damit sagen?<br />

Wie steht es mit dem berühmten positiven Stress, bereichert<br />

der tatsächlich unser Leben? Ich persönlich erlebe positiven<br />

Stress nicht direkt als Stress. Das ist eher das Gefühl „Wow,<br />

es läuft“, also der berühmte „Flow“, wenn alles leicht von der<br />

Hand geht und man mit der Arbeit „im Fluss“ ist. Im Alltag,<br />

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finde ich, wird das Wort „Stress“ inflationär verwendet.<br />

Sobald jemand gut ausgelastet ist,<br />

wird schon gestöhnt „Mei, bin ich wieder im<br />

Stress!“ - ich plädiere für einen sparsameren<br />

Gebrauch dieses Begriffs.<br />

Wo positiver Stress aufhört und negativer<br />

Stress beginnt, sollte man persönlich an der<br />

so genannten Elastizität spüren. Nach einer<br />

im guten Sinne anstrengenden Arbeit ist man<br />

erschöpft, aber doch irgendwie zufrieden und<br />

erholt sich nach einem kühlen Bier, einer deftigen<br />

Brotzeit oder einem freien Tag wieder.<br />

Bleibt man danach aber<br />

dauerhaft kraftlos und<br />

schlecht gelaunt, ist das<br />

ein Anzeichen für den<br />

Körper und die Seele<br />

belastenden, krank<br />

machenden Stress. Dann sollte man dringend<br />

etwas an den Lebensumständen ändern.<br />

Der Mensch lernt bekanntlich primär aus Fehlern.<br />

Es stellt sich die Frage: Ist es überhaupt<br />

möglich, den eigenen Stress zu reduzieren,<br />

bevor wir in seinen Strudel geraten und krank<br />

werden? Meine Antwort ist hier klar: Ja. Im<br />

Buch „Du hast es in der Hand“ stelle ich<br />

kleine Rituale vor, die sich in den<br />

Alltag einbauen lassen und mit<br />

denen man frühzeitig schlimme<br />

Stressfolgen<br />

vermeiden kann.<br />

Etwa indem Sie<br />

sich trauen, aus<br />

einer<br />

belastenden Situation herauszugehen, die so<br />

genannte „kleine Flucht“. Wenn Sie sich subjektiv<br />

gestresst oder genervt fühlen, sich mit<br />

jemandem streiten oder blinde Wut in Ihnen<br />

aufsteigt: Gehen Sie aus dem Zimmer, am besten<br />

unter freien Himmel, gewinnen Sie im wörtlichen<br />

Sinn Abstand.<br />

Solche kleinen Verhaltensänderungen können<br />

tatsächlich helfen, die Situation<br />

in kurzer Zeit neu<br />

und mit klarem Kopf<br />

einzuschätzen. Es<br />

muss nicht immer<br />

ein langer Meditationskurs<br />

sein, der<br />

Abhilfe schafft. Ich<br />

empfehle besonders,<br />

in belastenden<br />

Situationen bewusst zu atmen. Am besten befestigen<br />

Sie an Ihrem Arbeitsplatz oder am Armaturenbrett<br />

Ihres Autos einen kleinen Zettel<br />

mit der Aufschrift „atmen!“, damit Sie daran denken.<br />

Atmen Sie ganz tief aus, bis nichts mehr in<br />

den Lungen ist. Dann warten Sie, bis der Impuls<br />

zum Einatmen kommt, und füllen Ihre Lungen<br />

kraftvoll mit Luft und Leben. Der Hintergrund:<br />

Während solcher bewusster Atemzüge leben<br />

Sie vollkommen im Jetzt. Sorgen (aus der Vergangenheit)<br />

und Ängste (über die Zukunft)<br />

sind in diesem Moment ausgeblendet, und das<br />

entspannt ungemein. Es ist wirklich so einfach,<br />

also unbedingt ausprobieren!<br />

Wir Menschen haben die fantastische Fähigkeit,<br />

uns selbst zu beobachten. Wir denken, dass wir<br />

denken. Wir fühlen, dass wir fühlen. Wir sind<br />

unseren Emotionen und unseren körperlichen<br />

Reaktionen nicht hilflos ausgeliefert, sondern<br />

können sie wahrnehmen und beeinflussen.<br />

Ein sehr effizienter Weg, das Gefühl der Selbstbestimmtheit<br />

zu aktivieren, funktioniert über<br />

unsere direkte, materielle Umgebung. Wenn<br />

Sie Ihren Schreibtisch oder Ihre Werkbank aufräumen,<br />

wenn Sie Stapel abbauen, Altes wegwerfen<br />

oder Schubladen entrümpeln, gewinnen<br />

Sie nicht nur Platz, es verändert sich auch<br />

etwas positiv in Ihrer Seele. Ich rate deshalb<br />

dazu, mitten in besonders stressigen Zeiten<br />

den Arbeitsplatz aufzuräumen. Die Kolleginnen<br />

und Kollegen werden Sie für verrückt halten,<br />

und auch Sie selbst werden anfangs sagen: „Hä,<br />

ausgerechnet jetzt?“ Der Effekt des Platz schaffens<br />

aber ist gerade dann am größten, wenn Sie<br />

eigentlich gar keine Zeit dafür haben. Es ist für<br />

mich immer wieder grandios zu erleben, wie<br />

viel besser es mir geht, wenn ich nicht mehr an<br />

einem überfüllten Arbeitsplatz hocke, sondern<br />

sich vor mir eine schöne, leere Fläche ausbreitet.<br />

Dann merke ich bewusster, was für Möglichkeiten<br />

und Ressourcen noch in mir stecken.<br />

Das sind nur einige Beispiel von vielen. Es sind<br />

verblüffend kleine Änderungen, mit denen sich<br />

Großes bewirken lässt. Das Leben ist zu kurz,<br />

um einen Großteil davon gestresst zu sein und<br />

sich über Dinge zu ärgern, die vielleicht sowieso<br />

nicht zu ändern sind. Probieren Sie selbst,<br />

wie hilfreich kleine, bewusste Übungen gegen<br />

den Stress sein können, und kommen Sie entspannt<br />

durch den Tag!<br />

***<br />

Werner Tiki Küstenmacher<br />

Autorenprofil<br />

Werner Tiki Küstenmacher, geboren 1953, ist evangelischer Pfarrer (seit 2006 im Ehrenamt) und Journalist. Seit seiner Kindheit ist er als Karikaturist<br />

tätig und hat bis heute über 100 Bücher veröffentlicht. Sein Weltbestseller „simplify your life - Einfacher und glücklicher leben“ erschien 2001. Inzwischen<br />

bietet die beliebte Website simplify.de ausführliche Informationen zum Thema Lebensvereinfachung. Tiki ist zudem regelmäßiger Mitarbeiter des<br />

Bayerischen Rundfunks („Evangelische Morgenfeier“, „Auf ein Wort“). Er gehört zu den 100 meistgebuchten Rednern in Deutschland und wurde 2009 in<br />

die „Hall of Fame“ der German Speakers Association aufgenommen. Werner Tiki Küstenmacher ist verheiratet, hat drei Kinder und wohnt in Gröbenzell<br />

bei München.<br />

Werner Tiki Küstenmacher<br />

www.simplify.de<br />

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Während der Begriff der Persönlichkeit<br />

erst eine relativ<br />

kurze Forschungstradition<br />

aufweist, reichen philosophische<br />

Betrachtungen<br />

zum Charakter bis in die Antike zurück.<br />

Nicht selten finden sich Überlegungen, dass<br />

die Persönlichkeit eine Art Überbegriff für die<br />

Komponenten Charakter und Temperament<br />

darstelle (Cloninger, Svrakic, & Przybeck, 1993).<br />

Während zum Teil angenommen wird, dass das<br />

Temperament eine hohe erbliche Komponente<br />

aufweise, könnte die Charakterausprägung<br />

eher unserer individuellen Lerngeschichte, unseren<br />

Lebensumständen, kurz unserer Sozialisation<br />

unterliegen. Wahrscheinlich ist aber<br />

auch diese Vorstellung zu sehr vereinfacht, da<br />

hinlänglich bekannt ist, dass jede Dichotomie<br />

von Erbe und Umwelt der Komplexität dessen,<br />

was uns formt, nie ganz gerecht werden kann.<br />

Übereinkunft besteht allerdings in der Vorstellung,<br />

dass Persönlichkeit eine über die Zeit<br />

relativ stabile Ausformung unseres Verhaltens,<br />

Denkens und Fühlens ist. Diese lässt zwar eine<br />

gewisse Variabilität zwischen verschiedenen<br />

Situationen zu, ist aber dennoch geeignet, das<br />

grundsätzliche Wesen unseres Verhaltens abzubilden<br />

und auch in gewissen Grenzen vorherzusagen.<br />

Persönlichkeit wird als ein Kontinuum<br />

zwischen gesund und krank aufgefasst und<br />

kann in jeweils extremen Ausprägungen durchaus<br />

auch Kriterien der Psychopathologie erfüllen,<br />

etwa bei Persönlichkeitsstörungen.<br />

Alle Schulen der Psychologie haben sich des<br />

Begriffs der Persönlichkeit angenommen. Aus<br />

psychoanalytischer Sicht (insbesondere nach<br />

Sigmund Freud) äußert sich Persönlichkeit im<br />

Umgang mit Konflikten, die maßgeblich dem<br />

Unbewussten entspringen und primär sexueller<br />

Natur sind. Lerntheoretiker, insbesondere<br />

Behavioristen, gehen davon aus, dass unsere<br />

Persönlichkeit maßgeblich durch individuelle<br />

Lernerfahrungen bestimmt sei, wobei diese<br />

sehr fundamental (z.B. Klassische Konditionierung)<br />

oder auch in komplexere soziale Gefüge<br />

(z.B. Beobachtungslernen) eingebunden sein<br />

können. Während die humanistische Psychologie<br />

auf der Annahme fußt, dass der Mensch<br />

ein grundsätzlich konstruktives Wesen sei, das<br />

letztlich nach Selbstbestimmung und Transzendenz<br />

strebt, gehen Vertreter der Biologischen<br />

Psychologie eher davon aus, dass distinkte<br />

neurobiologische Prozesse unser Verhalten<br />

(mit-)bestimmen. Wahrscheinlich erklären all<br />

diese Ansätze in unterschiedlichem Maße die<br />

Ursachen für Persönlichkeitsentwicklung und<br />

individuelle Unterschiede, sodass sie in gewisser<br />

Weise bis heute alle ihre Berechtigung behalten.<br />

Mit Blick auf die Messung und Systematik der<br />

verschiedenen Persönlichkeitsdimensionen<br />

erfreut sich der Ansatz der „Big Five“ besonderer<br />

Beliebtheit (McCrae & Costa, 1997), wobei<br />

hier von einem universellen, also weitgehend<br />

kulturunabhängigen Auftreten der folgenden<br />

Dimensionen ausgegangen wird:<br />

• Extraversion: Kontaktfreudigkeit, positive<br />

Emotionalität, Aktivität<br />

• Neurotizismus: Emotionale Labilität, Anpassungsschwierigkeiten,<br />

Ängstlichkeit<br />

• Offenheit für Erfahrungen: Kulturalität, Intellektualität,<br />

Erfahrungssuche<br />

• Gewissenhaftigkeit<br />

• Verträglichkeit: Freundlichkeit, geringe<br />

Aggressivität<br />

Beim Begriff des Charakters wird zwar auch davon<br />

ausgegangen, dass die hier aufgeführten<br />

einzelnen Merkmale kontinuierlich verteilt sind;<br />

direkte Implikationen für die Klinische Psychologie<br />

gibt es hingegen nicht. Generell gibt es<br />

weit weniger Forschung zum Themenbereich<br />

Charakter als zur Persönlichkeit. Erst in den letzten<br />

Jahren hat sich das Bild ein wenig geändert.<br />

Die Psychologie war aufgrund ihres enormen<br />

Anwendungsbezugs im Bereich der Klinischen<br />

Psychologie lange Zeit „defizitorientiert“. Betrachtet<br />

man entsprechende Auswertungen<br />

zu den am meisten publizierten Themen, überwiegen<br />

beispielsweise die Bereiche Depression,<br />

Angst und Zwang. Alle diese Erkrankungen<br />

sind gekennzeichnet durch negative Emotionen,<br />

Anpassungsstörungen und Leidensdruck.<br />

Zwischenzeitlich zeichnet sich aber ein Paradigmenwechsel<br />

in der Psychologie ab, der mehr<br />

und mehr die positiven Elemente unseres Verhaltens<br />

und Erlebens akzentuiert. Gemeint sind<br />

hiermit etwa das seelische Wohlbefinden, Optimismus,<br />

positive Emotionalität, um nur wenige<br />

Beispiele zu nennen.<br />

Der amerikanische Psychologe Martin Seligman<br />

ist zweifelsohne ein Wegbereiter dieser<br />

Entwicklung. Gerade an seiner Person ist die<br />

Überwindung der Defizitorientierung gut nachzuvollziehen,<br />

wenn man bedenkt, dass seine<br />

ursprünglichen Arbeiten zur erlernten Hilflosigkeit<br />

(die gerne als Modell für die Entstehung<br />

einer Depression herangezogen werden) zwischenzeitlich<br />

in die Positive Psychologie übergegangen<br />

sind (Seligman, 2003). Nach langer<br />

Zeit und auch ergänzend zur Philosophie, die<br />

sich seit jeher mit dem Thema Charakter befasst,<br />

zogen Dimensionen wie Charakter und<br />

Tugenden auch in die Persönlichkeitspsychologie<br />

ein. Mittels eines Inventars zur Messung<br />

von Charakterdimensionen und Tugenden<br />

(Values in Action Inventar) gelang Seligman<br />

ein entscheidender Impuls für zahlreiche Felder<br />

der Psychologie. Zwischenzeitlich ist dieses<br />

Inventar auch in deutscher Sprache als Selbstberichtsverfahren<br />

(Ruch et al., 2010) oder mit<br />

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CHARA24© als bildgestützter Fragebogen verfügbar.<br />

Zentral ist die Messung von insgesamt 24<br />

Charakterdimensionen, die zusammengefasst<br />

sechs Tugenden ergeben:<br />

• Weisheit (Neugier/Interesse, Liebe zum<br />

Lernen, Urteilsvermögen, Kreativität,<br />

Weitsichtigkeit/Tiefsinn<br />

• Mut (Tapferkeit, Ausdauer, Authentizität,<br />

Tatendrang)<br />

• Liebe/Humanität (Fähigkeit zu lieben,<br />

Freundlichkeit/Großzügigkeit, Soziale Intelligenz)<br />

• Gerechtigkeit (Teamfähigkeit/Loyalität,<br />

Fairness/Gerechtigkeit, Führungsvermögen)<br />

• Mäßigung (Vergebungsbereitschaft, Bescheidenheit/Demut,<br />

Selbstregulation/<br />

Selbstkontrolle, Umsicht/Vorsicht)<br />

• Transzendenz (Sinn für das Schöne, Dankbarkeit,<br />

Hoffnung/Optimismus, Humor/<br />

Verspieltheit, Spiritualität/Glaube)<br />

Die Darstellung dieser Tugenden und Charakterstärken<br />

zeigt, dass es natürlich gewisse<br />

Gemeinsamkeiten mit den zuvor genannten<br />

Facetten der Persönlichkeit gibt. Während aber<br />

die jeweiligen und individuellen Persönlichkeitsausprägungen<br />

grundsätzlich wertneutral<br />

sind, zeigt sich bei den Charakterdimensionen<br />

und insbesondere bei den Tugenden eine<br />

Wertigkeit im Sinne eines humanistischen<br />

Menschenbildes. Aus diesem Grund taucht im<br />

Kontext der Charakterzüge auch der Begriff der<br />

Charakterstärken auf.<br />

Bei nüchterner Betrachtung zeigt sich, dass<br />

in der heutigen Gesellschaft der Begriff der<br />

Tugend auf viele antiquiert wirkt und Charakterstärken<br />

und Tugenden keinen allzu großen<br />

Stellenwert genießen. Werte und Ziele wie<br />

Leistung, Verdienst, Karriere sind gegenüber<br />

verschiedenen humanistischen Werten in den<br />

Vordergrund getreten. Es fällt auf, dass die Ausprägung<br />

von Charakterstärken ohne die ihnen<br />

zugrunde liegenden individuellen Werte kaum<br />

vorstellbar ist. Die Frage ist, welchen individuellen<br />

Nutzen die Ausprägung der zuvor genannten<br />

Charakterstärken in einer Gesellschaft mit<br />

überwiegend anderem Wertegerüst überhaupt<br />

hat.<br />

Zur Beantwortung dieser Frage kann eine Studie<br />

herangezogen werden, die einen klaren<br />

Zusammenhang zwischen der Ausprägung<br />

der genannten Charakterzüge und der allgemeinen<br />

Lebenszufriedenheit aufzeigt (Ruch et<br />

al., 2010). Hier wird deutlich, dass Menschen,<br />

die insbesondere ein hohes Ausmaß an Bindungsfähigkeit,<br />

Hoffnung, Enthusiasmus und<br />

Dankbarkeit aufweisen, mit ihrem Leben insgesamt<br />

glücklicher sind, als solche mit niedrigen<br />

Ausprägungen in diesen Kategorien. Bedenkt<br />

man den Zusammenhang zwischen Lebenszufriedenheit<br />

und psychischer Gesundheit, dann<br />

bekommt die Auseinandersetzung mit Charakter<br />

und Tugend eine klinische und letztlich<br />

volkswirtschaftliche Dimension. Die dramatisch<br />

zunehmenden Fälle von Arbeitsunfähigkeit<br />

aufgrund psychischer Erkrankungen (Angststörungen,<br />

Depression, Burnout, u.a.) zeigen eindrucksvoll,<br />

dass unsere gegenwärtigen Lebensbedingungen<br />

in Arbeit und wahrscheinlich<br />

auch Familie unsere Vulnerabilität gegenüber<br />

psychischen Erkrankungen erhöhen. Allein<br />

die Depression führt innerhalb eines Jahres zu<br />

der unglaublichen Zahl von mehr als 150.000<br />

Jahren Arbeitsausfall, was neben den persönlichen<br />

Schicksalen die Dimension der indirekten<br />

Krankheitskosten alleine durch diese Krankheit<br />

verdeutlicht.<br />

Wenn nun die Ausbildung der genannten Charakterstärken<br />

die psychische Gesundheit verbessert,<br />

stellt sich natürlich die Frage, wie diese<br />

günstigen Wesenszüge weiter ausgebildet werden<br />

könnten. Die Theorie von Robert Cloninger<br />

(1993) geht davon aus, dass Charakter primär<br />

er worben wird, Temperament hingegen maßgeblich<br />

einer erblichen Komponente unterliegt.<br />

Wie Charakterstärken entwickelt werden, bleibt<br />

weitgehend unbeantwortet. Die Philosophie<br />

der Antike gab hierzu bereits Antworten und<br />

interessante Anregungen. Aristoteles (384-322<br />

v. Chr.) beschreibt in seiner Nikomachischen<br />

Ethik, dass Charakterstärken erworben werden,<br />

konkretisiert dies aber durch den Hinweis, dass<br />

dafür die Handlung essentiell sei. Charakterausprägung<br />

also nicht im Sinne von Appellen,<br />

Moralvorgaben oder anderen Aspekten pädagogischen<br />

Handelns, sondern durch die Ausübung<br />

von bestimmten, zu den Charakterzügen<br />

passenden Tätigkeiten selbst. Die moderne<br />

Hirnforschung bestätigt, was Aristoteles bereits<br />

wusste; unser Gehirn verändert sich in der Tat<br />

durch unser Handeln funktionell (siehe auch<br />

Plastizitätsbegriff der Hirnforschung). Tätigkeiten,<br />

die in diesen Bereich fallen, können sehr<br />

vielfältig sein, soziales und gesellschaftliches<br />

Engagement (z.B. im Ehrenamt) stehen hierbei<br />

sicher an vorderer Stelle.<br />

Inzwischen hat sich diese Erkenntnis auch im<br />

arbeits- und organisationspsychologischen<br />

Bezug durchgesetzt. Verstärkt wird gefordert,<br />

bei der Mitarbeiterauswahl (Recruiting) und<br />

Personal entwicklung besonders die Charakterstärken<br />

zu berücksichtigen. Im Zuge des<br />

bevorstehenden demografischen Wandels, der<br />

neben der Verursachung zahlreicher anderer<br />

Probleme auch die Verfügbarkeit von qualifizierten<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern<br />

reduzieren wird (siehe auch „war for talents“),<br />

wird deutlich, dass sich die Akzentuierung von<br />

Merkmalen im gesamten Personalmanagementprozess<br />

erweitert. Die Mitarbeiterloyalisierung<br />

steht zunehmend im Vordergrund, um<br />

die Besten zu behalten und allgemein die Fluktuation<br />

der Mitarbeitenden reduzieren zu können.<br />

Es ist aber auch klar, dass Maßnahmen zur<br />

Mitarbeiterloyalisierung nur bei denjenigen auf<br />

fruchtbaren Boden fallen, die überhaupt „loyalisierbar“<br />

sind. Entsprechende Merkmale hierfür<br />

sind in der Aufstellung von Charakterstärken<br />

(s.o.) zu finden.<br />

Aus meiner persönlichen Sicht wird die Auseinandersetzung<br />

mit Charakter und Tugend eine<br />

weiterhin wachsende Bedeutung erfahren, die<br />

sich in der Wissenschaft, aber auch in vielen<br />

anderen Bereichen unserer Gesellschaft zeigen<br />

wird. Bei kritischer Betrachtung zahlreicher<br />

Phänomene in Politik, Wirtschaft, Familie und<br />

Bildung, könnte man zu der Ansicht kommen,<br />

dass es dafür auch Zeit wird.<br />

***<br />

Jürgen Hennig<br />

Autorenprofil<br />

Prof. Dr. Dr. Jürgen Hennig studierte Psychologie und Humanbiologie und ist seit 2002 Lehrstuhlinhaber für Differentielle Psychologie und Persönlichkeitsforschung<br />

an der Justus-Liebig-Universität in Gießen. Der Schwerpunkt seiner Arbeit liegt auf biologischen Grundlagen der Persönlichkeit sowie auf<br />

der Forschung zur Erbe-Umwelt-Interaktion. Prof. Hennig ist Autor von über 150 Fachartikeln in internationalen Journalen sowie mehreren Büchern und<br />

wurde mehrfach für Lehr- und Forschungsleistungen ausgezeichnet. Neben seiner universitären Arbeit geht er Tätigkeiten in der Unternehmens- und<br />

Personalberatung nach.<br />

Prof. Dr. Dr. Jürgen Hennig<br />

www.uni-giessen.de<br />

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WIR BRAUCHEN EIN NEUES<br />

FÜHRUNGS-DESIGN<br />

VON SABINE ASGODOM<br />

94 <strong>ZT</strong> | <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> | <strong>ZT</strong> 95


ihr mit eurem Gender-Gerede.<br />

Guckt euch um, Frauen sind<br />

„Ach,<br />

doch schon längst gleichberechtigt.<br />

Sie sind in allen naturwissenschaftlichen<br />

Bereichen, ja sogar schon in Vorständen von<br />

IT- und Kommunikationsunternehmen. Was<br />

wollt ihr eigentlich noch!?“ Gerade im Zuge der<br />

Diskussion um die Frauenquote wurden solche<br />

Stimmen wieder lauter.<br />

WIR BRAUCHEN EIN NEUES<br />

FÜHRUNGS-DESIGN<br />

VON SABINE ASGODOM<br />

Aber stimmt das wirklich? Alles paletti? Die<br />

Jahrhundertaufgabe, mehr Frauen in Führungspositionen<br />

zu bringen, längst gelöst? Leider<br />

nein. Solange eine Frau noch auffällt, die in<br />

einen Vorstand oder Aufsichtsrat berufen wird,<br />

ist das Ziel noch nicht erreicht. Frauen (und<br />

Männer) werken an verschiedenen Stellen, um<br />

das weibliche Potenzial für Unternehmen und<br />

damit für wirtschaftlichen Erfolg zu nutzen.<br />

Allen voran die Wissenschaft, die junge Frauen<br />

ermutigt, sich alle Berufsfelder zu erschließen<br />

und gerade in den Naturwissenschaften ihren<br />

Beruf und ihre Berufung zu finden. Auch den<br />

Unternehmen wird durch Zahlen und Fakten<br />

langsam aber sicher klargemacht, dass sie profitieren,<br />

wenn sie die Talente von Frauen für sich<br />

nutzen.<br />

Noch immer berauben sich Unternehmen einer wachsenden Gruppe exzellent ausgebildeter<br />

Frauen, die als Führungskräfte geeignet wären. Das Festhalten an althergebrachten Arbeitsmodellen<br />

und Denkstrukturen ist hartnäckig, aber Mut zur Veränderung lohnt sich. Schon<br />

kleine Maßnahmen können große Wirkung erzielen und sich zukünftig doppelt und dreifach<br />

auszahlen.<br />

Hochachtung gilt allen Frauen, die sich in Organisationen,<br />

Ämtern und Unternehmen für<br />

Gleichberechtigung und Diversity einsetzen,<br />

oft gegen latenten Widerstand und offene<br />

Anfeindung, gegen Larmoyanz und Hinhaltetaktiken.<br />

Ziel sollte es sein, eine „Gender Blindness“<br />

zu bewirken, heißt, dass Leistung wertgeschätzt<br />

und gefördert wird, egal von welchem<br />

Geschlecht sie kommt. Damit würde der Tatsache<br />

entgegengewirkt, dass Frauen teils einfach<br />

„übersehen“ werden.<br />

Auch auf Unternehmensseite braucht es Bewegung,<br />

oder „Change“, wie es neudeutsch heißt.<br />

Denn wenn wir mehr Frauen in Führungspositionen<br />

haben wollen, dann müssen nicht nur sie<br />

selbst in Bewegung kommen, sondern auch die<br />

Gestaltung der Positionen muss flexibler werden.<br />

Die gegenwärtigen Arbeitsmodelle von<br />

Führungskräften sind nach den Anforderungen<br />

der Neunzigerjahre gestaltet: Höher, schneller,<br />

weiter. Sie sind zu hundert Prozent auf den<br />

„SOLANGE EINE FRAU<br />

NOCH AUFFÄLLT, DIE<br />

IN EINEN VORSTAND<br />

ODER AUFSICHTSRAT<br />

BERUFEN WIRD,<br />

IST DAS ZIEL NOCH<br />

NICHT ERREICHT.“<br />

96 <strong>ZT</strong> | <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> | <strong>ZT</strong> 97


Mann mit Familienbetreuung zugeschnitten,<br />

für jemanden, der bereit ist, 12 bis 14 Stunden<br />

zu arbeiten, und auch am Wochenende Gewehr<br />

bei Fuß steht. Keiner fragt deshalb:<br />

• Wer bügelt die Hemden/Blusen,<br />

• Wer packt den Koffer aus und ein,<br />

• Wer kümmert sich um die Kinder, wenn er<br />

auf Dienstreisen ist,<br />

• Wer besorgt das Geschenk für Tante<br />

Monika,<br />

• Wer organisiert den Umzug bei einem<br />

Jobwechsel,<br />

• Wer tröstet den Teenager bei Liebeskummer,<br />

• Wer bucht den Urlaub und<br />

• Wer bringt den Hund zum Tierarzt?<br />

Anspruchsvolle und oft knallharte Führungspositionen<br />

haben nicht nur eine sinkende Sogwirkung<br />

auf junge Männer, sondern auch eine<br />

zunehmend abschreckende Wirkung auf junge<br />

Frauen. Es gibt mittlerweile eine große Gruppe<br />

hervorragend ausgebildeter, talentierter und<br />

ambitionierter Frauen, die das Zeug zur Führungskraft<br />

haben. Doch diese teilt sich wiederum<br />

in drei Gruppen auf:<br />

• Die erste Gruppe opfert ihr persönliches<br />

Glück der Karriere und verzichtet auf Familie<br />

(40 Prozent aller weiblichen Führungskräfte<br />

haben keine Kinder).<br />

• Die zweite Gruppe organisiert sich mit<br />

Kinderfrau und Kita, Internat und Hausmann<br />

und lebt zwei Leben in einem. Immer<br />

am Rande des Burnouts.<br />

• Die dritte und größte Gruppe hat sich aus<br />

dem Hamsterrad verabschiedet. Nein, sie<br />

möchten nicht leben wie ihre Chefs (und<br />

wenigen Chefinnen).<br />

Umfragen in meinen Seminaren „Durchsetzungsstrategien<br />

für Frauen“ ergeben immer<br />

wieder Folgendes: 90 Prozent der Teilnehmerinnen<br />

sagen: „Ich möchte keine (weitergehende)<br />

Karriere machen“. Grund: Kinder, Leben, Eltern,<br />

Teilzeit, Yogakurse, und ganz vehement: Verachtung<br />

der „Politik“ in Unternehmen, blöde<br />

Machtspiele, hinterhältige Attacken, Hahnenkämpfe<br />

und Platzhirschgehabe. Keine Lust auf<br />

Männerspiele.<br />

Das Schlimme: Diese Frauen kann ich verstehen.<br />

Das noch viel Schlimmere: Unternehmen<br />

verlieren das Potenzial und die Energie dieser<br />

Frauen. Das ist unverzeihlich, dumm und<br />

gefährlich. Was wir brauchen, ist ein neues<br />

Führungs-Design. Wenn wir gut ausgebildete<br />

Frauen nicht in die bestehenden Führungspositionen<br />

hineinpferchen können, dann brauchen<br />

wir eben neue Modelle. Wir brauchen Chefsessel,<br />

die nicht einengen und die Luft zum Atmen<br />

nehmen, sondern Jobs, die Raum schaffen für<br />

Kreativität und Freude, anderes Denken und<br />

anderes Handeln. So wie uns Autos aus den<br />

Siebzigerjahren heute furchtbar spießig erscheinen,<br />

ist auch das Denken der letzten Jahrzehnte<br />

in Sachen Führungskräfte veraltet und<br />

behindernd. Neues Design heißt, neuen Wind<br />

in die Chefetagen bringen. Es heißt, sich von<br />

eingespielten Männer-Ritualen verabschieden.<br />

Na klar, das finden die meisten Männer (und<br />

die sich quälenden Frauen) blöd. Warum sollten<br />

Frauen eine Sonderrolle bekommen? – Weil es<br />

den Unternehmen nützt!<br />

Wir brauchen Ideentage, auf den Mitarbeiterinnen<br />

ihren Arbeitsplatz als Führungskraft<br />

designen können. Aus meiner Erfahrung wird<br />

dazugehören: Flexible Arbeitszeiten, schmalere<br />

Verantwortungsbereiche. Ergebnisorientiertes<br />

Führen statt der bisherigen „Wie-lange-sitzeich-mit-meinem-Hintern-in-der-Firma-Ideologie“,<br />

Home-Arbeitsplätze tageweise, eine neue<br />

Meetingkultur: gestrafft, konzentriert, und zu<br />

Zeiten, in denen nichts Wichtigeres anliegt, als<br />

der Theaterauftritt des Kindes um 16 Uhr. Wertschätzung<br />

des Frauenblicks auf Projekte: Was<br />

bringt es, wie können wir es effizienter gestalten?<br />

Eine neue Geschäftsreisen-Kultur mit Delegation,<br />

müssen Führungskräfte wirklich 40 von<br />

52 Wochen auf Dienstreise sein? Könnte man<br />

das klüger planen, besser verteilen?<br />

So viele Veränderungen – „Wie sollen wir das<br />

alles bezahlen?“ - höre ich die Entscheider in<br />

den Chefetagen schon stöhnen. Die Lösung ist<br />

ganz einfach: Frauen erwirtschaften mehr Profit<br />

und haben niedrigere Ansprüche an Gehälter.<br />

Nicht, dass ich Letzeres gut finde, aber es ist ein<br />

Zeichen an alle. Tausche Sinn und Lebensfreude<br />

gegen Status und Reichtum. Bekomme ein Führungsverhalten<br />

dazu, dass den Menschen wieder<br />

mehr in den Mittelpunkt rückt, (Das frühere<br />

Telekom-Vorstandsmitglied Thomas Sattelberger<br />

nennt das „Management 2.0“) das Miteinanderreden<br />

und vor allem das Zuhören verstärkt,<br />

das Geborgenheit schafft und deshalb gute<br />

Ergebnisse erzielt. Genau deswegen werden<br />

viele Männer aus der Generation 1.0 versuchen,<br />

diese Veränderungen zu verhindern.<br />

Apropos Männer: Auch sie werden von dem<br />

neuen Führungs-Design profitieren. Manche<br />

wissen es auch schon. Und Unternehmen müssen<br />

sich entscheiden, was sie wollen: Begabte<br />

und fleißige Frauen verlieren – oder von ihrer<br />

Arbeitsweise profitieren? Let’s design!<br />

***<br />

Sabine Asgodom<br />

Autorenprofil<br />

Sabine Asgodom, ist Managementtrainerin, Erfolgscoach, Journalistin und Bestsellerautorin. Sie ist eine der bekanntesten Vortrags-Rednerinnen im<br />

deutschsprachigen Raum und außerdem Mitglied des Beirats des WoMenPower-Kongresses auf der Hannover Messe. 2010 wurde sie für ihr berufliches<br />

und ehrenamtliches Engagement mit dem Verdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet. Seit 2009 ist sie als erster Keynote-Speaker<br />

in Europa außerhalb Großbritanniens vom internationalen Rednerverband GSF als „Certified Speaking Professional“ zertifiziert.<br />

sabine Asgodom<br />

www.asgodom.de<br />

98 <strong>ZT</strong> | <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong> | <strong>ZT</strong> 99


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