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18 Montag, 1. Juli 2013<br />
Altstadtlauf Herrenberg<br />
A<br />
m Nufringer Tor heißt das Motto „Once More“. Die<br />
Band, die sich so nennt, trägt schwarze T-Shirts. Auch<br />
die Bühne hinter den Musikern ist schwarz verhängt, nur das<br />
Kopftuch der Sängerin leuchtet rot. Hier gibt es ein eher kleines<br />
Publikum, das an Bänken und Café-Tischen sitzt oder<br />
steht und sich ein Fußwippen dennoch nicht verkneifen<br />
kann. Die Musik gibt guten Anlass dazu: Das Keyboard klimpert<br />
feschen Rock’n’Roll, die Gitarre zerrt schmutzig an den<br />
Akkorden. „Hier kriegt ihr ein Lachen aufs Gesicht“, prophezeit<br />
die männliche Stimme der Band, „und wisst ihr, was ein<br />
Lachen macht?“ Jawohl: „Sexy!“ Folgen muss Marius Müller-Westernhagen,<br />
der schon vor mehr als 20 Jahren einer<br />
Dame mal den Stiefel lecken wollte. Drum streckt die Sängerin<br />
mit dem roten Tuch dem Sänger mit dem schwarzen T-<br />
Shirt nun denselben hin. Der tut so, als ob – und auf dem<br />
Platz wippt man eben dazu, ob nun mit Stiefel oder Turnschuh.<br />
A<br />
uf dem Marktplatz schwärmt die<br />
Stadtkapelle Herrenberg von der<br />
Bühne herab – sie hat ihr Tagesgeschäft<br />
hinter sich. Auch in dieser Kapelle<br />
gibt es natürlich Trompeten, Holger<br />
Fauß spielt eine von ihnen. Am frühen<br />
Nachmittag macht die Kapelle auf<br />
dem Platz mit mehr als 40 Musikern<br />
Stimmung. „Glück mit dem Wetter<br />
hatten wir“, sagt Fauß – und gespielt<br />
haben sie alles, von der Volksmusik<br />
bis zum zeitgenössisch Populären: ein<br />
Beatles-Potpourri, ein wenig Elvis-<br />
Rock’n’Roll und ein bisschen Polka.<br />
Auf dem Marktplatz lagern keine Menschenmassen<br />
zu dieser Uhrzeit, aber<br />
auf den Bierbänken geht es doch gemütlich<br />
zu: „Die Stimmung war gut, es<br />
war schön, die Leute zu sehen, die so<br />
dicht an uns vorüberliefen.“<br />
T<br />
he Crossways“ packen am Bronntor ihre Instrumente ein. Die Herrenberger<br />
Band spielt manchmal zu fünft, manchmal zu dritt – Letzteres beim<br />
Altstadtlauf. Adrian Struve, Alicja Mroczka und Florian Deutsch sprangen im<br />
Bronntor kurzfristig ein, um Musik für die örtliche Gastronomie zu bereiten,<br />
bedienten Gitarre, Cajon, sangen und füllten die Passage mit Liedern von<br />
Bryan Adams, Melissa Etheridge und anderen. „Leider“, erzählen sie, „war<br />
hier wenig los. Aber die Stimmung war gut!“ – abgezogen wurde ihr Publikum<br />
wohl von der Attraktion draußen vor dem Tor.<br />
Z<br />
war ballen sich dort nicht die Massen, aber dafür<br />
spielt auf dem Platz vor dem Bronntor ein ganzes<br />
Weilchen schon die fraglos beste Band beim Herrenberger<br />
Altstadtlauf. Zwar tanzt hier nicht der Bär, aber<br />
dafür der Kontrabass. Die „Roadrunners“ entpuppen<br />
sich als sehr heiße Sache, die mit ungebremster Rockabilly-Attitüde<br />
in die Saiten haut. Eine professionelle<br />
Truppe, die temporeich den Rock’n’Roll mit Country<br />
vermischt, die Gitarrensaiten trocken knallen lässt,<br />
dem harten Beat ihres Schlagzeugs folgt. Während<br />
die Musiker sich droben vorstellen und ihre Soli spielen,<br />
spaziert der Lead-Sänger mit seinen Hosenträgern<br />
durch das Publikum.<br />
I<br />
m Herrenberger Modehaus „Zinser“<br />
haben sich einige Besucher auf die<br />
Stufen gesetzt, die von der Damenabteilung<br />
in die Herrenabteilung führen<br />
und lauschen den „OberjeSingers“,<br />
die hier in diesem Jahr anstelle einer<br />
Jazzband auftreten. Wie es sich gehört,<br />
wenn man ein Konzert in einem<br />
Modehaus gibt, sind die Damen und<br />
Herren, die hier zusammen singen,<br />
sorgfältig gekleidet: fast alle in Weiß<br />
und mit blauen Tüchern. 14 sind es,<br />
sie lassen ihre Stimmen verschmelzen<br />
und dies mit sichtlicher Freude – ein<br />
Lied von „Coldplay“ begleitet jene, die<br />
im Modehaus nach neuer Kleidung<br />
suchen, während draußen, in den Altstadtstraßen,<br />
andere noch immer in ihre<br />
gebrauchte hineinschwitzen.<br />
Wer sich in den Altstadtlauf als Teilnehmer stürzen möchte<br />
und dort schnauft, der kann pumpende Technobeats<br />
durchaus gebrauchen, um auf Touren zu kommen.<br />
Aber es gibt auch Handgemachtes beim Herrenberger<br />
Altstadtlauf für Teilnehmer – und natürlich Besucher.<br />
Thomas Morawitzky hat zugehört.<br />
E<br />
in fröhliches Sangesduo hat die Marktplatzbühne in Beschlag<br />
genommen. Dort haben sich die „Steinsberger“ aufgestellt,<br />
die freilich nicht nur aus Sänger und Sängerin bestehen, sondern<br />
eine zahlenmäßig gut aufgestellte Band mit einmütig im Volksmusiktakt<br />
schlagender E-Gitarre sind. Und mit grünen Karos. Von der<br />
zünftigen Lederhose keine Spur. Aber die grob grün karierten<br />
Hemden, sie sind nun überall auf der Bühne und machen Stimmung<br />
– bald strömen die Massen herbei, angelockt von den Rufen<br />
des grün karierten Gitarristen: „Zicke zacke zicke zacke hoi<br />
hoi hoi!“ – so lautet sein Wort zum Samstag. „Schatzi, schenk mir<br />
ein Foto von dir!“ singen sie nun gemeinsam. Und so, wie es<br />
klingt, meinen sie es ernst.<br />
Z<br />
uverlässig vor der Gaststätte „Lamm“ in einem Seitenast der Bronngasse – hier<br />
isst man gerne, hier steht man gerne, hier kennt man die Band aus vielen Jahren:<br />
Der „Kitchen Club“ ist altvertraut, musikalisch erfahren und nicht müde. Stimmung und<br />
Songauswahl passen zum Gemüt, wie der Rotwein zum Käse und der Senf auf die<br />
Wurst. Wie immer ist an diesem Ort kaum ein Durchkommen. Irgendwo, umringt von<br />
Publikumsköpfen, sieht man den grauen Filzhut des Sängers schweben, hört man, wie<br />
der Bass bequem zum akustischen Rock- und Blues-Repertoire brummt. An diesem<br />
Ort, in dieser Gasse, ist das Publikum am besten gelaunt.<br />
D<br />
ie Tübinger Straße – eine Straße, geschaffen zum Schlendern. Das „Duo Sonnenklar“<br />
lässt dort keine Trauben entstehen, singt aber von welchen. Umgrenzt<br />
von Wurst- und Getränkeständen wechseln die beiden volkstümlichen Musiker auf<br />
der Bühne die Instrumente, das Akkordeon geht, die Trompeten kommen. „Der<br />
nächste Titel heißt: ’Wenn die Sonne erwacht in den Bergen’, kündet ein sonnig gestimmter<br />
Musiker an, „dem einen oder anderen ist er vielleicht bekannt“ – eine Aufforderung,<br />
einzustimmen. Unverkennbar. Das Lied, weiß der Experte auf der Bühne,<br />
kann in drei Sprachen gesungen werden, auf Deutsch, Englisch und Französisch –<br />
das „Duo Sonnenklar“ bleibt auf der sicheren Seite: „Wir singen es auf Deutsch und<br />
blasen es auf Englisch und Französisch.“ Aber erst, nachdem die Melodie eine Weile<br />
gekreist ist auf den Trompeten des Duos, während das Saxofon in seinem Ständer<br />
schläft. Das Publikum ist klein, aber einige bleiben stehen, um gut gelaunt zu<br />
schunkeln am Kopfsteinpflasterstraßenrand.