Boltenhagener Einblicke 1 / 2014
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<strong>Boltenhagener</strong> <strong>Einblicke</strong> – Satirische Zeitung von <strong>Boltenhagener</strong>n für <strong>Boltenhagener</strong><br />
Verwaltung an ihre Grenzen führen. Einige Berichte dienen einem<br />
tieferen Sinn. Als Begründung für Gefälligkeitsplanungen ohne<br />
Ansehen der Person, für Auftragsverschiebungen<br />
zugunsten einer Clique und für Vetternwirtschaft ohne Vettern. Nur<br />
anonyme Briefe sind inzwischen außen vor.<br />
Einst galten sie noch als gesellschaftsfähig, man brauchte nicht in die<br />
Haut eines anderen zu kriechen. Sie nannten sich „ stille Post".<br />
Damals berichtete man noch über profane Dinge, wie z. B. über den<br />
Dorfmacho, der sich vor Jahren nicht traute eine Frau anzusprechen,<br />
aber inzwischen mehrere betrogen hat. Manche Girls sind aber auch<br />
selber schuld. Schon die moderne Ausdrucksweise fühlt sich für<br />
gesittete Senioren seltsam an. Eine Fachfrau versicherte, dass die<br />
Indianer früher als potente Männer galten und heute aber eher aus<br />
Polen stammen. Als sie einen Verehrer nach dem Namen fragte,<br />
antwortete dieser: -Winnetou Kowalski-. Eine seriöse Dame erkennt<br />
man allerdings daran, wenn sie weiß was sie nicht wissen darf,<br />
obwohl sie es weiß.<br />
Das alles hat mit dem heutigen Berichtswesen nichts zu tun. Aber es<br />
gefällt! Wir sehen in der Gemeinde nicht alt aus, obwohl hier viele<br />
Senioren ansässig sind. Das Gros scheinbar gesund und munter. Da<br />
trifft zu: Die Gesundheit ist die Summe aller Krankheiten, die man<br />
nicht hat! Trotzdem veranstalten wir keine Ü-90 Partys, auch nicht in<br />
kurzer Version. Wer keine alten Leute kennt, verzichtet auf viel Spaß.<br />
Oma macht Yoga, Opa will den Euro retten. Sie trinkt Prosecco, er<br />
jammert. Wer hält da länger durch? Gemeinsam haben sie keine<br />
Angst vor der Zukunft, da ist ja noch die Gegenwart. Manche<br />
Senioren treffen sich zu kommunikativen Zwecken im Wartezimmer<br />
des Hausarztes. Eine Uroma fühlt sich besonders betroffen. Sie gilt<br />
als neurotisch, depressiv, religiös und vom Zappelphilipp-Syndrom<br />
befallen. Außerdem knirscht die mit den Zähnen. Man versuchte so<br />
allerhand mit ihr, mal oral, mal rektal und mal durchs Ohr. Wahlen<br />
und Kreuzworträtsel lehnt sie ab und weigert sich in<br />
Gemeindesitzungen zu klatschen. Ist sie eine Simulantin oder einfach<br />
etwas sehr besonderes? Die Frage muss geklärt werden, denn es<br />
gibt viele von ihnen. Sie ernähren sich oft von überlagerten<br />
Ostprodukten, wenn sie nicht gar das wenige, was sie essen sollen,<br />
trinken. Der Volksmund nennt sie auch:<br />
Erichs letztes Aufgebot!<br />
Jahresberichte beginnen im allgemeinen mit Danksagungen.<br />
Ein gewöhnlicher Dank denen, die trotz Repressalien einfach da sind.<br />
Ein weiterer Dank den Mutigen, die die Angst anderer still ertragen,<br />
nicht mit machen und uns so Einschätzungen und Belehrungen<br />
ersparten. Ganz selbstlos bedankte sich der Personalgutachter H. für<br />
alle Überzahlungen und schwor: Der Countdown für weitere Joint<br />
Venture -Aufträge läuft easy. Man stelle sich nur die Rechnungen vor,<br />
wenn der noch richtig Deutsch könnte.<br />
Besonderer Dank gebührt denen, die statt Investitionen in die Hand<br />
zu nehmen, lieber den Kopf in den Sand zu steckten. Sand und<br />
Strand sind schließlich Attraktionen im Badeort und erzeugen ganz<br />
nebenbei Ruhe und Gelassenheit. Kein Wunder, dass Senioren zu<br />
den Gemeindesitzungen gelangweilt im großen Kur-und Festsaal vor<br />
sich hin dösen und wederhören noch verstehen. Tierfreunde würden<br />
sagen: -Artgerechte Käfighaltung.-<br />
Auch für den Grillabend mit der Bundestagabgeordneten Karin Strenz<br />
haben wir einen warmen Dank auf Lager. Wir erschienen mit 60<br />
Teilnehmern, dazu 15 CDU-Ortsgruppenmitglieder und die Stühle<br />
wurden knapp. Eine gute Voraussetzung für das Spiel: „Die Reise<br />
nach Jerusalem", wobei alle ohne Sitzgelegenheit ausscheiden. Ein<br />
parteilicher Spielverderber stotterte. „ Warum seid ihr von der<br />
Opposition nicht nur mit der Hälfte eurer Leute gekommen?" Aber<br />
genau das haben wir getan!<br />
Ein leiser Dank denen, die für Ruhe und gegen Ferienvermietung<br />
stimmten. Geld verdirbt den Charakter. Lieber Mieteinnahmen senken<br />
und dafür die Parkgebühren erhöhen. Mit weniger Geld in der Tasche<br />
erfinden sich die Tagesgäste völlig neu. Den Verkehrslärm gibt es<br />
kostenlos, ebenso den Tinnitus. Zu guter Letzt hören sie nur noch<br />
das Klimpern des Automatengeldes.<br />
Verdienstvollen Dank der Verwaltung, die mit einer billigen Idee den<br />
Rückgang der Steuereinnahmen im Ortstoppen will. Jetzt soll nicht<br />
mehr das Vermögen, sondern das Unvermögen versteuert werden.<br />
Herzlichen Dank auch dem Gemeinde vorsitzenden für die ständige,<br />
uneigennützige, ja selbstlose Bereitstellung von schlagkräftigen<br />
Argumenten und Ausreden für nicht erfüllte Aufgaben. Große Not<br />
ergab sich so bei vielen Tourismusbetrieben in der Erläuterung<br />
fehlender Kinderbeschäftigungen. Doch Not verbindet und eine<br />
Festigung der Branche konnte erreicht werden.<br />
Ein schneller Dank dem Fuhrbetrieb im Ort. Sie sind nicht mit dem<br />
Kanu über den Atlantik gepaddelt, sondern mit Kleinbussen in den<br />
Verkehrsstau geschleudert. Kreative Knebelverträge mit den<br />
Mitarbeitern dienten nur der Disziplinierung und gelten quasi als<br />
Vorbild für das zerstrittene Dorf. Dafür wurde den Beschäftigten nach<br />
Aussage des Gemeindeoberhauptes mit ,,'n Appel und 'n Ei" als<br />
Gehaltsersatz gedankt.<br />
Die Sommersaison zeigte sich in diesem Jahr von ihrer schönsten<br />
Seite. Mit unserem Alleinstellungsmerkmal - tolles Wetter-, konnten<br />
wir mit allen Badeorten mithalten. Nach amerikanischen Studien wird<br />
auch der Winter sehr mild. Die durch die NSA abgehörten Telefonate<br />
bestätigen, dass niemand über Brennholz sprach. Eine verblüffende,<br />
wie clevere Aktion, die den Ausschlag gab, Snowden in Boltenhagen<br />
Asyl zu gewähren.<br />
Wir sind und bleiben Seeheilbad. Die Urlauber und Bürger können<br />
ungehindert alle Ecken und Kanten erforschen. Zauberhafte<br />
Landschaften, verträumte Strände, bunte Boutiquen doch nur wenige<br />
Orte sind geheim und tabu. Dazu zählt unumstritten der Bauhof mit<br />
seinem Innen- und Außenleben. Wer das ergründen will, muss schon<br />
eine juristische Hintertür finden. Vielleicht steht eines Tages auf<br />
diesem Grund ein Erlebnisbad oder ein neues Welcome Center für<br />
den südlichen Ortseingang? Vorläufig kann man noch den<br />
Vorarbeiter in seinem Element erleben. Selbstbewusst mit Hinweisen<br />
auf seine kommunalpolitischen Kritiker schickt er seine Mannen ins<br />
Gelände. Da bleibt wenig Zeit für eine Bauhof Übersicht.<br />
Verunreinigungen wie sie derzeit aus der Lebensmittelindustrie<br />
gemeldet werden, sind woanders schließlich auch üblich. Seine<br />
Erfolge verdankter vorrangig den Ratschlägen, die er nicht<br />
angenommen hat. Einer sieht das alles anders. Der<br />
Gemeindegutachter begriff die Erhabenheit des Augenblicks, ihn<br />
überlief ein kalter Schauer, verdutzt mit starren Augen vermittelte er<br />
in seinen Darlegungen sinngemäß die Erkenntnis: -„ Wir brauchen<br />
einen versierten Bauhofleiter. „- Eine harsche Kritik, -ist doch der<br />
Vorarbeiter menschlich zu verstehen. Er sitzt fachlich gesehen<br />
zwischen allen Stühlen und gestand:" Nur der Mutige traut sich<br />
heutzutage noch, ganz und gar er selbst zu sein." Ein kleiner<br />
Parteifreund bekundete Solidarität und polterte im Amt: „ Der<br />
Gutachter ist doch blöd!" Aber alle wussten das schon. Auch die<br />
Mitarbeiter des Park & Ride Projektes besuchten den Bauhof um zu<br />
pausieren und den Erlebniswert praktischer Kommunalpolitik zu<br />
bestaunen. Schwellenangst, sonst nur bei Liebesdamen<br />
unentbehrlich, offenbarte sich bei ihnen nicht. Auf Weisung ihres<br />
Chefs versuchten sie in des „Kaisers neue Kleider" zu schlüpfen und<br />
machten sich doch nur nackig. Am Schluss fühlten sie sich in Ihrer<br />
Arbeitskluft, wie in einer Zwangsjacke, auf die ihre Knebelverträge<br />
vehement drückten. Der Gutachter wollte etwas gut machen und bot<br />
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