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Ziele und Inhalte des Informatik- unterrichts

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'z.D1... ?j/~<br />

AnaJyscn<br />

<strong>Ziele</strong> <strong>und</strong> <strong>Inhalte</strong> <strong>des</strong> <strong>Informatik</strong><strong>unterrichts</strong><br />

Rüdeger BAUMANN Celle<br />

Abstract: This paper tries to legitimate Computer science as an<br />

individual SCho01 subject in the sixth form. To this aim, an up-todate<br />

educational concept is developed. It is shown that Computer<br />

science can playa specific role in general education. Discussions<br />

of special didactic questions show hoW the subject of Computer<br />

science can be treated in an application oriented way to stress the<br />

value of programming languages and demand the provision of<br />

basic knowledge from mathematics and 10giC.<br />

Kurzreferat: Der B'eittag versucht, <strong>Informatik</strong> als eigenständiges<br />

Schulfach <strong>des</strong> Sek<strong>und</strong>arbereichsJI zu legitimieren; zu diesem<br />

Zweck wird ein zeitgemäßer Bil4ungsbegriff entwickelt <strong>und</strong> gezeigt,<br />

daß <strong>Informatik</strong> einen spezifischen Beitrag zur Allgemeinbildung<br />

erbringen kann. Erörterungen zu didaktischen Einzelfragen<br />

zeigen, wie Themen der theoretischen <strong>Informatik</strong> anwendungsorientiert<br />

behandelt werden können, heben den Wert prädikativer<br />

Programmiersprachen hervor <strong>und</strong> fordern vom<br />

Mathematikunterricht die Bereitstellung mathematischen <strong>und</strong> logischen<br />

Gr<strong>und</strong>lagenwissens.<br />

ZDM-Classification: Q14<br />

Die Aufgabe <strong>des</strong> <strong>Informatik</strong>ers beschränkt sich nicht auf die<br />

EntWicklung von Programmen, welche andere nutzen können.<br />

Es gibt einen Binformatischen Geist", der den Charakter<br />

unserer Beziehungen nicht allein mit der physischen Welt <strong>und</strong><br />

den Maschinen bestimmt, sondern auch den unserer<br />

menschlichen Beziehungen. Die Bewußtmachung dieser<br />

Beziehungen ist die Aufgabe, die wir zu erfüllen haben.<br />

TiefenthaI<br />

1. Legitimation als Daueraufgabe<br />

<strong>Informatik</strong> als Schulfach im Sek<strong>und</strong>arbereich II blickt auf<br />

eine inzwischen zwanzigjährige Vergangenheit zurück-<br />

Verglichen mit Fächern wie Latein, Deutsch oder Mathematik,<br />

aber auch beispielsweise mit Physik, ist das lächerlich<br />

wenig. Es verw<strong>und</strong>ert daher nicht, daß immer noch<br />

bzw. immer wieder die Frage nach der Legitimation von<br />

<strong>Informatik</strong> als Schulfach gestellt wird. Aber auch die traditionellen,<br />

scheinbar bestens etablierten Fächer müssen<br />

sich in Konkurrenz zu anderen -möglicherweise neuen -<br />

Fächern bzw. Lernbereichen <strong>und</strong> unter dem Druck reduzierter<br />

Gesamt<strong>unterrichts</strong>zeit die Frage nach ihrer Berechtigung<br />

gefallen lassen. Legitimation ist eine ständige Aufgabe<br />

jeder Fachdidaktik; dies erzeugt einen heilsamen<br />

Z wang, das eigene Selbstverständnis als Schulfach stets neu<br />

zu reflektieren-<br />

Zur Lösung <strong>des</strong> Legitimationsproblems wird im Fall der<br />

<strong>Informatik</strong> gerne ein Argument folgender Art vorgetragen:<br />

"Ausgangspunkt der Legitimation je<strong>des</strong> Unterrichtsfaches<br />

in der Schule sind die Anwendungsbezüge der diesem<br />

Unterrichtsfach zugr<strong>und</strong>eliegenden WISsenschaft in<br />

der Realität sowie der gesellschaftliche Stellenwert dieser<br />

Anwendungsbezüge. Je bedeutender die Erkenntnisse <strong>und</strong><br />

die Anwendungen einer Wissenschaft für das Bestehen<br />

einer Gesellschaft sind, <strong>des</strong>to dringender wird die Notwendigkeit<br />

der Integration dieser <strong>Inhalte</strong> in den Bildungsbereich"<br />

(Koerber 1991). Leider hat dieser Rekurs auf<br />

Anwendungsbezüge <strong>und</strong> den "gesellschaftlichen Stellenwert"<br />

keine Legitimationskraft, denn er würde -wollte<br />

man ihn sich zu eigen machen -die Schule den wechselnden<br />

gesellschaftlichen Kräften ausliefern <strong>und</strong> damit ihre<br />

(relative) Autonomie in Frage stellen. Eine Argumentation<br />

mit Rechtfertigungscharakter darf nicht einfach die in der<br />

Gesellschaft herrschenden Tendenzen konstatieren, um<br />

sie dann unreflektiert zu Forderungen an das Bildungswesen<br />

umzubiegen, sie muß vielmehr von einem Bildungskonzept<br />

als der für die Schule charakteristischen Antwort<br />

auf Forderungen der Gesellschaft ausgehen. Mit Recht<br />

stellt I. 0. Kerner in diesem Zusammenhang fest, daß die<br />

Anwendungen <strong>und</strong> Auswirkungen der Informationstechnik,<br />

also "Dinge, die jeden Bürger sowohl im beruflichen<br />

als auch im privaten Bereich erreichen <strong>und</strong> berühren",<br />

keinesfalls ohne weiteres die Einrichtung eines Schulfaches<br />

begründen können. Man müsse vielmehr -so Kerner<br />

-die zentralen Wirkprinzipien eines Wissensgebietes herauszustellen<br />

suchen <strong>und</strong> hierauf <strong>des</strong>sen Bildungsbedeutsarnkeit<br />

gründen (Kerner 1990).<br />

Das Legitimationsproblem läßt sich in drei Teilprobleme<br />

gliedern. Erstens muß ein konsensfähiges Bildungskonzept<br />

erarbeitet werden, zweitens sind die obersten<br />

fachspezifischen <strong>Ziele</strong> -die "f<strong>und</strong>amentalen Ideen", das<br />

"Wesen" oder der "Bildungskern" <strong>des</strong> Faches -zu eruieren,<br />

<strong>und</strong> drittens ist nachzuweisen, daß das Fach mit diesen<br />

<strong>Ziele</strong>n einen unverzichtbaren <strong>und</strong> spezifischen, d. h. von<br />

keinem anderen Fach leistbaren, Beitrag zur Allgemeinbildung<br />

zu erbringen vermag.<br />

1.1 Bildungskonzept<br />

Die Computerrevolution ist eine Revolution<br />

unserer An zu denken <strong>und</strong> auszudrücken, was wir denken.<br />

Abelson<br />

Die achtziger Jahre brachten eine Fülle neuer, teils kontroverser<br />

Diskussionsbeiträge zum Bildungsbegriff hervor.<br />

Nach W. Klafki (der ob seines weithin anerkannten Beitrags<br />

zu dieser Diskussion im folgenden zitiert sei) ist<br />

Bildung die Befähigung zu vernünftiger Selbstbestimmung<br />

im Medium objektiv-allgemeiner Inhaltlichkeit. Bildung<br />

muß in allen Gr<strong>und</strong>dimensionen menschlicher Interessen<br />

<strong>und</strong> Fähigkeiten präsent sein, also erstens in der<br />

Entwicklung kognitiver Möglichkeiten, zweitens der<br />

handwerklich-technischen Produktivität, drittens der<br />

zwischenmenschlichen Beziehungsmög'ichkeiten, vierteDS<br />

der ästhetischen Wahrnehmungs- <strong>und</strong>Gestaltungsfähigkeit<br />

sowie fünftens der moralischen Urteils- <strong>und</strong> der<br />

politischen Handlungsfähigkeit (Klafki 1986).<br />

Diesen Bildungsbegriff haben Bußmann <strong>und</strong> Heymann<br />

im Hinblick auf die Informationstechniken ausdifferenziert<br />

<strong>und</strong> konkretisiert; ihre Kategorien sinq von der Fachdidaktik<br />

inzwischen vielfach rezipiert worden (vgl. Lehmann<br />

1992):<br />

1) Die Vorbereitung aufkünftige Lebenssituationen ist seit<br />

der Curriculumdiskussion der sechziger Jahre unbestrittenes<br />

Bildungsziel. "Die Anforderungen <strong>des</strong> LebeDS<br />

sind der Maßstab, an dem sich entscheiden lassen<br />

soll, was von den Fachdisziplinen für eine auf das Leben<br />

vorbereitende Bildung brauchbar ist" (Forneck 1990,<br />

$.27).<br />

2) Stiftung kultureller Kohärenz meint die nicht nur rezeptive,<br />

sondern erneuernde Aneignung tradierter Kulturgüter.<br />

3) Über ein zeitgemäßes Weltbild zu verfügen umfaßt die<br />

Fähigkeit zum Einordnen neuen Wissens in ein geistiges<br />

Ordnungssystem, d. h. es geht weit über das Anhäufen<br />

von Partikularwissen hinaus. .<br />

4) Die Fähigkeit zum kritischen Vernunftgebrauch heißt<br />

Tatsachenbehauptungen <strong>und</strong> Werturteile nicht einfach<br />

9


!t/lj)K1(/l ZDM 9311<br />

hinzunehmen, sondern sie -ungeachtet <strong>des</strong> Autoritätsanspruchs,<br />

mit dem sie erhoben werden -zu hinterfragen.<br />

In diesem Bildungszielklingt das kantische "Habe<br />

den Mut, dich deines eigenen Verstan<strong>des</strong> zu bedienen!"<br />

nach.<br />

5) In der Förderung von Phantasie <strong>und</strong> Kreativität kommt<br />

die Bildungsdimension der ästhetischen GestaltUngsfähigkeit<br />

<strong>und</strong> auch die handwerklich-technische; Seite<br />

zum<br />

Ausdruck.<br />

6) Mit Verantwortungsbereitschaft als Ziel wird die moralisch-politische<br />

Dimension <strong>des</strong> Bildungsbegriffs angesprochen.<br />

Verantwortung hat sich dabei auf die Mitmenschen<br />

<strong>und</strong> die Nachgeborenen, die Produkte<br />

menschlicherArbeit sowie die Natur zu beziehen.<br />

1.2 Bezugswissenschaften derinformatik in der Schule<br />

Eine gängige Charakterisierung der <strong>Informatik</strong> lautet:<br />

"<strong>Informatik</strong> beschäftigt sich mit der Untersuchung informationeller<br />

,Prozesse, <strong>und</strong> zwar sowohl ihrer Struktur<br />

nach als auch im Hinblick auf ihre Realisierung mittels<br />

informationsverarbeitender Automaten". Die Bezeichnung<br />

"ihrer StruktUr nach" weist auf die Rolle der Infor-<br />

{ matik als Strukturwissenschaft, die Formulierung "Reali-<br />

Vsierung mittels informationsverarbeitender Automaten"<br />

auf ihre Bestimmung als Technikwissenschaft hin.<br />

Umfassender ist die Umschreibung von <strong>Informatik</strong> als<br />

" Wissenschaft von der VerarbeitUng von Informationen in<br />

Natur, Technik <strong>und</strong> Gesellschaft". Damit soll eine "deutliche<br />

Abgrenzung gegenüber der weit verbreiteten Ansicht<br />

gesetzt werden, die <strong>Informatik</strong> sei die Wissenschaft lediglich<br />

von der technischen Verarbeitung von Informationen"<br />

(Kerner 1990, S. 192). Denn nicht nur beim Menschenbzw.<br />

in der menschlichen Gesellschaft, sondern in der gesamten<br />

belebten Welt gibt es informationelle Prozesse. Verfolgt<br />

man diesen Gedanken weiter, wird man zur Einsicht geführt,<br />

daß die <strong>Informatik</strong> in der Schule bei der Wahl ihrer<br />

Bezugswissenschaft sich nicht auf die gleichnamige Hochschuldisziplin<br />

beschränken dürfe, sondern daß diese Funk -<br />

tion den Informationswissenschaften in ihrer Gesamtheit,<br />

nämlich Kybernetik, Systemtheorie, Informationstheorie,<br />

Linguistik <strong>und</strong> Kogriitionswissenschaft (mit der KI-Forschung<br />

als informatischem Ableger) zukomme.<br />

Neben Materie <strong>und</strong> Energie ist nämlich I nformation die<br />

(}ritte f<strong>und</strong>~mentale ~a~~g~rie der realen. Welt. Wie Physi.k<br />

<strong>und</strong> Chemie (<strong>und</strong> die ubngen Naturwissenschaften) die<br />

materiell-energetische, so erforschen die Informationswissenschaften<br />

die informationelle Struktur der Welt. Biologie<br />

<strong>und</strong> naturwissenschaftliche Anthropologie stehen im<br />

Schnittpunkt beider Wissenschaftsgruppen. Die Vermutung<br />

scheint berechtigt, daß mit den Informationswissenschaften<br />

ein Wissenschaftstyp entstanden ist, der die traditionel!e<br />

Kluft zwischen Natur- <strong>und</strong> Geisteswissenschaften<br />

überbrücken könnte. Während "Bildung" ursprünglich<br />

von den Geistes- (oder Kultur- ) Wissenschaften her<br />

definiert wurde, dann im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert die klassischen<br />

Naturwissenschaften in sich aufnahm,ist sie nun dabei -<br />

als Beitrag <strong>des</strong> 20. Jahrh<strong>und</strong>erts zum Bildungsbegriff -<br />

auch die Informationswissenschaften in sich zu begreifen.<br />

Das Fach <strong>Informatik</strong> ist gemäß dieser Auffassung als<br />

"Statthalter" der Informationswissenschaften in der Schule<br />

zu konzipieren, es hat deren Bedeutung für das Verständnis<br />

der Welt <strong>und</strong> <strong>des</strong> Selbst zu reflektieren. Dabei<br />

geht es nur am Rande um Computer: <strong>Informatik</strong> in jenem<br />

Sinne ist keine "Computerwissenschaft" -vielmehr geht<br />

es um den viel weiteren Informationsbegriff <strong>und</strong> sein umfeld<br />

in Natur, Technik <strong>und</strong> Gesellschaft. Die Informa-<br />

\<br />

tionswissenschaften <strong>und</strong> damit die <strong>Informatik</strong> in der Schule<br />

haben viel mehr mit Gegenständen der Geisteswissenschaften<br />

wie Sprache, Wissen, Bewußtsein <strong>und</strong> Lernen zu<br />

tun als je<strong>des</strong> andere Fach <strong>des</strong> "mathematisch-naturwissenschaftlichen<br />

Aufgabenfelds" .<br />

<strong>Informatik</strong> hat insbesondere die Aufgabe, die Errungenschaften<br />

<strong>des</strong> menscWichen Geistes, welche mit den<br />

Namen Pascal, Leibniz, Babbage, Boole, Frege, Hilbert,<br />

, Gödel, Turing verknüpft sind, der Schule zu erscWießen.<br />

Diese werden mit gleichem Recht zu den gr<strong>und</strong>legenden<br />

Bildungsinhalten gerechnet wie z. B. Homers Ilias, Platons<br />

Staat, Tacitus' Germania, Newtons Mechanik, Goethes<br />

Wilhelm Meister, Kants Kritik derreinen Vernunft,Einsteins<br />

Relativitätstheorie, DarwinsAbstammungslehre.<br />

2. Didaktische Ansätze<br />

" ;' Di~aktik stellt sich die Aufgabe, die Transparenz<br />

komplizierter Daten- <strong>und</strong> Algorithmenstrukturen so zu<br />

erhöhen, daß menschliche Veranrwortung wahrgenommen<br />

werden kann. Moderne Benutzeroberflächen lösen dieses<br />

Bildungsproblem nicht-<br />

Reger<br />

Die <strong>Informatik</strong> in der Schule hat trotz ihres vergleichsweise<br />

geringen Alters bereits einige "Paradigmenwechsel"<br />

hinter sich. Die im folgenden dargestellten Ansätze dürfen<br />

allerdings nicht als historische Stadien verstanden bzw.<br />

mißverstanden werden, bei denen eine Phase die jeweils<br />

frühere überwindet <strong>und</strong> ablöst. Vielmehr hat jede dieser<br />

Phasen einen wesentlichen Beitrag zu unserem heutigen<br />

Bild von <strong>Informatik</strong> geliefert <strong>und</strong> ist weiterhin -wenn<br />

auch nicht mit der ursprünglich beanspruchten Ausschließlichkeit<br />

-lebendig.<br />

2.1 Vorgeschichte (bis etwa 1970)<br />

Das rasche Eindringen der <strong>Informatik</strong> in die Schule wird<br />

verständlich, wenn man sich vergegenwärtigt, daß jene<br />

eine lange Vorgeschichte hat. Angeregt d\;1rch Schriften<br />

wie "Automat <strong>und</strong> Mensch" (Steinbuch), "So denken Maschinen"<br />

(Adler), "Das Bewußtsein der Maschinen"<br />

(Günther) <strong>und</strong> viele andere, die im Gefolge der Kybernetik<br />

in den sechziger Jahren in dichter Folge erschienen waren,<br />

bezogen engagierte Lehrer Fragen dieser Art in den Unterricht<br />

ein. Einige typische didaktische VerÖffentlichungen<br />

(MNU) aus jener Zeit: "Logisches Verhalten von Gehirn<br />

<strong>und</strong> Elektronengehirn" (1968), "Spielende <strong>und</strong> lernende<br />

Automaten" (1969),"Kalküle <strong>und</strong> Rechenautomaten"<br />

(1965).<br />

Zusammenfassend läßt sich diese Phase wie folgt beschreiben:<br />

Die Fragestellung ist logisch-kybernetisch <strong>und</strong><br />

interdisziplinär angelegt (mit Bezügen zu Biologie, verhaltenslehre<br />

<strong>und</strong> Linguistik); als Lehrgeräte werden Digitalbausteine<br />

(z. B. Simulog) verwendet. Es handelt sich um<br />

Vorschläge zur Ergänzung <strong>und</strong> Bereicherung <strong>des</strong> Unterrichts,<br />

etwa in Arbeitsgemeinschaften; in Lehrplänen ist<br />

von <strong>Informatik</strong> noch nicht die Rede.<br />

2.2 Hardwareorientierter Ansatz (bis etwa 1976)<br />

U ms Jahr 1965 werden die ersten Unterrichts- bzw. SchulversUche<br />

zur "Datenverarbeitung" im engeren Sinne unternommen,<br />

das Thema wird auf das Verständnis der<br />

Hardware realer Datenverarbeitungsanlagen eingeschränkt.<br />

Im Vordergr<strong>und</strong> steht nunmehr der Bau digitaler<br />

Schaltnetze <strong>und</strong> Schaltwerke sowie das Programmieren an<br />

Modellrechnern (z. B. DSR 2000), dabei ist die Funktion<br />

der Schaltbausteine <strong>und</strong> die gr<strong>und</strong>sätzliche Arbeitsweise<br />

von Datenverarbeitungsanlagen von Interesse. AlgolU


"LD"l\'l7:./~<br />

AnaJysc;n<br />

rithmen werden in Gestalt von Flußdiagrammen beschrieben,<br />

Variablenbegriff <strong>und</strong> Wertzuweisung am Modell der<br />

Schließfachanlage veranschaulicht. Der didaktische Stand<br />

ist etWa in der "Rechnerk<strong>und</strong>e" von Frank <strong>und</strong> Meyer<br />

dokumentiert.<br />

Zusammenfassend läßt sich dieser Ansatz wie folgt<br />

kennzeichnen: die Lernziele richten sich auf die logischen<br />

Gr<strong>und</strong>lagen der Datenverarbeitung <strong>und</strong> ihre technische<br />

Realisierung, die Anwendungen liegen hauptsächlich auf<br />

numerischem Gebiet, als Geräte stehen neben Digitalbausteinen<br />

<strong>und</strong> Modellrechnern tastenprogrammierbare<br />

Tischrechner (HP 9810, Wang, Monroe usw.) zur Verfügung.<br />

Etwa seit 1970 werden in zunehmendem Maß Modellversuche<br />

auf Länderebene zum Thema "<strong>Informatik</strong>unterricht<br />

in der Sek<strong>und</strong>arstufe II" durchgeführt; diese<br />

bilden die Gr<strong>und</strong>lage der ersten LehrplanentWürfe.<br />

2.3 Softwareorientierte Ansätze (seit 1976)<br />

Mitte der siebziger Jahre beginnt eine Umorientierung der<br />

didaktischen Diskussion; richtungweisend dafür ist die<br />

Empfehlung der Gesellschaft für <strong>Informatik</strong> über "Zielsetzungen<br />

<strong>und</strong> <strong>Inhalte</strong> <strong>des</strong> <strong>Informatik</strong><strong>unterrichts</strong>" (GI<br />

1976). Die Abkehrvom bisherigen Konzeptwird wiefolgt<br />

artikuliert: " Gegenstand <strong>des</strong> <strong>Informatik</strong><strong>unterrichts</strong> ist in<br />

erster Linie nicht die technische Funktion <strong>des</strong> Rechners.<br />

Vielmehr erscheint es wesentlich, Möglichkeiten der Anwendung<br />

<strong>des</strong> Rechners sowie Auswirkung <strong>und</strong> Grenzen<br />

<strong>des</strong> Einsatzes von Rechenanlagen zu kennen <strong>und</strong> zu erkennen".<br />

Als Zielsetzungen <strong>des</strong> <strong>Informatik</strong><strong>unterrichts</strong><br />

werden genannt: (1) die Fähigkeit, algorithmische Lösungen<br />

von Problemen systematisch zu finden, {2) diese als<br />

Programm zu formulieren, (3) das Gelernte durch Anwendung<br />

auf praxisorientierte Probleme zu vertiefen, (4) die<br />

Auswirkungen der DatenverarbeitUng auf die Gesellschaft<br />

zu erkennen <strong>und</strong> (5) das Gelernte möglicherweise durch<br />

Erarbeitung theoretischer oder technischer Gr<strong>und</strong>lagen<br />

der <strong>Informatik</strong> zu vertiefen.<br />

2.3.1 Anwendungsorientierung<br />

Mit erstaunlicher Naivität wird etWas für praktisch gehalten,<br />

nur weil es die Theorie meidet.<br />

Schubert<br />

Im Modellversuch "Ecis" <strong>des</strong> B<strong>und</strong>eslan<strong>des</strong> Berlin, der<br />

bereits die Sek<strong>und</strong>arstUfe I einbezieht, wird am GI-Konzept<br />

Kritik geübt. Man wirft diesem vor, daß es erstens zu<br />

stark an der Systematik <strong>des</strong> Hochschulfaches <strong>Informatik</strong><br />

orientiert sei ("Algorithmik pur"), daß es zweitens nicht<br />

oder zu wenig auf die individuelle LebenssitUation <strong>und</strong> die<br />

Interessen der Schüler eingehe <strong>und</strong> schließlich drittens<br />

Problemlösefähigkeiten unabhängig von <strong>Inhalte</strong>n zu vermitteln<br />

suche. Die Berliner vertreten einen Ansatz, den sie<br />

"anwendungsorientiert" nennen, da er den Vorgang der<br />

M odellbild~ng stärker betont <strong>und</strong> sich an den Methoden<br />

<strong>des</strong> professionellen Software-Entwurfs orientiert. Es wird<br />

ein im Software Engineering entWickeltes FÜnf-Phasen-<br />

Modell als "didaktisches Modell" in den Unterricht übernommen.<br />

Die gesellschaftlichen Auswirkungen sollen in<br />

der letzten Phase mitbehandelt werden.<br />

Trotz offenbar berechtigter Einwände- vor allem gegen<br />

die herrschende Unterrichtspraxis -konnte der "anwendungsorientierte"<br />

Ansatz in<strong>des</strong> seinen eigenen Ansprüchen<br />

nicht genügen. Zwei kritische Stimmen aus jüngster<br />

Zeit seien dazu zitiert. Forneck weist daraufhin,daß jenem<br />

"eine soziologische bzw. kultUrkritische <strong>und</strong> historische<br />

Analyse der Auswirkungen der <strong>Informatik</strong>" vorgeordnet<br />

sei. Da aber gleichzeitig am algorithmischen Problemlösen<br />

festgehalten werde, "stellt sich das Problem, wie all das in<br />

einem Fach <strong>und</strong> von einem Lehrer verantwortlich geleistet<br />

werden soll". Und weiter: "Dieser Anspruch, die vielschichtigen<br />

Probleme der Computeranwendung zu behandeln,<br />

muß ein Fach <strong>und</strong> die lehrenden Personen überfordern"<br />

{Forneck 1990, S. 37).<br />

Zur ausschließlichen Orientierung <strong>des</strong> "anwendungsorientierten"<br />

<strong>Informatik</strong><strong>unterrichts</strong> an den Arbeitsmethoden<br />

<strong>des</strong> Software Engineering {Koerber 1991, S. 306)<br />

nimmt Ambros dezidiert wie folgt Stellung: "Ich halte<br />

diese Vorstellung für unrealistisch, didaktisch verfehlt <strong>und</strong><br />

pädagogisch fragwürdig". Begründung: "Es ist geradezu<br />

absurd, unter Berufung auf das pädagogische Projekt der<br />

Arbeitsschule als Vorbild für soziales, emanzipatorisches,<br />

humanes, möglichst noch leistungsneutrales, Lernen einen<br />

Berufszweig zu nehmen, zu <strong>des</strong>sen Wesen knallharte Konkurrenz,<br />

Kalkulation <strong>und</strong> Leistungsausbeutung gehör-en.<br />

Soziale <strong>und</strong> selbstbestimmte Lernkomponenten in der<br />

pädagogischen Schutzhütte <strong>und</strong> industrielle Effizienz in<br />

der Wettbewerbssituation sind unvereinbar wie Feuer <strong>und</strong><br />

Wasser" {Ambros 1993, S. 5).<br />

Falsch verstandene Anwendungsorientierung unternimmt<br />

es, die Schüler über Handlungsfelder <strong>des</strong> praktischen<br />

Lebens {von der Heizölgewinnung über das Algenwachstum<br />

in Teichen bis zur Rolle der Gewerkschaften in<br />

einem Autohaus) zu informieren <strong>und</strong> wird damit zu einer<br />

ArtSach-, Sozial- <strong>und</strong> Umweltk<strong>und</strong>e. Richtig verstandene<br />

Anwendungsorientierung nimmt jene Situationen lediglich<br />

als Ausgangspunkt eines gedanklichen Prozesses, der von<br />

den wechselnden Anwendungsfällen abstrahiert, um die<br />

invarianten informatischen Strukturen herauszuarbeiten.<br />

Das Verdienst <strong>des</strong> "anwendungsorientierten" Ansatzes<br />

besteht darin, auf die Bedeutung der <strong>Ziele</strong> {3) <strong>und</strong> {4) der<br />

GI-Empfehlungen hingewiesen <strong>und</strong> erste Schritte in Richtung<br />

einer Unterrichtsmethodik für <strong>Informatik</strong>projekte<br />

getan zu haben. Anfechtbar ist seine Überschätzung der<br />

Anwendungen: Wie wichtig diese auch sind, zur ausschließlichen<br />

Legitimation <strong>des</strong> <strong>Informatik</strong><strong>unterrichts</strong> <strong>und</strong><br />

zu seiner Strukturierung taugen sie nicht.<br />

2.3.2 Algorithmenorientierung<br />

Bezugnehmend auf die GI-Empfehlung von 1976 bestimmen<br />

Claus <strong>und</strong> Schwill die <strong>Informatik</strong> als algorithmen<strong>und</strong><br />

anwendungsbezogene Methodenwissenschaft, die<br />

Methoden zur Spezifikation <strong>und</strong> zum EntwUrf von Software<br />

bereitstellt, den Programmerstellungsprozeß unterstützt<br />

<strong>und</strong> Techniken zur Darstellung <strong>und</strong> Realisierung<br />

von Problemlösungen sowie zur Analyse <strong>und</strong> Verifikation<br />

von Programmen erarbeitet {Claus / Schwill 1986).<br />

Es werden u. a. folgende <strong>Informatik</strong>methoden genannt:<br />

{1) Strukturierte Programmierung, Modularisierung, begleitende<br />

Dokumentation; {2) Zerlegung komplexer Abläufe<br />

in Einzelschritte; {3) Spezifikation von Anforderungen<br />

an die zu entWickelnde Software; {4) Denken in Datenstrukten,<br />

Datenabstraktion; {5) Verifikation (Korrektheitsnachweis<br />

bzw. Teststrategien); {6) Verständnis für Syntax<br />

<strong>und</strong> Semantik von Spezifikations- <strong>und</strong> Programmiersprachen;<br />

{7) Bewertung von Algorithmen bzw. Programmen<br />

durch Aufwandsanalyse bezügl. Zeit <strong>und</strong>/oder Speicherplatz;<br />

{8) Programmierkonzepte wie z. B. Rekursion,<br />

Nichtdeterminismus, Nebenläufigkeit; {9) Modellierungsbzw.<br />

Simulationstechniken; {10) Arbeitsteiliges Vorgehen.<br />

Kritisch ließe sich einwenden, daß <strong>Inhalte</strong> zum Thema<br />

"Aufbau <strong>und</strong> Funktionsweise von Computersystemen"<br />

gemieden werden. Diese Haltung ist in<strong>des</strong> aus der historischen<br />

Situation {Abkehr vom hardwareorientierten<br />

11


lwIJu~ 2DM 9311<br />

Ansatz) verständlich. Ein .geläuterter" algorithmenorientierter<br />

Ansatz hat diese einseitige Sicht längst revidiert <strong>und</strong><br />

nutzt z. B. die algorithmische Nachbildung von Rechnerstrukturen<br />

als methodisches Hilfsmittel.<br />

2.4 Systemorientierter Ansatz (seit 1990)<br />

Eine zeitgemäße didaktische WeiterentWicklung <strong>des</strong> <strong>Informatik</strong>unternchts<br />

könnte bzw. müßte sich systemorientiert<br />

nennen. Dem liegt folgende Überlegung zugr<strong>und</strong>e:<br />

Der Systembegriff ist der umfassende Strukturbegriff aller<br />

Wissenschaft; in ihmkommt zur Sprache, daß es neben den<br />

Kategorieff Materie <strong>und</strong> Energie noch ein Drittes gibt,<br />

nämlich Ordnung bzw. Organisation. Letzteres aber ist<br />

ein Synonym für Information -insofern. verweist der<br />

Systembegriff auf den Informationsbegriff zurück. Als<br />

angemessene Bezeichnung für "DV-System", "informationsverarbeiten<strong>des</strong>technisches<br />

System", "Programmiersystem"<br />

usw. wird hiermit der Begriff lnfonnatiksystem<br />

vorgeschlagerl; der aus den Anfangsjahren der <strong>Informatik</strong><br />

in Deutschland stammt (Steinbuch 1957).<br />

Wie je<strong>des</strong> informationsverarbeitende System (der belebten<br />

<strong>und</strong> der unbelebten Welt) ist ein <strong>Informatik</strong>system<br />

aus materiellen (Hardware-) <strong>und</strong> immateriellen (SoftWare-<br />

) Bestandteilen zusammengesetzt. Es besteht aus (min<strong>des</strong>tens)<br />

einer Dialogkomponente, einer Gedächtniskomponente<br />

<strong>und</strong> einer Verarbeitungskomponente (siehe auch<br />

4.1). Bei dieser Sicht ist klar, daß der <strong>Informatik</strong>unterricht<br />

weder einseitig die Hardware-, noch ausschließlich die<br />

SoftWareseite favorisieren daif. Ferner ist auch die Perspektive<br />

<strong>des</strong> Benutzers einzubeziehen, denn dieser erfährt<br />

das System nicht so sehr als materielles Gerät <strong>und</strong> erst recht<br />

nicht als Programm, sondern er kommuniziert mit ihm<br />

über die "Benutzeroberfläche" .Deren Gestaltung kommt<br />

beim Entwurf von <strong>Informatik</strong>systemen somit entscheidende<br />

Bedeutung zu.<br />

Damit ist informatisches Problemlösen als Systementwicklung<br />

(EntWicklung eines <strong>Informatik</strong>systems) charakterisiert,<br />

wobei natürlich die genannten <strong>Informatik</strong>methoden<br />

ihre zentrale Stellung behalten. Ferner wird der Computer<br />

nicht als isoliertes Einzelgerät, sondern als Teil umfassender<br />

Systeme gesehen. In diesem Sinne läßt sich der<br />

systemorientierte Ansatz als Synthese der bisherigen Ansätze<br />

( einschließlich der Vorgeschichte) verstehen.<br />

3. Richtziele <strong>des</strong> <strong>Informatik</strong><strong>unterrichts</strong><br />

Jede neue Technik entWickelt sich vor dem<br />

Hintergr<strong>und</strong> eines impliZiten Verständnisses vom Wesen <strong>des</strong><br />

Menschen <strong>und</strong> von menschlicher Arbeit. Der Umgang mit<br />

Technik wiederum führt zu gr<strong>und</strong>legenden Änderungen<br />

unseres HandeIns -<strong>und</strong> damit letztlich unserer Auffassung<br />

<strong>des</strong>sen, was es heißt, Mensch zu sein.<br />

Winograd / Flores<br />

Anknüpfend an die herkömmliche Dreiteilung der <strong>Ziele</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Inhalte</strong> <strong>des</strong> <strong>Informatik</strong><strong>unterrichts</strong> nach den Gesichtspunkten<br />

"Problemlösen mit dem Computer", "StruktUr<br />

<strong>und</strong> Funktionsweise von Rechenanlagen" sowie "theoretische<br />

Gr<strong>und</strong>lagen <strong>und</strong> Grenzen der Informationstechnik"<br />

werden im folgenden drei Leitfragen <strong>des</strong> <strong>Informatik</strong><strong>unterrichts</strong><br />

formuliert:<br />

A)Wie werden <strong>Informatik</strong>systeme entworfen, programmiert<br />

<strong>und</strong> damit zum Lösen lebensweltlicher Probleme<br />

befähigt?<br />

Im Begriff <strong>des</strong> <strong>Informatik</strong>systems kommt zur Sprache,<br />

daß es in der <strong>Informatik</strong> nicht nur um den Entwurf von<br />

Algorithmen, sondern um den von Systemen (aus<br />

Hard- <strong>und</strong> Software) geht, die damit einerseits "vom<br />

Menschen" geschaffen werden <strong>und</strong> andererseits auf diesen<br />

zurückwirken. Das Abstraktum ~Mensch" muß<br />

dabei in verschiedenen sozialen Rollen (als Auftraggeber,<br />

Entwickler, Anwender usw.) konkretisiert, <strong>und</strong> der<br />

Prozeß der Systementwicklung auch als sozialer Prozeß<br />

begriffen werden. Der Terminus ~befähigen" soll die<br />

Frage provozieren, ob <strong>Informatik</strong>systemen Problemlösefähigkeiten<br />

(<strong>und</strong> damit Intelligenz) oder gar Personalität<br />

zugesprochen werden kann bzw. muß, <strong>und</strong> wie es in<br />

diesem Zusammenhang um die Autonomie <strong>des</strong> Menschen<br />

als Handlungs- <strong>und</strong> Verantwortungssubjekt bestellt ist.<br />

B) Wie sind I nformatiksysteme aufgebaut, wie wirken ihre<br />

Komponenten zusammen <strong>und</strong> wie ordnen sie sich in<br />

umfassendere soziotechnische Systemzusammenhänge<br />

ein?<br />

Hier ist zu thematisieren, daß <strong>Informatik</strong>systeme aus -<br />

untereinanderwechselwirkenden -Teilsystemen aufgebaut<br />

sind, daß sie in andere technische Systeme "eingebettet"<br />

werden <strong>und</strong> sich zu größeren Systemen (Netzen,<br />

verteilten Systemen) zusammenschließen können-<br />

Hinsichtlich der Teilsysteme geht es u. a. um die Idee<br />

der Programmierbarkeit (Computer als universelle<br />

symbolverarbeitende Maschine). Das Stichwort "soziotechnisch"<br />

weist darauf hin, daß Informationstechnik<br />

in die Gesellschaft verwoben ist, <strong>und</strong> daß Informa -<br />

tiksysteme aus einer sozialen Lebenswelt entstehen <strong>und</strong><br />

umgekehrt auf diese zurückwirken.<br />

C)Wo liegen die prinzipiellen Grenzen technischer InformationS'Verarbeitung,<br />

<strong>und</strong> was ist unter Information<br />

<strong>und</strong> Kommunikation überhaupt zu verstehen?<br />

Diese Frage zielt -auf höherer Reflexionsstufe als in<br />

Leidrage A -auf das Verhältnis von Individuum, Informationstechnik<br />

<strong>und</strong> Gesellschaft bzw. Natur. Es geht<br />

einerseits um die Grenzen <strong>des</strong> verantwortbaren Computereinsatzes;<br />

dabei wird "Grenze" als moralische Kategorie<br />

verstanden. Andererseits geht es um prinzipielle<br />

Grenzen der Idee der Information <strong>und</strong> ihrer Verarbeitung,<br />

<strong>und</strong> zwar im Hinblick auf menschliches Denken,<br />

Sprechen <strong>und</strong> Handeln, also das Bild <strong>des</strong> Menschen von<br />

sich selbst. Mit der Frage nach "Information <strong>und</strong> Kommunikation<br />

überhaupt" wird zum einen die Tatsache<br />

angesprochen, daß es nicht nur <strong>und</strong> nicht erst beim<br />

Menschen bzw. in der menschlichen Gesellschaft Informations-<br />

bzw. Kommunikationsprozesse gibt, <strong>und</strong><br />

zum anderen, daß die <strong>Informatik</strong>nicht nur praktische<br />

Konstruktionslehre, sondern Gr<strong>und</strong>lagenwissenschaft<br />

aller Informations- bzw. Kommunikationsprozesse<br />

<strong>und</strong> damit zur interdisziplinären Zusammenarbeit mit<br />

anderen Schulfächern verpflichtet ist.<br />

Im folgenden werden die fachlichen Richtziele (Groblernziele)<br />

<strong>des</strong> <strong>Informatik</strong><strong>unterrichts</strong> in Korrespondez zu den<br />

oben angegebenen drei Leidragen entwickelt.<br />

A) Problemlösen als methodischer Entwurf von <strong>Informatik</strong>systemen<br />

Die Schüler <strong>und</strong> Schülerinnen sollen:<br />

Al Typische Einsatzbereiche <strong>und</strong> exemplarische Anwendungen<br />

der Informationstechnik in Wissenschaft,<br />

Wirtschaft <strong>und</strong> Gesellschaft kennen <strong>und</strong> ihren Einsatz<br />

hinsichtlich der Folgen für die soziale <strong>und</strong> natürliche<br />

Umwelt reflektieren;<br />

Al Methoden der ModelIierung von Realitätsausschnitten<br />

kennen, anwenden <strong>und</strong> kritisch hinterfragen (z. B. im<br />

Hinblick auf die Grenzen dieser Methoden, das Interesse<br />

an ihrer Verwendung);<br />

12


L..1JIVl '1;) 11<br />

Analysen<br />

A3 Eine problemadäquate Auswahl von Werkzeugen zur<br />

Lösung von Problemen treffen <strong>und</strong> die Auswahl begründen<br />

(z. B. Programmiersprachen, standardsoftware,<br />

Entwicklungsumgebungen, Rahmensysteme<br />

(Shells»;<br />

A4 Methoden <strong>des</strong> EntWUrfs von <strong>Informatik</strong>systemen kennen<br />

<strong>und</strong> anwenden (z. B. Top-Down- Vorgehen, Modularisierung,<br />

objektorientierte bzw. deklarative Methoden,<br />

Prototyping);<br />

AS Probleme hinsichtlich ihrer Komplexität sowie Algorithmen<br />

hinsichtlich Zuverlässigkeit (Korrektheit, Validität)<br />

<strong>und</strong> Effizienz beurteilen.<br />

B) Struktur <strong>und</strong> Funktion von <strong>Informatik</strong>systemen im<br />

soziotechnischen Kontext<br />

Die Schüler <strong>und</strong> Schülerinnen sollen:<br />

B I Die Prinzipien der Digitalisierung <strong>und</strong> der binären<br />

Codierung von Daten als Gr<strong>und</strong>lage technischer Informationsverarbeitung<br />

kennen <strong>und</strong> bewerten;<br />

Bl Die Idee der Informationsverarbeitung durch programmgesteuerte<br />

Automaten <strong>und</strong> die zugehörige<br />

Rechnerarchitekturen ( von- N eumann- Architektur,<br />

Parallelarchitekturen) verstehen;<br />

B3 Funktion <strong>und</strong> logische Strukturvon Datenbank- <strong>und</strong><br />

Informationssystemen kennen;<br />

B4 Struktur <strong>und</strong> Funktion von Netzen zur Informationsübertragung<br />

in ihrer Eigenschaft als soziotechnische<br />

Systeme begreifen <strong>und</strong> analysieren;<br />

BS Risiken komplexer Hard- <strong>und</strong> Softwaresysteme kennen<br />

<strong>und</strong> hinsichtlich ihres Einsatzes für Planungs- <strong>und</strong><br />

Entscheidungsprozesse abschätzen.<br />

C) Prinzipielle Grenzen technischer Informationsverarbeitung<br />

sowie gr<strong>und</strong>legende Konzepte von Information<br />

<strong>und</strong> Kommunikation<br />

Die Schüler <strong>und</strong> Schülerinnen sollen:<br />

Cl Computer als universelle symbolverarbeitende Maschinen<br />

begreifen <strong>und</strong> in die geschichtliche Entwicklung<br />

von Technik <strong>und</strong> Kultur einordnen;<br />

Cl Prinzipien formaler <strong>und</strong> natürlicher Sprachen, deren<br />

Zusammenhang sowie die Grenzen formaler Kommunikation<br />

kennen;<br />

C3 Gr<strong>und</strong>legende Konzepte symbolischer <strong>und</strong> subsymbolischer<br />

Informationsverarbeitung (Konnektionismus,<br />

neuronale Netze) kennen <strong>und</strong> miteinander vergleichen;<br />

C4 Prinzipielle Grenzen der Berechenbarkeit <strong>und</strong> der Effizienzsteigerung<br />

kennen;<br />

Cs Die Grenzen <strong>des</strong> Einsatzes von Informationstechnik<br />

aufgr<strong>und</strong> individueller <strong>und</strong> gesellschaftlicher Verantwortung<br />

kennen <strong>und</strong> beachten.<br />

4. Einzelfragen<br />

4.1 Theoretische <strong>Informatik</strong> im Unterricht<br />

\<br />

Daß Theorie ihre Selbständigkeit zurückgewinnt, ist das<br />

Interesse von Praxis selber.<br />

Adomo<br />

Der <strong>Informatik</strong>unterricht muß stets die theoretischen<br />

Gr<strong>und</strong>lagen stärker akzentuieren als die heute wichtigenmorgen<br />

aber vielleicht überholten Anwendungen.<br />

Goos<br />

Wie jede Wissenschaft hat die Infonnatik ein theoretisches<br />

F<strong>und</strong>ament -eine Tatsache, an der auch der Schulunterricht<br />

nicht vorbeikommt. Was bliebe beispielsweise vom<br />

Bildungsgehalt der Physik, wenn die theoretischen <strong>Inhalte</strong><br />

der Kinematik, der Warmelehre oder der Elektrik im Unterricht<br />

ausgespart würden?<br />

Nur mit Hilfe theoretischer Begriffe läßt sich über die<br />

prinzipiellen Grenzen der Informationstechnik etwas aussagen,<br />

denn das "Prinzipielle", d. h. das durch keinen<br />

technischen Fortschritt je Einholbare, ist selbst ein theoretisches<br />

Konstrukt. Die Meinung, "mit genügend schnellen<br />

<strong>und</strong> genügend vielen Computern können wir alle unsere<br />

Probleme bewältigen, ist ein Irrglaube" (Kerner<br />

1990). Ihm nicht zu verfallen ist ein Moment kritischen<br />

Vernunftgebrauchs <strong>und</strong> damit von Bildung (siehe 1.1).<br />

Nur das überzeugende Eintreten für Algorithmenbzw.<br />

Systementwicklung als methodisch geleitete, theoretisch<br />

f<strong>und</strong>ierte T.itigkeit wirkt der bei vielen Schülern<br />

verbreiteten Hacker-Mentalität entgegen, die das Wesen<br />

der <strong>Informatik</strong> im versierten Umgang mit dem Betriebssystem<br />

bzw. in Fertigkeiten beim (trickreichen, maschinennahen)<br />

Programmieren erblickt, <strong>und</strong> in denen jene<br />

Schüler sich dem Lehrer häufig überlegen glauben (<strong>und</strong> oft<br />

tatsächlich auch sind).<br />

Methodisch ist dabei lolgen<strong>des</strong> zu beachten: Die Behandlung<br />

von Themen der theoretischen <strong>Informatik</strong> darf<br />

nicht nach Art der Hochschule geschehen, d. h. nicht<br />

isoliert <strong>und</strong> auf Vorrat, sondern sollte möglichst aus einem<br />

Anwendungszusammenhang heraus entstehen <strong>und</strong> in ein<br />

praktisches Programmierprojekt münden. Die <strong>Inhalte</strong><br />

sind elementarisiert <strong>und</strong> didaktisch reduziert darzubieten,<br />

ohne dabei die wesentlichen Einsichten zu verfälschen.<br />

Das soll am Beispiel "Aufbau <strong>und</strong> Funktionsweise von<br />

Rechenanlagen" verdeutlicht werden. Dieses Thema war<br />

ja dadurch in Verruf geraten, daß es sich zur Spielwiese für<br />

technisch begeisterte Lehrer <strong>und</strong> Schüler entwickelt hatte,<br />

die ihre Freude an technischen Detailfragen ungehemmt<br />

auslebten. Dabei überwogen zeitbedingte, also vom technischen<br />

Fortschritt rasch überholte Lösungen. Schnell<br />

veraltetes technisches Detailwissen aber ist der Überlieferung<br />

bzw. der unterrichtlichen Behandlung, welche ja auf<br />

das Prinzipielle, Wesentliche <strong>und</strong> Invariante zielt, nicht<br />

würdig. Der hardwareorientierte didaktische Ansatz (siehe<br />

2.2) hatte offenbar den Nachweis nicht zu erbringen<br />

vermocht, daß die techriischen Ideen, die zur Realisierung<br />

<strong>des</strong> heutigen Computers führen, durchaus überlieferungswürdig<br />

sind, da ohne ihr Verständnis dieser nicht begriffen<br />

werden kann. Zum Herausarbeiten der "f<strong>und</strong>amentalen<br />

Ideen" sind nun gewisse theoretische Begriffe <strong>und</strong> Denkmethoden<br />

erforderlich-<br />

Gr<strong>und</strong>legend ist das Prinzip der Zweiwertigkeit, welches<br />

sowohl die klassische Logik als auch die Digitaltechnik<br />

beherrscht: (1) Jede Information läßt sich binär, d. h.<br />

als Folge von Binärzeichen darstellen. Die Gründe, dies zu<br />

tun, sind sowohl technischer als auch philosophischer<br />

Natur (Leibniz). (2) Jede Verarbeitung binär dargestellter<br />

Zeichen ist sowohl arithmetisch als auch logisch interpretierbar;<br />

Logik <strong>und</strong> Rechnen mit Zahlen stützen sich auf<br />

die gleichen binären Operationen. (3) Die technische Realisierung<br />

der binären Funktionen sind die digitallogischen<br />

Gatter <strong>und</strong> die daraus aufgebauten Schaltnetze. Damit ist<br />

bereits im Gr<strong>und</strong>zug erklärt, daß scheinbar "geistige" T.itigkeiten<br />

wie Rechnen <strong>und</strong> logisches Schließen materiellen<br />

Geräten überantwortet werden können, <strong>und</strong> wie dies heute<br />

technisch bewerkstelligt wird.<br />

Als nächstes muß der Begriff <strong>des</strong> Systems bzw. <strong>des</strong><br />

Automaten präzisiert werden. Je<strong>des</strong> System läßt sich in<br />

seinem Aufbau durch drei Komponenten kennzeichnen,<br />

nämlich (A) Ein-/ Ausgabekomponente, (B) Gedächtniskomponente<br />

<strong>und</strong> (C) Verarbeitungskomponente (einschließlich<br />

Steuerung). Dies gilt sowohJ für lebende als<br />

auch für technische Systeme. Zur Verhaltensbeschreibung<br />

13


11 n.7Iv(pn ZDM 93/1<br />

hat man folgen<strong>des</strong> zu spczifizieren: ( 1.1) Die Menge X der<br />

Eingabezeichen, (1.2) die Menge y der Ausgabezeichen,<br />

(2) die Menge Z der internen Zustände, (3.1) di.~ Ausgabefunktion<br />

f : X x Z -+ Y, (3.2) die (Zustands- ) Ubergangsfunktion<br />

9 : X x Z -+ Z. Diese Beschreibung wird im<br />

Unterricht an konkreten Beispielen veranschaulicht (z. B.<br />

Warenautomat, bedingter Reflex).<br />

Die wichtigsten Verhaltenstypen informationsverarbeitender<br />

Systeme sind nach wachsender Komplexität geordnet:<br />

(a) Zuordner (Systeme ohne Gedächtnis), (b) Sequentielle<br />

Automaten (Systeme mit Gedächtnis) <strong>und</strong> (c) Systeme<br />

mit Parallelarchitektur. Betrachtet man die Typen in<br />

dieser Reihenfolge, wird damit zug]eich die historische<br />

Entwicklung ihrer technischen Konzeption nachvollzogen.<br />

Damit ist der Boden bereitet, um zum Kern der<br />

ganzen Unterrichtseinheit, demBegriff der Programmierbarkeit,<br />

vorzudringen. Zur Idee <strong>des</strong> Computers gehört<br />

unabdingbar dic prinzipielle Gleichheit von Programm<br />

<strong>und</strong> Daten; beide können nur je nach Kontext unterschieden<br />

werde,n. Beispielsweise sind bei derÜbersetzung von<br />

einer Sprache in eine andere Programme ihrerseits Daten.<br />

a) Zuordner<br />

Das einfachste Verhalten zeigen die sogenannten Zuordner.<br />

Sie sind dadurch charakterisiert, daß in der<br />

Ausgabefunktion das Zustandsargument irrelevant <strong>und</strong><br />

die Ubergangsfunktion damit nicht notWendig ist. Wir<br />

haben also eine Funktion f : x-+ Y, die jeder Eingabe<br />

genau cine Ausgabe zuordnct. Zuordner sind gewissermaßen<br />

ohne Gedächtnis; manchmal werden sie auch als<br />

"triviale Maschinen" bezeichnet. Technisch realisiert<br />

wcrden Zuordner bevorzugt als elektronische Gatter<br />

(digitallogische Schaltungen), die jeder Spannungskombination<br />

am Eingang nach kurzer konstruktionsbcdingter<br />

Verzögerungszeit cinen Ausgangsspannungswcrt<br />

zuordnen. Die" Wirkung" <strong>des</strong> Zuordners<br />

wird durch die Funktion f bcstimmt. Im Unterricht<br />

behandclt man (kurz) die binären Funktionen <strong>und</strong> ihre<br />

technische Realisierung als binäre Schaltnetze.<br />

b) Sequenticlle Automaten<br />

Zuordner stehen auf der untersten Stufc der Komplexitätsska]a,<br />

da sic sich durch eine einzige Funktion f<br />

charakterisieren lassen. Auf der nächsthöheren Stufe<br />

sind die sequentiellen Automaten angesiedelt, da zu<br />

ihrer Kennzeichnung zwei Funktionen f (Ausgabefunktion)<br />

<strong>und</strong> g (Zustandsübergangsfunktion) benötigt<br />

werden. Die Bezeichnung "sequentiell" drückt aus, daß<br />

die Wertverläufe der Eingabegröße x, der AusgabegrÖße<br />

y <strong>und</strong> der Zustandsgröße z Folgen sind. Die Zeit<br />

wird als diskrete Größe aufgefaßt, das System wird nur<br />

zu diskreten Zeitpunkten, jeweils nach dem Arbeitstakt,<br />

beobachtet. Ist die Zustandsmenge endlich, spricht<br />

man von einem endlichen (sequentiellen) Automaten.<br />

Die" Wirkung" <strong>des</strong> sequentiellen Automaten wird<br />

durch die Funktionen f <strong>und</strong> g bestimmt. Die digitaltechnische<br />

Realisierung ist das binäre Schaltwerk, <strong>und</strong> man<br />

beweist den Satz: Jeder endlichc sequentielle Automat<br />

läßt sich als binäres Schaltwerk realisieren. Als Beispiele<br />

konstruiert man im U nterricht Zähler, Schieberegister,<br />

Addierwerk usw. Dabei kommt es allein auf die Funktionsbeschreibung,<br />

nicht auf die elektronische Realisierung<br />

an.<br />

c) Programmsteucrung<br />

Wahrend ein sequentieller Automat durch fest vorgegebene<br />

Funktionen f <strong>und</strong> g stets auf eine ganz bestimmte<br />

Aufgabe spezialisiert ist, besteht das Wesen eines<br />

programmgesteuerten <strong>Informatik</strong>systems darin, daß es<br />

-je nach Programm -ganz unterschiedliche Aufgaben<br />

lösen kann. Programmierbarkeit bedeutet Universalität<br />

in folgendem Sinne: ein programmierbares System läßt<br />

sich durch Vorgabe eines Programms P (Austausch von<br />

f <strong>und</strong> g) dazu veranlassen, ein beliebiges gegebenes<br />

anderes System zu imitieren {simulieren); es spielt -<br />

einem Schauspieler vergleichbar -die Rolle jenes Systems<br />

<strong>und</strong> vertritt es dabei vollständig.<br />

Die Idee der Programmsteuerung ist uralt, sie entsteht<br />

bereits im Altertum. Dabei ist das Programm allerdings<br />

in einer besonderen Systemkomponente -z. B. einer<br />

Seilwicklung oder einer bestifteten Walze -gespeichert,<br />

die beim Programmwechsel ausgetauscht wird. Das<br />

Konzept eines universellen Rechenautomaten entwikkelte<br />

bereits um 1830 der britische Mathematiker Charles<br />

Babbage: seine "Analytical Engine" sollte jede Art<br />

von Berechnung ausführen, indem sie nach dem eingegebenen<br />

Programm ihre Berechnungsschritte organisieren<br />

konnte. Hier tritt zum ersten Mal ein vom materiellen<br />

Gerät unabhängiges Programms auf; bei der Analytical<br />

Engine sollte es auf Lochkarten festgehalten<br />

werden.<br />

Das Prinzip der Universalität entwickelte Alan M.<br />

Turing -r<strong>und</strong> 100 Jahre später -theoretisch weiter:<br />

"Die spezielle Eigenschaft von Digitalcomputem,daß<br />

sie jede andere diskrete Maschine nachahmen können,<br />

läf~t sich auch so ausdrücken, daß sie universelle Maschinen<br />

sind. Die Existenz von Maschinen mit dieser<br />

Eigenschaft hat die wichtige Konsequenz, daß es -von<br />

Geschwindigkeitserwägungen abgesehen -unnötig ist,<br />

immer neue Maschinen für unterschiedliche Rechenprozesse<br />

zu entWickeln. Diese können allesamt mit<br />

einem einzigen Digitalrechner durchgeführt werden,<br />

der für jeden Fall geeignet zu programmieren ist. Es<br />

wird sich zeigen, daß infolge<strong>des</strong>sen alle Digitalcomputer<br />

in gewisser Hinsicht äquivalent sind" (Turing).<br />

Turing konstruierte in den vierziger' Jahren einen<br />

elektronischen Rechenautomaten {ACE). Das technische<br />

Konzept wird jedoch nach John von Neumann<br />

benannt, der 1946 {zusammen mit Burks, Goldstine u.<br />

a.) das Modell eines programmgesteuerten Rechners<br />

entwarf, <strong>des</strong>sen Struktur sich noch heute bei den meisten<br />

Rechenanlagen mit einem Hauptprozessor wiederfindet.<br />

Im Unterricht wird ein einfaches Computermodell<br />

{Registermaschine) entwickelt <strong>und</strong> die zugehörige<br />

Maschinensprache als formale Sprache (SatZgliederungsgrammatik)<br />

definiert. Ein Interpreter {geschrieben<br />

in Pascal oder Prolog) führt Programme in Maschinensprache<br />

aus; damit ist zugleich eine Semantik der<br />

Maschinensprache gegeben.<br />

Im Rahmen eines Themas, das man früher unter "Hardware"<br />

eingereiht hätte, können bzw. müssenalso zentrale<br />

Begriffe der theoretischen <strong>Informatik</strong> problemorientiert<br />

entWickelt werden, die Schüler bringen sie in ein praktisches<br />

Programmierprojekt ein. In ähnlicher Weise ist dies<br />

mit den Themen Berechenbarkeit bzw. Entscheidbarkeit<br />

möglich, worauf hier aus Platzgründen nicht eingegangen<br />

werden kann.<br />

4.2 Zur Wahl der Programmiersprache<br />

Eine Programmiersprache ist nicht einfach ein Weg, den<br />

Computer zur Ausführung von Operationen zu veranlassen,<br />

sondern sie ist ein Medium, in dem wir unsere Vorstellungen<br />

über Verfahrensweisen <strong>und</strong> Prozesse ausdrücken.<br />

Süßmilch<br />

14


ZDM~Ji<br />

EntScheiden<strong>des</strong> Kriterium für die Wahl einer<br />

Programmiersprache aus didaktischer Sicht ist die Frage,<br />

ob sie geeignet ist, die Gr<strong>und</strong>konzepte <strong>des</strong> Programmierens<br />

<strong>und</strong> der <strong>Informatik</strong> in umfassender <strong>und</strong> klarer<br />

Weise zu beleuchten.<br />

Ziegenbalg<br />

Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt.<br />

Wittgenstein<br />

Erwerb, Speicherung, kognitive Organisation <strong>und</strong> Weitergabe<br />

von Wissen sind ohne Sprache nicht möglich. Informationen<br />

sind überwiegend sprachlich codiert, der kognitive<br />

Prozeß ihrer Wiederauffindung im Gedächtnis folgt<br />

zum Teil sprachstrukturellen Gegebenheiten,' <strong>und</strong> der<br />

kommunikative Prozeß der Weitergabe von Information<br />

ist so gut wie immer sprachlich organisiert. Aus diesem<br />

Gr<strong>und</strong> kommt dem Phänomen "Sprache" auch in der<br />

<strong>Informatik</strong> eine herausragende Bedeutung zu. Im <strong>Informatik</strong>unterricht<br />

wird eine Vielzahl von Sprachen in unterschiedlicher<br />

Funktion verwendet. Ganz ähnlich wie im<br />

Mutter- <strong>und</strong>/oder Fremdsprachenunterricht lernen die<br />

Schüler einerseits den Umgang mit Sprache(n) }lnd andererseits<br />

die Reflexion über Sprache. !<br />

Zur Problemanalyse dient die Umgangssprache, bei der<br />

Algorithmusentwicklung werden als Spezifikations- bzw.<br />

als EntWUrfssprachen geeignete Erweiterungen bzw. Formalisierungen<br />

der Umgangssprache (ggf. mit Einbau grafischer<br />

Elemente) verwendet, als Kommunikationsmedium<br />

zwischen Mensch <strong>und</strong> Computer dient einerseits die<br />

Programmiersprache, andererseits die vom Programmautor<br />

vorgesehene Sprache für den Benutzerdialog (z. B.<br />

Menüs oder Kommandosprache). Die verwendete Programmiersprache<br />

"steckt den ModelIierungsspielraum<br />

ab" (Schubert 1991) <strong>und</strong> ist damit nicht nur Darstellungsmedium,<br />

sondern Denkwerkzeug.<br />

" Wir verwenden zwar Basic in unserem <strong>Informatik</strong>unterricht,<br />

aber die spezielle Programmiersprache -deren es<br />

bekanntlich sehr viele gibt -ist nur ein Mittel, um den zur<br />

Lösung eines Problem entwickelten Algorithmus computergerecht<br />

darstellen <strong>und</strong> dann das Problem mit Hilfe <strong>des</strong><br />

Computers auch wirklich lösen zu können" (Walsch 1988,<br />

S. 86). Diese viel gehörte Ansicht wird der Rolle einer<br />

Programmiersprache nicht gerecht. Sie beachtet nicht, daß<br />

bereits die Formulierung eines Algorithmus nicht sprachunabhängig<br />

geschieht, <strong>und</strong> daß aIsEntWUrfssprache i. d.<br />

R. eine Sprache verwendet wird, die sich an die spätere<br />

Programmiersprache anlehnt. "Nicht selten findet man<br />

sogar formale Spezifikationen, die in einer Art Pseudo-<br />

Pascal formuliert sind. Zumin<strong>des</strong>t aber werden die Probleme<br />

so ausgewählt <strong>und</strong> aufbereitet, daß sie später leicht in<br />

die Programmiersprache übertragen werden können"<br />

(Gasper 1987, S. 78).<br />

4.2.1 Imperativische (anweisungsorientierte) Sprachen<br />

Eine anweisungsorientierte Programmiersprache bietet<br />

Mittel an, mit denen ein Programm als sequentieller Plan<br />

für Aktionsfolgen beschrieben werden kann. Sie stellt Ausdrucksmittel<br />

für die zyklische Abarbeitung von AnweisungsstÜcken<br />

(Iteration) zur Verfügung. Nun ist Iteration<br />

im Sinne von zeitlicher Wiederholung, ab~r auch von<br />

räumlicher Aneinanderreihung eine "universelle Idee",<br />

welche beträchtliches "heuristisches Potential" entfaltet<br />

(Winter 1989, S. 119). Unter dem Schlagwort "algorithmisches<br />

Denken" ist diese Idee vor allem von A. Engel<br />

413 "dynami3cher" Aspekt dem statisch-struktUrellen<br />

Aspekt der Mathematik entgegengesetzt worden.<br />

Analyser<br />

Wegen seiner Anschaulichkeit <strong>und</strong> intuitiven vertrautheit<br />

ist das Denken in sequentiell gegliederten Abläufen<br />

(nicht nur in der Mathematik) in der Tat f<strong>und</strong>amental,<br />

daher werden imperativische Sprachen immer einen zentralen<br />

Platz im <strong>Informatik</strong>unterricht behalten. Nachteilig<br />

ist ihre komplizierte Syntax, welche dazu zwingt, in einer<br />

langen Einarbeitungsphase sich die Sprache Schritt für<br />

Schritt anzueignen, bevor die ersten nichttrivialen Anwendungsaufgaben<br />

gelöst werden können. Aus diesem Gr<strong>und</strong><br />

gerät der <strong>Informatik</strong>unterricht zeitWeise zum Programmier(sprachen)kurs.<br />

Ferner sind imperativische Sprachen<br />

maschinennah <strong>und</strong> damit vergleichsweise ausdrucksschwach.<br />

Korrektheitsbeweise sind schwierig, da von der<br />

sequentiellen Struktur abstrahiert werden muß ("Schleifeninvariante").<br />

Derzeit wird als Programmiersprache in der Schule fast<br />

ausschließlich Pascal verwendet -<strong>und</strong> dies, obwohl die<br />

Mittel dieser Sprache zur Prozedur- als auch zur Datenabstraktion<br />

unvollkommen <strong>und</strong> dem heutigen Standard<br />

(auch in der Schule) nicht mehr angemessen sind. Während<br />

in Universitäten (UCSD) <strong>und</strong> kommerziellen Unternehmen<br />

(z. B. Borland) an Pascal immer weiter herumgedoktert<br />

wurde, um die Sprache modernen Anforderungen<br />

(Prozedur- <strong>und</strong> Datenabstraktion, Modularität, Objektorientierung)<br />

anzupassen, ohne ihre konzeptionellen<br />

Schwächen je vollständig beheben zu können, hat N.<br />

Wirth gleich "Nägel mit Köpfen" gemacht, indem er jene<br />

Konzepte von Anfang an in neuen SprachentWÜrfen realisierte<br />

(Modula-2 <strong>und</strong> Oberon). Daher kann die Forderung<br />

heute nur heißen: " Wenn imperativisches Programmieren,<br />

dann (min<strong>des</strong>tens) Modula-2".<br />

4.2.2 Applikative (funktionale) Sprachen<br />

Alle ihre formalen Eigenschaften können -<br />

wie etwa die Regeln <strong>des</strong> Schachspiels -innen einer St<strong>und</strong>e<br />

vermittelt werden. Nach kurzer Zeit vergessen wir die<br />

syntaktischen Details der Sprache (weil es keine gibt) <strong>und</strong><br />

wenden uns den inhaltlichen Problemen zu.<br />

Sauerbrey<br />

Neben der operativen (imperativischen) Algorithmusauffassung<br />

gibt es eine SichtWeise von Algorithmen, die durch<br />

starke mathematische Abstraktion gewonnen wird: sie<br />

nimmt keinen expliziten Bezug auf eine "Abfolge von<br />

Aktionen", sondern beschreibt lediglich den funktionalen<br />

Zusammenhang von Ein- <strong>und</strong> Ausgabedaten. Das Ergebnis,<br />

das ein Algorithmus aus gegebenen Datenobjekten<br />

erzeugt, wird durch Anwendung ("Applikation") <strong>des</strong> Algorithmus<br />

auf diese Objekte dargestellt, man spricht daher<br />

von applikativen (oder: funktionalen) Sprachen.<br />

Prominentester Vertreter dieser Sprache ist Lisp. Ihr<br />

großer Vorteil (den sie übrigens mit Prolog teilt, siehe<br />

unten) besteht in der einfachen syntaktischen Struktur<br />

sowie in ihrer Fähigkeit, die traditionelle Unterscheidung<br />

zwischen "passiven" Daten <strong>und</strong> "aktiven" Programmen<br />

aufzuheben. Ferner unterstÜtzt sie mehr als jede andere<br />

Sprache Strategien, Programme weitgehend modular zu<br />

konstruieren. " Wir können mit prozeduralen <strong>und</strong> mit<br />

Datenabstraktionen arbeiten, wir können Funktionen höherer<br />

Ordnung verwenden, um allgemeine Verwendungsmuster<br />

in den Griff zu bekommen, wir können mit Hilfe<br />

von Zuweisungen <strong>und</strong> Datenmutation lokale Zustände<br />

modellieren (...) Ulld wir können auf einfache Weise eingebettete<br />

Sprachen implementieren (Abelson u. a. 1991, S.<br />

xix).<br />

Für die Schule wurde Anfang der achtziger Jahre der<br />

Lisp-Dialekt Logo von einigen Mathematikdidaktikern<br />

15


ZDM 93/1<br />

stark propagiert. Die Sprache konnte sich in<strong>des</strong> nicht<br />

durchsetzen -vielleicht wegen der hinter ihr stehenden<br />

Erziehungsphilosophie. .Eine partiell betrachtet wertvolle<br />

Idee, nämlich die Entwicklung hochinteraktiver Programmierumgebungen<br />

mittels einer Programmiersprache,<br />

die so problemorientiert gemacht ist, daß sie die sinnvolle<br />

Ausgrenzung verschiedenster Teilmengen ('Mikrowelten')<br />

für unterschiedliche Benutzer bis hin zu relativ kleinen<br />

Kindern erlaubt, wird unter Verwendung maßloser<br />

Theoretisierungen aus den unterschiedlichsten Wissenschaften<br />

(Mathematik, Psychologie, Erkenntnistheorie,<br />

KI-Forschung) werbewirksam dargeboten <strong>und</strong> mit nicht<br />

einlösbaren pädagogischen <strong>und</strong> gesellschaftsutopischen<br />

Versprechen verknüpft" (Bußmann / Heymann 1986,<br />

$.79).<br />

Im Lehrbuch von Abelson & Sussman über "Struktur<br />

<strong>und</strong> Interpretation von Computerprogrammen" (mit dem<br />

Lisp-Dialekt $cheme) ist in<strong>des</strong> eine solche Fülle "f<strong>und</strong>amentaler<br />

Ideen" der <strong>Informatik</strong> versammelt, daß es äußerst<br />

schade wäre, wenn diese nicht auch (in didaktisch<br />

reduzierter Form) dem Schulunterricht zugute kommen<br />

könnten. Kröger (1991) führt Algorithmenentwicklung<br />

simultan im imperativischen <strong>und</strong> applikativen Kontext<br />

durch: ein überzeugen<strong>des</strong> Konzept. Vielleicht wird, nachdem<br />

Logo in der mathematikdidaktischen Diskussion<br />

"kaputtgeredet" wurde, das funktionale Programmierparadigma<br />

in der Gestalt von Scheme oder der NeuentWicklung<br />

Miranda nunmehr von der <strong>Informatik</strong>didaktik (wo<br />

es besser aufgehoben scheint) für die Schule fruchtbar<br />

gemacht werden können.<br />

4.2.3 Prädikative (logikorientierte) Sprachen<br />

Der traditionelle <strong>Informatik</strong>unterricht<br />

hat erheblichen Nachholbedarf bei der Entwicklung <strong>des</strong><br />

logischen Denkens.<br />

Bruckner<br />

Die meisten Programmiersprachen sind um die Berechnung<br />

der Werte von mathematischen Funktionen herum<br />

organisiert. Sprachen wie Fortran, Pascal, aber auch Lisp<br />

benutzen die Doppeldeutigkeit von Funktionstermen, die<br />

einerseits als Name für den Funktionswert stehen, andererseits<br />

aber auch als Abkürzung eines Rechenprozesses<br />

verstanden werden können. Die Berechnungen laufen dabei<br />

nur in einer Richtung, sie haben wohldefinierte Ein<strong>und</strong><br />

Ausgaben. Nun existiert ein ganz anderes "Programmierparadigma",<br />

das diesen Zug nicht aufweist. In einem<br />

Beschränkungssystem sind Richtung <strong>und</strong> Reihenfolge der<br />

Rechenprozesse nicht genau spezifiziert; bei der Durchführung<br />

der Rechnung muß das System daher mehr detailliertes<br />

" Wie-geht-das- Wissen" beisteuern.<br />

Prädikative (oder: Logik-) Programmie~ng entfernt<br />

sich noch weiter von der Sichtweise, nach der es beim<br />

Programmieren um die Konstruktion von Algorithmen<br />

zur unidirektionalen Berechnung von Funktionen geht.<br />

Objekte der Programmierung sind vielmehr Relationen,<br />

für die im allgemeinen eine Vielzahl von AntWorten zu<br />

einer Eingabemenge existiert. Daraus folgt, daß mit einer<br />

einzigen "Was-ist"-Aussage eine Anzahl verschiedener<br />

Lösungen erzeugt werden, die verschiedene" Wie-gehtdas"-Komponenten<br />

hätten. Das" Wie-geht-das"- Wissen<br />

steckt im Interpreter.<br />

Für die Programmiersprache Prolog liegen wohlbegründete<br />

didaktische Plädoyers (Krauskopf 1987, Pilz<br />

1990, Schubert 1991, Lehmann 1992) <strong>und</strong> erste erprobte<br />

Unterrichtsemwürfe vor, die zu hohen Erwartungen An-<br />

16<br />

laß geben. Hauptanwendungsgebiete sind logischer DatenbankentWUrf,<br />

Verarbeitung natürlicher <strong>und</strong> formaler<br />

Sprachen, Konzeption von Expertensystemen. Für das z.<br />

B. in der wirtschaftsberuflichen Ausbildung als Beschreibungs-<br />

<strong>und</strong> Gestaltungsverfahren eingesetzte .Entity-Relationship-Modell"<br />

(Borg 1991) ist Prolog ein ideales Darstellungsmittel.<br />

Damit läßt sich auch eine Brücke zwischen<br />

Allgemein- <strong>und</strong> beruflicher Bildung schlagen. .Die Logik<br />

liefert einen universellen einheitlichen sprachlichen Rahmen<br />

für die Kommunikation, insbesondere auch für die<br />

Kommunikation mit dem Computer, d. h. im Hinblick auf<br />

den Computer: eine <strong>und</strong> dieselbe Sprache für Spezifikationen,<br />

für Programme <strong>und</strong> für Datenbanken" (Krauskopf<br />

1987,5.201).<br />

Auf Grenzen der klassischen Prädikatenlogik weist E.<br />

Pilz (1990) hin: Logikorientiertes Problemlösen setzt die<br />

Zulässigkeit "monotoner Schlußweisen" voraus, d. h. zusätzliche<br />

Information darf vorher gezogene Schlußfolgerungen<br />

nicht ungültig machen. Diese Voraussetzung ist<br />

aber beim plausiblen Denken <strong>des</strong> Alltagslebens i. d. R.<br />

nicht erfüllt. Wie nichtmonotones Schließen mittels Prolog<br />

behandelt werden kann, zeigt Krauskopf (1991). Ferner<br />

bietet sich das Thema "Expertensysteme" zu einer<br />

"kritischen Diskussion darüber an, inwieweit eigentlich<br />

ein auf einer Maschine ablaufender Prozeß tatsächlich<br />

neues Wissen deduzieren kann (...). Die Expertensysteme<br />

scheitern in ihrem Universalitätsanspruch heute an genau<br />

der gleichen ProbleIJlatik, an der Leibniz' Versuche auch<br />

schon scheiterten. Leibniz wollte mit seiner 'Kunst <strong>des</strong><br />

Erfindens' (ars inveniendi) erreichen, daß auf rein formaler<br />

Gr<strong>und</strong>lage aus vor'iegendem Wissen neu es Wissen deduziert<br />

werden sollte <strong>und</strong> glaubte beweisen zu können, daß<br />

dazu lediglich die vorhandene Erkenntnis genau genug<br />

(<strong>und</strong> formal) beschrieben sein müßte" (Pilz 1990, 5.94).<br />

pie Auseinandersetzung mit Problemen solcher Art<br />

hebt den <strong>Informatik</strong>unterricht auf ein ganz anderes "geistiges<br />

Niveau" als z. B. Erkenntnisse der Art, daß eine<br />

lineare Liste den Zugriff nur am Anfang <strong>und</strong> am Ende<br />

gestattet. Eih Unterricht, der sich damit beschäftigt, ist der<br />

Frage nach seiner Bildungsbedeutsamkeit enthoben. Bisher<br />

ungelöst ist das didaktische Problem, daß ein vertieftes<br />

Verständnis <strong>des</strong> Prolqg- Inferenzmechanismus erhebliche<br />

logische Vorkenntnisse (Stichwörter: Unifikation, Resolution)<br />

erfordert. E. Pilz nimmt an, daß diese vom Mathematikunterricht<br />

geliefert werden, was wohl eine etwas zu<br />

optimistische Erwartung sein dürfte (siehe unten).<br />

4.2.4 Fazit<br />

Problemwahrnehmung, Denken <strong>und</strong> Problemlösung werden<br />

durch die verwendete Programmiersprache entscheidend<br />

geprägt. Wer nur eine einzige Sprache kennt, kann<br />

Methoden <strong>und</strong> Konzepte der <strong>Informatik</strong>von den jeweiligen<br />

Besonderheiten der Sprache nicht trennen <strong>und</strong> gewinnt<br />

damit nicht die erwünschte Urteilsfähigkeit. Wenn<br />

zur Problemanalyse auch die Entscheidung gehört, welche<br />

Sprache dem Problem bzw. seiner Lösung angemessen ist,<br />

müssen die Lernenden min<strong>des</strong>tens über zwei Sprachen<br />

(mit unterschiedlichem "Paradigma") verfügen. Neben einer<br />

imperativischen Sprache (z. B. Modula-2) sollte -nach<br />

heutiger Sicht- eine logikorientierte Sprache gelehrt werden.<br />

Ob man -wie s. Schubert meint -dabei auf "Fertigkeiten<br />

weitgehend verzichten" muß, wobei "die Einsichten<br />

dominieren" (Schubert 1991, 5.31) kann derzeit nicht<br />

entschieden werden. Die Forderung nach Zweisprachigkeit<br />

hat sich inzwischen so weit durchgesetzt, daß sie


17<br />

IDM JJIJ<br />

Eingang in einige Lehrpläne gef<strong>und</strong>en hat. Ungelöst ist das<br />

Problem, welche Sprache welchem Alter angemessen ist.<br />

Neben den 0. a. Programmiersprachen gibt es. zahlreiche<br />

Softwarepakete, in die Spezialsprachen eingebaut sind<br />

(z. B. dBase, Framework, Paradox). Ich plädiere entschieden<br />

dafür, daß der <strong>Informatik</strong>unterricht diese auf bestimmte<br />

Anwendungsfelder zugeschnittenen Sprachen<br />

nicht heranzieht, sondern sich auf die klassischen universellen<br />

Programmiersprachen beschränkt, da nur letztere<br />

das Herausarbeiten der informatischen Ideen in der WÜnschenswerten<br />

Klarheit gestatten.<br />

4.3 <strong>Informatik</strong> <strong>und</strong> Mathematik<br />

Infonnatik kann längst nicht mehr<br />

als verlängerter Arm der Mathematik verstanden werden.<br />

Löthe<br />

Viele der von der <strong>Informatik</strong> scheinbar neu<br />

entdeckten Begriffe <strong>und</strong> Methoden haben eine<br />

alte Tradition in der Mathematik-<br />

Ziegenbalg<br />

"Die Abgrenzung der <strong>Informatik</strong> von anderen wissenschaftlichen<br />

Disziplinen, insbesondere der Mathematik,<br />

hat über viele Jahre hinweg die Gemüter erhitzt <strong>und</strong> tut<br />

dies z. T. heute noch. Die Spannweite der Argumente<br />

reicht von der These, <strong>Informatik</strong> sei eben doch nur ein<br />

Teilgebiet der Mathematik, gekennzeichnet durch die<br />

Fortschreibung bestimmter Methoden <strong>und</strong> Anwendungsbereiche,<br />

bis hin zur ebenso affektiv gefärbten These, die<br />

Mathematik sei durch statische <strong>und</strong> konservative, die <strong>Informatik</strong><br />

hingegen durch dynamische <strong>und</strong> fortschrittliche<br />

Problemlösungen gekennzeichnet. Diese Diskussion ist<br />

heute müßig ..." (Graf 1984, S. 224). Daß diese Diskussion<br />

bzw. ihr mögliches Ergebnis, nämlich eine klare Unterscheidung<br />

zwischen Lernzielen <strong>des</strong> Mathematik<strong>unterrichts</strong><br />

einerseits <strong>und</strong> Lernzielen <strong>des</strong> <strong>Informatik</strong><strong>unterrichts</strong><br />

andererseits nicht müßig ist, zeigt z. B. die begriffliche<br />

Verwirrung, welcher die Gesellschaft für Didaktik der<br />

Mathematik (GDM) in ihren beiden Stellungnahmen zum<br />

Thema "Neue Informationstechnologien <strong>und</strong> Mathematik"<br />

leider erlegen ist.<br />

Wahrend die erste Stellungnahme die Forderung, "Elemente<br />

der <strong>Informatik</strong> (in dasSchulfach Mathematik) aufzunehmen",<br />

"gr<strong>und</strong>sätzlich für berechtigt hält" (GDM<br />

.1981 ), <strong>und</strong> diese dann näher zu spezifizieren sucht, vertritt<br />

die zweite Stellungnahme eine wesentlich vorsichtigere<br />

Position, indem sie zwar die "Mathematikdidaktik in besonderer<br />

VerantWortung für eine Gr<strong>und</strong>legung der informationstechnischen<br />

Bildung" sieht (GDM 1986), im Gegensatz<br />

zur ersten Stellungnahme jedoch keine konkreten<br />

<strong>Inhalte</strong> ausweist, sondern auf Probleme hinweist, " vor die<br />

sich der ...Mathematikunterricht in Konzeption <strong>und</strong> Praxis<br />

durch die verschiedenen möglichen Weisen <strong>des</strong> umgangs<br />

mit dem Computer gestellt sieht", vor zu raschen<br />

bildungspolitischen Festschreibungen warnt <strong>und</strong> um unterstÜtzung<br />

der fachdidaktischen Forschungstätigkeit bittet.<br />

Beide Stellungnahmen leiden allerdings daran, daß zwischen<br />

"Elementen der <strong>Informatik</strong> (informatischen Methoden<br />

bzw. <strong>Inhalte</strong>n)" <strong>und</strong>" Weisen <strong>des</strong> Umgangs mit dem<br />

Computer" etc. nicht sauber unterschieden wird. So rechnet<br />

die erste Stellungnahme Propädeutik <strong>des</strong> Algorithmierens<br />

<strong>und</strong> Anwendungen <strong>des</strong> Computers unter "informatische<br />

Methoden <strong>des</strong> Mathematik<strong>unterrichts</strong>"; diese<br />

Formulierung muß jedoch zu Mißverständnissen Anlaß<br />

geben. Tatsächlich handelt es sich dabei nämlich um die<br />

Realisierung genuin mathematischer Lernziele <strong>und</strong> um<br />

Analysen<br />

mathematische Methoden. Die in der ersten Stellungnahme<br />

<strong>des</strong> weiteren genannten Themen <strong>Inhalte</strong> <strong>und</strong> Verfahren<br />

realer Datenverarbeitung <strong>und</strong> Mathematik an informatischen<br />

<strong>Inhalte</strong>n dagegen dienen dem Erreichen informatischer<br />

Lernziele. Es geht daher nicht an, für beide in<br />

gleicher Weise zu plädieren; vielmehr muß die Argumentation<br />

hinsichtlich einer Aufnahme in den oder eines Ausschlusses<br />

aus dem Mathematikunterricht differenziert geführt<br />

werden.<br />

Dabei sind drei Gesichtspunkte bzw. Fragenkomplexe<br />

deutlich auseinanderzuhalten, nämlich (1) die Nutzung<br />

<strong>des</strong> Computers als Werkzeug <strong>und</strong> Medium im Mathematikunterricht,<br />

(2) die Einbeziehung von <strong>Informatik</strong>inhalten<br />

in den Mathematikunterricht <strong>und</strong> schließlich (3) die<br />

Bereitstellung mathematischer Gr<strong>und</strong>lagen für die <strong>Informatik</strong>.<br />

4.3.1 Nutzung <strong>des</strong> Computers im Mathematikunterricht<br />

(als Praxis <strong>des</strong> Problemlösens mit dem Computer)<br />

Der Computer ist hier Werkzeug beim Mathematiklernen<br />

in der Hand <strong>des</strong> Schülers. Es geht also um die Rolle <strong>des</strong><br />

Computers als Hilfsmitte' zum Erreichen gegebener -<br />

alter oder neuer -Lernziele <strong>des</strong> Mathematik<strong>unterrichts</strong>,<br />

zum Mathematiklernen mit bzw. durch Computer. Wichtig<br />

scheint die Feststellung, daß es sich hierbei nicht um die<br />

Vermittlung von <strong>Informatik</strong>inhalten, also das Lernen über<br />

Computer <strong>und</strong> das Erarbeiten von Konzepten der Informationsverarbeitung<br />

handelt. Natürlich erfährt der Schüler<br />

beim Einsatz <strong>des</strong> Computers -beiläufig <strong>und</strong> sozusagen<br />

als Nebenwirkung -auch etWas über diesen, doch ist der<br />

Computer dabei primär nicht Lerninhalt oder Reflexionsgegenstand.<br />

Computereinsatz im Mathematikunterricht besteht i. d.<br />

R. aus der Nutzung fertiger SoftWare, <strong>und</strong> zwar entweder<br />

allgemeiner mathematischer Anwendungssoftware (Derive,<br />

MathCad, Mathematica) oder didaktischer Software (z.<br />

B. <strong>des</strong> Geometrieprogramms Cabri-Geometre). Damit<br />

stellt sich die Frage, inwieweit für einen verständigen Gebrauch<br />

solcher Werkzeuge ein Hineinblicken in den<br />

"schwarzen Kasten", den diese Programme ja darstellen,<br />

erforderlich ist. Diese Frage muß die Mathematikdidaktik<br />

beantworten; der <strong>Informatik</strong>unterricht kann einem mÖglichen<br />

Bedarf insofern Rechnung tragen, als er ein gr<strong>und</strong>sätzliches<br />

Verständnis von Aufbau <strong>und</strong> Funktionsprizi-'<br />

pien von Hard- <strong>und</strong> Software vermittelt.<br />

Sollten im Mathematikunterricht gewisse Algorithmen<br />

(z. B. aus der numerischen Mathematik) erarbeitet <strong>und</strong> auf<br />

einem Computer ausgeführt werden, so stellt der <strong>Informatik</strong>unterricht<br />

hierfür eine Sprache zur Algorithmendarstellung<br />

sowie das erforderliche Wissen <strong>und</strong> Können hinsichtlich<br />

Syntax <strong>und</strong> Semantik eill.er Programmiersprache<br />

zur Verfügung. Dies istein Dienst, den die <strong>Informatik</strong> der<br />

Mathematik leistet -umgekehrt etWartet sie von der Mathematik<br />

entsprechende Dienstleistungen (siehe 4.3.3).<br />

4.3.2 Einbeziehung von <strong>Informatik</strong>inhalten in den Mathematikunterricht<br />

,<br />

Hierzu ist zunächst zu bemerken, daß es wohl kaum zu<br />

den Aufgaben <strong>des</strong> Mathematik<strong>unterrichts</strong> gehören dürfte,<br />

Lerninhalte anderer Schulfächer zu vermitteln; dies kann<br />

ihm allenfalls von außen aufgezwungen werden, wogegen<br />

sich die Fachdidaktik mit Recht wehrt. Es gibt aber auch<br />

Stimmen, die jene Einbeziehung im Sinne einer "Integration<br />

der <strong>Informatik</strong> in den Mathematikunterricht" verstehen,<br />

d. h. die auf diese Weise das Fach <strong>Informatik</strong> entbehrlich<br />

machen möchten. So vertritt beispielsweise M. Pfahl<br />

die Ansicht, daß "die meisten der für den <strong>Informatik</strong>un-


d-~l.J44~<br />

ZDM 93/1<br />

,<br />

rithmierens {z.B. Zahlentheorie, Geometrie) <strong>und</strong> vollständige<br />

Induktion. :<br />

terricht geforderten Bildungsziele ebenso durch einen modifizierten<br />

Mathematikunterricht abgedeckt werden können"<br />

(Pfahl 1990, S. 156). Unter einem "modifizierten<br />

Diese Aufgaben hat der Mathematikunterricht bisher im<br />

Mathematikunterricht" versteht er im wesentlichen die<br />

wesentlichen erfüllt. Neu hinzukommen müßten: {6)<br />

Einbeziehung numerischer Verfahren <strong>und</strong> die Anwendung<br />

heuristischer Vorgehensweisen (Pfahl a. 3. 0, 5.152).<br />

Gr<strong>und</strong>begriffe der Aussagenlogik <strong>und</strong> Elemente der Prädikatenlogik,<br />

{7) binäre Codierung, Informationsmaß, Red<strong>und</strong>anz,<br />

{8) Kalküle, formale Sprachen, Automaten als<br />

Werkzeug dabei ist natürlich der Computer. Es handelt<br />

mathematische Gegenstände, {9) Gr<strong>und</strong>begriffe <strong>und</strong> Verfahren<br />

der diskreten Mathematik, insbesondere Kombina-<br />

sich also um einen typischen Fall von Computernutzung<br />

im Mathematikunterricht <strong>und</strong> somit um die Verwechslung<br />

der Punkte (1) <strong>und</strong> (2) oben. .<br />

torik <strong>und</strong> Graphentheorie. Beispielhaft hierfür ist das Lehrbuch<br />

von P. Grimaldi {1989). Hinsichtlich der "Gr<strong>und</strong>lagen<br />

Die Absicht, <strong>Informatik</strong> in den Mathematikunterricht<br />

zu ,;integrieren", ist etwa von gleicher Qualität wie die,<br />

der Mathematik" {Entscheidbarkeit, Berechenbarkeit) ist<br />

dergleichen dem Physikunterricht anzutun. Eine Strukturwissenschaft<br />

zu überlegen, ob es sich nicht eigentlich um ~Gr<strong>und</strong>lagen<br />

wie die Mathematik kann niemals Lern-<br />

der <strong>Informatik</strong>" handelt, sodaß deren Behandlung originä-<br />

ziele einer empirischen Naturwissenschaft (wie der Physik),<br />

re Aufgabe <strong>des</strong> <strong>Informatik</strong><strong>unterrichts</strong> wäre.<br />

ebensowenig aber auch die einer Technikwissenschaft<br />

Die Aufgaben {6) bis {9) werden vom Mathematikunterricht<br />

gegenwärtig nurunzureichend bzw. überhaupt nicht<br />

(welche die <strong>Informatik</strong> zu einem guten Teil ist) vermitteln.<br />

Deren ingenieurmäßige Komponente würde, in den Mathematikunterricht<br />

wahrgenommen, <strong>und</strong> dieser unerfreuliche Zustand wird<br />

"integriert", diesen bis zur Unkennt-<br />

vermutlich noch längereZeit andauern. Der Gr<strong>und</strong> liegt u.<br />

lichkeit verändern, was nur jenen Didaktikern gefallen<br />

a. darin, daß die Mathematikdidaktik im Gefolge der "Anwendungswelle"<br />

könnte, die die <strong>Informatik</strong> als zeitgemäße Form der Mathematik<br />

die in den sechziger <strong>und</strong> siebziger Jahren<br />

verstehen. Statt sich also Spekulationen darüber erarbeiteten Lerninhalte der sog. Neuen Mathematik<br />

hinzugeben, wie die <strong>Informatik</strong> als Schulfach überflüssig<br />

leichtfertig aufgibt, weil sie nicht sehen will oder einfach<br />

zu machen sei, sollte sich die Mathematikdidaktik lieber nicht weiß, daß das strukturmathematische begriffliche Instrumentarium<br />

auf ihre eigentlichen Aufgaben besinnen (folgender Abschnitt).<br />

für die <strong>Informatik</strong> konstitutiv ist {Beispiele:<br />

abstrakte Datentypen, deduktive Datenbanken). So wird<br />

4.3.3 Bereitstellung mathematischer Gr<strong>und</strong>lagen<br />

die <strong>Informatik</strong> einen Teil ihrer Gr<strong>und</strong>lagen selbst zu erarbeiten<br />

haben <strong>und</strong> damit Aufgaben übernehmen müssen, die<br />

eigentlich dem Mathematikunterricht zukommen.<br />

Es gibt selbstgefällige Programmierer,<br />

die die Vorstellung kultivieren, als könne <strong>Informatik</strong> auf<br />

Mathematik oder Logik verzichten.<br />

Ebenso gut kann ein ;Esel auf Beine verzichten, hat er doch<br />

Zähne, sich vorwärtszuziehen.<br />

Schnupp<br />

Die Entstehung der neuzeitlichen Naturwissenschaften<br />

im 17. Jahrh<strong>und</strong>ert brachte für die Mathematik die Aufgabe<br />

mit sich, jenen das begriffliche Rüstzeug zu liefern; das<br />

Buch der Natur ist bekanntlich in mathematischen Lettern<br />

geschrieben. Insbesondere die Differential- <strong>und</strong> Integralrechnung<br />

hat sich im Wechselspiel mit der klassischen<br />

Mechanik entwickelt; deren Anwendungsgebiet in der<br />

Schule ist hauptsächlich der Physikunterricht. Mit der<br />

linearen Algebra <strong>und</strong> besonders mit der Stochastik, die in<br />

letzter Zeit in den Unterricht aufgenommen wurden, ist<br />

die Mathematik der Aufgabe, den exakten Wissenschaften<br />

die mathematischen Gr<strong>und</strong>lagen bereitzustellen, weiter<br />

nachgekommen. In derSchule sind für die zuletzt genannten<br />

mathematischen Gebiete neben den naturwissenschaftlichen<br />

auch sozialwissenschaftliche Fächer als Anwendungsfelder<br />

vertreten.<br />

In diesem J ahrh<strong>und</strong>ert haben nun die Informationswissenschaften<br />

zentrale Bedeutung gewonnen (siehe oben). In<br />

Fortführung der historischen Rolle der Mathematik fällt<br />

dem Mathematikunterricht somit die Aufgabe zu, auch<br />

den Informationswissenschaften begriffliche Gr<strong>und</strong>lagen<br />

5. Abschließende Bemerkungen<br />

Es ist nicht Vermehrung, sondern VerunstaltUng<br />

der Wissenschaften, wenn man ihre G renzen<br />

ineinanderlaufen läßt.<br />

Kant<br />

Es wurde versucht, <strong>Informatik</strong> als Schulfach mit unverwechselbarem<br />

Profil <strong>und</strong> spezifischem Beitrag zur Allgemeinbildung<br />

darzustellen, das zu Ideenaustausch <strong>und</strong> Kooperation<br />

mit anderen Schulfächern bereit <strong>und</strong> in besonderem<br />

Maße fähig ist, das sich aber nicht in andere Fächer<br />

oder übergreifende Lernbereiche "integrieren" (sprich:<br />

auflösen) läßt <strong>und</strong> das -wie alle anderen Schulfächer -<br />

einem Fachprinzip unterworfen ist, sich also insbesondere<br />

nicht in Richtung "interdisziplinärer Projektorientierung"<br />

bewegt. Der Entschluß, sich nicht in eine technikorientierte<br />

Sozialk<strong>und</strong>e umfunktionieren oder gar zur<br />

Vermittlung politischer Bekenntnisse mißbrauchen zu lassen,<br />

gilt unbeschadet einer Anerkennung derTatsache, daß<br />

für die <strong>Informatik</strong> die Verpflichtung zur Beachtung bzw.<br />

unterrichtlichen Behandlung ihrer historischen <strong>und</strong> sozialen<br />

Entstehungsbedingungen <strong>und</strong> zur Übernahme von<br />

Verantwortung hinsichtlich der gesellschaftlichen Auswirkungen<br />

ihrer Resultate besteht.<br />

bereitzustellen, soweit jene im Schulunterricht eine Rolle<br />

spielen. Der Mathematikunterricht kann <strong>und</strong> sollte also<br />

"Vorleistungen" für den <strong>Informatik</strong>unterricht erbringen<br />

(Walsch 1988); zu ihnen gehören (1) Menge, Relation,<br />

Funktion <strong>und</strong> Variablenbegriff, (2) Aufbau der elementaren<br />

Datentypen N, Z, Q <strong>und</strong> der komplexen Datentypen<br />

Vektor, Folge etc., (3) Methoden mathematischer Konstruktion<br />

(z. B. kartesisches Produkt <strong>und</strong> disjunkte Vereinigung<br />

sowie die Abstraktionsmethode), (4) der Begriff<br />

der mathematischen Struktur (Gruppe, Vektorraum etc.)<br />

<strong>und</strong> die axiomatische Methode, (5) Propädeutik dl:s AJgo-<br />

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