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Der Alpen-Gandhi 2. Teil<br />

Bernard Rappaz / Anna Gossenreiter<br />

Der zweite Teil des Bernard-Rappaz-Portraits, welches von der Journalistin Anna Gossenreiter<br />

für die «Weltwoche» geschrieben wurde, beginnt im Jahr 1968. Geprägt von Hippie- und<br />

Studentenkrawallen, verliess Rappaz Junior die Weinbauern-Schule im Burgund, in die ihn<br />

sein Vater zwecks späterer Übernahme des elterlichen Weinberges gesteckt hatte.<br />

Der 15-Jährige kehrte nach Hause<br />

zurück. Mit Alkohol wolle er nichts<br />

mehr zu tun haben, zu zerstörerisch<br />

wirke dieses Genussmittel auf die<br />

Gesellschaft ein. Zwei Jahre später<br />

zog er aus, fuhr nach Amsterdam, der<br />

damaligen Hochburg der Kiffer.<br />

Rappaz brachte ein Pfund Cannabis-<br />

Samen aus aller Welt mit. Seither<br />

pflanzt er Cannabis an, heute gutschweizerisch<br />

Hanf beziehungsweise<br />

Chanvre genannt. Durch Kreuzungen<br />

und Auslese<br />

entstanden aus<br />

dem Amsterdamer<br />

Pfund eigene<br />

Sorten. «Walliser<br />

Queen» und<br />

«Alp King» sind<br />

heute auf dem<br />

Markt für Cannabis-Samen<br />

begehrte<br />

Züchtungen<br />

und haben<br />

an internationalen<br />

Hanfmessen<br />

Preise geholt.<br />

Alternativ mit Papas Hilfe<br />

Als Militärdienstverweigerer nahm<br />

Rappaz eine Gefängnisstrafe auf<br />

sich. Nach einem vom Vater berappten<br />

Önologie-Studium in Lausanne<br />

kaufte er sich wiederum mit Papas<br />

Hilfe einen abgelegenen Bauernhof<br />

und war fortan Biobauer - damals eine<br />

Provokation im Wallis. Mit einer<br />

Windmaschine und Solarzellen produzierte<br />

er seinen eigenen Strom.<br />

Dafür kämpfte er erfolgreich gegen<br />

Behörden und die Elektrizitätslobby.<br />

Seine Redegewandtheit erwarb<br />

er sich als Autobahngegner und im<br />

Widerstand gegen das Staudammprojekt<br />

Hydro-Rhône. Bernard<br />

Rappaz versteht es, die Leute für<br />

«die gerechte Sache» zu begeistern<br />

und einzuspannen. Selbstkritik dagegen<br />

ist nicht seine Stärke. Mit einer<br />

Ausnahme: In den achtziger Jahren<br />

überfiel er zusammen mit einem<br />

anderen Biobauern ausgerechnet in<br />

Saxon eine kleine Bankfiliale. «Der<br />

grösste Fehler meines Lebens», behauptet<br />

er heute. Ständig pleite, zu<br />

viel gekifft, zu viel ferngesehen…<br />

Mit der Beute, knapp 20'000 Franken,<br />

zahlten die beiden Biobauern<br />

ihre Schulden zurück. Auch bei den<br />

Banken. Der Weg führte geradewegs<br />

ins Gefängnis. Die Strafe ist längst<br />

abgesessen, doch die Sache nicht<br />

vergessen. Nicht in Saxon. Für die einen<br />

ist und bleibt er ein Krimineller,<br />

andere respektieren den konsequenten<br />

Aussenseiter. «Farinet von Saxon»<br />

wird er mitunter genannt - der<br />

Nachfolger des Walliser Falschmünzers<br />

und Freiheitshelden, dem C.F.<br />

Ramuz ein literarisches Denkmal<br />

setzte. Der Vergleich schmeichelt<br />

Rappaz beträchtlich. «Je dérange»,<br />

ich störe, sagt er voller Stolz. Weniger<br />

Freude hat Raoul Rappaz, der<br />

Vater. Die Leute wechselten die<br />

Strassenseite, nur um mit ihm nicht<br />

über Bernard reden zu müssen. Gemeinsam<br />

ist Vater und Sohn, dass<br />

beide, wie es in der schönen Familientradition<br />

liegt, Atheisten sind:<br />

«Seit 1870 ist aus unserer Familie<br />

niemand kirchlich getraut oder begraben<br />

worden.Alle liessen sich kremieren.»<br />

Der alte Mann hat seinen<br />

Weinberg inzwischen verkauft. Er<br />

brennt noch seinen eigenen Williams<br />

und nennt ihn «Eau de Diable»,Teufelswasser<br />

- nach einem Vorschlag<br />

seines Sohnes.<br />

Beinahe Grossrat<br />

Rappaz junior ist dem Hanf treu geblieben.<br />

Damit<br />

gewinnt einer<br />

im Weinkanton<br />

Wallis nicht<br />

viele Freunde.<br />

Trotzdem machte<br />

Bernard Rappaz<br />

aus seinem<br />

Hanfanbau nie<br />

ein Geheimnis.<br />

Die Provokation,<br />

die den Eifer<br />

der Walliser<br />

Polizei und Justiz<br />

anstachelte,<br />

wirkte sich gut<br />

auf den Geschäftsgang aus: «1992<br />

baute ich Hanf nur für den Eigengebrauch<br />

an. Der Kontrolleur der Bio<br />

Suisse verpfiff mich. Eines Tages<br />

fand ich zwei Polizisten in meinen<br />

Tomatenfeldern, dann schnitten sie<br />

meine Hanfpflanzen ab. In der Uno-<br />

Konvention steht, dass die Stängel<br />

und die Blätter nicht illegal sind.<br />

Deshalb stellte ich aus den Blättern<br />

Tee her. 1993 pflanzte ich dann 1000<br />

Quadratmeter an. Der Richter liess<br />

die Pflanzen abschneiden. Im folgenden<br />

Jahr pflanzte ich mit anderen<br />

Bauern zur Samengewinnung<br />

40'000 Quadratmeter an. Der Richter<br />

liess die Samen beschlagnahmen.<br />

Damit betrieb er ein enormes<br />

Marketing. Das war grossartig für<br />

den Hanf.» ■<br />

libertez rappaz!<br />

winter 2002/03<br />

swiss hemp times<br />

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