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2 18. Januar 2013<br />

Thema<br />

Pianta Monda, das Ökodörfchen im Maggiatal,<br />

bringt Leben ins Tal, führt Traditionen weiter, bemüht sich um die<br />

Erhaltung von Kulturgut und feiert das 20-jährige Bestehen<br />

MIT HANDARBEIT<br />

NAHE DER ERDE SEIN<br />

von Elisabeth Bardill<br />

Impressum<br />

Einzige deutschsprachige Tessiner<br />

Zeitung: Wöchentliche Ausgabe<br />

REDAKTION<br />

Chefredaktion:<br />

Marianne Baltisberger (mb)<br />

Rolf Amgarten (ra)<br />

Martina Kobiela (mk)<br />

TZ/Magazin<br />

Ute Joest (uj), Leitung<br />

Myriam Matter (mm)<br />

Ständige Mitarbeit<br />

Gerhard Lob (gl)<br />

Carlo Weder (wr)<br />

Bettina Secchi (bs)<br />

Johann Wolfgang Geisen (Karikatur)<br />

Agenturen<br />

Dienste: Schweizerische<br />

Depeschenagentur (sda)<br />

Fotoagentur Ti-Press<br />

Ticino-Agenda<br />

Esther Dagani, Leitung<br />

Fernanda Vanetti, Marco Della Bruna<br />

VERLAG<br />

Herausgeber: Giò Rezzonico<br />

Verkaufte Auflage: 7’365<br />

(WEMF-beglaubigt, Basis 2011/12)<br />

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Rezzonico Editore SA<br />

Via Luini 19, 6601 Locarno<br />

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agenda2@<strong>tessiner</strong><strong>zeitung</strong>.ch (Magazin)<br />

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Schweiz: 1 Jahr Fr. 139.- (inkl. die<br />

Zeitschrift TicinoVino Wein Fr. 32.50)<br />

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Immobilien, (nur Inserate): 98 Rp.,<br />

Occasions-Fahrzeuge 88 Rp.,<br />

Finanz (nur Inserate): 88 Rp.<br />

Todesanzeigen und Vermisstanzeigen<br />

(im redaktionellen Textteil): Fr. 2.15 -<br />

Reklameseite (Spaltenbreite 44 mm):<br />

Fr. 2.98; Für Jahresabschlüsse<br />

Preis er mässigungen<br />

Mit der Tessinerin Gabriella<br />

fahre ich nach Menzonio hinauf,<br />

von wo wir uns zu Fuss zur<br />

ganzjährig bewohnten Siedlung<br />

Pianta Monda aufmachen.<br />

Über die Stufen aus Granitstein<br />

gewinnen wir schnell an Höhe.<br />

Die steile Gasse führt durch<br />

dichten Kastanienwald. Der<br />

Weg ist von Laub und Kastanienhülsen<br />

bedeckt. Nach rund<br />

zwanzig Minuten stehen wir<br />

unvermittelt auf dem Hofplatz<br />

der Cooperativa. Eine Runde<br />

von Leuten jeden Alters erhebt<br />

sich vom beendeten Frühstück,<br />

um uns herzlich zu begrüssen.<br />

Schnell wird abgeräumt und für<br />

uns Kaffee, Brot und Käse aufgetischt.<br />

Über uns hängen<br />

blaue Trauben zwischen goldenem<br />

Herbstlaub. Ulrico streckt<br />

sich und schneidet für uns einige<br />

Trauben ab. Die Leute, die<br />

uns Platz gemacht haben sind<br />

plötzlich verschwunden. Sie<br />

haben sich zu den verschiedenen<br />

Arbeitsplätzen aufgemacht.<br />

Peter, der neu zum Team gehört,<br />

Andreas aus Dänemark,<br />

Eva aus Italien, Viktor aus Zürich<br />

und Jos, der Wanderschäfer<br />

aus Deutschland…<br />

Das gemeinsame Einritzen der gesammelten Kastanien: v.l.n.r. Ulrico, Sanna und Peter<br />

Gelebte Genossenschaft<br />

Als der Lehrer Ulrico Stamani,<br />

früher Stadelmann, aus der<br />

deutschen Schweiz mit 50 Jahren<br />

einen neuen Weg einschlagen<br />

wollte, hatte er bereits Beziehungen<br />

zum Maggiatal. Bei<br />

seinen Aufenthalten wurde sein<br />

Interesse für die gesellschaftliche<br />

und wirtschaftliche Situation<br />

des Bergtales geweckt. Jemand<br />

machte ihn auf eine<br />

Gruppe ungenutzter Ställe aufmerksam.<br />

Ulrico ging nachschauen<br />

und erzählt: «Der Ort<br />

hier, an dieser Stelle, hat mich<br />

gefunden. Die vier Gebäude,<br />

die sonnige Lage, frisches Wasser,<br />

jede Menge Brennholz und<br />

drei verkaufswillige Besitzer,<br />

liessen mich handeln. Mit<br />

Gleichgesinnten konnte eine<br />

Genossenschaft gegründet werden,<br />

deren Präsident ich bin.<br />

Mein Traum, mit andern Menschen<br />

hier leben zu können,<br />

konnte durch den Kauf der<br />

Siedlung 1993 langsam verwirklicht<br />

werden. Unser Ziel<br />

war und ist es, dieses kleine<br />

Dorf zu beleben und es zusammenzuhalten.<br />

Wir sind seit 19<br />

Jahren hier, leben ohne staatliche<br />

Unterstützung, mit wenig<br />

Geld, vielen Helfern, Gästen<br />

und Besuchern.»<br />

Pianta Monda wurde durch<br />

praktische Arbeit zum Ort des<br />

einfachen Lebens. In uneigennütziger<br />

Aufbauarbeit werden<br />

alte Rustici renoviert, Trockenmauern<br />

repariert, Kulturland<br />

zurück gewonnen und ein<br />

Selbstversorgungsbetrieb mit<br />

Gemüse, Kräutern, Beeren,<br />

Obst und sanftem Tourismus<br />

aufgebaut. Man kann über kurze<br />

oder längere Zeit freiwillig<br />

mithelfen, Ferien in einem der<br />

Rusticos machen oder die Gemeinschaft<br />

in vielfältiger Weise<br />

unterstützen.<br />

Feuer anfachen<br />

Gabriella steht schon in der<br />

Sommerküche und röstet Kastanien<br />

auf offenem Feuer. Sanna,<br />

die nach einem abenteuerlichen<br />

Leben schon seit sechs<br />

Jahren hier lebt, kümmert sich<br />

gerade um den Apfelkuchen,<br />

der im Stubenofen auf einem<br />

Gitter über der Glut gebacken<br />

wird. Die Gerstensuppe ist in<br />

Vorbereitung. Eine Familie<br />

reist nach Ferientagen ab und<br />

begleicht bei Sanna die Mietkosten.<br />

Einer der Helfer kommt<br />

vom Dorf hoch mit zwei<br />

schweren Taschen gewaschener,<br />

noch nasser Wäsche, die<br />

wie durch Heinzelmännchen-<br />

Hände plötzlich an der Leine<br />

hängt. Nun taucht Peter auf,<br />

ritzt Kastanien, schneidet Gemüse<br />

für die Suppe und deckt<br />

den langen Tisch unter einem<br />

Zeltdach. «Ich habe mich entschlossen,<br />

meinem Lebensweg<br />

eine andere Richtung zu geben.<br />

Als 57 jähriger gelernter Werkzeugmacher<br />

habe ich langjährige<br />

Erfahrung im Grossmaschinenbau.<br />

Ein Burnout brachte<br />

mich auf die Idee, mich einer<br />

sinnvolleren Tätigkeit zu widmen.<br />

Ich bin seit Juli hier und<br />

fühle mich aufgenommen,<br />

dankbar, dass mir Sanna und<br />

Ulrico als Teammitglied die<br />

Möglichkeit bieten, zu einer<br />

ausgeglichenen Lebensweise<br />

zu finden. Ich wünsche mir,<br />

dass wir uns möglichst lange<br />

gegenseitig ergänzen können.»<br />

Entwicklung von unten<br />

Es kommen immer neue junge<br />

Leute nach Pianta Monda, die<br />

eine zeitlang zur Gemeinschaft<br />

gehören möchten. Sie haben<br />

genug von der konsumabhängigen<br />

Zivilisation und reihen sich<br />

oft mit intellektuell geprägten<br />

Gedanken über das einfache<br />

Leben als «unstetige Grashüpfer»<br />

in die Wahlfamilie hinein.<br />

Viele von ihnen lernen hier eine<br />

neue Lebensform kennen und<br />

gehen gestärkt weiter auf dem<br />

eigenen Weg. Einige kommen<br />

zurück um in kürzeren oder<br />

längeren Arbeitseinsätzen aufzutanken.<br />

Ulrico kann mit seiner<br />

Arbeit viele Helfer und Gäste<br />

davon überzeugen, dass eine<br />

dörflich kulturelle Entwicklung<br />

im verwaldeten Bergtal nur von<br />

unten her funktionieren kann,<br />

indem man bei den Wurzeln,<br />

beim Roden und Pflanzen beginnt.<br />

«Wir wollen eine Lücke<br />

schliessen. Es fehlt eine Generation,<br />

die noch weiss, wie man<br />

nach elementaren Grundsätzen<br />

leben und überleben kann. Wir<br />

sind vielleicht für manche einheimischen<br />

Leute eine Provokation,<br />

weil wir das machen,<br />

worauf sie teils wehmütig, teils<br />

stolz zurückschauen und als Erinnerung<br />

dokumentarisch aufarbeiten.»<br />

Man will so wenig wie möglich<br />

und so viel wie nötig von der<br />

modernen Zivilisation benützen.<br />

Man facht das Feuer selber<br />

an und ist der Erde nahe. Mittlerweile<br />

sind es vier Gebäudegruppen<br />

mit Wiesen, Pflanzund<br />

Werkplätzen. Noch fehlen<br />

die Tiere. Der genossenschaftlich<br />

geführte Betrieb strebt jedoch<br />

eine echte Berglandwirtschaft<br />

an. In diesem Bereich<br />

gab es auch schon Enttäuschungen.<br />

Doch mutig will<br />

man an diesem Plan festhalten.<br />

Eine ausgebildete Bäuerin hat<br />

im Sinn, in diesem Bereich aktiv<br />

zu werden. Für eine intensivere<br />

Selbstversorgung braucht<br />

es Tiere. Eine eigene Milchund<br />

Fleischproduktion wie<br />

Mist als Bodendünger fehlen.<br />

Ausflüge statt Orden<br />

Sanna berichtet über die Rosinen<br />

im gemeinschaftlichen Leben:<br />

«Wir nahmen an der Prozession<br />

im Val Bavona teil, am<br />

Mühletag in Brontallo, am<br />

Mähkurs in Linescio, am Mercato<br />

in Cevio, an den Festen in<br />

Bignasco, Menzonio und Mogno,<br />

besuchten Konzerte in<br />

Maggia und Giumaglio und unternahmen<br />

Ausflüge auf den<br />

Piz Bombögn, nach Peccia und<br />

Fusio oder speisten in einer<br />

Osteria oder einem Grotto. Wir<br />

wollen teilnehmen an den Anlässen<br />

im Tal und mit der Bevölkerung<br />

zusammen sein. Wir<br />

haben eine Genossenschaftskasse,<br />

die auf Mitgliederbeiträge<br />

und Spenden angewiesen ist.<br />

Für persönliche Bedürfnisse<br />

und Wünsche kommen die Helfer<br />

selber auf.<br />

Verbindung zur Aussenwelt<br />

Der Laden in Bignasco ist das<br />

Verbindungsglied zwischen interessierten<br />

Leuten und der<br />

Siedlung Pianta Monda. Es<br />

werden Produkte aus dem Betrieb<br />

angeboten, neu auch Textilien<br />

aus eigener Werkstatt.<br />

Wenn Sanna den Laden betreut,<br />

trifft man sie je nach dem am<br />

Spinnrad, am Computer oder<br />

im Gespräch mit der Kundschaft.<br />

Es beginnt zu regnen. Alle haben<br />

sich unter dem Zeltdach zu<br />

Tisch gesetzt. Vor dem Essen<br />

reichen wir einander zum Zeichen<br />

der Verbundenheit die<br />

Hände. – Gestärkt und beeindruckt<br />

gehen Gabriella und ich<br />

über die nassglänzenden Steinstufen<br />

auf dem inzwischen von<br />

Helfern gesäuberten Weg nach<br />

Menzonio hinunter.<br />

Mehr Infos dazu auf:<br />

www.piantamonda.ch

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