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Toleranz nach evangelischem Verständnis

Synodale Texte, Vorträge und geistliche Worte von Bischof Markus Dröge.

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c) Christus<strong>nach</strong>folge und Wahrheitserkenntnis<br />

In Christus wird auch deutlich, wie eine zur <strong>Toleranz</strong> fähige Souveränität allererst<br />

aus dem Leiden und seiner Überwindung möglich wird: Christi Leiden ist<br />

Vorbild für das, was Christen und Christinnen in seiner Nachfolge, auf dem Weg<br />

der Heiligung »in seinen Fußstapfen« auszuhalten haben (1. Petr 2,20 ff). Solches<br />

Aushalten umfasst im biblischen Zeugnis drei Dimensionen: auszuhalten im<br />

Sinne von Erleiden, standzuhalten und also gewissermaßen das Eigene zu verteidigen,<br />

und schließlich das hoffnungsvolle Harren auf Gott, vor allem als Erwartung<br />

der Wiederkunft Christi. Diese Hoffnungsdimension bildet biblisch den<br />

Grund der Geduld, die wiederum Bewährung und schließlich Glaubenshoffnung<br />

wirkt (Röm 5,4). Solche Hoffnung stellt schwierige Lebenserfahrungen in das<br />

»Trotzdem« des Lichtes Gottes.<br />

<strong>Toleranz</strong> in der Nachfolge Christi blickt so nicht gleichsam unbeteiligt-gleichmütig<br />

von oben herab, sondern verletzlich und aus der Perspektive des Angefochtenen<br />

her. Sie ist dennoch von Zuversicht geprägt, weil sie ihren tiefsten Grund<br />

in der durch Christus eröffneten Glaubenshoffnung hat. In seinem Geist vermag<br />

sie die ›angreifenden‹ Widerwärtigkeiten einer Welt zu ertragen, die diese Hoffnung<br />

nicht teilt. Es ist eine <strong>Toleranz</strong> aus der Kraft Gottes um der Zukunft willen,<br />

die mit ihrer Orientierung auf Christus Zeugnis ablegt von der Wirklichkeit des<br />

Dreieinigen Gottes.<br />

Glaubensgewissheit jedoch ist eine Form der Wahrheitsgewissheit. Sie erhebt<br />

den Anspruch, das ganze Leben des Gläubigen, sein Denken und Handeln zu<br />

durchdringen. Wie aber vertragen sich Wahrheitsanspruch und <strong>Toleranz</strong>? Wie<br />

kann ich etwas tolerieren, das ich nicht für wahr halte, ohne damit meinen Wahrheitsanspruch<br />

aufzugeben? Religiöse Überzeugungen werden aus diesem Grund<br />

oft für notwendig intolerant gehalten. Exklusive Wahrheitsansprüche scheinen<br />

unausweichlich Intoleranz gegenüber anderen Wahrheitsansprüchen zu fordern.<br />

Freilich lassen sich religiöse Gottes-, Welt- und Menschenbilder vergleichen,<br />

dies jedoch bewusst aus der jeweils eigenen Perspektive heraus und ohne dabei<br />

Entscheidungen mit allgemeinem Anspruch zu treffen: Das Bewusstsein der eigenen,<br />

menschlichen Partikularität verhindert dabei einen universalen Geltungsanspruch.<br />

Diese Erkenntnis gilt es festzuhalten: Die im Zeugnis sich kundgebende<br />

eigene Wahrheitsgewissheit lässt sich nicht in Eins setzen mit der<br />

Wahrheit, die sie bezeugt. 8 Jede Glaubensbezeugung muss daher Bescheidenheit<br />

walten lassen und gewinnt so auch immer die Freiheit, Selbstkritik zu üben.<br />

Dennoch hat das – notwendig partikulare – Zeugnis mit einer Wahrheit zu tun,<br />

die einen universalen Geltungsradius beansprucht. So gehört es zum Fundament<br />

christlichen Selbstverständnisses, dass Jesus Christus nicht lediglich als<br />

ein Beispiel, sondern als einzigartiger Vermittler göttlicher Zuwendung für alle<br />

Menschen bezeugt wird. Die Rede von Schöpfungsmittlerschaft, Kreuz und Auferstehung<br />

erhält nur so ihren vollen Sinn. Diese Überzeugung wird von Andersgläubigen<br />

zwar nicht geteilt: Muslime etwa betrachten Muhammad als Wiederhersteller<br />

der auch von Jesus verkündigten Offenbarungswahrheit und können<br />

daher Jesus nur als Propheten würdigen. Das heißt aber nicht, dass das Christuszeugnis<br />

so lange relativiert werden könnte, bis es mit den Auffassungen Andersgläubiger<br />

übereinstimmt. Das würde den Horizont der eigenen Glaubensüberzeugung<br />

verengen und den Wahrheitsanspruch auflösen. <strong>Toleranz</strong> wäre so,<br />

zugespitzt formuliert, nur um den Preis eingeschränkter Glaubenslehre möglich.<br />

Doch: Wird das Wesentliche des Glaubens überhaupt in der jeweiligen Glaubenslehre<br />

erfasst? Das christliche Glaubensverständnis etwa erklärt ja die Beziehung<br />

des Menschen zu Gott zum Wesen des christlichen Glaubens, nicht irgendwelche<br />

lehrmäßigen Gehalte. 9 Entscheidend sind dem<strong>nach</strong> das Vertrauen auf<br />

Gott und die Liebe zum Mitmenschen. Schon Paulus formuliert zugespitzt: Alle<br />

Erkenntnis wäre nichts ohne die Liebe (1. Kor 13). Sie ist das Kriterium der<br />

Wahrheit. Es gibt für den christlichen Glauben kein »Was« ohne das »Wie« des<br />

Glaubens. Wahrheit im christlichen Sinne ist nicht Richtigkeit des Bekannten.<br />

20 FRÜHJAHRSSYNODE 2013<br />

SYNODALE TEXTE<br />

21

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