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Toleranz nach evangelischem Verständnis

Synodale Texte, Vorträge und geistliche Worte von Bischof Markus Dröge.

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7. »Darum nehmt einander an, wie Christus<br />

euch angenommen hat zu Gottes Lob«<br />

Es ist zu befürchten, dass die Zerreißprobe die Gemeinden spaltet. Der Gemeindekirchenrat<br />

in Schleife sieht die Situation so: »Wir spüren …, dass die Auseinandersetzungen<br />

um die Zukunft in einem erbitterten Meinungsstreit münden,<br />

dass nicht mehr offen miteinander geredet wird, viele auch nicht mehr zuhören<br />

und die Beteiligten ihre Energien in fruchtlosem Streit verbrauchen.« Die Gemeinde<br />

will dies aber nicht einfach schicksalhaft hinnehmen. Jeden Dienstag findet<br />

ein Abendgebet für die Gemeinden statt. Bruder Herche hat sich bereit erklärt,<br />

eine Gesprächsplattform in der Kirche einzurichten. Es soll wieder miteinander,<br />

statt übereinander geredet werden. Die Entscheidung über das neue Braunkohlegesetz<br />

hat sich mehrfach herausgezögert und die Menschen brauchen dringend<br />

eine verlässliche und rechtssichere Entscheidung. Alles, was die Entscheidung<br />

nur herauszögert, erhöht die Spannung und verstärkt die Zerreißprobe.<br />

Ich möchte heute von hier aus die Gemeinden im Braunkohleabbaugebiet der<br />

Lausitz ermutigen, in der spannungsvollen Situation, in der sie sich befinden,<br />

weiterhin alles zu tun, um nahe bei den Menschen zu sein, auch wenn diese<br />

Menschen sehr unterschiedliche Positionen vertreten. Jeder soll und darf sich<br />

für seine Überzeugung einsetzen und diese auch profilieren und öffentlich zum<br />

Ausdruck bringen. Dabei aber soll keiner vergessen, dass wir ein Zeugnis der <strong>Toleranz</strong><br />

zu leben haben, das tief im Kern unseres Glaubens verankert ist. In der<br />

Kraft des Geistes können wir einander achten, auch wenn wir sachlich in der Diskussion<br />

und im politischen Engagement gegeneinanderstehen.<br />

Als Paulus dieses Wort in Römer 15, 7 geschrieben hat, hatte er die zerstrittene<br />

Situation der römischen Gemeinde vor Augen. Mit diesem Satz beschreibt er<br />

kurz und prägnant, dass Glaubensgewissheit und <strong>Toleranz</strong> untrennbar zusammengehören:<br />

»Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes<br />

Lob.« Wer durch Christus geliebt, angenommen und befreit ist, der muss<br />

auch bereit sein, anderen einen Freiraum zu schenken. Und wo dies geschieht,<br />

da loben wir mit unserem Verhalten Gott, da geben wir ihm die Ehre. Glaube und<br />

<strong>Toleranz</strong>, das sind also letztlich zwei Seiten derselben Medaille.<br />

Christinnen und Christen leben von der »unergründlichen <strong>Toleranz</strong> und Weisheit<br />

Gottes«, so hat es Martin Luther formuliert. Ich bin überzeugt davon, dass die<br />

untrennbare Verbindung von Glaubensgewissheit und <strong>Toleranz</strong> genau das Zeugnis<br />

ist, zu dem wir in der gegenwärtigen religiösen und gesellschaftlichen Situation<br />

herausgefordert sind.<br />

Lassen Sie uns gemeinsam eine glaubensgewisse Kirche sein, der es gelingt die<br />

unvermeidbaren Spannungen untereinander auszuhalten und die deshalb in der<br />

Lage ist, für die Welt ein glaubwürdiges Zeugnis zu leben.<br />

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.<br />

50 FRÜHJAHRSSYNODE 2013<br />

VORTRÄGE<br />

51

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