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Toleranz nach evangelischem Verständnis

Synodale Texte, Vorträge und geistliche Worte von Bischof Markus Dröge.

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3. Historische Bezüge<br />

Es war ein überaus mühevoller Prozess, <strong>Toleranz</strong> als weit verbreitete Grundhaltung<br />

und positiven Wert zu etablieren. Er ist keineswegs abgeschlossen und<br />

wird es wohl auch nie sein. Erst unter dem Eindruck der Verheerungen der konfessionellen<br />

Bürgerkriege des 16. und frühen 17. Jahrhunderts, der Verwüstung<br />

Mitteleuropas und des Todes eines Drittels seiner Gesamtbevölkerung setzte<br />

sich das <strong>Toleranz</strong>denken als eine politische Leitidee hierzulande allmählich<br />

durch. Um dem millionenfachen Sterben ein Ende zu bereiten, wurde die religiöse<br />

Wahrheitsfrage im politischen Raum suspendiert, damit die evangelische<br />

und die katholische Religionspartei einen modus vivendi finden konnten. Freilich<br />

wurde eine solche begrenzte wechselseitige <strong>Toleranz</strong> zunächst nur auf der<br />

Ebene des Reiches praktiziert. In den einzelnen Fürstentümern hingegen blieb<br />

es bei dem Grundsatz, dass der Landesherr die Religion seiner Untertanen bestimmte<br />

(cuius regio eius religio). In der evangelischen Kirche setzte sich in der<br />

Folge dann das landesherrliche Kirchenregiment durch.<br />

In der Folge zeigte sich immer wieder, wie bedroht eine <strong>Toleranz</strong> ist, die wesentlich<br />

mit ihrer staatspolitischen Nützlichkeit begründet wird. Im Verhältnis der<br />

Bürger zum Staat kann <strong>Toleranz</strong> staatsbürgerliche Gleichheit und grundrechtliche<br />

Freiheit nicht ersetzen. Doch bis sich diese Grundpfeiler westlichen Verfassungsdenkens<br />

auch in Deutschland durchsetzten, sollte einige Zeit vergehen.<br />

Erst mit der Weimarer Reichsverfassung 1919 wurde deutschlandweit die bürgerliche<br />

und staatsbürgerliche Gleichberechtigung aller Religionen und Weltanschauungen<br />

garantiert und damit der Wechsel von institutionell-pragmatischer<br />

<strong>Toleranz</strong> hin zu dem vollzogen, was man in der modernen politischen Philosophie<br />

mit »wechselseitige Anerkennung als Freie und Gleiche« bezeichnet.<br />

Mit dem allmählichen Auseinandertreten von Politik und Religion und der damit<br />

verbundenen Säkularisierung der Staatsraison sowie der durch Gebietseroberungen<br />

bewirkten konfessionellen Mischung der Bevölkerung war dann im 18. Jahrhundert<br />

der Boden für eine aktive staatliche <strong>Toleranz</strong>politik bereitet. Diese fand<br />

gerade auf dem Territorium der heutigen Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische<br />

Oberlausitz ihren Niederschlag. Prominenter Ausdruck einer<br />

solchen Politik ist bis heute der Ausspruch Friedrichs II., jeder möge <strong>nach</strong> seiner<br />

Façon selig werden. Zu ergänzen wäre allerdings: solange er nur dem preußischen<br />

Staat folgsam diente und nutzte. Die preußische <strong>Toleranz</strong>politik setzte<br />

sich nicht alleine wegen der Strahlkraft des aufklärerischen Gedankenguts durch,<br />

sondern war auch politischer Zweckrationalität geschuldet.<br />

12 FRÜHJAHRSSYNODE 2013<br />

SYNODALE TEXTE<br />

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