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Pfarrer Renggers Umsiedelungsplan<br />

von Raoul Richner<br />

Der Kulmer Pfarrer Laurenz Rengger schrieb 1713 an den bernischen Landvogt auf der<br />

Lenzburg einen Brief, in dem er ihn bat, dass dem Jacob Elsasser, den man meist nur den<br />

“alten Geiser” nannte, befohlen werde umzuziehen. Rengger wünschte sich nämlich, dass<br />

der ganze Elsasser-Haushalt ihr Häuslein, das “in einem Krachen an einem wald, von<br />

allen häüßern entfernt” lag, verlassen und sich im Dorf ansiedeln sollte.<br />

<br />

Wie kam es dazu, dass Pfarrer Rengger ein solch eigenartiges Begehren stellte ?<br />

Um dies zu verstehen, müssen wir uns etwas mit den Familienverhältnissen des<br />

sogenannten “Geiser”-Zweigs der Unterkulmer Familie Elsasser befassen.<br />

<br />

Der Haushalt umfasste damals neben dem schon genannten alten Geiser (*ca. 1645-<br />

1715), dem Hausvater, dessen zweiten Frau, Anna Hauri von Fahrwangen, die er erst<br />

1710 geheiratet hatte, und deren ledige Tochter. Pfarrer Rengger nahm kein Blatt vor den<br />

Mund, wenn er von Elsassers Angehörigen berichtete; so sprach er etwa vom “treüloß[en]<br />

weib” und “der gottlosen dochter”. Aus anderen Quellen wissen wir, dass wir Anna Hauri<br />

als Mitglied einer regelrechten Diebesclique betrachten können. Dazu kam noch ein<br />

verwaistes Enkelkind und ein weiteres uneheliches Kleinkind, dessen Beziehung zur<br />

Familie Elsasser nicht geklärt ist. <br />

Rengger hielt auch fest, dass von Jacobs anderen erwachsenen “ungerathenen kindren”<br />

aus erster Ehe keines mehr in Unterkulm ansässig wäre. Alle wären am<br />

“herumbschweifen”.<br />

Dies traf insbesondere auf den ältesten Sohn, Jacob, den jungen Geiser, zu. Er hatte 1711<br />

das Land verlassen, nachdem er im Verdacht gestanden hatte, einen Diebstahl verübt zu<br />

haben. Er hielt sich nachweislich mit seiner Familie im Wiesental auf. Seine Frau, Barbara<br />

Suter, und ihre Kinder hielten sich aber zumindest jeweils im Winter im Haus ihres<br />

Schwiegervaters in Unterkulm auf.<br />

<br />

Kurz: Das etwas abseits gelegene Häuslein stand im Ruf, “ein rechter diebsunterschlauff”<br />

zu sein.<br />

<br />

Offenbar ging der Landvogt 1713 nicht auf Renggers Bitte ein, denn im Juli 1715 - wenige<br />

Tage nach dem Tod des alten Geisers - verfasste jener zwei neue Briefe, die auf eine<br />

Umsiedlung der Hinterbliebenen ins Dorf abzielten. Er begründete sein neuerliches<br />

Begehren damit, dass die Kinder “in dem dorff beßer zur schul und kirchen gehalten<br />

werden können”. Der Pfarrer zielte also in erster Linie darauf ab, die aus ziemlich<br />

zerrütteten Verhältnissen stammenden Kinder dem wenig erfreulichen Milieu zu entreissen<br />

und auf den tugendhaften Weg zu führen. Wohl hoffte er auch, mit dieser Massnahme die<br />

Frauen besser kontrollieren zu können.<br />

1


Heute wissen wir, dass die gute Absicht von<br />

Pfarrer Rengger - sofern sie überhaupt<br />

ausgeführt wurde - wenig fruchtete. Der<br />

Familie wurde in der Folge ein äusserst<br />

unehrenhaftes Schicksal zuteil, wie ein Blick<br />

auf folgende Zusammenstellung zeigt:<br />

Zunächst wurde der junge Geiser, Jacob<br />

Elsasser, nachdem er in die Schweiz<br />

zurückgekehrt war, 1721 wegen Raubes,<br />

bandenmässigen Diebstahls und sogar<br />

Mordverdachts hingerichtet. Sein ältester<br />

Sohn Heinrich (*1703) liess sich etliche<br />

Diebstähle zu Schulden kommen und büsste<br />

1729 mit der Verbannung aus dem Bernbiet.<br />

Seine Töchter Susanna und Sara sassen<br />

einige Zeit ebenfalls wegen Diebstahls hinter<br />

Schloss und Riegel.<br />

Am berüchtigsten aber war der jüngere Sohn,<br />

Fridli (*1712). Er wurde 1742 gehängt,<br />

nachdem man ihm Betrug, Ungehorsam und<br />

einen Eidbruch nachgewiesen hatte. Die<br />

Geschichte des Geiser-Fridli muss noch bis<br />

weit ins 19. Jahrhundert hinein nachgewirkt<br />

haben, zumal wir sie heute im Kulmer<br />

Sagenbuch wiederfinden können.<br />

Straftäter wird gehängt<br />

Der Sage zufolge lag die sogenannte Geiserhöhle auf der Binzhalde. Leider gibt uns<br />

Pfarrer Rengger keinen Hinweis, wo das besagte Häuslein stand.<br />

Quellen<br />

• Staatsarchiv Aarau AA 795; Kirchenbücher Kulm.<br />

Literatur<br />

• Peter Steiner: “Wynentaler vor dem Scharfrichter”; in: Jahresschrift der HVW 1965/66.<br />

• Karl Gautschi (Hsg.): Von Rittern, Geistern und verborgnen Schätzen - Sagen aus dem<br />

Bezirk Kulm, Menziken 1982.<br />

• Willy Pfister: Die Gefangenen und Hingerichteten im bernischen Aargau, Aarau 1993.<br />

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