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Abfindungsweise, so liegt dafür Garantie darin, dass die Betreffenden um so eher<br />
selbstständig und zu nüzlichen Gliedern der Gesellschaft werden. Bezüglich derjenigen<br />
Personen, welche wegen vorgerücktem Alter verdienstunfähig geworden, so gebietet es<br />
die Menschlichkeit nicht minder, ihnen eine bessere Unterstützung angedeihen zu lassen,<br />
ein wöchentliches Almosen von Rpp. 60 ist z.B. für die 73 jährige Witwe Elisabeth Hächler,<br />
die nicht einmal selber kochen kann, auch gar zu armselig. Meine Weisung betreffend die<br />
Verkostgeldung der 9 gegenwärtig im Armenhause befindlichen Kindern unter 15 Jahren,<br />
sowie der altersschwachen Personen, insbesondere der Witwe Hächler wollen Sie dem<br />
Gemeinderath zur Kenntnis bringen, mit dem Bemerken, dass er sich binnen 14 Tagen bei<br />
Ihnen zu meinen Handen über die Vollziehung derselben auszuweisen habe. Sodann<br />
wollen sie Ihn verhalten, die Ordnung und Reinlichkeit im Armenhause herstellen und die<br />
Betten reinigen zu lassen, aber nichtminder dafür zu sorgen, dass die arbeitsfähigen<br />
Bewohner desselben angemessen beschäftigt und so dem Müssiggang entrissen<br />
werden.»<br />
<br />
Weiter verlangte das Bezirksamt unter Androhung gesetzlicher Folgen einen Bericht über<br />
die Vollziehung dieser Weisungen bis zum 30. März. Die Armenkommission aber fühlte<br />
sich durch das Schreiben zutiefst empört und liess dem Bezirksamt Kulm zu Handen des<br />
Regierungsrates folgende Stellungsnahme zukommen:<br />
«Auf die uns durch Ihre Vermittlung unterm 17. laufenden Monats in Abschrift<br />
zugekommenen Zuschrift des Direktors des Innern hiesigen Kantons vom 14. dies<br />
bezüglich Unterbringung und Behandlung der hiesigen Armenhausbewohner finden wir<br />
uns veranlasst, Ihnen im Auftrage der hiesigen Armenpflege folgendes einzuwenden: Das<br />
Gemeindehaus (Armenhaus), erst im Jahr 1853 ganz neu unterzogen, enthält, im ersten<br />
Stockwerk zwei grosse Wohnstuben und in jeder derselben einen Ofen und eine Kunst,<br />
dann bei der einten Wohnstube eine und bei der andern zwei Nebenstuben, einen<br />
gemeinschaftlichen Gang, zu jeder Wohnstube eine Küche, und aus jeder derselben führt<br />
ein Kamin. Im zweiten Stokkwerk dann befinden sich fünf Zimmer zum Schlafen, und<br />
endlich unter jeder Wohnstube ein Trämmkeller. Wir müssen daher die Behauptung, dass<br />
dasselbe unwohnlich sei, strengstens bestreiten. Betreffend das Zusammensein von alten<br />
und jungen, kranken und gesunden Personen, so sind dieses meistentheils ganze<br />
Familien. Auch die Unterstüzungen wurden immer so vertheilt, wie man solches der<br />
Billigkeit angemessen fand, indem man dieselben in die Möglichkeit versezte, sich selbst<br />
etwas verdienen zu können. Auch bestreiten wir feierlichst, dass die Armen, was ihnen<br />
übrigens willkommen wäre, jeder Aufsicht entbehren und sich selber überlassen sind,<br />
indem zwei und zwei Mitglieder der Armenpflege das Armenhaus regelmässig besuchen<br />
und ihr Befinden in das daherige Büchlein übertragen. <br />
<br />
Gerne, sehr gerne würden wir unsere Armen anders lokalisieren; allein erstens fehlt uns<br />
das Gebäude, um sie nach Art des grossen, geräumigen und prachtvollen Spitals Charite<br />
zu New Orleans in Zimmer zu placieren, wo jede Person ihr eigen Bett, jedes Zimmer<br />
seinen eigenen Abwart und dieses selbst dann des Tages dreimal gekehrt wird, auch um<br />
den Fussboden ja nicht zu verunreinigen, Teppiche gelegt sind, um darüber gehen zu<br />
können; zweitens fehlen uns die daherigen Schwestern, um unentgeldliche Aufseher über<br />
die Befolgung der ertheilten Vorschriften zu haben, und drittens das Geld um solches<br />
herstellen und anschaffen zu können, sowie die daherigen Abwärter zu besolden. Die<br />
Armen dahier würden sich aber auch mit einer Kost wie sie dort ertheilt wird, nicht<br />
begnügen.<br />
<br />
Im fernern heisst es in dem angerufenen Schreiben: Der Gemeindrath begnügt sich, den<br />
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Armen eine wöchentliche Unterstützung im Betrage von Rp.40 bis Fr.1. zu verabfolgen,<br />
scheint sich aber ausserdem um sie nichts zu bekümmern. Hierauf dienen zur Antwort,<br />
dass die Unterstützungen nicht nur einzig von uns, sondern von der gesammten<br />
Armenpflege nach Billigkeit und Recht beschlossen und verabfolgt werden, in der billigen<br />
Voraussetzung, dass sie sich das fehlende durch ihrer Hände Arbeit selbst verdienen<br />
können; die Bibel sagt ja selbst: Im Schweisse deines Angesichts sollst du dein Brod<br />
essen; sie sollen sich also nicht aufs Sopha setzen, sondern ihre ihnen von Gott<br />
gegebenen Gliedmassen nur in Bewegung setzen und es wird gehen.<br />
<br />
Aber, um nur ein Beispiel anzuführen, nimmt z.B. ein Bauer ein oder mehrere Personen<br />
aus dem Armenhause, die sich sonst überall beklagen, sie hätten keine Arbeit, in Taglohn,<br />
so bald sie einmal genug gegessen haben, werfen sie den Kopf auf, geben dem Bauer<br />
den Korb, und wandern wohin? - ins Armenhaus zurükk, wo sie nicht zur Arbeit gebunden,<br />
sondern nur mit grosser Behaglichkeit thun, was sie allfällig noch thun. Sollen es denn<br />
solche besser haben, die nichts thun mögen, als diejenigen, die von Morgens früh bis<br />
Abends spät an ihrer Arbeit sein müssen, und von diesen viele wegen Armuth nicht einmal<br />
so gute Kost haben als jene, und doch für diese Armen Steuern zahlen müssen?<br />
<br />
Als Gegentheil von dieser Obangeführten befindet sich in fragl. Armenhause auch eine<br />
Person Namens Anna Barbara Säuberli, Danielen, Hafenmusers, die Arbeit will, auch<br />
beständig Arbeit hat, zudem Alles reinlich hält, auch die ihr von der Gemeinde<br />
anvertrauten Kinder reinlich hält und dieselben fleissig zur Schule schikkt, diese Person<br />
bringt sich gut aus.<br />
<br />
Was nun die 9 Kinder unter 15 Jahren anbetrifft, so sind dieselben theils erst mit ihren<br />
Eltern dahin translociert worden, z.B. Jakob Fritschi, Bächten, mit seiner Frau Verena geb.<br />
Bolliger, Aeltern von fünf Kindern, beide jung, gesund und betreiben die Posamenter<br />
Profession, und wären sie, wie andere, thätig gewesen, sie niemals das Armenhaus hätten<br />
beziehen müssen; und drei davon bei der obgenannter Anna Barbara Säuberli, Danielen,<br />
auch Hafenmusers genannt, verkostgeldet, wo dieselben so gehalten und auferzogen<br />
werden, wie sie kaum anderswo besser hätten untergebracht werden können, denn dabei<br />
waltet warme und aufrichtige Mutterliebe. Früher und wiederholt wurden diese drei leztern<br />
Kinder an ehrbare Hausleute, die fortwährend solche Kinder in Pflege haben und so mit<br />
denen man zufrieden ist, verkostgeldet, welche dann die Mutter dieser Kinder mit List<br />
wieder wegnahm.»<br />
<br />
Hier folgt die Schilderung der Vorzüge der Familien im speziellen.«<br />
1) Der Wittwe Elisabeth Hächler, Heinrichs - diese in Rükksicht ihres Alters<br />
unterstützungsbedürftig, erhält mehr, als sie angegeben, zu den 60 Ct. pro Woche<br />
bezieht sie monatlich von der Herrschaft von Diesbach im Schlosse Liebegg Fr. 1.<br />
und schon lange von edlen Leuten in Basel, wo sie und ihr sel. Ehemann viele Jahre<br />
wohnten ebenfalls eine nicht unbedeutende Steuer in Geld, und zwar durch Tit.<br />
Pfarramt Kulm. Würden diese Eheleute früher sparsamer gewesen sein, weil sie nur<br />
ein Kind zu erziehen hatten, so könnten sie aus den Ersparnissen leben, aber statt<br />
dieses zu thun, bezogen sie noch von ihrem kleinen väterlichen Vermögen den<br />
grössten Theil.<br />
2) Johann Jakob Mauch, Weber, mit Frau und Tochter. Hier wäre der Fall, dieses Kind<br />
wegzunehmen und solches Pflegeeltern zu übergeben, die mehr von Sparsamkeit<br />
kennen als dessen Mutter, von Aarburg gebürtig und dort auferzogen, an gute<br />
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Lekerbissen gewöhnt, machte sie auch bei ihrem obgenannten, sonst sehr<br />
arbeitsamen und in jeder Beziehung rechtschaffenen Ehemann die Fortsetzung, bis<br />
der Geldstag über sie kam und endlich deswegen in das Armenhaus zu gehen<br />
genöthigt waren.<br />
3) Jakob Fritschi, Bächten, siehe schon hiervor erwähnt.<br />
4) Wittwe Margaritha Mauch geb. Nussbaum und ihre Töchter. Auch diese zeigte sich<br />
niemals als eine arbeitsame Person. An diese Untugend gewöhnten sich auch ihre<br />
Kinder.<br />
5) Anna Maria Fritschi, Bächten, ledig, mit ihrem obschon alten, jedoch zwergähnlichen,<br />
harthörenden und geistesschwachen Bruder Rudolf Fritschi. Diesen wollte man<br />
verkostgelden, aber Niemand wollte ihn. Hätte man ihn verkostgelden können, so<br />
würde Erstere ihr Brod unter den Fremden gesucht haben, aber aus Liebe gegen<br />
denselben blieb sie mit ihm im Armenhaus und dies bis man ihm Pflegeltern<br />
aufgefunden haben würde.<br />
6) Johannes Karrer, Hanogels, ledig. Dieser war bis lezten Herbst unter den Fremden,<br />
und wird, sobald er wieder einen Meister gefunden, das Armenhaus verlassen.<br />
7) Anna Karrer, Hanogels, Schwester von Nr. 6, ledig ,und bezieht die Frohnhaften.<br />
Diese könnte sowohl als ihr Bruder über den Sommer auf den Taglohn gehen, aber<br />
hat sie Jemand, so will sie nach ihrem Kopf und nicht nach Weisung der Meisterleute<br />
ihre Dienste verrichten.<br />
8) Heinrich Säuberli, ledig, harthörend, aber ein junges, gesundes und arbeitsfähiges<br />
Individuum, das beständig unter Fremden dienen könnte, und früher auch gethan,<br />
scheut sich nicht, solchen, die in das Armenhaus gehören, und auch dort wohnen,<br />
den Platz zu versperren und über diese herrschen zu wollen.<br />
9) Wittwe Margaritha Bürkli geb. Steiner. Wohnt als körperschwach im Armenhaus, hat<br />
aber eigenes Vermögen.<br />
10) Anna Barbara Säuberli, Danielen, unverheirathet, mit drei unehelichen Kindern.<br />
Wegen dieser ist bereits hiervor Erwähnung gethan.<br />
11) Jakob Hächler, Mehlischneiders, ledig und etwas harthörend, nebst diesem gesund<br />
und noch jung. Könnte wie Nr. 8 unter remden dienen, aber Mangel an gutem Willen<br />
und Ausdauer will er lieber im Spital wohnen, und dem Müssiggang fröhnen.<br />
12) Elisabeth Hächler, Mehlischneiders, unverheiratet und Schwester von Nr. 11, noch<br />
jung und arbeitsfähig. Hat so wie ihr Bruder ihr Vermögen auf eine unnöthige Weise<br />
verbraucht, an Kleider verwendet, um ihren Buhlern besser zu gefallen, hat auf diese<br />
schadhafte und strafbare Lebensweise ihren früher sonst gesunden körperlichen und<br />
geistigen Zustand auf eine Weise gebracht, dass sie sich fast nicht mehr rühren<br />
konnte, und dadurch ehrbaren Leuten zum Ekkel und Abscheu geworden.<br />
13) Wittwe Barbara Hächler, war von jeher immer arbeitsscheu, liebte vielmehr, was sie<br />
nicht sollte, wodurch sie sich an den Müssiggang gewöhnte.<br />
14) Elisabeth Karrer, Strassers, unverehelicht, wohnt schon viele Jahre im Spital, was sie<br />
nicht bedurfte, weil sie gross, jung, stark und arbeiten könnte, einzig aus Rükksicht,<br />
ein behagliches und bequemes Leben zu haben, gab sie das Dienen bei Fremden auf<br />
und ging in das Armenhaus.<br />
15) Elisabeth Säuberli, Hafenmusers, ledig, noch jung, gross, gesund, bloss etwas<br />
harthörend, gehört nicht in Spitel, sondern ist ein Individuum, das sein Brod bei<br />
Fremden suchen und erhalten könnte.<br />
16) Wittwe Anna Maria Mauch geb. Fäs, Tochter von alt Ammann Fäs von Unterkulm, mit<br />
ihren 3 Töchtern. Ihr Mann hatte ein nicht unbedeutendes Vermögen, und sie bekam<br />
ebenfalls ein solches von ihrem Vater. Gleichgültigkeit, behagliches und sorgenfreies<br />
Leben brachte den Mann auf den Geldstag, und nach Hinschied desselben auch sie<br />
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und diese endlich deswegen in das Armenhaus. Wenn die Töchter Elisabeth und<br />
Maria an stehte Arbeit gewöhnt wären, so wären sie gross und stark genug, ihr Brod<br />
ebenfalls unter den Fremden zu finden, wodurch sie dann ihre Mutter und<br />
Geschwister erhalten könnten.<br />
17) Wittwe Elisabeth Lehmann geb. Fritschi mit ihren zwei Kindern. Diese ist jetzt<br />
ziemlich an Jahren vorgerükt, hätte aber früher arbeitsamer sein können, ihre Kinder<br />
Maria und Jakob, klein an Körper und Geist, werden der Gemeinde stets als<br />
Beschwerde bleiben. Diese Tochter Maria eine zwergartige Creatour, wurde dennoch<br />
unlängst gesegneten Leibes in die Hebammenanstalt Königsfelden gebracht, und sie<br />
gebar dort einen Knab, der aber bald ohne Trauer zu bringen starb.<br />
Bezüglich der anbefohlenen Herstellung der Ordnung und Reinlichkeit im Spital sind<br />
bereits Maassregeln getroffen. Der altersschwachen 73 jährigen Wittwe Elisabeth Hächler<br />
ist lezten Samstag eine Abwärterin beigeordnet und dem Armenpfleger Staufer der Auftrag<br />
ertheilt worden, für Herstellung und Vervollständigung der Better auf geeignete Weise zu<br />
sorgen.<br />
Bei der Armenkommissionssitzung vom 3. Juni 1857 wurde beschlossen:<br />
1) Jakob, Susetten, Kaspar und Rudolf Fritschi, Barbara Elise Säuberli mit Kind, Maria<br />
Elisabeth Mauch, Ludwig und Verena Bruder und die Witwe Hächler zu verkostgelden.<br />
2) die Reinigung des Armenhauses und dessen Bewohner auf geeignete Weise<br />
vornehmen zu lassen.<br />
3) auf die Zeit, wenn fragliche Reinigung stattgefunden habe, die nötigen Kleider, sowie<br />
die Verbesserung der vorhandenen Better zu veranlassen. Zu den Strohsäcken seien<br />
alte Salzsäcke zu verwenden. Armenpfleger Staufer wurde mit Zuzug einer<br />
sachkundigen Weibsperson mit Vollziehung beauftragt.<br />
4) diejenigen Personen, welche arbeitsfähig, sind aus dem Spital zu nehmen. Die<br />
vermögenden Ortsbürger wurden verpflichtet, diese Armen abwechslungsweise zu<br />
verpflegen.»<br />
Die Mutter der Maria Elisabeth Mauch, Webers war aber mit der Verkostgeldung ihrer<br />
Tochter nach Gränichen nicht einverstandenund holte sie wieder zurück. Nach dem dritten<br />
Mal wurde sie zu einer Stunde Gefangenschaft und zu 10 Rutenstreichen verurteilt. Alle<br />
anderen Massnahmen bewährten sich offenbar. Erst im Jahre 1887, also 30 Jahre später,<br />
wurde das Armenhaus von der Regierung wieder beanstandet.<br />
Quellen<br />
• Protokolle der Ortsbürgerversammlungen, Gemeinderatsitzungen,<br />
Armenkommissionssitzungen<br />
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