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Das Zihl: Ein Dorfteil in Beinwil am See<br />
von Rolf Bolliger<br />
Lage und Namen<br />
Der Weiler Zihl liegt in der Gemeinde Beinwil am See. Etwas ausserhalb des Dorfkerns an<br />
erhöhter Lage, schmiegt er sich an den Homberg. Von den Reinacher Gebieten<br />
Hohlenweg und Sandgasse führt eine Strasse über das Zihl nach Birrwil. An dieser<br />
Verbindungsstrasse stehen seit alters her verschiedene Gebäude, die den westlichen<br />
Abschluss der Beinwiler Dorfsiedlung bilden.<br />
Der Flurname «Zihl» stammt vom mittelhochdeutschen Wort «Zil», was soviel bedeutet<br />
wie: Gebüsch, Hecke, Grenze. Beim Betrachten der Michaeliskarte wird schnell klar, dass<br />
das Beinwiler Zihl seinen Namen völlig zurecht trägt. Es liegt unmittelbar an der<br />
Dorfgrenze gegen Reinach. Da früher die Grenzen häufig mit einem Zaun ( Dorfetter) oder<br />
einer Staudenhecke markiert wurden, lässt sich auch der Begriff «Gebüsch» gut<br />
nachvollziehen. In den alten Beinwiler Quellen steht das Wort «Zihl» selten allein,<br />
meistens werden die Begriffe vor dem Zihl, ob dem Zihl, beim Zihl oder am Zihl verwendet.<br />
Ersetzt man das Wort «Zihl» durch seine eigentliche Bedeutung, ergeben diese<br />
Flurnamen einen eindeutigen Sinn: vor der Grenze oder bei der Grenze.<br />
Die Gebäude <br />
Auf der Michaeliskarte die in den 1840er Jahren<br />
entstanden ist, sind an der Zihlstrasse fünf Gebäude<br />
eingezeichnet. Eine sechste, etwas östlich gelegene<br />
Liegenschaft, darf vermutlich als das Haus Nr. 189 in der<br />
Wühre bezeichnet werden. Als ursprüngliche, das heisst<br />
seit dem 18. Jahrhundert durchgehend bewohnte<br />
Liegenschaft auf dem Zihl, kann heute nur noch die der<br />
Familie Weber (Nr. 195) genannt werden. Alle anderen<br />
Gebäude wurden um 1800 und später erbaut. Natürlich<br />
gab es auch vor dieser Zeit mehr als ein Gebäude auf<br />
dem Zihl. Es handelte sich dabei um reine Holzbauten<br />
mit den typischen Strohdächern. Diese wurden aber alle<br />
abgetragen und zum Teil durch neue in<br />
Ständerbauweise und mit «Rieg» ausgefachte Häuser<br />
ersetzt. Im Folgenden soll der Versuch unternommen<br />
werden, die Geschichte der Gebäude und ihrer Besitzer<br />
nachzuzeichnen. Der untersuchte Zeitraum umfasst im<br />
Wesentlichen das 19. und 20. Jahrhundert.<br />
Michaeliskarte 1844. Ausschnitt Gebiet Zihl in<br />
der Gemeinde Beinwil am See,<br />
Die Bewohner<br />
Bei eingehender Untersuchung der Quellen wird deutlich, das Zihl war früher eine Bastion<br />
der Eichenberger. Dieses Geschlecht soll seinen Ursprung im Weiler Eichberg oberhalb<br />
von Seengen haben. Erste Eichenberger im Wynen- und Seetal sind schon 1359<br />
nachgewiesen. In der Zeit zwischen 1550 und 1575 sind in der Pfarrei Reinach bereits 23<br />
Familien Eichenberger bekannt. Von denen lebten nicht wenige in Beinwil am See, wo sie<br />
früh zur führenden Schicht gehörten. Als Untervögte und somit oberste Dorfbeamte<br />
werden dort folgende Eichenberger genannt: 1695 Joggi, 1716 - 1726 Rudolf, 1726 - 1745<br />
Hans, 1751 Hans Rudolf. Verschiedene Zweige aus der grossen Eichenberger Sippe,<br />
1
waren zeitweise im Besitz aller Gebäude auf dem Zihl. Einige der heutigen Häuser an der<br />
Zihlstrasse verdanken ihre Erbauung den Eichenberger. Bei der grossen Anzahl Personen<br />
mit Namen Eichenberger, ist es jedoch ein schwieriges Unterfangen, jeden genannten<br />
Hausbesitzer dem richtigen Familienzweig zuzuordnen. Bei der vorliegenden Arbeit<br />
wurden vor allem die Eichenberger der «Metzgerli-Sippe» berücksichtigt, die an Hand der<br />
Quellenlage identifiziert werden konnten. Die Liegenschaft Zihlstrasse 8 zum Beispiel, war<br />
rund hundert Jahre im Besitz der Familie Eichenberger «Zieglers». Es konnte keine<br />
verwandtschaftliche Verknüpfung mit dem «Metzgerli-Zweig» gefunden werden. Dies<br />
muss aber nicht bedeuten, dass nie eine solche bestanden hat.<br />
Übersichtskarte Zihl. Die Häuser sind mit den<br />
heutigen Versicherungsnummern bezeichnet.<br />
Familie Eichenberger «Metzgerlis»<br />
Zu den wichtigsten Personen die im Zihl gelebt haben,<br />
gehören zweifellos die Nachkommen von Rudolf<br />
Eichenberger «Metzgerhanslis» (1746 - 1828). Er, seine<br />
Söhne und Enkel haben die Bautätigkeit auf dem Zihl<br />
entscheidend beeinflusst. Rudolf Eichenberger und sein<br />
gleichnamiger Sohn besassen um 1800 beide eigene<br />
Häuser. Johannes der älteste Sohn war im Besitz eines<br />
Hausteils, während Jakob der Jüngste vermutlich im<br />
Vaterhaus wohnte. Die Standorte ihrer Gebäude lassen<br />
sich heute leider nicht abschliessend eruieren.<br />
Genaueres erfahren wir an Hand des Lagerbuches aus<br />
dem Jahre 1829, wodurch erstmals die Gebäude und<br />
ihre Besitzer bestimmt werden können. Die Brüder<br />
Rudolf (1778 - 1847) und Jakob Eichenberger (1780 -<br />
1861) waren im Besitz eines Hauses, das 1805 die<br />
Versicherungsnummer 74 getragen hatte. Es handelt<br />
sich dabei um die heutige Liegenschaft der Familie<br />
Weber an der Zielstrasse 15 und ist wie bereits<br />
beschrieben, das einziges Haus das noch aus dem 18.<br />
Jahrhundert stammt. Unsicher bleibt, ob es sich hierbei<br />
um das Stammhaus der Familie Eichenberger<br />
«Metzgerlis» handelt.<br />
Die Nachkommen von Johannes Eichenberger «Metzgerruedis»<br />
Zur selben Zeit lebte in unmittelbarer Nachbarschaft Johannes Eichenberger<br />
«Metzgerruedis» (1774 - 1837), der Bruder der beiden oben genannten Hausbesitzer.<br />
Seine Liegenschaft war mit der Nummer 72 bezeichnet und ebenfalls ein altes Holzhaus<br />
mit weicher Bedachung. Johannes Eichenberger war seit 1796 mit Elisabeth Weber von<br />
Menziken verheiratet. Im Laufe der Jahre war ihre Familie auf sieben Söhne und eine<br />
Tochter angewachsen. Im Jahre 1830 beschloss Johannes, zusammen mit vier seiner<br />
Söhne, ein neues Haus aufzurichten. Der zweistöckige, ziegelbedeckte Steinbau kam an<br />
der Ecke Zihlstrasse-Wührestrasse zu stehen (heute Nr. 194). Der Vater konnte sich nur<br />
noch wenige Jahre an dem Neubau erfreuen, er starb 1837. Nach dessen Tod wurden die<br />
Söhne Samuel, Heinrich und Jakob Besitzer dieser Liegenschaft.<br />
2
Nördlich davon erbaute ihr Bruder Johann Jakob<br />
Eichenberger (1805 - 1855) im Jahre 1843, für seine<br />
Familie ein eigenes Haus (heute Nr. 197). Zwei weitere<br />
Brüder Johannes (1797 - 1885) und Johann Rudolf<br />
(1799 - 1864) übernahmen das alte Vaterhaus. Johann<br />
Rudolf, der von Beruf Sattler war, schaute sich aber<br />
schon bald nach einer eigenen Liegenschaft um. Im<br />
Jahre 1834 ergriff er die Gelegenheit, ein erst zwei Jahre<br />
zuvor von Jakob Weber neu erbautes Haus auf dem Zihl<br />
zu kaufen. Daniel Gautschi, der Schwiegersohn von<br />
«Sattler-Rudi», richtete dort in den 1870er Jahren eine<br />
Wirtschaft ein. Die einstige «Buschschenke» wird heute<br />
als renommiertes Restaurant Zihl von der Familie<br />
Hintermann geführt.<br />
Eingekerbte Initialen über der Eingangstür von<br />
Haus Nr. 194<br />
Haus Nr. 193, heute im Besitz der Familie<br />
Stadler<br />
Um 1850 wurde es auch den drei gemeinsamen<br />
lebenden Brüdern Samuel, Heinrich und Jakob<br />
Eichenberger zu eng im Haus (Nr. 194). Heinrich (1810 -<br />
1880) war bereits seit einigen Jahren mit seiner Cousine<br />
Susanna Margaritha Eichenberger verheiratet. Sein<br />
Bruder Jakob (1812 - 1893) war vermutlich schon mit<br />
seiner zukünftigen Frau Maria Anna Baumann verlobt.<br />
Was lag näher als nebenan einen Neubau zu realisieren,<br />
bei dem man sich praktischerweise den Brunnen zur<br />
Wasserversorgung teilen konnte.<br />
Westlich der Zihlstrasse war der geeignete Baugrund schnell gefunden und Jakob<br />
Eichenberger konnte 1852 in sein neues Haus (heute Nr. 193 ) einziehen. Heinrich<br />
Eichenberger wurde im Jahre 1857 alleiniger Besitzer seiner Liegenschaft (Nr. 194),<br />
indem er die beiden Brüder auskaufte. Neben Haus, Kraut- und Baumgarten, gehörten<br />
noch zehn kleinere Landparzellen dazu. Heinrich lebte bis 1880, seine Frau Maria Anna<br />
starb fünf Jahre später. Neue Besitzer wurden, der Sohn Jakob (1845 - 1895) und die<br />
Tochter Rosina Härri-Eichenberger. Rosina lebte mit ihrem Ehemann Jakob Härri in<br />
Cham. Er stammte ebenfalls von Beinwil am See und war von Beruf Webermeister. In<br />
seiner Neuerwerbung auf dem Zihl, richtete Härri einen Gemischtwarenladen ein und<br />
wurde dort, fortan als «Negotiant» bezeichnet. Noch 1895 liess Jakob Härri den<br />
Scheunenteil neu aufbauen und vergrössern.<br />
<br />
Aber schon zwei Jahre später, der Schwager Jakob Eichenberger war bereits kinderlos<br />
gestorben, verkaufte er sein Haus an Adolf Eichenberger «Samis-Ruedis». Hausplatz und<br />
Garten beinhalteten 40 Aren zwei Aecker auf dem Zihl von 9 und 13 Aren sowie ein Acker<br />
in der Wuher von 37 Aren gehörten ebenfalls zum «Heimet».<br />
<br />
Die Nachkommen Johann Rudolf Eichenbergers «Metzgerruedis»<br />
Kehren wir noch einmal zurück zum Anfang unserer Geschichte und schauen was aus den<br />
anderen Nachkommen von Rudolf Eichenberger «Metzgerruedi» geworden ist. Das<br />
vermeintliche Stammhaus (heute Nr. 195) blieb der Familie noch über zwei Generationen<br />
erhalten.<br />
3
Ab 1838 war Johann Rudolf Eichenberger (1778 - 1847)<br />
alleiniger Besitzer. Sein Erbe übernahmen die Söhne<br />
Johannes, Samuel und Rudolf. Da diese alle nur<br />
Mädchen als Nachkommen hatten, musste das Haus<br />
zwangsläufig in fremde Hände kommen. Die Töchter von<br />
Johannes traten 1888 mit ihren Ehemännern die<br />
Nachfolge an. Emma verheiratet mit Adolf Eichenberger<br />
«Samis-Ruedis» und Lisette mit ihrem Ehemann<br />
Heinrich Weber. Weber verdiente sich seinen<br />
Lebensunterhalt als Sticker und erbaute später neben<br />
dem Wohnhaus ein Stickeratelier.<br />
Haus Nr. 195 wird seit 1888 von der Familie<br />
Weber bewohnt.<br />
Adolf und Emma Eichenberger zogen 1897 mit ihren sieben Kindern ins Nachbarhaus (Nr.<br />
194) das sie, wie oben schon beschrieben, von Jakob Härri erworben hatten.<br />
Haus Nr. 194 von südwesten betrachtet.<br />
Gegen die Strasse ist deutlich der Eingang zur<br />
einstigen Handlung Eichenberger zu sehen. Im<br />
Hintergrund die Liegenschaft Nr.197, die im<br />
Jahre 1843 von Johann Jakob Eichenberger<br />
erbaut wurde.<br />
Es scheint als hätten sie auch Härris Verkaufsladen<br />
weiter betrieben. Wie der heutige Besitzer des<br />
Nachbarhauses Hans Stadler berichtet, konnte man<br />
noch in den 1940er Jahren von der Zihlstrasse her, eine<br />
im Keller gelegene Tuch- und Stoffhandlung betreten.<br />
Drei Söhne von Adolf Eichenberger bewohnten damals<br />
das Haus. Otto und sein lediger Bruder Adolf waren im<br />
Erdgeschoss zu Hause, während Oskar seine Räume im<br />
ersten Stock hatte. Nach dem Tod der Geschwister<br />
diente das Haus längere Zeit als Unterkunft für<br />
Ausländer. Das einst stattliche Gebäude ist mittlerweile<br />
ziemlich heruntergekommen und bedarf dringend einer<br />
umfassenden Sanierung. Im Jahre 2003 wurde es vom<br />
Reinacher Zimmermann Martin Hoffmann erworben und<br />
soll bald in neuem Glanz erstrahlen.<br />
Literatur<br />
• HBLS III. Goy Karin, die Flurnamen der Gemeinde Rotenfluh<br />
Anmerkung<br />
• Die im Text verwendeten Hausnummern bezeichnen, wenn nicht anders beschrieben,<br />
die Nummern aus dem Brandversicherungs-Kataster 1898.<br />
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