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Ein Menziker als Bischof in Amerika<br />
von Peter Steiner<br />
Wer im Wynental hat gewusst, dass in den USA ein Bischof wirkt, dessen Wurzeln in<br />
Menziken liegen? Es handelt sich um Most Reverend George O. Wirz in Madison, der<br />
Hauptstadt des Bundesstaates Wisconsin. Wir wollen den Zusammenhängen etwas<br />
nachgehen.<br />
<br />
Der Name Wirz lässt uns Wynentaler aufhorchen. Zwar ist der Name verbreitet, doch<br />
kennen wir ihn vor allem von einem der alteingesessenen Geschlechter in Menziken. Es<br />
ist dort und in der Umgebung bis heute gut vertreten. In Menziken sind die Wirz seit ca.<br />
1635 ansässig. Sie kamen von Leimbach und, wenn wir noch weiter zurückforschen, aus<br />
dem Weiler Niederhofen im Ruedertal. Zwei Brüder, Melcher und Uli, sind die Stammväter<br />
des Menziker Geschlechts. Nachdem sie sich schon mehrere Jahre im Dorf aufgehalten<br />
hatten, kauften sie 1643 gemeinsam einen Bauernhof im Dorfzentrum. Über Generationen<br />
gehörten die Wirz zu den führenden Familien im Dorf, die auch mehrmals den Dorfvogt,<br />
das Gemeindeoberhaupt, stellten.<br />
Ein Nachkomme von Melcher - sechs<br />
Geneationen später - war Adolf Wirz, Sohn<br />
eines Baumwollfabrikanten (*1840). Bis in die<br />
1880er Jahre lebte er in Menziken, wo auch<br />
alle seine Kinder zur Welt kamen. Dann<br />
scheint er mit seiner Familie den Heimatort<br />
verlassen zu haben; 1897 starb er in Zürich.<br />
Hier war auch sein ältester Sohn, Hans Otto<br />
Wirz (*1870), tätig. Er hatte den Metzgerberuf<br />
erlernt und heiratete 1894 mit Emma<br />
Bussmann aus Egolzwil. Als Luzernerin war<br />
sie katholisch, und die Kinder des Ehepaares<br />
wurden im Glauben der Mutter erzogen.<br />
Die Grosseltern Adolf Otto Wirz und Emma Bussmann<br />
Der ältere Sohn von Hans Otto und Emma Wirz kam 1896 an der Bahnhofstrasse in<br />
Zürich zur Welt. Nach seinem Vater und seinem Grossvater wurde er Otto Adolf getauft, in<br />
der Folge jedoch kurz Otto genannt. 1915, mitten im Ersten Weltkrieg, wanderte er in die<br />
USA aus (die damals noch nicht im Kriegszustand waren). Sein französisches Schiff fuhr<br />
von Bordeaux in einem abenteuerlichen Zickzackkurs über den Antlantik nach New York,<br />
weil es den deutschen U-Booten ausweichen musste. Es kam heil an. Otto reiste nach<br />
Monroe im Staate Wisconsin weiter, wo beim Käser Fred Emmenegger, einem Bekannten<br />
seiner Mutter, ein Arbeitsplatz auf ihn wartete. Dort lernte er später die Schwägerin seines<br />
Arbeitgebers kennen, Ida Huber, die er 1923 heiratete. Sie war in den Staaten geboren,<br />
doch als Kind von Schweizer Einwanderern.<br />
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Eltern Ida und Otto Wirz mit Josephine und George<br />
Aus der Ehe von Otto und Ida Wirz gingen<br />
zwei Kinder hervor: die Tochter Josephine<br />
und der Sohn George Otto. Sie wuchsen in<br />
Monroe auf und besuchten dort und später in<br />
Argyle die Schulen. Beide entschlossen sich,<br />
ihr Leben in den Dienst der katholischen<br />
Kirche zu stellen. Josephine trat als<br />
Schwester Joan einem Orden bei. George<br />
begann 1945 sein Studium am<br />
Priesterseminar in Milwaukee und setzte es<br />
1948 an der Catholic University of America in<br />
Washington fort. 1952 wurde er in der St.<br />
Raphael-Kathedrale in Madison zum Priester<br />
geweiht. Während zwei Jahren half er dann<br />
als associate pastor, als «beigeordneter<br />
Pfarrer», eine grosse Pfarrei in der Diözese<br />
Madison betreuen. George Wirz erinnert sich,<br />
dass er dort an einem Sonntag 14 Kinder<br />
zugleich zu taufen hatte.<br />
Nach einem Unterbruch von 20 Jahren kehrte er später als Hauptpriester in diese Pfarrei<br />
zurück. In der Zwischenzeit war er an verschiedenen Posten in der kirchlichen Verwaltung<br />
tätig und leitete während 10 Jahren ein Priesterseminar. Die vielfältigen guten Kontakte<br />
zur Bevölkerung, wie es seine geistlichen, seelsorgerischen und lehramtlichen Aufgaben<br />
mit sich brachten, waren Pfarrer Wirz stets ein grosses Anliegen. «He likes working with<br />
people» titelte eine Zeitschrift. Er pflegte auch gerne Kontakte zu Vertretern anderer<br />
Glaubensrichtungen und setzte sich für die ökumenische Bewegung ein.<br />
Die Verdienste von Monsignor Wirz - der Titel war ihm<br />
seit 1967 zuerkannt - wurden 1978 durch seine Wahl<br />
zum auxiliary bishop, zum zweiten Bischof neben dem<br />
Hauptbischof, honoriert. Die katholische Diözese<br />
Madison benötigt mit einer Fläche von über 8000<br />
Quadratmeilen (18000 km2) und etwa 150 Pfarreien<br />
zwei geistliche Leiter. Unter den offiziellen Wahl-<br />
Gratulanten in der Zeitung waren neben vielen<br />
katholischen Institutionen der lutheranische Pastor und<br />
der jüdische Rabbiner von Madison. Bischof Wirz übt<br />
sein hohes Amt noch heute aus.<br />
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Das ist die Geschichte eines Mannes mit Menziker<br />
Wurzeln, der draussen in der Welt zu Ansehen und<br />
Einfluss gekommen ist. Eine direkte Beziehung zum<br />
Heimatdorf seiner Vorfahren hat Bischof Wirz nicht<br />
mehr. Doch ist er an seiner Herkunft sehr interessiert.<br />
Auch pflegt er gute Kontakte zu seinen Verwandten in<br />
der Schweiz, die er schon mehrmals besucht hat.<br />
Bischof George O. Wirz<br />
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Zudem spricht und versteht er Deutsch. Er sagt:<br />
«Ich bin sehr dankbar für die christlichen Wurzeln<br />
meiner Vorfahren im Aargau.»<br />
Quellen<br />
• Zeitschrift «The Catholic Herald Citizen», Spezialausgabe vom 11.März 1978 zur<br />
Bischofswahl<br />
• Persönliche Mitteilungen von Bischof Wirz<br />
• Wirz Familienforschung des Autors P. Steiner<br />
Anmerkung<br />
• Bischof Wirz hat den Entwurf zu diesem Beitrag freundlicherweise geprüft und mit<br />
einigen Ergänzungen und Korrekturen versehen.<br />
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