Mitteilungen - AWO Karlsruhe
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IM BLICKPUNKT<br />
Fotos:<br />
R .<br />
tionen zur Ausländerpolitik forderte die <strong>AWO</strong> 1979 „das Recht<br />
der Migranten auf Integration der Einzelnen, der Familien und<br />
für die Bildung der Kinder“.<br />
Mit dem Regierungswechsel durch die rot-grüne Koalition im<br />
Jahre 1998 kam es zu Veränderungen der bislang restriktiven<br />
Einbürgerungspolitik. Mit dem neuen Staatsbürgerschaftsrecht<br />
zum 1. Januar 2000 wurde die Aufenthaltsdauer für die Einbürgerung<br />
von 17 auf acht Jahre verkürzt sowie das „Abstammungsrecht“<br />
durch das „Geburtsrecht“ ersetzt.<br />
2005 wurde das Zuwanderungsgesetz, welches unter anderem<br />
das Aufenthaltsgesetz neu regelte, erlassen. Auf dieser<br />
Rechtsgrundlage wurden die vom Bund geförderten Beratungsstellen<br />
neu konzipiert. Zielgruppe sind sowohl Neuzuwanderer<br />
als auch bereits länger in Deutschland lebende Migranten/innen<br />
sowie Spätaussiedler. Zu den neuen Programmen wurden Integrationskurse<br />
mit aufgenommen, die von jedem neuen Zuwanderer<br />
in Anspruch genommen werden können. Trotz dieser durchaus<br />
positiven Entwicklung in der Zuwanderungspolitik kann dennoch<br />
nicht die Tatsache außer Acht gelassen werden, dass einerseits<br />
bis heute die Integration von Migranten/innen unzureichend gefördert<br />
wird, Diskriminierungs- und Ausgrenzungserscheinungen<br />
sowie Vorurteile bei der einheimischen Bevölkerung, auch bedingt<br />
durch einseitige Berichterstattung durch die Medien, bestehen<br />
und andererseits die Stimmen lauter wurden, die eine<br />
fehlende Integrationsbereitschaft seitens der Migranten/innen<br />
beklagen.<br />
An dieser Stelle soll nicht auf die Debatte von Sarrazin und<br />
Co. eingegangen werden.<br />
Von 82 Millionen Menschen leben heute in Deutschland rund<br />
15 Millionen Menschen mit einem Migrationshintergrund, davon<br />
8,7 mit deutschem Pass, in der ersten, zweiten, dritten und sogar<br />
vierten Generation. Das sind 20 Prozent der Gesamtbevölkerung.<br />
Davon gehören die türkischstämmigen Einwohner mit 2,6 Millionen<br />
zur größten Gruppe der Migranten. Deutschland ist ein Einwanderungsland,<br />
in dem etwa jeder vierte Einwohner einen Migrationshintergrund<br />
hat.<br />
Die Jahrzehnte lange Weigerung der politischen Entscheidungsträger,<br />
die Zuwanderung als solche anzuerkennen und entsprechende<br />
Maßnahmen zu ergreifen, hat dazu geführt, dass<br />
Migranten/innen nicht als legitimer und gleichberechtigter Teil der<br />
Gesellschaft gesehen werden. Dies wirkt sich nicht nur negativ<br />
auf das Zugehörigkeitsgefühl und die Identität der Zuwanderer<br />
aus, sondern auch auf die Haltung der einheimischen Bevölkerung<br />
gegenüber Menschen anderer Kulturen und Religionen.<br />
Umfragen und Studien belegen, dass Angehörige dieser Gruppe,<br />
je nach ethnischer Herkunft mehr oder weniger, regelmäßig<br />
Benachteiligungen und Ausgrenzung erfahren.<br />
Danach beeinträchtigen Diskriminierungserfahrungen die Integrationsbereitschaft<br />
sowie ihre tatsächliche Integration. Wahrgenommene<br />
Ausgrenzung und Diskriminierung führen dazu, dass<br />
die Betroffenen sich stärker an die Eigengruppe binden. Ähnlich<br />
verhält es sich, wenn Migranten ständig mit negativen Stereotypen<br />
und Vorurteilen konfrontiert werden. Hier leidet das Selbstwertgefühl,<br />
was sich negativ auf die Gesundheit, auf die Bildung<br />
und auf den sozialen Status auswirken kann. Längst wurde in<br />
Studien der Zusammenhang zwischen fehlendem Schulabschluss<br />
und Diskriminierungen belegt!<br />
Die Migranten/innen haben die Geschichte der Bundesrepublik<br />
Deutschland deutlich mit geprägt. Sie sind politisch aktiv,<br />
zahlen Steuern und Sozialabgaben, sie arbeiten in vielen unterschiedlichen<br />
Bereichen, z.B. im Pflegebereich, wo sie aufgrund<br />
des Pflegenotstands immer häufiger gebraucht werden. Sie sind<br />
Unternehmer/innen, Wissenschaftler/innen, Politiker/innen, Student/innen,<br />
Angestellte und Arbeiter/innen. Migranten/innen sind<br />
keine homogene Gruppe, sondern zeichnen sich durch unterschiedliche<br />
und differenzierte Lebensformen und Milieulandschaften<br />
aus. Sie setzen sich mit sich und ihrer Geschichte sowie ihrer<br />
Kultur auseinander. Dies gilt insbesondere für weibliche Zuwanderer,<br />
sie hinterfragen tradierte Rollenverständnisse und sie<br />
suchen nach „eigenen“ Wegen für ein selbstbestimmtes und<br />
gleichberechtigtes Leben in dieser Gesellschaft.<br />
Inzwischen problematisieren Fachleute im Zusammenhang<br />
mit der Globalisierung die geringe Zuwanderung nach Deutschland<br />
und die Auswanderung von jungen Fachkräften mit Migrationshintergrund.<br />
Im Jahre 2012 sind mehr Menschen aus<br />
Deutschland ausgewandert als eingewandert. Längst ist bekannt,<br />
dass Deutschland Zuwanderer benötigt, um wettbewerbsfähig<br />
zu bleiben, die Wirtschaft spricht bereits von einer neuen Anwerbungskampagne<br />
und verstärkten Ausbildungskampagnen.<br />
In Anbetracht dieser Realitäten ist eine offene Auseinandersetzung<br />
über die Gestaltung des Zusammenlebens der verschiedenen<br />
Gruppen in Deutschland überfällig. Eine grundsätzliche Anerkennung<br />
der Migranten/innen als integraler Bestandteil der deutschen<br />
Gesellschaft ist die Basis eines wechselseitigen Verständigungsprozesses.<br />
Es ist endlich an der Zeit, das „Wir-Gefühl“<br />
zu stärken, anstatt mit pauschalen und polarisierenden Aussagen<br />
die Spaltung der Gesellschaft zu betreiben. Dies betrifft<br />
selbstverständlich auch andere Minderheitsgruppierungen in der<br />
Mehrheitsgesellschaft.<br />
Gegenwart und Zukunft<br />
Viele der in Deutschland alt gewordenen Migranten/innen stehen<br />
vor bislang nur unzureichend beantworteten Fragen. Wie<br />
leben sie im Alter? Wer pflegt sie? Wie sehen religiöse Bestattungen<br />
aus?<br />
Bei den Jugendlichen und jungen Erwachsenen stellt sich<br />
die Situation anders dar: Viele Migrantenkinder haben es immer<br />
noch schwer, bei uns einen Ausbildungsplatz oder Arbeitsplatz<br />
zu finden - wo ist ihre Perspektive? Was ist mit den vielen<br />
Migranten/innen, die ohne Abschluss die Schule verlassen?<br />
Andererseits zieht es jetzt viele der gut Ausgebildeten in die boomende<br />
Türkei. Wie kann Deutschland diese Arbeitskräfte fördern<br />
und halten, die es so dringend benötigt?<br />
Migranten/innen stehen immer noch vor dem Problem mit<br />
ihrem ausländischen Namen eine Wohnung zu erhalten, unabhängig<br />
ihres Berufstandes. Wie kann die deutsche Gesellschaft<br />
darauf reagieren? Wie kann bezahlbarer Wohnraum für alle geschaffen<br />
werden? Welche Haltungen und welche Aktivitäten werden<br />
zur Bekämpfung von Rassismus und Rechtsextremismus<br />
benötigt? Wie kann präventiv entgegengewirkt werden und wie<br />
wird eine größere Sensibilisierung der Mehrheitsgesellschaft<br />
gegen Fremdenfeindlichkeit erreicht? Wie kann eine Willkommenskultur<br />
entwickelt werden, in der sich Zuwanderer anerkannt<br />
und gut aufgehoben fühlen? Willkommenskultur meint eine<br />
Grundhaltung von Offenheit und Akzeptanz gegenüber Migranten/<br />
innen und gegenüber anderen Menschen und Gruppen. Willkommenskultur<br />
ist, wenn Behörden und Organisationen Migranten/<br />
innen auf Augenhöhe behandeln, wenn Menschen ihre Vorurteile<br />
überdenken und ändern.<br />
Wie in der <strong>AWO</strong> Bundeskonferenz 2012 festgehalten, setzt<br />
sich die <strong>AWO</strong> dafür ein, das einseitige Konzept der Integration<br />
als individuelle Anforderung an Migranten/innen durch die aktive<br />
Gestaltung einer inklusiven Gesellschaft zu ersetzen. Ein wichtiger<br />
Schritt ist hierbei, die in Deutschland geborenen Kinder von<br />
Einwanderern als Deutsche zu akzeptieren. Das heißt, dass die<br />
Optionsregelung wegfällt. Es muss möglich sein, eine doppelte<br />
Grafik: www.inklusion-olpe.de<br />
Bunten, <strong>AWO</strong> Bezirksverband Baden e.V.<br />
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