Mitteilungen - AWO Karlsruhe
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IM BLICKPUNKT<br />
gabe an die richtigen Stellen weiterzuleiten und den Integrationsprozess<br />
zu begleiten.<br />
In der Migrationsberatung sollten dann die verschiedenen Stränge<br />
verbunden werden, um zu gewährleisten, dass die Ratsuchenden<br />
wirklich in ihren Anliegen unterstützt werden und nicht<br />
ins Leere laufen.<br />
Welche Schwierigkeiten haben Migranten/innen heute?<br />
Migranten/innen werden in vielen Bereichen der Gesellschaft immer<br />
noch nicht mit offenen Armen aufgenommen. Es gibt viele<br />
Meinungen und Vorurteile mit denen sie konfrontiert sind. In Behörden<br />
herrscht häufig eher eine abwehrende als eine kundenfreundliche<br />
Haltung. Unter anderem auch, weil Mitarbeiter/<br />
innen mit ihrem Arbeitspensum überfordert sind und nicht den<br />
Freiraum haben, um auf Klienten mit besonderem Beratungsbedarf<br />
einzugehen.<br />
Migranten/innen sind in höherem Maße von Arbeitslosigkeit und<br />
Armut betroffen und arbeiten häufig in Jobs, die nicht ihren mitgebrachten,<br />
oft höheren Qualifikationen entsprechen.<br />
Kinder mit Migrationshintergrund sind im Vergleich zu einheimischen<br />
Kindern wesentlich weniger an Gymnasien vertreten.<br />
Neueingereiste Ehepartner aus Drittstaaten geraten nicht selten<br />
in Abhängigkeit und prekäre Lebenssituationen, da ihr Aufenthalt<br />
von der ehelichen Lebensgemeinschaft abhängig ist. Aufenthaltsrechtliche<br />
Fragen führen aber auch in vielen anderen<br />
Fällen zu Unsicherheit und Ängsten.<br />
Die Voraussetzungen zur Familienzusammenführung, wie die<br />
Sicherung des Lebensunterhaltes führen dazu, dass Famiien<br />
lange Zeit getrennt leben müssen.<br />
Auch von der in <strong>Karlsruhe</strong> herrschenden Wohnungsnot für bezahlbare<br />
familienfreundliche Wohnungen sind Einwanderer besonders<br />
betroffen. Auf dem privaten Wohnungsmarkt haben Menschen<br />
mit Migrationshintergrund (vor allem Familien) häufig große<br />
Probleme eine Wohnung zu finden.<br />
Familien und Alleinerziehende mit Migrationshintergrund können<br />
häufig nicht auf ein Netzwerk von Familie und Eltern zurückgreifen.<br />
Sie sind besonders auf Kita-Plätze angewiesen, um ihren<br />
Lebensunterhalt bestreiten zu können.<br />
Was bedeutet für dich Interkulturelle Kompetenz?<br />
Interkulturelle Kompetenz bedeutet für mich, dem Gegenüber auf<br />
Augenhöhe zu begegnen.<br />
Immer auch im Blick zu haben, wie es mir selbst in dieser Situation,<br />
in einem mir fremden Land gehen würde und vor welche<br />
Schwierigkeiten ich gestellt sein würde.<br />
Was ist dann notwendig, um selbstständig zu recht zu kommen,<br />
was würde ich brauchen?<br />
Oft ist es nur ein wenig mehr Zeit und Geduld, wenn es sprachliche<br />
Probleme gibt, um das Anliegen zu verstehen und gemeinsam<br />
einen Weg zu finden.<br />
Interkulturelle Kompetenz heißt für mich auch, wahrzunehmen<br />
ohne zu bewerten und zu verstehen, dass alles in einem Kontext<br />
steht, den ich vielleicht nicht auf den ersten Blick erfassen<br />
kann. Gleichzeitig gibt es auch die Notwendigkeit, in bestimmten<br />
Situationen klar eine eigene Stellung zu beziehen.<br />
Hat sich aus deiner Sicht die Integrationspolitik in den letzten<br />
Jahren verändert?<br />
In den letzten Jahren hat sich die Integrationspolitik sehr verändert.<br />
Seit der Zeit der ersten Einwanderung der Gastarbeiter<br />
aus der Türkei, Italien, Griechenland etc., hat sich das Bewusstsein<br />
in Deutschland verändert. Es wurde davon ausgegangen,<br />
dass die Einwanderer nur für eine bestimmte Zeit in Deutschland<br />
leben würden und die Politik war der Zuwanderung, abgesehen<br />
von der Anwerbung von zeitlich befristeten Arbeitskräften,<br />
gegenüber eher abwehrend. Jetzt ist klar geworden, dass<br />
Deutschland die Zuwanderung braucht. Es geht nicht mehr darum<br />
abzuwehren, sondern Potenziale in Deutschland zu nutzen, Integration<br />
zu steuern und zu fördern und Deutschland für Zuwanderung<br />
(zumindest von qualifizierten Fachkräften) attraktiv zu<br />
gestalten.<br />
2005 wurden mit dem neuen Zuwanderungsgesetz neue Voraussetzungen<br />
zur Integration geschaffen. Es wuren staatlich geförderte<br />
Integrationskurse zum Teil mit Kinderbetreuung eingeführt<br />
und Migrationsberatungsstellen eröffnet, die die Zuwanderer in<br />
den ersten drei Jahren begleiten.<br />
Jeder Neuzuwanderer hat jetzt die Möglichkeit intensiv Deutsch<br />
zu lernen und diese Kenntnisse nach dem Integrationskurs auch<br />
noch zu verbessern. Die Sprache ist der Schlüssel zur Integration<br />
in einem neuen Land. Auch für „Altzuwanderer“ gibt es die<br />
Möglichkeit diese Kurse zu besuchen.<br />
Ein weiterer entscheidender Schritt war am 1. April 2012 das Inkrafttreten<br />
des neuen Anerkennungsgesetzes für Berufsabschlüsse<br />
(BQFG). Dies beinhaltet einen Rechtsanspruch für ein Anerkennungsverfahren<br />
für ca. 350 Ausbildungsberufe. Beim Verfahren<br />
ist die Qualität der Berufsqualifikation entscheidend und die<br />
Staatsangehörigkeit nicht mehr relevant. Wichtig ist auch, dass<br />
mitgebrachte praktische Berufserfahrungen in die Bewertungen<br />
mit einfließen. Das Gesetz enthält zudem weitere Neuerungen,<br />
die einen Einstieg in den deutschen Arbeitsmarkt erleichtern können.<br />
Ein Länderanerkennungsgesetz in Baden-Württemberg ist<br />
in Arbeit.<br />
Wie würdest du diese Veränderungen beurteilen?<br />
Es wird deutlich, dass es eine Veränderung in der Wahrnehmung<br />
und Bewertung von Einwanderung gegeben hat. Dies hängt natürlich<br />
mit dem demografischen Wandel und dem schon in manchen<br />
Bereichen vorherrschenden Fachkräftemangel zusammen,<br />
aber sicherlich auch mit der EU und einer neuen Generation,<br />
die geprägt ist durch das Internet und die Globalisierung.<br />
Einwanderung wird nicht mehr vorwiegend als Bedrohung der<br />
eigenen Ressourcen erlebt, sondern als Chance für die Gesamtgesellschaft.<br />
Natürlich gibt es große Unterschiede in der Wahrnehmung der<br />
Einwanderung. Es macht natürlich einen Unterschied, ob es um<br />
eine mittellose Familie geht oder um Akademiker, die als Hochqualifizierte<br />
in vielen Branchen begehrt sind.<br />
Was müsste aus deiner Sicht weiter verändert oder verbessert<br />
werden? Was ist dir besonders wichtig?<br />
Die interkulturelle Öffnung von Regeldiensten und Behörden ist<br />
ein wichtiges Thema. Häufig haben Einwanderer große Probleme<br />
sich mit den Regeldiensten, Behörden und deren Formularen<br />
zurechtzufinden. Beratung in verschiedenen Sprachen und<br />
mehrsprachige Formulare wären eine große Hilfe. Wir erleben<br />
leider auch häufig, dass Menschen mit anderer Herkunft und<br />
sprachlichen Problemen in Behörden nicht gut behandelt werden.<br />
Es gibt natürlich auch hier positive Beispiele, aber eine<br />
grundsätzlich interkulturelle geschulte, kundenfreundliche Haltung<br />
würde vieles erleichtern.<br />
Auch von Arbeitgeberseite ist eine weitere interkulturelle Öffnung<br />
wünschenswert. Es wäre wichtig zu erkennen, welche Ressourcen<br />
und Flexibilität Menschen mitbringen, die in einem neuen Land<br />
Fuß gefasst haben, eine neue Sprache erlernt und sich in ein neues<br />
Umfeld eingelebt haben.<br />
Was wünscht du dir in Zukunft für Migranten/innen?<br />
Es wäre schön, wenn mehr Migranten/innen mit ihren Qualifikationen<br />
einen Einstieg in den deutschen Arbeitmarkt finden könnten.<br />
Dies wäre ein entscheidender Schritt in Richtung Chancengleichheit.<br />
Die Bildungschancen von Kindern mit Migrationshintergrund sollten<br />
erhöht werden.<br />
Eine interkulturelle Öffnung der Regeldienste und Behörden z. B.<br />
auch mit mehrsprachiger Beratung und Mitarbeitern mit Migrationshintergrund<br />
wäre wünschenswert.<br />
Einwanderern sollte in allen Bereichen vermittelt werden, dass<br />
sie in Deutschland willkommen sind.<br />
Foto: <strong>AWO</strong> International<br />
Vielen Dank für das Gespräch.<br />
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