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August - die schelle

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Die Schelle<br />

Der Hexerei beschuldigt und zum Tode verurteilt<br />

– Das erschütternde Schicksal der Affelner Bürgermeisterfamilie Brune –<br />

von<br />

Dr. Rolf Dieter Kohl<br />

4<br />

B<br />

ereits im 12. und 13. Jahrhundert<br />

– zur Zeit der Grafen von<br />

Arnsberg – spielte Affeln als verwaltungsmäßiger<br />

und kirchlicher<br />

Zentralort, aber auch als Sitz eines<br />

gleichnamigen Adelsgeschlechts<br />

eine nicht unbedeutende Rolle. Am<br />

28. April 1492 erhob Erzbischof Hermann<br />

IV. von Köln den – wie zu vermuten<br />

steht – wirtschaftlich blühenden<br />

Ort in den Rang einer „ Freiheit“,<br />

wodurch das hart an der Grenze<br />

zur Grafschaft Mark gelegene und<br />

damit vielerlei Belastungen ausgesetzte<br />

alte Kirchdorf aus seinem<br />

ländlichen Umfeld herausgehoben<br />

wurde und kommunale Selbstverwaltungsrechte<br />

erhielt. Fortan war<br />

der durch Bürgermeister und Rat repräsentierte<br />

Ort Mitglied in der von<br />

Brilon angeführten, 34 Kommunen<br />

umfassenden Städtekurie des Herzogtums<br />

Westfalen und nahm dort<br />

– gefolgt von Bödefeld, Hachen,<br />

Langscheid und Hagen – den 30.<br />

Platz ein.<br />

Zu dem offenkundig kleinen Kreis<br />

der nunmehrigen Bürger, <strong>die</strong> zur<br />

Zeit der Stadterhebung und in den<br />

darauffolgenden 50 Jahren <strong>die</strong> Geschichte<br />

Affelns bestimmten, gehörten<br />

– wie wir aus zahlreichen<br />

urkundlichen Belegen wissen – <strong>die</strong><br />

Familien Wigger und Schmied<br />

( Schmidt). Bereits 1466 – anläßlich<br />

der Errichtung eines Benefiziums<br />

für <strong>die</strong> an der Affelner Pfarrkirche<br />

wenige Jahre zuvor eingerichtete Vikarie<br />

St. Antonius und St. Magdalena<br />

– wird als Zeuge ein Bürgermeister<br />

(proconsul) Johannes Wigger<br />

genannt, eine Nachricht , aus der<br />

Dieter Stievermann schließt, dass<br />

Affeln „ gewisse Selbstverwaltungsrechte…<br />

wohl schon vor der förmlichen<br />

Freiheitserhebung von 1492“<br />

ausgeübt haben müsse.<br />

Auch in der Folgezeit treten <strong>die</strong> Wigger<br />

wiederholt in führender Position<br />

in Erscheinung. Zwischen 1509<br />

und 1536 bekleidete Thöniß Wigger<br />

(Wygger) das einflussreiche Amt<br />

des kurkölnischen Richters in Affeln<br />

und für 1506 ist Bernhard Wygger<br />

– neben Rotger Smet – als Bürgermeister<br />

der Freiheit nachzuweisen.<br />

Bereits 1489 war <strong>die</strong> Familie, <strong>die</strong><br />

sich offenkundig kaufmännisch<br />

betätigte und wohl intensive Handelsbeziehungen<br />

zum Hansevorort<br />

Soest unterhielt, im Affelner Raum<br />

reich begütert und dürfte demnach<br />

in ausgezeichneten wirtschaftlichen<br />

Verhältnissen gelebt haben.<br />

Ein der „Hexerei“ Verdächtigter wird vom Schafrichter auf seine „peinliche“ Befragung vorbereitet.<br />

Holzschnitt um 1500.<br />

Auch <strong>die</strong> Familie Schmidt<br />

( Schmied, Smyt, Smet, Smede o.ä.)<br />

zählte – wie bereits bemerkt – zur<br />

Führungsschicht der Affelner Bevölkerung<br />

und zeichnete sich – vielleicht<br />

in noch größerem Maße als<br />

<strong>die</strong> Wigger – durch eine beeindruckende<br />

soziale Vorrangstellung aus.<br />

1461 ist Bernhard Smet als Affelner<br />

Richter bezeugt; in der gleichen<br />

Stellung finden wir zwischen 1487<br />

und 1489 Johann Smyt (Smede).<br />

1506 und 1509 saß Rotger Smet auf<br />

dem Bürgermeisterstuhl der „ Freiheit“<br />

und 1522 wurde Johann Smyt<br />

in das höchste und wichtigste Amt<br />

des sauerländischen Städtchens berufen.<br />

Auffälligerweise treten – ohne dass<br />

dafür konkrete Gründe ersichtlich<br />

würden – sowohl <strong>die</strong> Wigger als auch<br />

<strong>die</strong> Schmid spätestens seit der 2.<br />

Hälfte des 16. Jahrhunderts wieder<br />

in den Hintergrund, ja sie verschwinden<br />

geradezu aus dem öffentlichen<br />

Leben Affelns. Ihre Stelle nehmen<br />

<strong>die</strong> Habbel, <strong>die</strong> Helwig und <strong>die</strong> Duwenheuer<br />

ein, <strong>die</strong> zwischen 1536<br />

und 1550 wichtige Ämter besetzten<br />

und mehrfach auch <strong>die</strong> Bürgermeisterwürde<br />

erringen konnten.<br />

Zu den sozial aufsteigenden Familien<br />

<strong>die</strong>ser Zeit gehörten nicht zuletzt<br />

auch <strong>die</strong> Brune (Braun, Braune), als<br />

deren bedeutendste Vertreter der<br />

zwischen 1554 und 1575 regierende<br />

Bürgermeister Tonis (Anton) Brune<br />

und dessen mutmaßlicher jüngerer<br />

Bruder, der von 1558-1565 an der<br />

Antonius-Vikarie tätige Geistliche<br />

Georg Brune genannt werden müssen.<br />

Die Brune waren ausgesprochen<br />

wohlhabend, betätigten sich<br />

erfolgreich als private Geldverleiher<br />

und besaßen mindestens seit der<br />

zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts<br />

ein nach ihnen benanntes, im östlichen<br />

Teil der „Freiheit“ gelegenes<br />

Gut, das an Umfang und Ausstattung<br />

alle anderen Anwesen des Ortes<br />

weit übertraf. Gegen Ende des<br />

16. Jahrhunderts traf <strong>die</strong> Familie<br />

ein fürchterlicher Schicksalsschlag.<br />

1596 wurde Jorgen Snyder gen. Brune,<br />

der Schwiegersohn des zuvor<br />

genannten Bürgermeisters Tonis<br />

Brune, im Zuge der ersten großen<br />

Hexenverfolgungswelle, <strong>die</strong> in <strong>die</strong>sen<br />

Jahren das Herzogtum Westfalen<br />

beunruhigte, der Zauberei bezichtigt<br />

und gemeinsam mit seiner<br />

Frau nach einem mehrmonatigen<br />

Prozess dem Balver Henker überantwortet.<br />

Erstaunlicherweise jedoch scheint<br />

<strong>die</strong>ser Vorfall das Ansehen der Familie<br />

kaum geschmälert zu haben.<br />

Bereits 1613 wählten <strong>die</strong> Affelner<br />

Bürger den älteren Sohn der Hingerichteten,<br />

Johann Brune, zum<br />

Bürgermeister ihrer Stadt; in <strong>die</strong>ser<br />

Funktion lässt er sich ebenfalls für<br />

<strong>die</strong> Jahre 1615, 1619, 1623, 1624, 1627<br />

und 1628 belegen. Doch damit nicht<br />

genug! Ein weiterer Sohn, Georg,<br />

wurde – ungeachtet, dass „sein Vater<br />

und seine Mutter als Zauberer…<br />

justifiziert und verbrannt (worden)<br />

seien“ – 1610 von der Patronatsfamilie<br />

v. Hatzfeld mit dem Amt des Ortsgeistlichen<br />

und Kirchspielpfarrers<br />

betraut; er wird als „würdiger und<br />

ver<strong>die</strong>nter Mann“ beschrieben, der<br />

– gemeinsam mit seinem Bruder –<br />

zahlreiche mildtätige und karitative<br />

Stiftungen tätigte.<br />

Im Frühjahr 1629 wiederholte sich,<br />

was bereits den Eltern der beiden<br />

widerfahren war. Georg und Johann<br />

Brune, aber auch ihre Schwester, gerieten<br />

– unter nicht bekannten Umständen<br />

– in den Verdacht der Zauberei.<br />

Während Georg Brune und<br />

seine Schwester sich dem Zugriff<br />

der Häscher durch Flucht entziehen<br />

konnten, wurde Johann Brune<br />

verhaftet und endete – allem Anschein<br />

nach – auf der Balver Richtstätte.<br />

Nach <strong>die</strong>ser Tragö<strong>die</strong> war<br />

der Niedergang der Familie Brune<br />

endgültig besiegelt! Sie verlor jeglichen<br />

politischen Einfluss und auch<br />

in wirtschaftlicher Hinsicht ging es<br />

unaufhaltsam bergab; das einst<br />

größte und reichste Gut der „Freiheit“<br />

wurde im Laufe der Zeit mehrfach<br />

geteilt und parzelliert. Noch<br />

in den 40er Jahren bemühten sich<br />

Anverwandte und Nachkommen<br />

des toten Bürgermeisters bei den<br />

kölnischen Justizbehörden um eine<br />

Rehabilitierung der Geächteten –<br />

freilich ohne jeden Erfolg! Auch der<br />

um Vermittlung gebetene, seit 1629<br />

amtierende Affelner Pfarrer Johannes<br />

Kemper gen. Elias, der Nachfolger<br />

seines geflohenen Amtsbruders,<br />

weigerte sich den Schuldspruch des<br />

Balver Hexentribunals in Frage zu<br />

stellen und wies alle an ihn gerichteten<br />

Hilfegesuche der Familie Brune<br />

als unberechtigt zurück.<br />

In der Folgezeit wird der Name Brune<br />

in der schriftlichen Überlieferung<br />

Affelns nicht mehr erwähnt, so dass<br />

man davon ausgehen kann, dass<br />

<strong>die</strong> Familie ihren angestammten<br />

Wohnsitz für immer verlassen hat.<br />

Das „Brunengut“ wurde parzelliert<br />

und geriet in fremde Hände; ein Güterverzeichnis<br />

aus dem Jahre 1699<br />

beziffert den Wert der Gebäude und<br />

Ländereien auf 2.688 Reichstaler,<br />

dem allerdings 2.090 Reichstaler an<br />

Schulden gegenüberstanden.<br />

Archive und Literatur<br />

Rolf Dieter Kohl: „ dei ersamer burgermester<br />

Tonis Bruine“. Zur Geschichte<br />

der Affelner Honoratiorenfamile Brune<br />

(Braune, Braun) im 16. und 17. Jahrhundert,<br />

in: Der Märker, Jg. 48, 1999, S.118-<br />

119. – Dort ausführliche Angaben über<br />

benutzte Archive und Literatur.

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