Perspektive LiLi-wk.pdf - IDF
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Die Topikvorgaben sind zu einem Teil quaestio-bedingt. Jedoch sind die mit der jeweiligen<br />
Aufgabenstellung verbundenen Vorgaben oftmals nicht hinreichend beschränkend, sodass die<br />
Notwendigkeit besteht, weitergehende globale Beschränkungen zu setzen. Inwieweit in der<br />
Konkretisierung dieser sehr generellen Beschränkungen jenseits individueller Variation<br />
sprachstrukturelle Faktoren von Bedeutung sind, soll im folgenden für die Texte der drei<br />
Sprechergruppen geprüft werden.<br />
4 Sprachspezifische Textstrukturen: Deutsche, englische und französische Sprecher 4<br />
Wie bereits gesagt, kommt den Informationen, die die zeitliche Verankerung sowie die<br />
zeitlichen Relationen betreffen, für den Texttyp der Erzählungen eine zentrale Funktion zu.<br />
Erzählungen bestehen im Kern aus Ereignissequenzen, die temporal geordnet und als Teile<br />
eines übergreifenden Makroereignisses zu interpretieren sind. Neben den temporalen bestehen<br />
daher auch im weitesten Sinne kausale bzw. finale Beziehungen zwischen den Ereignissen.<br />
Wie die einzelnen Ereignisse referentiell verankert sind und welche Relationen zwischen<br />
ihnen für die sequentielle Anordnung im resultierenden Text maßgeblich sind, ist in gewissen<br />
Grenzen ins Ermessen des Sprechers gestellt. Die Erzählungen der drei Sprechergruppen<br />
unterscheiden sich hinsichtlich der Wahl eines temporalen Referenzrahmens sowie der<br />
dominanten Kohärenzrelation. Zu betonen ist, dass es sich hierbei um Präferenzen handelt,<br />
nicht um absolut gültige Prinzipien. Wir wollen argumentieren, dass diese Präferenzen in<br />
Bezug auf die Informationsorganisation dadurch bedingt sind, dass bestimmte<br />
Informationsstrukturen besser an die Anforderungen des einzelsprachlichen System angepasst<br />
sind als andere. Sie sind unter dem Gesichtspunkt der Sprachverarbeitung einfacher,<br />
automatisierbar und dadurch schneller zu produzieren als andere, und deshalb werden sie<br />
bevorzugt.<br />
4.1 Protagonisten–zentrierte <strong>Perspektive</strong><br />
Die globale Struktur, die mit dieser <strong>Perspektive</strong>nwahl verbunden ist, ist durch die zentrale<br />
Funktion eines Protagonisten gekennzeichnet. Der Protagonist wird als globale Topik auf der<br />
obersten Hierarchieebene der Informationsstruktur gesetzt. Er liefert damit auch den Anker<br />
für referentielle Einordnung in der temporalen wie in der lokalen Domäne. Dies bedeutet, dass<br />
die folgenden Topikbedingungen für die Informationsorganisation auf Textebene gelten. Die<br />
zentrale Entität, der Protagonist, bleibt als diejenige Größe über die einzelnen<br />
Äußerungseinheiten hinweg erhalten, an der die Ereignisse festgemacht werden. Damit ergibt<br />
sich als Selektionskriterium für die einzelnen Ereignisse der Grad der Involviertheit des<br />
Protagonisten. Entweder er ist derjenige, der durch sein Handeln, als Agens, die Geschichte<br />
voranbringt oder derjenige, über den als Betroffenen von Handlungen in einer Patiensrolle<br />
Dynamik und Kohärenz zu gewinnen sind. Situationen, in denen der Protagonist nicht<br />
involviert ist, werden unter dieser <strong>Perspektive</strong> nicht für die Versprachlichung ausgewählt.<br />
Der Protagonist stellt damit auch den Ankerpunkt für die temporale <strong>Perspektive</strong>. Temporale<br />
Referenz ist innerhalb der Erzählwelt etabliert. Das Zeitintervall, das am Beginn der<br />
temporalen Kette steht, ist unspezifisch als das erste einer Folge eingeführt. Die folgenden<br />
Ereignisse sind einem anaphorisch in der später-Relation angebundenen Zeitintervall<br />
zugeordnet. Das Topikzeitintervall TT der einzelnen Äußerung ist bestimmt als in der<br />
Nachzeit des vorgehenden Ereignisses (T sit bezeichnet das Zeitintervall, für die das Ereignis<br />
der Fall ist) liegend. Dies impliziert, dass die Ereignisse als abgeschlossene präsentiert<br />
4 Die Corpora haben folgenden Umfang in Äußerungseinheiten: Deutsch 1.970, Englisch 2206, Französisch 966.