Widerstandsfähigkeit stärken Ernährung sichern - International Food ...
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Diskussionen darüber, ob langfristig gesehen der Wiederaufbau der<br />
Herden oder eine fundamentale Umstellung der Lebensweise das<br />
bessere Ziel ist, von großer Bedeutung. Ein anderes Beispiel ist die<br />
Debatte um soziale Sicherungsprogramme, die durch Transferzahlungen<br />
die Abwanderung aus ländlichen Dürregebieten verhindern<br />
sollen. In derartigen Fällen und im Angesicht solch tiefgreifender<br />
Herausforderungen wie der des Klimawandels kann ein Resilienz-<br />
Konzept, das nicht auch die Möglichkeit der Transformation berücksichtigt,<br />
keine angemessene Antwort sein.<br />
Maßnahmen, die Resilienz <strong>stärken</strong><br />
Eine wesentliche Herausforderung des Resilienz-Konzeptes besteht<br />
darin, zu erläutern, was dessen Mehrwert im Vergleich zu herkömmlichen<br />
Ansätzen ist. Grundsätzlich liegt der Mehrwert dieser Herangehensweise<br />
auf zwei Ebenen: In strategischer Hinsicht könnte es<br />
Regierungen und Entwicklungspartner dazu bringen, die Stärkung<br />
von <strong>Widerstandsfähigkeit</strong> als politisches und programmatisches Ziel<br />
durchgängig zu berücksichtigen und verschiedene Organisationen<br />
und Bereiche daraufhin zu koordinieren. Dafür sind nicht unbedingt<br />
neue politische oder programmatische Instrumente notwendig; vielmehr<br />
liegt der Mehrwert bereits in der verbesserten Koordination und<br />
Prioritätensetzung. Aus programmatischer Perspektive wäre zu erwarten,<br />
dass neue Ansätze und Programme entwickelt werden, die innovative<br />
Brücken zwischen Nothilfeinterventionen und Maßnahmen der<br />
Entwicklungszusammenarbeit schlagen (im Gegensatz zur Spezialisierung<br />
in einem der beiden Bereiche).<br />
Dabei stellt sich die Frage, durch welche Art von Maßnahmen<br />
diese Verbindung zwischen Nothilfe und Entwicklungszusammenarbeit<br />
bewirkt werden kann. Ein naheliegendes Beispiel sind soziale<br />
Sicherungsprogramme, die sowohl die Kriterien für soziale Sicherung,<br />
also „Nothilfe“, erfüllen, als auch zur Entwicklung beitragen,<br />
das heißt den längerfristigen Aufbau von Resilienz unterstützen. Die<br />
Nothilfekomponente sozialer Sicherungsprogramme manifestiert sich<br />
üblicherweise in Form von Lebensmittel-, Bargeld- oder Gutscheintransfers;<br />
die Entwicklungskomponente ist vielfältiger. Zweckgebundene<br />
Transferleistungen sind häufig explizit darauf ausgerichtet, klar<br />
definierte Entwicklungsziele zu erreichen: etwa verstärkten Schulbesuch,<br />
die Teilnahme an einer erweiterten Berufsausbildung, Erwachsenenbildung<br />
oder Schulungskursen zur Vertiefung des <strong>Ernährung</strong>swissens<br />
oder, was sehr verbreitet ist, den Aufbau von Infrastruktur<br />
durch öffentliche Arbeitsprogramme. Ein herausragendes Beispiel<br />
ist das Programm für produktive Sicherheitsnetze in Äthiopien (Productive<br />
Safety Net Programme – PSNP, siehe Box 3.3). Dieses Programm<br />
stellt eine innovative Lösung angesichts zweier großer Herausforderungen<br />
dar: (1) Traditionelle Transferprogramme haben<br />
Ad-hoc-Charakter, das heißt die Leistungen erfolgen unregelmäßig<br />
und unvorhersehbar. (2) Nach weitverbreiteter Ansicht verhindert ein<br />
starker Fokus auf Nothilfe nachhaltige ländliche Entwicklung. Durch<br />
die Kombination sozialer Sicherungsmaßnahmen mit dem Aufbau<br />
öffentlicher Güter trägt das PSNP eindeutig zur Nothilfe wie auch<br />
zur langfristigen Entwicklung bei. In diesem Sinn handelt es sich um<br />
ein Resilienz-orientiertes Programm.<br />
2<br />
Für Beispiele siehe Leach (2008); Hornborg (2009); Davidson (2010); Duit, Galaz und Eckerberg<br />
(2010).<br />
Ähnliche Programme in Äthiopien und anderswo (wie das Graduation<br />
Model von BRAC – Bangladesh Rural Advancement Committee<br />
– in Bangladesch) konzentrieren sich ebenfalls darauf, Individuen<br />
und Haushalte dabei zu unterstützen, sowohl unternehmerische<br />
und finanzielle Fertigkeiten zu entwickeln als auch Selbstvertrauen<br />
und Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten aufzubauen. Diese Programme<br />
gehen von der Annahme aus, dass die vorübergehende Unterstützung<br />
in Notsituationen ein wesentlicher Schritt ist, um Ressourcen<br />
aufzubauen, die eine dauerhaftere <strong>Widerstandsfähigkeit</strong> gegenüber<br />
Krisen ermöglichen.<br />
Die Pastoralist Livelihoods Initiative (PLI – Initiative für die<br />
Lebensgrundlage der Wanderhirten) ist ein anderes Beispiel dafür,<br />
wie Nothilfe und Entwicklung in Äthiopien verbunden werden (Box<br />
3.3). Während produktive Sicherungsprogramme für sesshafte Bauern<br />
und Viehhalter eine sinnvolle Unterstützung darstellen, sind sie<br />
angesichts der spezifischen Situation der Wanderhirten für diese<br />
Bevölkerungsgruppe in Krisenzeiten nicht angemessen. Sowohl Feldfrüchte<br />
als auch Nutztiere sind in Trockenperioden extrem gefährdet.<br />
Aber anders als einjährige Pflanzkulturen behalten Tiere, genau<br />
wie Land, über mehrere Jahre ihren Wert. 4 Der Tod von Nutztieren<br />
während einer Dürreperiode kann daher sehr hohe Kosten verursachen.<br />
In Extremsituationen muss ein Haushalt die pastorale Tierhaltung<br />
aufgeben, einfach weil es ihm nicht möglich ist, die Herde nach<br />
einer Dürre wieder aufzubauen.<br />
Die PLI ist ein sehr gezieltes Resilienz-<strong>stärken</strong>des Programm,<br />
das zwischen Maßnahmen der Nothilfe und der Entwicklungszusammenarbeit<br />
wechselt und nicht versucht, beides zugleich umzusetzen,<br />
wie das PSNP. Es ist ein gelungenes Beispiel, wie die traditionelle<br />
Lücke zwischen Nothilfe und Entwicklungszusammenarbeit in der<br />
Praxis überwunden werden kann. Aber während soziale Sicherungsprogramme<br />
überall auf der Welt eingehend analysiert wurden, fehlen<br />
für diese Art von Programmen, die zwischen Nothilfe und Entwicklungszusammenarbeit<br />
„hin- und herschalten“, noch Erfahrungen,<br />
Lernergebnisse und Evaluierungen.<br />
3<br />
Einige dieser Existenzsicherungsstrategien können kurzfristige „negative“ Bewältigungsstrategien<br />
sein, andere stellen eindeutig langfristige Fehlanpassungen dar, die nicht einfach als Überlebensstrategien<br />
betrachtet werden können.„Negative“ Formen von Resilienz sind also möglich und<br />
oft empirisch beobachtet worden (Sapountzaki 2007).<br />
4<br />
Hinzu kommt, dass die Mobilität der Wanderhirten die Möglichkeit zur Teilnahme an ortsgebundenen<br />
öffentlichen Projekten im Straßenbau oder zum Aufbau landwirtschaftlicher Infrastruktur<br />
einschränkt. Sie ist jedoch immer noch möglich, vor allem bei einer eher sesshaften Lebensweise,<br />
die sowohl Feldanbau als auch Weidewirtschaft einschließt.<br />
Welthunger-Index 2013 | Kapitel 03 | Resilienz verstehen, <strong>Ernährung</strong>ssicherheit schaffen25