TITEL Fach- oder Führungsl<strong>auf</strong>bahn Stars <strong>auf</strong> der Reservebank Die Lean Management-Welle der 90er Jahre hat das Ufer erreicht: Immer mehr Chefsessel wandern <strong>auf</strong> den Sperrmüll. Je schlanker sich die Firmen <strong>auf</strong>stellen, desto enger wird der Kaminzug nach oben. Nach wie vor gilt die Führungskarriere als Nonplusultra des beruflichen Erfolgs, die Fachl<strong>auf</strong>bahn hingegen als „second best“. Eine Bestands<strong>auf</strong>nahme. 18 11|2009 www.personalwirtschaft.de
„Tendenziell sind hierarchische Denkmuster vorherrschend: Es wird angestrebt, <strong>auf</strong> der Führungsleiter möglichst weit nach oben zu gelangen.“ Andreas Tenkmann, Aramark T reffen sich zwei Kollegen im Aufzug. „Lange nicht gesehen“, hebt der eine an, „was machst Du denn gerade?“ „Ich bin jetzt Regionalexperte“, antwortet der andere. Wor<strong>auf</strong> der erste mit sichtlicher Betroffenheit reagiert: „Ach – Du hast keine Leute mehr?!“ Marc Naumann weiß manche solcher Anekdoten zu erzählen, <strong>auf</strong>geschnappt oder erfunden, jedenfalls hart an der Wirklichkeit. Rangieren die Spezialisten im Ansehen tatsächlich unterhalb der Personal führenden Kollegen? „Bei den Mitarbeitern schon“, glaubt der Leiter internes Talent Management bei ABB in Mannheim, „man wird an der Größe des Dienstwagens und des Gehalts gemessen. Das ist eine Statusfrage.“ Aus diesem Satz leitet sich eine Riesenherausforderung für viele Personaler ab. Was machen sie, die sich gerne wohlwollend geben, wenn sie kaum mehr anderes zu verteilen haben als den Mangel? Den Mangel an Führungspositionen beispielsweise. Von den Geschäftsleitungen oft sehr bewusst herbeigeführt, um den betriebswirtschaftlichen Erfolgsbeitrag jedes einzelnen Arbeitsplatzes zu maximieren, gilt die Führungskarriere für die meisten Mitarbeiter noch immer als die Krönung des Erfolgs. Welche <strong>Karriere</strong>modelle stellt man ersatzweise dem eifrig mit dem Finger schnippsenden Jungingenieur, dem mit den Hufen scharrenden Einkäufer und der ehrgeizigen Kollegin im Export in Aussicht? Wenn das, was sie eigentlich haben wollen, nur noch selten im Angebot ist? Bei ABB Deutschland tragen die alternativen <strong>Karriere</strong>modelle den schönen Namen „Bluefish“. Das Unternehmen implementiert just in diesem Herbst ein erweitertes Fachl<strong>auf</strong>bahnmodell in Deutschland. „Mit den ersten Funktionen haben wir bereits 1996/97 begonnen“, schildert Marc Naumann, jedes Jahr kommen neue dazu. „Wir beginnen mit einer Performance- und Potenzialeinschätzung durch die Führungskraft, die anschließend durch die nächste Ebene evaluiert wird. Darüber sprechen wir dann mit dem Mitarbeiter.“ Die Fachl<strong>auf</strong>bahn umfasst beispielsweise die Stufen Fachassistent, Junior Expert, Senior Expert. „Die höchste Stufe der Fachl<strong>auf</strong>bahn – der Principal Expert – ist <strong>auf</strong> der Führungsl<strong>auf</strong>bahn vergleichbar der Ebene Senior Manager“, erklärt der Talent Manager. Das klingt gut – aber ist es in den Augen der Kollegen auch gleich viel wert? „Wir setzen bei den Führungskräften an“, sagt Naumann, „die müssen dafür werben.“ Ein Mercedes–Fahrer soll jemandem, der auch gern Mercedes fahren möchte, einen Fiat verk<strong>auf</strong>en? Naumann lacht: „Daran arbeiten wir seit Jahren. Es ist nicht so, dass die Mitarbeiter gejubelt haben: ‚Wow, toll, endlich gibt es eine Fachl<strong>auf</strong>bahn.‘ Aber es war dringend notwendig. Seitdem wir ‚Bluefish‘ mit konkreten Positionen unterlegen können, kommt das bei den Mitarbeitern gut an.“ Weniger Leitungsstellen Das Unternehmen hat eine Schlankheitskur hinter sich: Nur zehn bis elf Prozent der Beschäftigten bei ABB haben noch eine Führungsposition inne. Künftig seien „15, maximal 20 Prozent Führungsanwärter genug“, meint Naumann. Mehr dürften es nicht werden: „Sonst demotiviere ich die Leute, weil ich nicht genug Leitungsstellen habe.“ Mit der Fachl<strong>auf</strong>bahn wurde ein Parallelkamin eingezogen, <strong>auf</strong> dem man auch nach oben gelangen kann. Sein konstituierendes Merkmal ist nicht die Zahl der geführten Mitarbeiter, sondern das Spezialwissen der Funktionsträger. In der Wertigkeit jedoch klaffe noch immer eine Lücke zwischen den Aussagen: „Ich habe viele Mitarbeiter“ und „Ich weiß viel“. „Oft hört man vom Nachwuchs als erstes: ‚Ich will in die Führung gehen‘.“ Aber dann müsse man nachbohren, so Naumann: „Ist das die tatsächliche Motivation? Möchte der Mitarbeiter nicht eher sein Wissen vertiefen, als sich in der Führungs<strong>auf</strong>gabe mit Konfliktgesprächen herumzuschlagen? Das muss der Vorgesetzte mit dem Mitarbeiter diskutieren.“ Das Talent Management gibt dabei Hilfestellung. Im Herbst führen die ABB-Personaler vor Ort drei Dutzend Führungskräfteschulungen durch: „Wir erläutern das Grundsatzmodell und erklären, wie sie es am besten mit den Mitarbeitern besprechen, <strong>auf</strong> welche Fragen sie vorbereitet sein sollen und welche Antworten wir dar<strong>auf</strong> haben.“ Blitzartigen Erfolg wird die Werbekampagne für die Fachl<strong>auf</strong>bahn nicht haben. „Das geht nicht von heute <strong>auf</strong> morgen“, ist sich Naumann sicher. Immerhin dürften sich einige mehr für die Fachkarriere gewinnen lassen. „Früher wurde der Wunsch nach einer Führungskarriere viel öfter geäußert als heute.“ Die sich ändernden Präferenzen der jungen Generation lassen Andreas Tenk- „Das Investment seitens des Unternehmens in die Führungsl<strong>auf</strong>bahn ist deutlich größer.“ Tina Goddard, Microsoft 11|2009 www.personalwirtschaft.de 19