Karriere auf Augenhöhe - Personalwirtschaft
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FORUM<br />
Bundestagswahl<br />
„<br />
„Wir müssen das Potenzial in allen Schichten mobilisieren, nicht nur<br />
dort, wo gutbetuchte Eltern ihren Kindern viel bieten können.”<br />
Dieter Schoon, Head of HR der Itelligence AG<br />
Beschäftigung besser halten und leichter<br />
schaffen können“. Er sieht daher einen<br />
akuten arbeitsmarktpolitischen Handlungsbedarf:<br />
Unternehmen sollten mehr<br />
Spielraum „über den gesetzlichen Status<br />
quo hinaus“ erhalten, sonst würden ausl<strong>auf</strong>ende<br />
befristete Verträge „eher zur<br />
Beendigung der Beschäftigung führen“.<br />
Einen strukturellen Anpassungsbedarf<br />
erkennt Stroh hingegen im Streikrecht.<br />
Jüngst hatte das Bundesarbeitsgericht<br />
sogenannte Flash-Mobs als Druckmittel<br />
in Arbeitskämpfen gebilligt. Aktivisten,<br />
die sich im Internet verabredeten, hatten<br />
dabei gezielt Einzelhandelsfilialen lahmgelegt.<br />
Sie ließen vor Waren überquellende<br />
Eink<strong>auf</strong>swagen einfach in den Geschäften<br />
stehen oder verstopften die Kassen mit<br />
Billigstartikeln, die sie aber unter Hinweis<br />
<strong>auf</strong> den vergessenen Geldbeutel nicht<br />
bezahlten. Stroh will diesem Treiben Einhalt<br />
gebieten: „Wir brauchen verlässliche<br />
Regeln, wann und wofür gestreikt werden<br />
darf – und mit welchen Mitteln.“<br />
Freilich bewegt der Themenkomplex aus<br />
Beschäftigungsfragen bis hin zur Betriebsverfassung<br />
anscheinend weniger die<br />
Gemüter als angenommen. Womöglich<br />
ist dies auch – von wenigen Ausnahmen<br />
abgesehen – <strong>auf</strong> das gute Miteinander<br />
zwischen Unternehmensleitung und<br />
Arbeitnehmervertretern <strong>auf</strong> Betriebsebene<br />
zurückzuführen. Französische Verhältnisse,<br />
wo ausgebeutete Mitarbeiter<br />
Suizid begehen oder ihre Vorgesetzten in<br />
Geiselhaft nehmen, sind in Deutschland<br />
undenkbar.<br />
Masterplan für Bildung<br />
Überraschend ist, dass Personalverantwortliche<br />
nach der Bundestagswahl viele Hoffnungen<br />
mit der Bildungspolitik verknüpfen.<br />
„Bildung“, sagt HR-Alliance-Sprecher<br />
Maassen, sei ein ganz wichtiges Thema,<br />
„das beherzt angepackt werden muss.“ Jürgen<br />
Seifert, Personalchef von TNT Express<br />
in Troisdorf, erhofft sich, dass in Bildung<br />
investiert werde, „damit junge Menschen<br />
deutlich qualifizierter ihren Weg in den<br />
beruflichen Alltag finden“. DGFP-Chef<br />
Frick regt sogar einen „Masterplan“ über<br />
Bildungsinvestitionen an.<br />
Dafür sind die HR-Experten sogar zu<br />
einem Paradigmenwechsel bereit: Statt<br />
ihr Augenmerk wie bisher nur <strong>auf</strong> Talente<br />
und High Potentials zu richten, wollen<br />
sie nun ihr Wort für die unteren Bildungsschichten<br />
einlegen. Mehr Chancengleichheit<br />
fordert etwa Dieter Schoon, Personalchef<br />
des IT-Dienstleisters Itelligence in<br />
Bielefeld. „Wir müssen das Potenzial in<br />
allen Schichten mobilisieren, nicht nur dort,<br />
wo gutbetuchte Eltern ihren Kindern viel<br />
bieten können.“ Maassen legt noch eine<br />
Schippe dr<strong>auf</strong>: „Wenn wir nicht auch den<br />
Menschen mit Migrationshintergrund<br />
wesentlich bessere Chancen eröffnen, stehen<br />
wir als ressourcenarmes Land künftig<br />
vor größten Problemen.“<br />
Ob diese Forderung nur ein frommer<br />
Wunsch bleibt, steht dahin. Bislang scheiterten<br />
Versuche, Einwanderung zu erleichtern<br />
und benachteiligte Schichten an Bildung<br />
heranzuführen, vor allem an den Konservativen.<br />
Beharrlich weigern sie sich seit<br />
Jahren, die längst überfällige Anpassung<br />
an internationale Standards, wie sie etwa<br />
jährlich von der OECD und anderen Organisationen<br />
angemahnt werden, <strong>auf</strong> den<br />
Weg zu bringen.<br />
Pro Einwanderung<br />
Das bringt viele Personalverantwortliche,<br />
die angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels<br />
und der schleichenden Alterung<br />
ihrer<br />
„<br />
Belegschaften rund um den Globus<br />
nach Arbeitskräften fahnden müssen,<br />
schier <strong>auf</strong> die Palme. Erstens, so ihr Forderungskatalog,<br />
müsste endlich das dreigliedrige<br />
Schulsystem überwunden werden.<br />
„Nirgendwo in Europa“, fasst etwa<br />
Maassen die Kritik seiner Gefolgsleute<br />
zusammen, gebe es noch ein solch starres<br />
System, das Bildung „eher verhindert<br />
als fördert“.<br />
Zweitens kommt das Hickhack um die<br />
Einwanderung hinzu, von Unionsmitgliedern<br />
hartnäckig bekämpft, als ginge es<br />
um den Leibhaftigen persönlich. Hier<br />
müsse Deutschland viel offener werden,<br />
insistieren Personaler. Allein in Europa<br />
gebe es ein großes Reservoir an qualifizierten<br />
Arbeitskräften, freilich werde zu<br />
wenig getan, um für sie attraktiv zu sein.<br />
Eine „Interim-Greencard“ fordert etwa<br />
die DGFP bei kurzfristigen Einsätzen von<br />
internationalem Fachpersonal. „Bürokratische<br />
Hürden sollten weiter reduziert<br />
und genehmigungspflichtige Sachverhalte<br />
beschleunigt werden“, mahnt Frick. In<br />
der Diskussion, wie man erreichen könnte,<br />
dass Menschen tatsächlich Interesse<br />
daran haben, hierher zu kommen, entwickelt<br />
Maassen einen spannenden Ansatz:<br />
„Was wir als Employer Branding <strong>auf</strong> Firmenebene<br />
betreiben, brauchen wir auch<br />
<strong>auf</strong> Staatsebene, ein Germany Branding.“<br />
Bildungspolitischen Zündstoff birgt neben<br />
Immigration und Chancengleichheit als<br />
drittes die verkürzte Hochschulbildung,<br />
die mit dem Stichwort „Bologna“ verknüpft<br />
ist. Kritiker warnen bereits vor<br />
der Aufgabe einstiger Ideale. Statt jungen<br />
Menschen die Chance zu eröffnen, sich<br />
theoretisch fundiert mit grundsätzlichen<br />
Fragen zu befassen, würden sie nicht sel-<br />
„Ich erwarte, dass die künftige Bundesregierung<br />
die Rahmenbedingungen für nachhaltiges<br />
Personalmanagement verbessert.“<br />
Prof. Gerold Frick, Geschäftsführer der DGFP<br />
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11|2009 www.personalwirtschaft.de