01.02.2014 Aufrufe

Karriere auf Augenhöhe - Personalwirtschaft

Karriere auf Augenhöhe - Personalwirtschaft

Karriere auf Augenhöhe - Personalwirtschaft

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

„Die Fachl<strong>auf</strong>bahn ist ein Placebo für Mitarbeiter, die<br />

keine richtige <strong>Karriere</strong> machen können oder dürfen.“<br />

Professor Christian Scholz, Universität Saarbrücken<br />

Wie schwierig es in der Praxis ist, eine<br />

akzeptierte Fachl<strong>auf</strong>bahn einzuführen,<br />

hat Oliver Sehorsch, Senior HR Manager<br />

Strategy/Change bei der Celesio AG<br />

in Stuttgart, in seiner vorangegangenen<br />

Station bei der Viktoria-Versicherung<br />

erlebt. „Das Thema wirft Konflikte<br />

<strong>auf</strong>“, hat Sehorsch noch gut in Erinnerung,<br />

„die Firmen tun sich schwer, die<br />

Spezialisten <strong>auf</strong> dieselbe Stufe zu stellen<br />

wie ihre Führungskräfte. Wenn die<br />

Unternehmen aber doch daran gehen,<br />

dann fangen sie oft gleich an, eine Riesenkarrierel<strong>auf</strong>bahn<br />

für Spezialisten<br />

<strong>auf</strong>zustellen.“ Das sei aber gar nicht<br />

nötig. „Die Top-Spezialisten sind die<br />

Leuchttürme eines Unternehmens. Es<br />

genügt im Grunde, diese Top-Spezialisten<br />

herauszufiltern und sie als Fachexperten<br />

in dieser Schlüsselposition zu<br />

benennen. Die Fachl<strong>auf</strong>bahn beschäftigt<br />

sich dann mit dem Thema, wie man<br />

neue Experten in diesen Schlüsselpositionen<br />

<strong>auf</strong>baut und wie man die bestehenden<br />

Experten betreut.“ Er zieht<br />

daraus den Schluss: „Die Fachl<strong>auf</strong>bahn<br />

in Ergänzung zur Führungsl<strong>auf</strong>bahn<br />

gibt es nicht. Wichtig ist es, die Schlüsselpositionen<br />

herauszuarbeiten und den<br />

dar<strong>auf</strong> tätigen Mitarbeitern ein attraktives<br />

Umfeld zu bieten.“<br />

Problem erkannt<br />

Auch mancher Personalberater sieht in<br />

der neu entfachten Diskussion um die<br />

Fachkarriere einen Nebenkriegsschauplatz,<br />

um vom wirklichen Problem –<br />

wie steigere und erhalte ich die Mitarbeitermotivation<br />

– abzulenken. „Es geht<br />

schon los mit dem Ziel“, sagt Albert<br />

Nussbaum, Psychologe und seit vielen<br />

Jahren Geschäftsführer der Personalberatung<br />

Mercuri Urval. „In Deutschland<br />

werden Fachl<strong>auf</strong>bahnen entworfen, um<br />

die Abwanderung von Fachkräften zu<br />

verhindern. Das ist eine Negativformulierung.<br />

Wenn man etwas einführt, um<br />

etwas Bedrohliches zu verhindern, ist<br />

man <strong>auf</strong> dem völlig falschen Trip. Man<br />

muss etwas einführen, um etwas Erstrebenswertes<br />

attraktiv zu machen.“<br />

Nach seiner Ansicht verhindern zwei<br />

Faktoren die Emanzipation der Fachl<strong>auf</strong>bahn.<br />

Zum einen das Einkommen:<br />

Bei Mercuri Urval erzielten einige Berater<br />

ein höheres Gehalt als er selbst.<br />

„Ansonsten weiß ich von keiner einzigen<br />

Fachkarriere in Deutschland, wo<br />

das möglich ist“, erklärt Nussbaum.<br />

„Ohne diese Freiheit kann man aber<br />

gleich das ganze Programm in den Boden<br />

stampfen.“ Zum anderen das Image:<br />

„Neben dem Einkommen streben die<br />

Mitarbeiter nach Dingen, die nicht unmittelbar<br />

an monetäre Werte gekoppelt sind<br />

– zum Beispiel die Aufmerksamkeit der<br />

Unternehmensspitze. Die Leitenden aber<br />

kümmern sich vornehmlich um den<br />

Führungsnachwuchs. Ich kennen kein<br />

Programm, wo die Fachkräfte ebenso<br />

viel Aufmerksamkeit erhalten wie die<br />

Führungskräfte.“<br />

Und auch deshalb ist die treuherzig<br />

beteuerte Gleichstellung der Fachkarriere<br />

für Nussbaum mit Ausnahme der<br />

IT und andere Hightech-Branchen reine<br />

Augenwischerei: „Menschen, die<br />

eine Führungsrolle anstreben, sind in<br />

der Regel anders motiviert als Spezialisten.<br />

Das sind Alphatiere, die Machtpositionen<br />

anstreben und sich durchsetzen<br />

wollen. Fachkräfte dagegen<br />

haben meist kein ausgeprägtes Dominanzstreben.<br />

Sie wollen eine professionelle<br />

Arbeit leisten und dafür anerkannt<br />

werden. Das sind völlig unterschiedliche<br />

Motivationsmuster. Die eine<br />

L<strong>auf</strong>bahn wird dominiert von Alphatieren,<br />

die andere von denjenigen, die<br />

‚nur‘ eine gute Arbeit machen wollen.<br />

Was glauben Sie: Wer behält über wen<br />

die Oberhand?“<br />

Unter Abwägung aller Argumente hält<br />

Professor Christian Scholz von der Universität<br />

Saarbrücken die Fachkarriere<br />

denn auch für entbehrlich. „Sie ist ein<br />

Placebo für Mitarbeiter, die aus ihrer Sicht<br />

keine richtige <strong>Karriere</strong> machen können<br />

oder machen dürfen“, sagt der Wissenschaftler,<br />

„in den Corporate Guidelines<br />

steht zwar etwas anderes drin, aber das<br />

wird nicht gelebt. In Wirklichkeit ist die<br />

Fachl<strong>auf</strong>bahn nur ein Pro-Forma-Ersatz<br />

für fehlende <strong>Karriere</strong>perspektiven.“<br />

Konfliktscheue Personalmanager<br />

Warum aber halten die Unternehmen an<br />

diesem Popanz fest? „Die Logik ist simpel“,<br />

erklärt Scholz, „in den Unternehmen<br />

stehen immer weniger Führungsebenen<br />

für <strong>auf</strong>stiegswillige Mitarbeiter<br />

zur Verfügung. Der Wettbewerb um das<br />

knappe Gut ‚Führungsposition‘ wird<br />

härter, weil die Mitarbeiter zwangsläufig<br />

sich selbst optimieren wollen. Also<br />

muss selektiert werden. Das alles geben<br />

aber vor allem konfliktscheue Personalmanager<br />

selten offen zu. Sie kommunizieren<br />

nicht klar, was die wirklichen<br />

Spielregeln im Unternehmen sind.“ Eine<br />

der Spielregeln laute, dass sich opportunistisches<br />

Verhalten durchsetzt. „Das<br />

sagen sie aber nicht“, wettert Scholz,<br />

„stattdessen packen sie kleine Motivationspäckchen<br />

dr<strong>auf</strong>. Eines davon ist<br />

die Fachl<strong>auf</strong>bahn, die dann im Nichts<br />

endet.“ Und setzt als Seitenhieb hinzu:<br />

„Übrigens ein typisches Beraterprodukt.“<br />

Darüber wird selten im Aufzug<br />

gesprochen.<br />

Christine Demmer, freie Journalistin, Wiesbaden<br />

11|2009 www.personalwirtschaft.de 21

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!