Karriere auf Augenhöhe - Personalwirtschaft
Karriere auf Augenhöhe - Personalwirtschaft
Karriere auf Augenhöhe - Personalwirtschaft
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
„Tendenziell sind hierarchische Denkmuster vorherrschend: Es wird angestrebt,<br />
<strong>auf</strong> der Führungsleiter möglichst weit nach oben zu gelangen.“<br />
Andreas Tenkmann, Aramark<br />
T<br />
reffen sich zwei Kollegen im Aufzug.<br />
„Lange nicht gesehen“, hebt der<br />
eine an, „was machst Du denn gerade?“<br />
„Ich bin jetzt Regionalexperte“, antwortet<br />
der andere. Wor<strong>auf</strong> der erste mit<br />
sichtlicher Betroffenheit reagiert:<br />
„Ach – Du hast keine Leute mehr?!“<br />
Marc Naumann weiß manche solcher<br />
Anekdoten zu erzählen, <strong>auf</strong>geschnappt<br />
oder erfunden, jedenfalls hart an der<br />
Wirklichkeit. Rangieren die Spezialisten<br />
im Ansehen tatsächlich unterhalb<br />
der Personal führenden Kollegen? „Bei<br />
den Mitarbeitern schon“, glaubt der Leiter<br />
internes Talent Management bei ABB<br />
in Mannheim, „man wird an der Größe<br />
des Dienstwagens und des Gehalts<br />
gemessen. Das ist eine Statusfrage.“<br />
Aus diesem Satz leitet sich eine Riesenherausforderung<br />
für viele Personaler<br />
ab. Was machen sie, die sich gerne wohlwollend<br />
geben, wenn sie kaum mehr<br />
anderes zu verteilen haben als den Mangel?<br />
Den Mangel an Führungspositionen<br />
beispielsweise. Von den Geschäftsleitungen<br />
oft sehr bewusst herbeigeführt,<br />
um den betriebswirtschaftlichen Erfolgsbeitrag<br />
jedes einzelnen Arbeitsplatzes<br />
zu maximieren, gilt die Führungskarriere<br />
für die meisten Mitarbeiter noch<br />
immer als die Krönung des Erfolgs. Welche<br />
<strong>Karriere</strong>modelle stellt man ersatzweise<br />
dem eifrig mit dem Finger schnippsenden<br />
Jungingenieur, dem mit den<br />
Hufen scharrenden Einkäufer und der<br />
ehrgeizigen Kollegin im Export in Aussicht?<br />
Wenn das, was sie eigentlich<br />
haben wollen, nur noch selten im Angebot<br />
ist?<br />
Bei ABB Deutschland tragen die alternativen<br />
<strong>Karriere</strong>modelle den schönen<br />
Namen „Bluefish“. Das Unternehmen<br />
implementiert just in diesem Herbst ein<br />
erweitertes Fachl<strong>auf</strong>bahnmodell in<br />
Deutschland. „Mit den ersten Funktionen<br />
haben wir bereits 1996/97 begonnen“,<br />
schildert Marc Naumann, jedes Jahr<br />
kommen neue dazu. „Wir beginnen mit<br />
einer Performance- und Potenzialeinschätzung<br />
durch die Führungskraft, die<br />
anschließend durch die nächste Ebene<br />
evaluiert wird. Darüber sprechen wir<br />
dann mit dem Mitarbeiter.“ Die Fachl<strong>auf</strong>bahn<br />
umfasst beispielsweise die Stufen<br />
Fachassistent, Junior Expert, Senior<br />
Expert. „Die höchste Stufe der Fachl<strong>auf</strong>bahn<br />
– der Principal Expert – ist <strong>auf</strong> der<br />
Führungsl<strong>auf</strong>bahn vergleichbar der Ebene<br />
Senior Manager“, erklärt der Talent<br />
Manager. Das klingt gut – aber ist es in<br />
den Augen der Kollegen auch gleich viel<br />
wert? „Wir setzen bei den Führungskräften<br />
an“, sagt Naumann, „die müssen<br />
dafür werben.“ Ein Mercedes–Fahrer<br />
soll jemandem, der auch gern Mercedes<br />
fahren möchte, einen Fiat verk<strong>auf</strong>en?<br />
Naumann lacht: „Daran arbeiten<br />
wir seit Jahren. Es ist nicht so, dass die<br />
Mitarbeiter gejubelt haben: ‚Wow, toll,<br />
endlich gibt es eine Fachl<strong>auf</strong>bahn.‘ Aber<br />
es war dringend notwendig. Seitdem<br />
wir ‚Bluefish‘ mit konkreten Positionen<br />
unterlegen können, kommt das bei den<br />
Mitarbeitern gut an.“<br />
Weniger Leitungsstellen<br />
Das Unternehmen hat eine Schlankheitskur<br />
hinter sich: Nur zehn bis elf Prozent<br />
der Beschäftigten bei ABB haben<br />
noch eine Führungsposition inne. Künftig<br />
seien „15, maximal 20 Prozent Führungsanwärter<br />
genug“, meint Naumann.<br />
Mehr dürften es nicht werden: „Sonst<br />
demotiviere ich die Leute, weil ich nicht<br />
genug Leitungsstellen habe.“ Mit der<br />
Fachl<strong>auf</strong>bahn wurde ein Parallelkamin<br />
eingezogen, <strong>auf</strong> dem man auch nach<br />
oben gelangen kann. Sein konstituierendes<br />
Merkmal ist nicht die Zahl der<br />
geführten Mitarbeiter, sondern das Spezialwissen<br />
der Funktionsträger.<br />
In der Wertigkeit jedoch klaffe noch<br />
immer eine Lücke zwischen den Aussagen:<br />
„Ich habe viele Mitarbeiter“ und „Ich<br />
weiß viel“. „Oft hört man vom Nachwuchs<br />
als erstes: ‚Ich will in die Führung<br />
gehen‘.“ Aber dann müsse man<br />
nachbohren, so Naumann: „Ist das die<br />
tatsächliche Motivation? Möchte der Mitarbeiter<br />
nicht eher sein Wissen vertiefen,<br />
als sich in der Führungs<strong>auf</strong>gabe<br />
mit Konfliktgesprächen herumzuschlagen?<br />
Das muss der Vorgesetzte mit dem<br />
Mitarbeiter diskutieren.“ Das Talent<br />
Management gibt dabei Hilfestellung. Im<br />
Herbst führen die ABB-Personaler vor<br />
Ort drei Dutzend Führungskräfteschulungen<br />
durch: „Wir erläutern das Grundsatzmodell<br />
und erklären, wie sie es am<br />
besten mit den Mitarbeitern besprechen,<br />
<strong>auf</strong> welche Fragen sie vorbereitet<br />
sein sollen und welche Antworten wir<br />
dar<strong>auf</strong> haben.“ Blitzartigen Erfolg wird<br />
die Werbekampagne für die Fachl<strong>auf</strong>bahn<br />
nicht haben. „Das geht nicht von heute<br />
<strong>auf</strong> morgen“, ist sich Naumann sicher.<br />
Immerhin dürften sich einige mehr für<br />
die Fachkarriere gewinnen lassen. „Früher<br />
wurde der Wunsch nach einer Führungskarriere<br />
viel öfter geäußert als<br />
heute.“<br />
Die sich ändernden Präferenzen der jungen<br />
Generation lassen Andreas Tenk-<br />
„Das Investment seitens des Unternehmens in die<br />
Führungsl<strong>auf</strong>bahn ist deutlich größer.“<br />
Tina Goddard, Microsoft<br />
11|2009 www.personalwirtschaft.de 19