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universität<br />

Sport, Spiel und Lebensphilosophie - Capoeira<br />

„Keine Angst haben, aber Respekt!“<br />

Es ist Dienstag 19.40 Uhr, Sporthalle Ulmenstraße. Männer laufen auf Händen. Frauen<br />

schlagen Räder. Andere vollführen fließende, schmeichelnde, katzenartige Bewegungen.<br />

Reggaemusik beschallt den Raum. Ricardo tritt ein, sagt „Hallo“ und beginnt zu laufen.<br />

9 Runden durch den Saal, anschließend Dehnübungen. Circa 30 junge Leute folgen<br />

seinem Beispiel, unterhalten sich nebenbei. Ricardo lehrt sie Capoeira, eine Kampftanzkunst.<br />

22<br />

„Wenn du es nicht wirklich willst,<br />

lernst du es nicht“, ist Ricardo Queiroz<br />

(32) überzeugt. Der Brasilianer ist<br />

mittelgroß, die schulterlangen Rastazöpfe<br />

sind im Nacken zusammengebunden,<br />

im linken Ohr blinkt ein Ring<br />

aus Strass. Jeden Dienstag leitet er<br />

den Anfänger- und Fortgeschrittenenkurs,<br />

kommt dafür extra von<br />

Hamburg nach Rostock. Nach der<br />

Erwärmungsphase sind die Gespräche<br />

unter den Studenten verstummt.<br />

Ihre Gesichter sind rot<br />

vor Anstrengung. Nahezu schweigend<br />

demonstriert Ricardo einige<br />

neue Schritte, seine Schüler sollen<br />

sie nachmachen. An den Wänden<br />

sind große Spiegel angebracht. So<br />

hat der Trainer alle im Blick, weist<br />

auf Fehler hin, zeigt die Übungen<br />

ein weiteres Mal. Es herrscht eine<br />

ruhige Atmosphäre. Die Konzentration<br />

der Sportler ist spürbar. Sie<br />

sollen mehrere Räder nacheinander<br />

schlagen. Bei wenigen klappt<br />

es, bei einigen sind Ansätze zu<br />

sehen, manche bewegen sich zu<br />

hastig. Wieder andere wippen mit<br />

dem Kopf zur Reggaemusik. Es<br />

herrscht eine relaxte Stimmung.<br />

Ricardo zeigt eine weitere Übung.<br />

Jeder Tanzschritt entwickelt sich<br />

aus dem wiegenden Grundschritt<br />

‚Ginga’. ‚Ginga’ kommt aus dem portugiesischen<br />

und heißt ‚wiegen’. Nach<br />

einigen Minuten beginnt die Partnerarbeit.<br />

Das eben gelernte soll so verinnerlicht<br />

werden. Die Teilnehmer stehen<br />

sich gegenüber, bewegen sich im wiegenden<br />

Grundschritt. Während zum<br />

Beispiel einer mit dem Bein einen Tritt<br />

andeutet, sich dabei eventuell noch um<br />

die eigene Achse dreht, geht der Partner<br />

in die Knie oder verschafft sich mit den<br />

Händen Deckung. Ricardo beobachtet<br />

jedes Trainingspaar und korrigiert gegebenenfalls.<br />

Nora Timm (21) studiert im 2. Se-<br />

Ricardo hat vor 15 Jahren mit Capoeira angefangen.<br />

Foto: Mandy Relius<br />

mester VWL und nimmt seit April einmal<br />

pro Woche an Ricardos Anfänger-<br />

Kurs teil. Für sie ist es „ein riesiger<br />

Spaß, aber auch eine gute Möglichkeit<br />

sein inneres Gleichgewicht wieder zu<br />

finden, wenn man total fertig von der<br />

Uni beim Training ankommt. Doch am<br />

Ende hat man soviel Energie, dass man<br />

nicht weiß, wohin damit.“ Über die Frage,<br />

was ihr am besten gefällt, muss sie<br />

kurz nachdenken, doch dann zieht sich<br />

ein breites Grinsen über ihr Gesicht.<br />

„Am besten finde ich das Erlernen neuer<br />

Schritte und das Ausprobieren zu<br />

zweit.“ Hin und wieder stößt sie auch<br />

an ihre Grenzen, doch sie sagt, „bis<br />

jetzt habe ich noch nicht ans Aufgeben<br />

gedacht. Man übt eben weiter,<br />

bis es klappt.“<br />

Den Soziologie- und Politikwissenschaftsstudenten<br />

Christian<br />

Berndt (24) führte ein Fernsehbericht<br />

vor ca. zweieinhalb Jahren<br />

zum Capoeira. Wie Ricardo<br />

trägt auch er ausschließlich weiße<br />

Kleidung, das schulterlange lockige<br />

dunkelblonde Haar zum Zopf<br />

gebunden. Die Hand- und Fußgelenke<br />

zieren dunkle Lederbänder.<br />

Da er schon etwas mehr Erfahrung<br />

mit Capoeira hat, assistiert er Ricardo<br />

ein wenig, bezeichnet sich bescheiden<br />

als den „Einäugigen unter<br />

den Blinden“. Er kümmert sich<br />

um die Begleitmusik, korrigiert die<br />

Anfänger bei den Übungen. Dabei<br />

ist ihm aufgefallen, dass „bei den<br />

Neuen in den 2 Monaten schon<br />

viele Fortschritte zu sehen“ sind.<br />

Die ‚Neuen’ sind vor allem Mädchen.<br />

Das liegt daran, dass „Capoeira<br />

den Jungs nicht aggressiv genug<br />

ist“, so Christian. Außerdem handle<br />

es sich hier um einen bei Mädchen sehr<br />

beliebten „Bauch- Beine- Po- Sport“.<br />

Gesundheitliche Bedenken sind nicht<br />

notwendig, da Ricardo großen Wert auf<br />

die Theorie legt. „Man muss die Bewegungsabläufe<br />

langsam verinnerlichen“,<br />

erklärt er und ergänzt, dass Verletzungen<br />

überwiegend durch falsche Erwär-

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