Büchner/Kaminski (Hg.), Lebensschutz oder kollektiver Selbstbetrug?
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Christian Hillgruber<br />
gewährleisten vermöge, sei der Gesetzgeber gehalten, durch Änderung<br />
<strong>oder</strong> Ergänzung der bestehenden Vorschriften auf die Beseitigung der<br />
Mängel und die Sicherstellung eines dem Untermaßverbot genügenden<br />
Schutzes hinzuwirken (sog. Nachbesserungs- <strong>oder</strong> Korrekturpflicht). <br />
Aus der Schutzpflicht für das Leben ergäben sich dabei besondere<br />
Anforderungen: „Der hohe Rang des geschützten Rechtsguts, die<br />
Art der Gefährdung ungeborenen Lebens und der in diesem Bereich<br />
festzustellende Wandel der gesellschaftlichen Verhältnisse und Anschauungen<br />
erfordern es, dass der Gesetzgeber beobachtet, wie sich<br />
sein gesetzliches Schutzkonzept in der gesellschaftlichen Wirklichkeit<br />
auswirkt“ 10 .<br />
Die geforderte Vergewisserung, „ob das Konzept die erwarteten<br />
Schutzwirkungen tatsächlich entfaltet <strong>oder</strong> ob sich Mängel des Konzepts<br />
<strong>oder</strong> seiner praktischen Durchführung offenbaren, die eine Verletzung<br />
des Untermaßverbots begründen“ 11 , ist bis heute ausgeblieben,<br />
obwohl ein Jahrzehnt wahrlich einen hinreichend langen Beobachtungszeitraum<br />
darstellt. Periodische Berichte über die Auswirkungen<br />
des Gesetzes, wie sie das BVerfG angeregt und etwa die Deutsche Bischofskonferenz<br />
angemahnt hat, hat die Bundesregierung nie vorgelegt.<br />
Ein eklatanter Verfassungsverstoß, den zwar auch die CDU/CSU<br />
kritisiert hat 12 , der aber bisher bedauerlicherweise nicht mit einem abstrakten<br />
Normenkontrollantrag vor dem BVerfG geltend gemacht worden<br />
ist und damit sanktionslos bleibt.<br />
3. Die Deformation und Erosion des Rechtsbewusstseins<br />
Weit schlimmer noch als das zu beklagende strafrechtliche Schutzdefizit<br />
aber wiegt die durch die gesetzliche Ausgestaltung der Beratungsregelung<br />
und die staatliche Finanzierung beratener Schwangerschaftsabbrüche<br />
eingetretene Beschädigung, um nicht zu sagen, Zerstörung des<br />
Rechtsbewusstseins hinsichtlich des von Verfassungs wegen gebotenen<br />
Schutzes des ungeborenen Lebens. Die seit zehn Jahren geltenden ge-<br />
<br />
BVerfGE 88, 203, 309.<br />
10<br />
BVerfGE 88, 203, 310.<br />
11<br />
Ebd.<br />
12<br />
Siehe die Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion vom 27.04.2004, BT-Drucks. 15/3029.<br />
16