Büchner/Kaminski (Hg.), Lebensschutz oder kollektiver Selbstbetrug?
Büchner/Kaminski (Hg.), Lebensschutz oder kollektiver Selbstbetrug?
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Tabufreie Zone?<br />
und schmerzlich ist. Nach dem Sturz der Regime, die auf den Ideologien<br />
des Bösen aufgebaut waren, haben in ihren Ländern die eben<br />
erwähnten Formen der Vernichtung de facto aufgehört. Was jedoch<br />
fortdauert, ist die legale Vernichtung gezeugter, aber noch ungeborener<br />
menschlicher Wesen. Und diesmal handelt es sich um eine Vernichtung,<br />
die sogar von demokratisch gewählten Parlamenten beschlossen<br />
ist, in denen man sich auf den zivilen Fortschritt der Gesellschaften<br />
und der gesamten Menschheit beruft.“<br />
Das andere vermeintlich unmögliche Zitat stammt von Kardinal<br />
Meisner, der am Dreikönigstag in seiner Predigt gesagt hat: „Es ist bezeichnend:<br />
Wo der Mensch sich nicht relativieren und eingrenzen lässt,<br />
dort verfehlt er sich immer am Leben: Zuerst Herodes, der die Kinder<br />
von Bethlehem umbringen lässt, dann unter anderem Hitler und Stalin,<br />
die Millionen Menschen vernichten ließen, und heute, in unserer Zeit,<br />
werden ungeborene Kinder millionenfach umgebracht. Abtreibung<br />
und Euthanasie heißen die Folgen dieses anmaßenden Aufbegehrens<br />
gegenüber Gott.“<br />
Was Kampagnen, die mit angstfreier journalistischer Aufklärung<br />
nichts zu tun haben, sind, konnte man tagelang beobachten. In Spiegel-online<br />
erscheint die nachweislich falsche Überschrift: „Kardinal<br />
Meisner vergleicht Abtreibungen mit Hitlers Verbrechen“. Sofort fordert<br />
jemand von der FDP die katholische Kirche auf, sich von Meisners<br />
Holocaust-Vergleich zu distanzieren. Claudia Roth von den Grünen ereifert<br />
sich medienwirksam gegen den Kardinal und behauptet, er habe<br />
die Opfer des Holocaust beleidigt, aber auch die Frauen, die sich in<br />
einer schwierigen existenziellen Notsituation befänden. Paul Spiegel,<br />
der Präsident des Zentralrates der Juden, wird interviewt und immer<br />
wieder zitiert mit seiner Meinung, der Kölner Kardinal habe Millionen<br />
von Holocaust-Opfern beleidigt.<br />
Nichts davon ist wahr. Der Kardinal hatte keineswegs den Holocaust<br />
relativiert, so wenig wie das Papst Johannes Paul II. getan hatte, dem<br />
man dasselbe vorwarf. Der heutige Papst, Benedikt XVI., musste im<br />
Februar deutlich darauf hinweisen, dass es dem Papst lediglich darum<br />
gehe, zu warnen vor den „Versuchungen der Gegenwart, um nicht<br />
erneut in die Falle des Bösen zu geraten“. Auch Demokratien seien<br />
eben nicht immun gegen das Böse. Immerhin: Der Chefredakteur der<br />
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