Die »Airport Road« verbindet den Flughafen mit dem Stadtkern Hargeisas, der Hauptstadt Somalilands HaRgeisa http://goo.gl/maps/UHg7I Johanna mit ihrem Kollegen Eisa auf dem Weg zu einem Dorfprojekt 44 <strong>oora</strong> 03/12
Zum Seerosen-Pflücken nach Somaliland Über Antworten, die ich nicht gefunden habe Text: Johanna Weiß Audioversion unter www.<strong>oora</strong>.de/audio Unsere Redakteurin ist in einem Land, in dem sie nicht sein sollte, für ein Praktikum, das nicht zu ihrem Studium passt. Auszüge ihrer Erlebnisse. // Dass ich hier im vom Krieg gezeichneten Somalia in der nördlich gelegenen Region Somaliland bin, ist in vielerlei Hinsicht verrückt. Bei Hitze bin ich die Erste, die in den Schatten flüchtet, ich habe kein besonderes Afrika-Herz und es hat mich noch nie in die Entwicklungshilfe gezogen. Was hat mich also hierher gebracht? Nicht zuletzt meine Fragen zu den Themen Armut und Reichtum. Ich erinnere mich an eine billige Fernsehsendung, in der Millionärsehefrauen ihre Villen vorgeführt und Einblicke in ihren Luxus zelebrierenden Lebensstil gegeben haben. Ich denke an eine Dokumentation über gigantische Preisentwicklungen am Kunstmarkt, die ich in einer Univorlesung gesehen hatte. Zur Geldanlage werden Milliarden für mit Farbklecksen verzierte Leinwände ausgegeben. Selbst viele Künstler schütteln über diese Dimensionen den Kopf. Ich will all das weder verurteilen, noch abstreiten, dass Reichtum auch seinen Reiz auf mich ausübt. Doch musste ich dabei immer wieder an die unzählbar vielen Armen auf der südlichen Erdhalbkugel denken. Denen bin ich zwar bis dato noch nicht begegnet, ich wusste aber, dass es sie gibt. Anfang Juli mache ich mich tatsächlich auf den Weg zu einem sechswöchigen Praktikum bei einer Entwicklungsorganisation. Kopfschütteln über mich selbst wechselt sich seitdem ab mit Abenteuerlust und Spannung bzw. Anspannung – je nachdem wie ungewohnt die Situation ist, in der ich gerade stecke. Brot von Nimco Ein Beispiel dafür ist meine Begegnung mit Nimco (die Namen sind geändert). Die zahnlose alte Dame ist Besitzerin eines Dukans, einem der zahllosen kleinen Ein-Raum-Lädchen hier. Oft liegt sie auf einer Matte hinter der Theke. Wenn sie allein ist, erhebt sie sich selbstverständlich für eintretende Kundschaft. Ist ihre Tochter auch im Laden, bleibt sie genauso selbstverständlich liegen und überlässt die Geschäfte ihrem Nachwuchs. Bei meinem ersten Besuch brauche ich Brot. Ich deute auf den großen mit Baguette gefüllten Plastikbeutel. Während sie darin herumwühlt und die Leibe betastet, um den besten zu finden, nehme ich den strengen Ladengeruch immer deutlicher wahr. Viele Menschen hier benutzen weder Toilettenpapier noch Seife. Ich blicke auf ihre Hände, das Brot – mir wird mulmig. Ich begreife zum ersten Mal, warum wir Gott um seinen Segen für unser Essen bitten. Im Vergleich zum westlichen Lebensstandard lebt sie unter extrem einfachen Bedingungen. Auf den ersten Blick mag sie arm erscheinen. Doch erlebt man sie, passt dieses Attribut nicht mehr. Nimco scheint absolut zufrieden, freut sich über ihre Kunden, schäkert mit deren Kindern und steckt ihnen Bonbons zu. Wenn ich ihren Dukan verlasse, bin ich nicht bestürzt, sondern fasziniert, dass Leben so anders und trotzdem so gut sein kann. Wenn ich Nimcos Dukan verlasse, bin ich fasziniert, dass Leben so anders und trotzdem so gut sein kann. Kunstmarktpreise und Hügelzelte Das Gegenteil war nach meinem Besuch in Camp B der Fall. In dem Flüchtlingslager leben 1.400 Menschen. Als ich ankomme, bin ich überrascht von der Stille. Statt der erwarteten Menschenmassen stehen mit Stofffetzen bespannte Hügelzelte auf der Erde. Nach einer Weile stellen sich ein paar Frauen zu mir und meinem Kollegen Axmed. Eine davon hat ein Baby auf dem Arm. Sie ist mit ihren drei Kindern vor einem Jahr aus Mogadischu geflohen. Eine andere hat ihr Dorf hinter sich gelassen, nachdem sie in der Dürre ihr gesamtes Vieh verloren hatte. Ohne Vieh hat sie auf dem Land keine Chance zu überleben. Ich frage mich, wie die beiden hier überleben. Auf der Rückfahrt deutet Axmed auf Menschengruppen, die sich über das trockene Land vor dem Camp beugen. »Diese Leute begraben gerade ein Familienmitglied.« Hier sind sie also endlich, die Armen, an die ich während der Dokumentation über Kunstmarktpreise gedacht hatte. Vor ein paar Wochen hatte ich mich gefragt, wie an wenigen Orten der Erde unglaublicher Reichtum herrschen kann, während an anderen das Nötigste fehlt. Auf diese Frage habe ich noch immer keine Antwort, möchte das Geld aber auch nicht mehr bedingungslos für Orte wie Camp B einfordern. Denn – so erfahre ich hier – Hilfe ist nicht gleich Hilfe. Glücklose und Hilflose Könnte eine Notsituation auch aus eigener Kraft überwunden werden? Würden dauerhaft negative Folgen bei Unterlassen der Hilfeleistung eintreten? Ist die Situation selbst verschuldet? Ist Quergedacht <strong>oora</strong>.de 45