AuÃenseiter - oora
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Wasser und Essen kann schließlich<br />
nicht schaden; der Zehnte wäre<br />
dann auch vom Konto.<br />
bereits wiederholt Hilfe geleistet worden? Diese Fragen bestimmen,<br />
ob unmittelbare Fürsorge nötig ist. Sie ist zum Beispiel direkt<br />
nach Unfällen oder Naturkatastrophen nötig. Es geht dann<br />
konkret darum, Blutungen zu stoppen, Wunden zu verbinden<br />
und Grundbedürfnisse zu stillen. Zu oft wird Fürsorge geleistet,<br />
wenn die Betroffenen schon eine aktive Rolle in Wiederaufbau<br />
oder Entwicklung leisten könnten.<br />
Doch auch wenn sich ein Mensch selbst nicht helfen kann, braucht<br />
es noch einen Blick in sein Umfeld. Denn zunächst steht die Familie<br />
des Notleidenden in der Verantwortung. Kann diese nicht<br />
einspringen, ist die Gemeinschaft dran, dann der jeweilige Staat<br />
und erst in letzter Instanz ist internationale Hilfe gerechtfertigt.<br />
Nun möchte ich für diese Fragen und Prinzipien weder Vollständigkeit<br />
beanspruchen, noch behaupten, dass sie leicht zu beantworten<br />
sind. Aber das ändert nichts daran, dass viele Gebergelder<br />
bereits einigen Schaden angerichtet haben.<br />
Ein Mensch, der unnötig befürsorgt wird, wird auf Dauer lebensunfähig.<br />
Er geht nicht mehr davon aus, dass er Gaben und<br />
Fähigkeiten hat und sein Leben in die Hand nehmen kann. Er<br />
wird außerdem seiner Beziehungen beraubt bzw. dazu ermutigt,<br />
sich vorschnell aus ihnen zurückzuziehen. Viele Dürreflüchtlinge<br />
in Camp B zum Beispiel sind die Glücklosen aus ihren Dörfern,<br />
kaum verliert ein ganzes Dorf seinen kompletten Viehbestand.<br />
Zwei bis drei Flüchtlinge aus jedem Dorf füllen aber schon<br />
ein ganzes Camp. Würden dort keine Lebensmittel verteilt, hätten<br />
die Unglücklichen zunächst in ihren Dorfgemeinschaften<br />
Hilfe gesucht und die Gemeinschaften sich verantwortlich gefühlt.<br />
Wenn man so will, entstehen solche Flüchtlingscamps erst<br />
durch das Einwirken ausländischer NGOs (Non-Governmental<br />
Organization). Brechen sie aber nach einiger Zeit ihre Zelte ab,<br />
stehen abhängig gewordene Menschen plötzlich alleine da und<br />
haben verlernt, sich selbst zu helfen. Dazu kommt, dass NGOs<br />
Eigeninteressen haben. Gesund aussehende Menschen, die in<br />
Wiederaufbau und Entwicklung unterstützt werden, erregen<br />
weniger Mitleid, als halb verhungerte Kinder. Wo es gelingt,<br />
Mitleid zu bewirken, ist auch die Spende nah. Und mit Spendengeldern<br />
halten sich NGOs nicht zuletzt selbst am Leben.<br />
Wasser und Essen kann doch nicht schaden<br />
Also keine Spenden mehr, um der Abhängigkeit produzierenden<br />
NGO-Industrie das Wasser abzugraben? Ganz so einfach ist es<br />
nicht. Zum einen trägt das Spendenverhalten privater Spender<br />
mit zu dem Problem bei. Haben wir nicht alle bereits von Hilfsorganisationen<br />
gehört, bei denen zu viel Geld in der Verwaltung<br />
versickert? So denken offenbar viele Spender und unterstützen<br />
am liebsten solche Projekte, die einen hohen Materialverbrauch<br />
bei minimalen Personalkosten aufweisen. Wunderbar, wenn<br />
möglichst viele Lebensmittel verteilt und Häuser gebaut werden.<br />
Nicht schlimm, wenn ein wenig daneben geht, sprich: bei Leuten<br />
ankommt, die solche Hilfe nicht brauchen. Projekte, die in Aufklärung,<br />
Bildung und Entwicklung von Gemeinschaften investieren,<br />
haben natürlicherweise hohe Personalkosten und wesentlich<br />
geringere Materialkosten. Für sie ist es aber schwer, an Gebergelder<br />
zu kommen, weil eben die Tendenz dazu besteht, an Organisationen<br />
zu spenden, die möglichst viel »Masse« produzieren.<br />
Weiterhin kann man bei Training und Entwicklung Erfolge<br />
nicht so leicht und schnell messen und nachweisen, wie bei<br />
Fürsorgeprojekten. Und welcher Spender will sich schon tief<br />
mit dem unterstützten Projekt auseinandersetzen? Wasser und<br />
Essen kann schließlich nicht schaden; der Zehnte wäre dann<br />
auch vom Konto.<br />
Erst in letzter Instanz<br />
ist internationale Hilfe gerechtfertigt.<br />
Zum anderen gibt es eben doch Menschen wie die Frau aus Mogadischu,<br />
die mitsamt ihrem ganzen Beziehungsumfeld aus dem<br />
Krieg fliehen. Und es gibt ganze Dörfer, die in der Dürre ihren<br />
vollständigen Viehbestand verlieren und eingreifende Fürsorge<br />
brauchen. Und manchmal leben sie in Staaten, die hier nicht<br />
einspringen können. Und dafür wiederum gibt es Organisationen,<br />
die sich der geschilderten Probleme bewusst sind und professionell<br />
helfen können.<br />
Es ist zum Davonlaufen. Ich fühle mich wie beim Seerosenpflücken.<br />
Ich glaube eine schöne pflückbare Erkenntnis gefunden<br />
zu haben. Kaum will ich sie herausgreifen, kommen die vielen<br />
Stränge zum Vorschein, an denen sie hängt. Doch eines haben<br />
die vielen Abenteuer meiner Reise einschließlich der Erlebnisse<br />
bei Nimco und Camp B für mich gemeinsam: Gleichzeitig mit<br />
ihren unvorhersehbaren Auswirkungen auf mich selbst und ihrer<br />
allgemeinen Unkontrollierbarkeit wurde mir die absolute<br />
Abhängigkeit von Gott bewusst. Auf überwältigend beruhigende<br />
Art bewusster als je zuvor. ///<br />
Zum Weiterlesen:<br />
› Steve Corbett et al: »When Helping Hurts – How To Alleviate Poverty Without Hurting<br />
The Poor … And Yourself«, 274 Seiten, 12,10 € (Noch nicht auf Deutsch erhältlich.)<br />
www.whenhelpinghurts.org<br />
Johanna Weiß (26) genießt ihre Freunde, gute Musik und den Bodensee.<br />
An dem studiert sie Kommunikation- und Kulturmanagement. Sie mag<br />
schreiben, lesen, kreatives Arbeiten und geht gerne auf Reisen.<br />
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<strong>oora</strong> 03/12