AuÃenseiter - oora
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Gemeinden werden nicht durch Außenseiter, sondern vor allem<br />
durch ›Marginal Men‹ verändert – also durch Leute, die sowohl integriert<br />
als auch abweichend sind, die gleichzeitig Bewahrer und Vordenker sind.<br />
konnten niemanden finden, der es geschafft hatte, als Einzelner<br />
seine Gemeinde zu überzeugen.<br />
So fragten wir den Gemeindeberater Harald Sommerfeld aus<br />
Berlin, ob er jemanden mit einer solchen Geschichte kenne.<br />
Seine Antwort auf diese Anfrage überraschte uns, brachte uns<br />
aber auch weiter auf der Suche nach der Antwort auf die Frage,<br />
wie man als Außenseiter seine Gemeinde überzeugen kann.<br />
Harald schrieb: »Ich bin skeptisch, ob das der thematisch richtige<br />
Ansatz ist. Organisationen können meines Erachtens in der<br />
Regel nicht von Außenseitern verändert werden. Außerdem haben<br />
Außenseiter keinen Anspruch darauf, dass man ihnen folgt,<br />
nicht einmal, wenn sie Recht haben. Das legitime Ziel von Außenseitern<br />
in einer Organisation besteht vor allem darin, dass<br />
man ihnen Freiräume einräumt, innerhalb derer sie ihre Vorstellungen<br />
praktizieren können. Wenn daraus dann eine beeinflussende<br />
Wirkung hervorgeht, umso besser.<br />
In einer traditionellen Gemeinde sollte der progressive Einzelne<br />
sich zunächst keine ehrgeizigeren Ziele stecken, als einvernehmlich<br />
seine persönliche Nische bewilligt zu bekommen. Beispiele:<br />
Statt eine Gottesdienstreform zu bewirken, führt der gangbare<br />
Weg zunächst eher über zusätzliche ›Sparten‹-Gottesdienste.<br />
Organisationen – also auch Gemeinden – werden nicht durch<br />
Außenseiter, sondern vor allem durch ›Marginal Men‹ verändert<br />
– also durch Leute, die sowohl integriert als auch abweichend<br />
sind, die gleichzeitig Bewahrer und Vordenker sind.<br />
Außenseiter werden neue Sichtweisen immer als Herausforderung<br />
präsentieren (oder so verstanden werden) und haben damit<br />
angesichts des Sicherheitsdenkens der Mehrheit wenig Chancen.<br />
Nur wer der Mehrheit die Sicherheit vermittelt, einer von ihnen<br />
zu sein, kann sie für Neues aufschließen.<br />
Ein Indiz dafür, dass es so ist, könnte die Tatsache sein, dass<br />
euch selbst kein passender Reformer eingefallen ist. Die scheint<br />
es also nicht zahlreich zu geben.«<br />
Gehen oder Freiraum finden?<br />
Es scheint zu stimmen, dass es nicht viele Außenseiter gibt, die<br />
ihre Gemeinde verändert haben. Wir mussten auch feststellen,<br />
dass es so viel mehr unseren Erfahrungen entsprach: Wir kennen<br />
viele, die davon träumen, als Außenseiter ihre Gemeinde<br />
zu verändern, die sich dann aber irgendwann aufreiben. Immer<br />
mehr Menschen setzen sich damit auseinander, ob und wie sie<br />
ihre Gemeinde reformieren können oder ob sie alternativ den<br />
Weg wählen, aus der Gruppierung auszutreten und woanders<br />
ihr Glück zu versuchen.<br />
So ging es auch einem unserer Redakteure, der zunächst in einer<br />
traditionellen Gemeinde war, die aber irgendwann nicht<br />
mehr seinem Glauben und Denken entsprach. Der vergebliche<br />
Versuch, etwas zu verändern, zehrte so sehr an ihm, dass er<br />
schließlich beschloss, diese Gemeinde zu verlassen. Die Alternative,<br />
Kompromisse einzugehen und sein anderes, der Gemeinde<br />
nicht mehr entsprechendes, Denken zu unterbinden, war für<br />
ihn keine Option.<br />
Harald Sommerfeld schreibt, dass Außenseiter sich als Ziel setzen<br />
sollten, eine Nische in der Gemeinde zu finden, in der sie<br />
den Freiraum haben, ihren Vorstellungen entsprechend aktiv zu<br />
werden. Dabei sollten sie nicht den Anspruch haben, dass dies<br />
zu einer Gemeindereform führt. Wenn so etwas in einer Gemeinde<br />
nicht möglich ist, gibt es wohl nur die Optionen sich<br />
entweder vollkommen anzupassen oder eben auszutreten.<br />
Meine Erfahrung<br />
Eine Nische gefunden habe ich als Jugendlicher in meiner Gemeinde.<br />
Da wir unseren Glauben nicht auf einer uns entsprechenden<br />
Art und Weise in der Gemeinde leben konnten, gründete<br />
ich zusammen mit meinem Bruder und ein paar Freunden<br />
eine Jesus-Freaks-Gruppe. In dieser Gruppe hatten wir alle<br />
Freiheiten und bekamen durch den Kontakt zu anderen Jesus<br />
Freaks wertvolle Inspirationen. Auch wenn es keine offizielle<br />
Anbindung gab, blieben wir auch in der Gemeinde als Mitarbeiter<br />
aktiv und verknüpften häufig die Aktionen der Jesus-Freaks-<br />
Gruppe mit der Gemeindearbeit. Dies führte zu keinen großen<br />
Reformen, es ermöglichte uns aber gleichzeitig in der Gemeinde<br />
zu bleiben und unsere Vorstellungen auszuleben.<br />
Ich wage also die These: Wenn du deine Gemeinde wirklich verändern<br />
willst, darfst du kein Außenseiter bleiben. Du musst zu<br />
einem ›Marginal Man‹ werden, jemand der voll dazugehört und<br />
trotzdem nach vorne denkt und Alternativen sieht. Jemand, der<br />
in beidem zuhause ist: im Alten und im Neuen. Dieser Spagat ist<br />
unheimlich schwer, und das nicht nur als einfaches Gemeindemitglied,<br />
sondern auch als Leiter oder Pastor. Und du wirst dabei<br />
immer feststellen, dass Veränderung Zeit braucht. Aber wenn du<br />
behutsam vorgehst und dabei auch für Kompromisse bereit bist,<br />
wachsen deine Chancen auf Veränderung um ein Vielfaches. ///<br />
Daniel Hufeisen (30) engagiert sich bei Emergent Deutschland, einem Netzwerk,<br />
das danach fragt, wie Glauben und Gemeinde heute gedacht und gelebt<br />
werden können. Außerdem bloggt er auf einAugenblick.de<br />
Außenseiter <strong>oora</strong>.de 11