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INHALT.ausgabe 25<br />
IN DIESER AUSGABE<br />
Formel 1<br />
kimi spezial: Eiszeit 24<br />
kimi spezial: Hinter der Iceman-Fassade 28<br />
Stephan Heublein, Chefredakteur<br />
<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong><br />
Sprechstunde<br />
Teamchefs und solche, die es (nicht) werden wollen - Ihre<br />
Terminkalender sind übervoll, ein Meeting jagt das nächste.<br />
F1-Teambosse gehören zu einer gestressten Spezies. So auch<br />
Gerard Lopez und Toto Wolff. Trotzdem nahmen sich der Lotus-<br />
Mitbesitzer und der potenzielle Nachfolger von Frank Williams, der<br />
dies aber eigentlich gar nicht sein möchte, alle Zeit der Welt, um<br />
auch noch die letzte Frage des <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>s ausführlich zu<br />
beantworten - die Termine spielten keine Rolle. Ab S. 34 und 52<br />
lesen Sie über Macht, Millionen und echte <strong>Motorsport</strong>enthusiasten.<br />
Überflieger - Das <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> lud allerdings nicht nur im<br />
Formel-1-Fahrerlager zum Plausch ein. Auch im MotoGP-Paddock<br />
waren die Fahrer nicht sicher. So verriet uns Yamaha-Star Ben<br />
Spies sein dunkles Burger-Geheimnis und deutete noch düstere<br />
Tattoo-Geschichten an.<br />
Sonstige Vögel - Die <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> Sprechstunde hatte<br />
nicht nur für Teamchefs und Motorradstars geöffnet. Auch<br />
DTM-Pechvogel Timo Scheider durfte uns sein Leid der letzten<br />
Jahre klagen - inklusive einer neuen Theorie über Blumen und<br />
Bienen. Aber erst als uns zur Geisterstunde in Oschersleben ein<br />
zwei Meter großer, gelber Vogel im Pressezentrum überfiel - seines<br />
Zeichens ein »Rennstrauss« und Maskottchen der Strecke -,<br />
erklärten wir die große Interviewrunde für diese Ausgabe vorsichtshalber<br />
für beendet. Viel Spaß beim Lesen!<br />
kimi spezial: Jetzt spricht der Iceman 32<br />
interview: Gerard Lopez 34<br />
Saison 2012: Formel Wahnsinn 38<br />
interview: Pastor Maldonado 44<br />
top-5: Die Stars von morgen 48<br />
interview: Toto Wolff 52<br />
history: Jo Siffert 56<br />
Automobil<br />
interview: Timo Scheider 62<br />
wrc: Die größten Aufholjagden 66<br />
interview: Simona de Silvestro 68<br />
technik: Chevrolet Camaro GT 70<br />
splitter: ADAC <strong>Motorsport</strong> 72<br />
Motorrad<br />
MotoGP-Zukunft: Utopie oder Dystopie? 76<br />
interview: Ben Spies 82<br />
history: Amerikanische Champions 86<br />
backstage: Ein Testtag mit Stefan Bradl 90<br />
top-5: Casey Stoner Highlights . 94<br />
interview: Bernhard Gobmeier 98<br />
moto3: Italienischer Nachwuchs 102<br />
interview: Tom Lüthi 104<br />
interview: Javier Villegas 108<br />
Service<br />
Boxenstopp 4<br />
Kolumnen 14<br />
ZIELGERADE 112<br />
Impressum 114<br />
Foto: adrivo/Sutton Titelfotos: adrivo/Sutton, milagro, lotus,<br />
2 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Pro VS.<br />
Saison 2012<br />
Fotos: adrivo/Sutton<br />
Die Saison bot<br />
bisher Action und<br />
Überraschungen<br />
am laufenden<br />
Band<br />
+++ PRO +++<br />
+++ CONTRA +++<br />
Ein Blick auf die aktuelle Saison würde vermuten lassen, dass die<br />
F1-Fans völlig aus dem Häuschen sind und an jedem Rennsonntag<br />
Jubelschreie aus den Wohnzimmern zu hören sind. Doch weit gefehlt.<br />
Statt Jubelarien hagelt es Kritik.<br />
Es scheint, als könnte die Formel 1 ihren Fans nichts Recht machen.<br />
Da präsentiert sich die Saison 2012 so spannend wie nie mit einem<br />
engen Starterfeld, überraschenden Siegern, zahlreichen Überholmanövern<br />
und beinharten Rad-an-Rad-Duellen. Doch so mancher<br />
F1-Anhänger zeigt sich angesichts der unerwarteten Sieger wie Pastor<br />
Maldonado verwirrt.<br />
Keine Frage, die Rennen in diesem Jahr sind unberechenbar. Es gibt<br />
keinen Seriensieger mehr wie im Vorjahr, aber ist es nicht das, was<br />
die Fans immer wollten? Rückblick auf den Bahrain GP 2010 - die<br />
Zuschauer erlebten damals eine der langweiligsten Prozessionsfahrten<br />
in der Formel-1-Geschichte.<br />
Innerhalb der Top-10 fand kein einziges Überholmanöver statt, abgesehen<br />
von Vettel, der in seinem angeschlagenen Boliden drei Gegner<br />
ohne Gegenwehr passieren lassen musste. Alles in allem gab es nur<br />
zwei Positionsverschiebungen in den Punkterängen. Damals beklagten<br />
sich die Fans über Langeweile, jetzt beschweren sie sich über zu viel<br />
Spannung. Es wird Zeit, sich zu entscheiden.<br />
Text: Kerstin Hasenbichler<br />
Pastor Maldonado gewinnt Spanien GP! So titelten wir am 13. Mai<br />
auf unserer Website <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com. »Was? Maldo-wer<br />
gewinnt in Barcelona?« So dürfte bei vielen Gelegenheitszuschauern<br />
die erste Reaktion ausgefallen sein.<br />
Die Formel-1-Saison 2012 mag so unberechenbar und abwechslungsreich<br />
sein wie nie - doch sie ist auch so chaotisch, undurchschaubar<br />
und unnachvollziehbar wie keine Saison der letzter Jahrzehnte.<br />
Überraschungssieger sind das Salz in der Grand-Prix-Suppe,<br />
absolute Zustimmung. Doch sie sollten die Zugabe sein, nicht die<br />
Regel. Sonst ist das Süppchen schnell versalzen.<br />
Wenn die Anzahl der Sieger parallel zur Anzahl der Rennen steigt, ist<br />
dies zunächst eine gute Schlagzeile, aber bald geht den Fans der<br />
Überblick verloren. Wer ist denn nun gut, warum ist er es und ist das<br />
Ganze nicht bloß eine vollkommen willkürliche Lotterie? Will ich es<br />
wirklich sehen, wenn jede Woche ein anderer Fahrer gewinnt, nur<br />
weil es mal zehn Grad wärmer oder kühler ist und die Reifen dadurch<br />
besser funktionieren?<br />
Die Formel 1 ist in diesem Jahr ein unberechenbares Biest, das war<br />
im ersten Saisondrittel unterhaltsam, könnte auf Dauer aber selbstzerstörerisch<br />
wirken. Niemand wünscht sich langweilige Prozessionen<br />
zurück, aber ein bisschen Durchschaubarkeit tut dem Sport<br />
doch gut.<br />
Text: Stephan Heublein<br />
4 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Ehren für<br />
SuperSic<br />
Mit 14 historischen Vespas fuhr der Club di Morciano di Romagna von Morciano<br />
di Romagna nach Silverstone, um im Andenken an Marco Simoncelli eine Replik<br />
seines Rennhelms an Riders for Health zu übergeben. Der Erlös der Versteigerung<br />
am Day Of Champions ging zum einen an die Stiftung und zum anderen an die<br />
Simoncelli Foundation, die sich für benachteiligte Kinder einsetzt. Nur eine Woche<br />
vor dem Silverstone GP wurde in Misano eine Plakette eingeweiht, wonach die<br />
Strecke nun »Misano World Circuit Marco Simoncelli« heißt.<br />
Fotos: milagro, adrivo/Sutton, motogp.com<br />
Die WSBK bahnt den<br />
Weg nach Indien<br />
GP-KOCHSTUDIO<br />
Beim Pre-Event in Barcelona durfte einmal mehr der Kochlöffel<br />
geschwungen werden - mit dabei die Espargaro Brüder, Scott<br />
Redding, Louis Rossi, Toni Elias und Claudio Corti, der zuhause<br />
schon gern einmal die Schürze umbindet. »Ich koche gern. Normal<br />
aber eher nur Kuchen und Pasta.« Beim Pre-Event waren<br />
allerdings Bohnen gefragt und der Chef des Restaurants durfte<br />
sich glücklich schätzen, dass seine Küche den Einfall der Moto2-<br />
Fahrer gut überstand: »Mit den Espargaro-Brüdern ist das eine<br />
gefährliche Angelegenheit, die sind z i e m l i c h<br />
verrückt.«<br />
Das perfekte<br />
Dinner in<br />
Barcelona<br />
Superbike goes India<br />
Nachdem sich die Superbike 2012 bereits als erste Zweirad-WM nach Russland<br />
wagt, geht es 2013 noch etwas weiter nach Osten; nach Indien um präzise zu sein.<br />
Der Buddh International Circuit wurde nach monatelangen Verhandlungen in den<br />
Rennkalender aufgenommen und wird am 10. März 2013 Gastgeber der WSBK.<br />
Na dann: ‚Namaste‘.<br />
6 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Text: Jule Krause<br />
Fahrerkarussell<br />
2013<br />
»Die Fahrerentscheidungen 2013 stehen und fallen mit Jorge«, wusste Andrea<br />
Dovizioso, der eigentlich auf einen Platz im Yamaha-Werksteam scharf ist. Die<br />
Würfel für Lorenzo sind unterdessen tatsächlich gefallen - der Spanier unterschrieb<br />
für 2013 und 2014 bei den Japanern. »Es war immer meine erste Option,<br />
hier zu bleiben.« Bleibt die Frage: wer wird sein Teamkollege? Bleibt Spies?<br />
Kommen Pedrosa oder Dovizioso? Oder kehrt Valentino Rossi zurück?<br />
Rookie-Regel<br />
Bleibt sie oder geht sie? Seit dem Rücktritt von Casey Stoner haben die Diskussionen um die<br />
Rookie-Regel zugenommen. Hinter dem Wirbel steckt Nachwuchsstar Marc Marquez, der gleich<br />
in ein Werksteam soll, namentlich Honda. Die Teamchefs haben nichts gegen eine Aufhebung der Regel, die Dorna, die sie erfand, auch nicht. Wie<br />
Livio Suppo erklärte, sei es viel wirtschaftlicher, einen Fahrer gleich im Werksteam zu fördern, anstelle mehr Geld in ein Satellitenteam zu stecken,<br />
wie geschehen bei Ben Spies und Marco Simoncelli. Die ganze Diskussion hat nur einen Haken: HRC will nicht mit zwei Spaniern starten. Wer würde<br />
also neben Marquez fahren?<br />
Darf Marc<br />
Marquez gleich<br />
ins Werksteam<br />
wechseln?
Franchittis dritter Streich<br />
Dario Franchitti gewann zum dritten Mal nach 2007 und 2010 den<br />
Klassiker auf dem Brickyard. Dass am Schotten in Indy einfach kein<br />
Weg vorbei führt, musste auch Takuma Sato erfahren. Bis zum Beginn<br />
der 200. und letzten Rennrunde hing der Japaner dem Ganassi-Piloten<br />
im Heck, dann versuchte er es mit der Brechstange und drehte sich<br />
Indy500 Fakten:<br />
Geschichte: 1909 erbaut,<br />
findet hier seit 1911 das<br />
legendäre Indy 500 statt.<br />
Mit 400.000 Zuschauern<br />
im Hexenkessel von<br />
Indianapolis ist das<br />
größte Autorennen der<br />
Welt zugleich auch die<br />
w e l t w e i t g r ö ß t e<br />
Einzelsportveranstaltung.<br />
beim Versuch die Führung zu übernehmen ins Aus. Hinter Franchitti<br />
belegten Scott Dixon und Tony Kanaan die Plätze. Stark schlug sich<br />
Rubens Barrichello, der als Elfter bester Rookie wurde. Jean Alesi<br />
wurde er aufgrund mangelnden Speeds von den Stewards früh aus<br />
dem Rennen genommen<br />
Milch: Traditionell feiert der<br />
Indianapolis-Sieger nicht mit dem<br />
sonst üblichen Champagner, sondern<br />
mit Milch. Die Erklärung: Sieger<br />
Louis Meyer verlangte nach seinem<br />
zweiten Indy-Sieg 1933 beim<br />
Verlassen des Autos ein Glas kühle<br />
Buttermilch - fortan stellte ein<br />
Milchproduzent aus Werbezwecken<br />
das neue Siegergetränk<br />
Rekordsieger: Mit jeweils vier<br />
Siegen sind A.J. Foyt, Al Unser<br />
und Rick Mears die absoluten<br />
Indy-Legenden. Hélio Castroneves<br />
und Dario Franchitti, die<br />
jeweils dreimal triumphierten,<br />
sind ihnen aber dicht auf den<br />
Fersen und noch aktiv.<br />
8 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com<br />
Finish: Auch nach 500 Runden kann es noch<br />
äußerst eng zugehen: 2011 warf J.R. Hildebrand<br />
eine sichere Führung in der letzten<br />
Kurve weg und Dan Wheldon erbte den Sieg.<br />
Der knappste Abstand im Ziel betrug 1992<br />
lediglich 0,043 Sekunden - Al Unser Jr.<br />
gewann vor Scott Goodyear.
Text: Frederik Hackbarth<br />
Audi siegt am Ring<br />
Fotos: adrivo/Sutton, indycar, ellen lohr, audi<br />
Zweimal Audi vor Mercedes - so lautete am Ende eines turbulenten 24h-Rennens<br />
auf dem Nürburgring das Endergebnis. Der Klassiker auf der Nordschleife<br />
lockte wie jedes Jahr wieder die Massen in die Eifel und hielt, was er versprach:<br />
Bereits in der Startphase sorgten Reifenschäden bei diversen Favoriten<br />
für Aufregung. Später knallte es gewaltig, unter anderem Klaus Ludwig wurde<br />
in einen heftigen Abflug verwickelt. Selbst bei der Zieldurchfahrt gab es noch<br />
Schrott, als der Manthey-Porsche wenige Meter vor dem Ziel von einem Renault<br />
Clio torpediert wurde. Die Sieger Basseng, Haase, Stippler und Winkelhock<br />
im Phoenix-R8 ließen sich dadurch aber nicht von der verdienten Champagnerdusche<br />
abhalten.<br />
Lohr<br />
is back<br />
Sie kann die Finger einfach nicht vom Lenkrad<br />
lassen: In Misano kehrte Ellen Lohr auf einem<br />
Mercedes-Benz Actros in die Truck-EM zurück - nach<br />
14 Jahren Pause! Trotz technischer Schwierigkeiten<br />
schlug sich die ehemalige DTM-Pilotin beim<br />
Comeback gut, kratzte an den Top-10. Die Zeichen<br />
der Zeit musste aber auch Lohr zur Kenntnis<br />
nehmen. Bei ihrem letzten Auftritt auf der Strecke,<br />
habe man den Kurs noch andersrum befahren. Etwas<br />
Gutes wollte sie dem zunehmenden Alter trotzdem<br />
abgewinnen: Dass man den Tagesanbruch zumeist<br />
noch schraubend im Fahrerlager erlebe, sei egal. »Ab<br />
einem gewissen Alter braucht man ja nicht mehr so<br />
viel Schlaf«, scherzte Lohr.<br />
Unfassbar laut<br />
Heimspiel für die Söhne Mannheims - die Band stattete der DTM auf dem ihrer Heimatstadt nahegelegenen<br />
Hockenheimring einen Besuch ab. Besonders beeindruckt zeigten sich die Musiker von der<br />
Geräuschkulisse. »Es ist unfassbar laut«, sagte Bassist Robbee Mariano dem <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>. Da die<br />
Gruppe im Rahmen des Rennens selbst auf der Bühne stand, musste sie sich ordentlich Mühe geben, in<br />
Sachen Sound mitzuhalten. Anschließend stand ein Treffen mit Audi-Pilot Timo Scheider auf dem Plan.<br />
»Ein ganz entspannter und relaxter Kerl - und vor allem Söhne-Fan!«, freute sich Sänger Tino Oac.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 9
I<br />
ny<br />
»Die Strecke sieht sehr schnell<br />
aus. Ich denke, da braucht<br />
man wirklich dicke Eier!«<br />
Sebastian Vettel<br />
über den neuen Kurs in New York<br />
Monaco am Hudson?<br />
Es war jahrelang Bernie Ecclestones größter<br />
Traum - 2013 soll er in Erfüllung gehen: Die<br />
Formel 1 startet vor der Skyline Manhattans.<br />
Gefahren werden soll auf einem 5,15 km langen<br />
Rundkurs über öffentliche Straßen, der nach<br />
derzeitigem Stand aus sieben Links- und zwölf<br />
Rechtskurven besteht. Das Boxengebäude befindet<br />
sich direkt an den Docks. »Monaco hat aufgrund<br />
seiner Geschichte einen hohen Stellenwert<br />
bei allen Fahrern«, sagt Sebastian Vettel. »Aber<br />
ich denke, es wird nicht lange dauern, bis New<br />
Jersey einen ähnlichen Stellenwert besitzt.«<br />
Auf und Ab<br />
Sebastian Vettel war bereits vor Ort, fuhr den<br />
Kurs im Straßenauto ab und stellte fest: »Was da<br />
auf uns zukommt, ist ziemlich einzigartig. Die<br />
Strecke erinnert mich ein bisschen an Spa, es geht<br />
auf und ab.« In der Tat erwartet die F1-Fahrer ein<br />
Höhenunterschied von mehr als 50 Metern. »Es<br />
gibt viele Highspeed-Geraden und harte Bremszonen.«<br />
Mit seinem Stop-and-Go-Charakter<br />
würde der neue Kurs auch dem Circuit Gilles<br />
Villeneuve in Montreal ähneln - und natürlich<br />
dem Klassiker in Monte Carlo.<br />
Stars und Sternchen<br />
Die Strecke führt auch durch eine der reichsten<br />
Villengegenden der Stadt. Grundstückspreise<br />
im zweistelligen Millionenbereich sind hier, bei<br />
bestem Blick auf Manhattan, keine Seltenheit.<br />
Den Vergleich mit dem mondänen Monaco muss<br />
also zumindest der obere Streckenteil keinesfalls<br />
fürchten. Selbst was den Promi-Ansturm betrifft,<br />
kann New Jersey mit dem Fürstentum mithalten.<br />
Mit Eli Manning wohnt der Quarterback des<br />
städtischen Footballteams Giants sogar in unmittelbarer<br />
Nachbarschaft zur Strecke.<br />
10 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Text: Frederik Hackbarth / Philipp Schajer<br />
Fotos: adrivo/Sutton, red bull racing<br />
Rennkalender im Wandel<br />
Frühester Saisonbeginn:<br />
In den Jahren 1965 und 1968 erfolgte der<br />
F1-Saisonauftakt am ersten Tag des Jahres.<br />
In beiden Fällen fanden die »Neujahrsrennen«<br />
in Südafrika statt.<br />
Spätester Saisonbeginn:<br />
Den spätesten Saisonauftakt erlebte die<br />
Formel 1 1951. Damals wurde mit dem<br />
Großen Preis der Schweiz das Auftaktrennen<br />
erst am 27. Mai ausgetragen.<br />
Frühestes Saisonende:<br />
1956 endete die Saison bereits am 2. September.<br />
Begonnen hatte das acht Rennen<br />
umfassende Formel-1-Jahr im Januar.<br />
Spätestes Saisonende:<br />
1962 erfolgte der Saisonabschluss erst am<br />
29. Dezember in Südafrika. Ein Jahr später<br />
fiel am 28. Dezember die letzte Zielflagge.<br />
Meiste Rennen:<br />
In diesem Jahr trägt die Formel 1 mit 20<br />
Rennen so viele Grand Prix aus wie noch<br />
nie zuvor.<br />
Wenigste Rennen:<br />
Die wenigsten Saisonrennen wurden in den<br />
Jahren 1950 und 1955 absolviert. Lediglich<br />
sieben Grand Prix standen damals auf dem<br />
Programm.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 11
Boxenspion<br />
BOXENSPION<br />
Air Kobayashi<br />
ist restlos<br />
ausgebucht<br />
Mark Sutton<br />
Life Through a Lens<br />
Flugstunde in Monaco<br />
Ehrlich gesagt hatte ich bei diesem Foto das Glück des Tüchtigen! Zehn<br />
Fotoagenturen erhalten in Monaco einen Platz in der ersten Kurve und als ich<br />
dort ankam, war nur noch einer übrig - also stand ich ganz außen mit Blick die<br />
Boxengerade hinunter. Ich zog das Foto ziemlich weit auf, um die Action komplett<br />
einzufangen und als Romain Grosjean sich über die Strecke drehte, stellte ich<br />
mich auf einen heftigen Unfall ein. Ich erwartete, dass jemand den Lotus rammen<br />
würde und drückte sofort den Auslöser. Sobald das Feld vorbei war, sah ich mir<br />
die Fotos durch und entdeckte das Bild, auf dem Kamui Kobayashi im Sauber<br />
komplett durch die Luft fliegt - das hatte ich beim Fotografieren gar nicht<br />
Bruno Sennas<br />
Auto überstand<br />
das Boxenfeuer<br />
bemerkt! Ich kann mir selbst jetzt noch<br />
nicht erklären, warum es zu keinem Massenunfall<br />
gekommen ist. Normalerweise<br />
gibt es kein Entkommen in Monaco. In<br />
der GP2 gab es einen massiven Unfall<br />
Richtung Massanet. Dort drehte sich ein<br />
Fahrer und im gesamten Feld entstand ein<br />
Ziehharmonikaeffekt. Zum Glück blieb das<br />
in der Formel 1 aus.<br />
Rauch, Chaos und<br />
Geschrei im<br />
Fahrerlager von<br />
Barcelona<br />
Boxenfeuer in<br />
Barcelona<br />
Das Siegerfoto war im Kasten und die<br />
Feierlichkeiten bei Williams hatten bereits<br />
begonnen. Also packte ich meine Kamera<br />
und kehrte ins Pressezentrum zurück, um<br />
die Bilder hochzuladen. Auf dem Weg<br />
zurück hörte ich die Explosion. Alle sahen<br />
auf den Rauch und ich rannte hindurch<br />
zurück - überall schleppten Menschen<br />
Feuerlöscher die Boxengasse hinunter. Es<br />
herrschte absolutes Chaos. Erstaunlich war die<br />
Hilfsbereitschaft aller und die Unterstützung aller<br />
Teams. Jeder brachte Feuerlöscher, sie wussten,<br />
dass es brannte und dass sich das Feuer auf<br />
andere Boxen ausbreiten konnte, wenn sie nicht<br />
helfen würden. Also halfen alle mit. Das war<br />
großartig von ihnen. Ich kam mir wie in einem<br />
Kriegsgebiet vor - fast wie ein Kriegsfotograf.<br />
Ich wollte den Leuten nicht im Weg stehen,<br />
aber mein Nachrichtensinn sprang an und ich<br />
hatte das Gefühl, dass ich die Bilder machen<br />
musste. Es war unglaublich, wie einige Teamverantwortliche<br />
mit anpackten und hinterher<br />
sogar gänzlich von Löschschaum und Rauch<br />
bedeckt waren.
Maria ist<br />
unschuldig:<br />
Der war‘s!<br />
2.<br />
1.<br />
3.<br />
1. Night of the Jumps: Wer oder<br />
was auch immer der Typ mit Spitzbart,<br />
Knollennase und Irokesenschnitt<br />
war, Maria wollte es sich<br />
mit ihm besser nicht verscherzen.<br />
2. Kanada GP: Die verlassenen Murmeltierbauten in Montreal<br />
waren zu klein, um sich darin zu verstecken. Pastor Maldonado<br />
konnte Karins Fragen einfach nicht entkommen.<br />
3. Lotus-Motorhome: Kerstin brachte nicht<br />
nur Gerad Lopez ein <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong><br />
- das ganze Team begeisterte sich für die<br />
Bilder von <strong>Kimi</strong>s WRC-Unfällen darin...<br />
Achtung,<br />
ein echtes<br />
Monster<br />
mit schirm,<br />
charme und...<br />
Fotos: adrivo/Sutton, milagro<br />
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Der ursprüngliche Geist der Rookie-Regel war sicher ein<br />
nobler, die Sinnhaftigkeit ist aber eben fraglich.<br />
Zwei<br />
Seiten<br />
der<br />
Medaille<br />
Text: Falko Schoklitsch<br />
Über Sinn und Unsinn lässt sich bei verschiedensten Dingen vortrefflich streiten und<br />
diskutieren. Sind wirklich 200 Fernsehkanäle notwendig, wenn überall nur Mist läuft?<br />
Wären nicht fünf ausreichend, die ein vernünftiges Programm oberhalb der Schmerzgrenze<br />
zeigen? Wäre ein MotoGP-Rennen nicht viel spannender, wenn es noch 20<br />
Runden länger liefe oder reichten auch zehn Runden insgesamt, da die Positionen dann<br />
ohnehin bezogen sind? Und ist die Rookie-Regel jetzt eine Hilfe oder ein Hindernis?<br />
Gerade über Letzteres wird intensiv diskutiert, da Casey Stoner sich mit Saisonende<br />
aus der MotoGP verabschiedet und Honda mit Marc Marquez einen Fahrer nach oben<br />
bringen möchte, der am besten gleich ins Werksteam einsteigen soll. Aktuell ist das<br />
noch verboten, die Regeln besagen klar, ein MotoGP-Neueinsteiger hat erst ein Jahr<br />
in einem Nicht-Werksteam zu verbringen, bevor er aufsteigen darf. Ben Spies war<br />
der Erste, der sich dieser Vorschrift beugen musste und er hält zwar nicht viel von<br />
der Regel, aber er ist klar der Meinung, wenn sie nun schon eingeführt wurde, dann<br />
sollte die Königsklasse auch dazu stehen.<br />
Dennoch gibt es starke Bestrebungen, das Werksverbot für Neulinge wieder aufzuheben.<br />
Die Argumente dafür sind einfach. So ist jedem bewusst, selbst wenn Marquez<br />
nicht ins Werksteam kommen dürfte, würde er mit Werksmaterial ausgestattet. Sollte<br />
er für ein Jahr in einem eigenen Team fahren, so wie das Valentino Rossi bei seinem<br />
Einstieg in die 500er tat, dann könnte Marquez einem Satelliten-Team seinen Werks-<br />
Prototypen wegnehmen, also entweder Gresini oder LCR. Und sollte er in einem<br />
Satelliten-Team fahren, dann hätte das einige Auswirkungen. Er brächte seine ganze<br />
Crew vom Monlau Competicion Team mit, das hieße, eine eingesessene Crew stünde<br />
auf der Straße. Ist der Spanier nach einem Jahr dann wieder weg, müsste eine neue<br />
Besatzung aufgestellt werden. Zudem hat Marquez seine eigenen Sponsoren, die<br />
sich mit den langjährigen Partnern des Satelliten-Teams nicht vertragen dürften. Also<br />
warum dann nicht gleich ins Werksteam?<br />
Auf der anderen Seite stehen die Gründe, warum die Rookie-Regel überhaupt erst<br />
eingeführt wurde. Satelliten-Teams erhalten die Chance, angehende Superstars<br />
und große Namen für zumindest ein Jahr bei sich einzusetzen, was die Aufmerksamkeit<br />
für die Rennställe erhöht und bei der Sponsorensuche hilft. Dank der zu<br />
erwartenden guten Ergebnisse könnte diese Zusammenarbeit auch noch über die<br />
betreffende Saison hinaus wirken. Zudem bezahlt der Hersteller gerne das Gehalt<br />
des zukünftigen Werksfahrers im Satelliten-Team, es wäre also noch dazu für die<br />
kleineren Mannschaften nicht allzu teuer, einen Star bei sich zu haben.<br />
Die Betrachtung beider Seiten der Medaille zeigt, es ist nicht so einfach, den richtigen<br />
Weg zu beschreiten. Aber gerade der Fall Marquez offenbart, es würde viel verbrannte<br />
Erde zurückbleiben, wenn er durch ein Satelliten-Team pflügen müsste,<br />
nur um dann nach einem Jahr wieder mit seiner gesamten Crew abzuziehen. Der<br />
ursprüngliche Geist der Rookie-Regel war sicher ein nobler, die Sinnhaftigkeit ist<br />
aber eben fraglich, wenn ein Pilot, von den Sponsorenaufklebern abgesehen, eigentlich<br />
vollständig mit Werksmaterial ausgestattet ist.<br />
So gesehen hat sich diese Regel wohl überholt, außer es wird sichergestellt, dass der<br />
Rookie nicht nur in einem Satelliten-Team fährt, sondern auch auf Satelliten-Material<br />
sitzt. Der bitterste Beigeschmack an der Sache wäre wohl der, dass Yamaha sich der<br />
Vorschrift mit Spies in vollem Umfang gebeugt hat, kaum hat aber Honda eigene Pläne,<br />
steht plötzlich alles auf der Kippe. Das ist das eigentliche Drama an der Sache und dazu<br />
gibt es keine zweite Medaillen-Seite<br />
Fotos: milagro<br />
14 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
+++ IM Vergleich +++ IM Vergleich +++ IM Vergleich+++<br />
Ziiiiieeeehhhh Immer auf der Suche nach dem Adrenalinrausch: Weltmeister, Olympiasieger, Tournee-Gewinner und<br />
Weltcupsieger - Thomas Morgenstern hat im Skispringen so ziemlich alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Entsprechend scheint sich<br />
der Kärntner gedacht zu haben: »Was Sven Hannawald kann, kann ich schon lange.« Während Hannawald im ADAC GT Masters seine<br />
Runden drehte, wagte sich Morgenstern gleich in die Königsklasse: in Spielberg fuhr er zwei Runden im Weltmeisterboliden von Sebastian<br />
Vettel. »Es war einfach der Wahnsinn, unvergesslich«, sagte der Österreicher. Lob gab es von seinem Fahrlehrer David Coulthard: »Er ist<br />
sehr flüssig und schnell gefahren, ein echtes Talent!«<br />
Fotos: adrivo/Sutton, dtm<br />
Fotos: Philip Platzer/Ray Demski/Red Bull Content Pool<br />
16 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
foto: Mercedes-Benz<br />
Fragen an<br />
Bernd Mayländer<br />
Sport verbindet, Sport zeigt soziale Verantwortung, Sport hilft! SportMeetsCharity ist das gröSSte Netzwerk<br />
zur Vorstellung von sozialem und gesellschaftlichem Engagement im Sport. Im <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> sprechen<br />
Menschen aus dem <strong>Motorsport</strong> über ihr soziales Engagement. Diesmal: Bernd Mayländer.<br />
1. Wie hat Dich die Welt des Sports geprägt?<br />
Im <strong>Motorsport</strong> sind alle Akteure im Fokus der<br />
Öffentlichkeit. Man lernt schnell, Dinge auszublenden<br />
und sich auf seine Arbeit zu konzentrieren. In<br />
der Formel 1 ist das Leben sehr schnelllebig. Als<br />
junger Rennfahrer reist Du um die Welt, ohne viel<br />
Wert auf die Landschaft oder Kultur zu legen. Über<br />
die Jahre bekommst Du allerdings ein anderes Bild.<br />
Wenn Du Deine Augen öffnest, erkennst Du die<br />
Unterschiede der Kulturen und die sozialen Verhältnisse<br />
in der jeweiligen Gesellschaft. Man wird<br />
offener für neue Eindrücke und sensibler für unterschiedliche<br />
Wohlstandsniveaus.<br />
2. Welche Werte wurden Dir in Deiner Kindheit<br />
vermittelt?<br />
Nie über Menschen zu urteilen, die man nicht<br />
kennt. Ich mache mir gerne ein persönliches Bild.<br />
Die Menschen sollten sich viel stärker gegenseitig<br />
akzeptieren. Meine Eltern haben mir beigebracht,<br />
allen Religionen und Kulturen offen<br />
entgegenzutreten.<br />
3. Wie gehen die Menschen heutzutage miteinander<br />
um?<br />
Das Internet führt dazu, dass viele gerade junge<br />
Menschen nur noch online leben. Ich halte das<br />
persönliche Gespräch für sehr wichtig. In der Formel<br />
1 herrscht eine gesunde Mischung. Man ist oft<br />
unterwegs. Gleichzeitig ermöglicht das Internet<br />
die Verbindung zur Familie in der Heimat.<br />
4. Welche Themen und Projekte liegen Dir am<br />
Herzen?<br />
Ich finde es toll, wenn Menschen sich für das Miteinander<br />
einsetzen und dadurch etwas bewegt wird.<br />
Ich selbst engagiere mich für die Kampagne 46664,<br />
ein 100%-iges Projekt der Nelson Mandela Foundation,<br />
das sich für die Aids-Aufklärung einsetzt.<br />
Außerdem engagierte ich mich durch meine Partner<br />
bei individuellen Aktionen, wie z. B. 2010, als ich<br />
mit der Allianz Schulen in den Favelas in Sao Paulo<br />
besuchte.<br />
5. Warum setzt Du Dich für diese Projekte ein?<br />
Auf die Kampagne 46664 wurde ich durch meine<br />
Agentur aufmerksam, die seit 2007 offizieller Repräsentant<br />
der Nelson Mandela Foundation in Deutschland,<br />
Österreich sowie der Schweiz ist. Nelson Mandela<br />
ist für mich ein Mensch, der in seinem Leben<br />
viel erlebt hat und dennoch durch seinen Umgang<br />
mit den Menschen weiterhin viel bewegt.<br />
6. Was kannst Du durch dein Engagement<br />
bewegen?<br />
Ich kann Aufmerksamkeit schaffen. Es ist ganz wichtig,<br />
Themen anzusprechen, die teilweise in der<br />
öffentlichen Wahrnehmung untergegangen sind.<br />
Wer spricht heutzutage noch über Aids? Solch wichtige<br />
Themen werden oft unter den Teppich gekehrt.<br />
7. Welches war das emotionalste Erlebnis bei<br />
Deinem Engagement?<br />
2010 war ich in Sao Paulo in den Favelas. Schüler<br />
wollten wissen, wie dieses und jenes funktioniert.<br />
Sie waren stolz und glücklich, diesen Moment durch<br />
uns erleben zu können, in einem Auto zu sitzen und<br />
kleine Geschichten zu hören. Ich erlebte, in welchen<br />
Verhältnissen Menschen leben können und dennoch<br />
nicht den Mut verlieren.<br />
8. Was war Dein sportliches Highlight?<br />
Im Jahr 2000 siegte ich beim 24 Stunden Rennen<br />
am Nürburgring, das war ein besonderer Moment.<br />
2001 gewann ich ein DTM-Rennen, obwohl ich mir<br />
zuvor den Fuß schwer verletzt hatte. Von ganz unten<br />
wieder ganz nach oben auf das Siegerpodest zu<br />
fahren - das war toll.<br />
9. Was war Dein sportlich bislang bitterster<br />
Moment?<br />
Das war 1994, als ich in San Marino bei Ayrton<br />
Sennas tödlichem Unfall am 1. Mai vor Ort war. Zu<br />
sehen, wie der <strong>Motorsport</strong> seinen Helden verlor:<br />
das war für mich der härteste Moment. Als Safety-<br />
Car-Fahrer bin ich immer froh, wenn die Fahrer<br />
unbeschadet ankommen.<br />
10. Gibt es einen Spruch, der für Dein Lebensmotto<br />
steht?<br />
Einen speziellen Spruch habe ich nicht. Mein<br />
Lebensmotto ist, dem Tag wohlgesonnen entgegenzutreten<br />
und mich abends schon auf den nächsten<br />
Tag zu freuen.<br />
Offizielle Partner von SportMeetsCharity<br />
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Wichtig für die Silly<br />
Season: Was machen<br />
Schumacher und<br />
Hamilton 2013?<br />
Es gibt nichts, was es nicht gibt - auch geheime Vorverträge,<br />
die in den dunkelsten Verließen lagern sollen.<br />
Verrückt, verrückter,<br />
Formel 1<br />
Text: Kerstin Hasenbichler<br />
Spannend, rätselhaft und nervenaufreibend. Wer jetzt denkt, dass ich über die<br />
ersten Rennen der Saison spreche, der irrt. Unbestritten ist die bisherige<br />
Formel-1-Saison ein Genuss für alle <strong>Motorsport</strong>fans - 90 Minuten pure Rennaction,<br />
Strategiechaos und unvorhersehbare Sieger. Doch auch abseits der Rennstrecke<br />
geht es heiß her. Felipe Massa wird von Ferrari in die Wüste geschickt,<br />
Michael Schumacher von Mercedes in die zweite Rennpension und Lewis<br />
Hamilton wäre selbst ein Bad mit Haien lieber als eine weitere Saison mit<br />
McLaren. Die Silly Season ist voll im Gange und die Zutaten der Gerüchteköche<br />
sind so bunt wie schon lange nicht mehr. Da wird schon mal Kamui Kobayashi<br />
abseits des Kanada GP gefragt, ob er sich als Nachfolger von Michael Schumacher<br />
bei Mercedes sieht.<br />
Dabei steht doch für jene, die sich gern als Experten ausgeben und dabei nicht<br />
mehr wissen als jede x-beliebige Wahrsagerin an der Straßenecke, schon<br />
längst fest, dass sich Mercedes nach drei Jahren Schumacher nach frischem<br />
Blut sehnt. Wie gut, dass man Paul di Resta bis zum entscheidenden Anruf<br />
von der Mercedes-Chefetage bei Force India geparkt hat. Wer glaubt, dass<br />
diese Spekulationen an Verrücktheit nicht mehr zu übertreffen sind, der kennt<br />
die Formel 1 nicht. Es gibt nichts, was es nicht gibt - so auch geheime Vorverträge,<br />
die in den dunkelsten Verließen von Maranello lagern sollen. Ob<br />
Sebastian Vettel seinen Ferrari-Vertrag mit Blut oder Wein unterzeichnet hat,<br />
wurde uns von den sonst so gut informierten, wenn auch stets anonymen<br />
Quellen nicht überliefert.<br />
Dass Felipe Massa bei Ferrari auf der Abschussliste steht, ist ein offenes<br />
Geheimnis, genauso wie die Tatsache, dass Vettel niemals an der Seite von<br />
Fernando Alonsos fahren wird. Da scheint es noch wahrscheinlicher, dass<br />
Ferrari seine Motorenkarte ausspielt, damit Peter Sauber seinen Schützling<br />
Sergio Pérez doch vorzeitig ziehen lässt. Und was passiert dann mit Felipe<br />
Massa? Da der Brasilianer den Wechsel zu einem kleinen Team ausschließt,<br />
weil er um Siege mitkämpfen will - was ihm allerdings trotz aufsteigender<br />
Form zuletzt auch bei Ferrari nicht gelungen ist - wird er höchstwahrscheinlich<br />
in den USA landen - wo sich bereits einige ausgemusterte F1-Piloten wie<br />
Rubens Barrichello und Juan Pablo Montoya befinden.<br />
Mit seinem aggressiven Fahrstil würde auch Lewis Hamilton gut in die NASCAR<br />
Serie passen. Glaubt man britischen Medien, wäre Hamilton fast alles Recht,<br />
um nicht länger für McLaren fahren zu müssen. Andere wiederum sehen darin<br />
nur ein Pokerspiel des Briten, um noch mehr Kohle aus dem Rennstall zu<br />
pressen. Angesichts mangelnder Alternativen sowie der Tatsache, dass<br />
McLaren in den letzten Jahren stets an der Spitze mitgefahren ist und jegliches<br />
Frustpotenzial nach dem Sieg in Kanada wie weggeweht scheint - außer<br />
Hamilton will bis zum Vettel-Wechsel dessen Ferrari-Cockpit warm halten -,<br />
scheint es wohl sehr wahrscheinlich, dass der Brite auch künftig mit McLaren<br />
auf Sieg- und Titeljagd gehen wird. Doch noch ist die Silly Season längst nicht<br />
zu Ende. Wer weiß, welche sensationellen Schlagzeilen in den kommenden<br />
Wochen noch ausgegraben und enthüllt werden...<br />
Fotos: adrivo/Sutton<br />
18 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Casey Stoner kümmert<br />
sich zukünftig um seine<br />
Familie - die MotoGP<br />
gehört ab Saisonende der<br />
Vergangenheit an<br />
DEBATTE: Casey Stoner<br />
Mehr als ein Rücktritt<br />
Kerstin HASENBICHLER: Was musste ich lesen, als ich über meinen Vierradteller<br />
blickte: Casey Stoner hört auf - mit 27 Jahren!? Als Erstes packt einen der Neid<br />
auf jenen, der mit 27 Lenzen nicht mehr arbeiten muss, doch was fängt ein echter<br />
Racer mit seinem restlichen Leben an? Für Damon Hill ist Anfang 30 das beste<br />
Alter für einen Rennfahrer. Michael Schumacher holte in Monaco - auf einer<br />
echten Fahrerstrecke - die Pole Position und das mit 43 Jahren...<br />
Eva WAGNER: Vielleicht hat er sich einfach angesehen, wie die Karrieren der Fahrer<br />
ausgegangen sind, die es noch ewig mit dem Rennfahren versucht haben und sich<br />
gesagt: Das muss ich nicht haben. Der Zeitpunkt ist insofern perfekt, da sein Vertrag<br />
zum Saisonende ausläuft und er einen Strich ziehen kann, um der GP-Welt Adieu<br />
zu sagen. Ich denke elementar für seine Entscheidung war auch die Geburt seiner<br />
Tochter. Er ist ein Familienmensch, versucht jede freie Minute in der Schweiz zu<br />
verbringen. Insofern ist es sicher ein Mix aus vielen Faktoren - und genau deshalb<br />
auch mutig, weil er keine Gründe vorschiebt, sondern auch Kritik an den Tag legt.<br />
Jule KRAUSE: Na ja, Casey hat schon seine Gründe: den Wandel der MotoGP<br />
und die CR-Richtung, plus die Tatsache, dass an sich niemand der Obrigen<br />
etwas darauf gibt, wenn die Fahrer sich äußern - darüber regt er sich<br />
schon seit Jahren auf, die Leute hören nur zu selten zu. Er hat keinen Spaß<br />
mehr und das war nun mal der Grund, warum er überhaupt den ganzen<br />
MotoGP-Zirkus und alles mitgemacht hat. Das Fahren mit Prototyp-Maschinen.<br />
Das fällt immer mehr weg, also zieht er einen Schlussstrich. Ich finde<br />
es extrem schade, allein was das fahrerische Können des Kängurus betrifft,<br />
wobei ich auch sagen muss RESPEKT, dass er sich an seine eigenen Prinzipien<br />
hält. Es ist sicher bequemer, einfach weiter zu trotten.<br />
seine Einstellungen zum Sport. Max Biaggi in der Superbike-WM hat diese Altersgrenze<br />
auch schon überschritten - und doch will keiner auf ihn verzichten. Aber auch<br />
nur, weil er mit Leidenschaft hinter der Sache steht. Eine Leidenschaft, die Casey<br />
Stoner über die Jahre abhanden gekommen ist.<br />
Kerstin: Dann verstehe ich nicht, warum die Dorna sich derartig engstirnig zeigt<br />
und lieber einen Top-Piloten wie Stoner ziehen lässt, anstatt auf die Kritik der<br />
Fahrer einzugehen und sich vielleicht zusammen an einen Tisch zu setzen. Ohne<br />
Top-Stars ist auch die MotoGP nichts wert.<br />
Jule: Die Dorna kann nicht von der Wand bis zur Tapete denken - und<br />
wenn man anfängt, auf die Kritik von Fahrern zu hören, oder die der Beobachter,<br />
dann müsste man ja auch eingestehen, dass etwas nicht stimmt.<br />
Zum Beispiel der Widerspruch zwischen dem Abschaffen der Prototyp-<br />
Maschinen und der Behauptung, dass das Bike der Star ist. Die Dorna<br />
konzentriert sich lieber auf das Offensichtliche - Casey hört auf, die MotoGP<br />
geht weiter. Zu ergründen, warum und ob man nicht einmal darüber nachdenken<br />
sollte, das würde Charakter erfordern.<br />
Eva: Mit Stoner geht zwar ein Star, aber nicht alle. Zwar haben alle Fahrer mehr oder<br />
weniger Verständnis für Stoners Kritik geäußert, aber nur wenige - wie Cal Crutchlow<br />
- haben sich auch wirklich aus dem Fenster gelehnt. Das weiß auch die Dorna. Ob<br />
ein Fahrer der GP den Rücken kehrt oder nicht, letztlich bestimmt noch immer die<br />
Dorna den Weg.<br />
Kerstin: Vergisst die Dorna nicht auch einen wichtigen Faktor, und zwar die Fans?<br />
Kerstin: Unbestritten ist die MotoGP ein viel gefährlicheres Pflaster als die<br />
Formel 1. Mit 43 Jahren brechen Knochen sicher schneller als mit 27. Aber Stoner<br />
hat von Beginn an viel in Kauf genommen, um seiner Leidenschaft zu frönen.<br />
Wie ein <strong>Kimi</strong> <strong>Räikkönen</strong> ist auch ihm der Zirkus herum verhasst, aber <strong>Kimi</strong> kehrte<br />
zurück. Aber wie gesagt, Alter spielt in der MotoGP eine größere Rolle. Auf einen<br />
43-jährigen Stoner kann die MotoGP gut verzichten.<br />
Eva: Ich glaube es geht nicht wirklich um das Alter. Es geht um den Menschen und<br />
Eva: Die Fans bemerken zwar, dass die MotoGP gerade auch im Vergleich zu anderen<br />
Klassen an Spannung abgebaut hat, aber sie mischen sich nicht in die ursächliche<br />
Diskussion um Prototypen und CRT-Bikes ein.<br />
Jule: In den letzten Jahren haben vier bis fünf Fahrer super Kämpfe<br />
um die Titel geliefert und zu denen gehört auch Casey. Die Leidenschaft<br />
für GP-Rennen hängt auch von den Fahrern ab, die die Maschinen<br />
pilotieren.<br />
Fotos: milagro<br />
20 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
22 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Foto: adrivo/Sutton<br />
böses<br />
wetter<br />
Kamui Kobayashi nahm<br />
die Geschichte vom<br />
Hubschrauberfliegen im<br />
Wohnzimmer etwas zu<br />
wörtlich und versuchte<br />
sich im Tiefflug<br />
F1-Fahrer sind feinfühlige Menschen. Sie spüren jede<br />
noch so kleine Setupverstellung im Millimeterbereich,<br />
die geringste Bodenunebenheit ist für sie wie ein<br />
Schlag in die Magengegend. Noch sensibler sind in<br />
diesem Jahr nur ihre Autos. Das macht Banalitäten<br />
wie das Wetter zum Topthema, nicht aus Themenmangel,<br />
sondern aus Angst oder Hoffnung. Fünf bis zehn<br />
Grad mehr oder weniger können das Pendel zwischen<br />
Sieg und Nirgendwo ausschlagen lassen. Das Fahrerlager<br />
ist voll gepackt mit High-Tech-Supercomputern<br />
und Strategiegenies, doch das Wetter stellt selbst sie<br />
vor schier unlösbare Aufgaben. Nur Bernie Ecclestone<br />
ist unbesorgt, seine Wetterkontrollmaschine scheint<br />
zu funktionieren. - Stephan Heublein<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 23
Fotos: adrivo/Sutton
KIMI<br />
spezial<br />
Text: Kerstin Hasenbichler<br />
Eiszeit<br />
<strong>Kimi</strong> <strong>Räikkönen</strong> wollte sich nie der Formel 1 anpassen und tat das auch nie.<br />
Doch anscheinend passt sich die F1-Welt an den schweigsamen Blonden aus<br />
dem hohen Norden an: angesichts seines Comebacks verstummen selbst<br />
langjährige Kritiker.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 25
as rote Licht blinkt, alle<br />
Kameras sind auf ihn<br />
gerichtet, hunderte Journalisten,<br />
mit Kugelschreibern<br />
und Notizblöcken<br />
bewaffnet, hängen an seinen Lippen. Doch<br />
statt die Aufmerksamkeit zu genießen,<br />
scheint sich <strong>Kimi</strong> <strong>Räikkönen</strong> bei der FIA-<br />
Pressekonferenz in Barcelona bloß zu denken:<br />
»Hilfe, ich bin kein Star - holt mich hier<br />
raus.« Seit dem Beginn seiner Karriere ist<br />
ihm der Zirkus rund um die Formel 1 verhasst.<br />
Wenn er mit Medienvertretern spricht,<br />
dann spricht er nicht, sondern flüstert und<br />
nuschelt, wofür er von vielen in der Vergangenheit<br />
als Schreckgespenst oder PS-Autist<br />
verteufelt wurde. »Er ist nicht jedermanns<br />
Liebling, aber das muss er auch nicht sein.<br />
Es gibt viele Journalisten, die mit ihm nicht<br />
klarkommen, aber das ist nicht sein Problem«,<br />
nimmt ihn sein ehemaliger Weggefährte<br />
bei Sauber, Jo Leberer, in Schutz. »Die<br />
F1 ist ein Männersport. Er ist rau, früher hat<br />
man ihn mit Frauen und Partys assoziiert.<br />
Deshalb ist <strong>Kimi</strong> so beliebt - auch in Deutschland<br />
-, weil er anders ist. Für einen Vorhang-<br />
Sponsor oder Haushaltsgerätehersteller ist er<br />
nicht geeignet, aber das ist nicht der Sinn und<br />
Zweck eines Rennfahrers.«<br />
Und wer <strong>Räikkönen</strong> in Barcelona genau beobachtete,<br />
der sah, dass nicht bei allen Journalisten<br />
auf seiner Stirn sofort das Wörtchen<br />
»Bullshit« aufleuchtete. Nach dem Qualifying<br />
saß er gut gelaunt im Lotus-Motorhome,<br />
trank Wasser aus einer Flasche in Gummibärchen-Form<br />
und sprach 18 Minuten lang<br />
mit Heikki Kulta, einem finnischen Journalisten.<br />
»Die Leute glauben gerne, von Details<br />
auf das Ganze schließen zu können. Wir<br />
Menschen mögen Klischees, da stören natürlich<br />
Differenzierungen«, sagt Kulta. Zwei<br />
Jahre F1-Pause haben <strong>Räikkönen</strong> nicht verändert,<br />
noch immer will er sich dem Formel-<br />
1-Zirkus nicht anpassen. Doch die F1 scheint<br />
sich nun ihm anzupassen, allen voran Lotus,<br />
die anders als McLaren oder Ferrari den<br />
Finnen so nehmen wie er ist und mit seinem<br />
Image spielen. In Malaysia verteilte das Team<br />
Eis mit den besten Grüßen von <strong>Räikkönen</strong><br />
- in Anspielung auf den Grand Prix von 2009,<br />
als <strong>Räikkönen</strong> noch vor Rennabbruch aus<br />
dem Auto stieg und sich ein Eis<br />
genehmigte.<br />
»Die F1 ist ein Männersport.<br />
Er ist rau, früher<br />
hat man ihn mit<br />
Frauen und Partys<br />
assoziiert. Deshalb<br />
ist <strong>Kimi</strong> so beliebt,<br />
weil er anders ist.«<br />
Das gesamte Fahrerlager scheint froh zu sein<br />
über die Rückkehr eines echten Typs. »Es war<br />
traurig, als er die F1 verließ und ich bin froh,<br />
dass er wieder zurück ist«, sagt etwa Johnny<br />
Herbert. »Ich mag <strong>Kimi</strong>, besonders die Art<br />
und Weise wie er pusht und das Maximum<br />
aus dem Auto herausholt. Er mag den ganzen<br />
Kram mit den Medien nicht, aber da ist er<br />
nicht der Einzige. Nur er zeigt es eben mehr<br />
als andere.« Auch Damon Hill lobt: »<strong>Kimi</strong><br />
macht sein eigenes Ding. Er ist nicht an dem<br />
Zirkus rundherum interessiert, ihm geht es<br />
ganz allein um das Fahren. Er lässt seine Performance<br />
auf der Strecke für sich sprechen.«<br />
Aber nicht nur in seiner Art ist <strong>Räikkönen</strong><br />
der Alte, sondern auch in Sachen Talent hat<br />
er nichts eingebüßt. In seinem erst vierten<br />
Rennen für Lotus stand der Finne auf dem<br />
Podest. Zum Vergleich: Michael Schumacher<br />
gelang dies in gut zwei Comeback-Saisons<br />
nicht und der Deutsche ist immerhin siebenfacher<br />
Champion, während <strong>Räikkönen</strong> es zu<br />
nur einem Titel geschafft hat - und wie viele<br />
seiner Kritiker meinen, dies auch nur mit<br />
Glück.<br />
»Michael brauchte nahezu ein Jahr, um halbwegs<br />
vorne mitmischen zu können. <strong>Kimi</strong><br />
kam zurück und war sofort vorne mit dabei«,<br />
betont Jackie Stewart. »Sie sind zwei verschiedene<br />
Persönlichkeiten. <strong>Kimi</strong> ist ein echter<br />
Racer, Michael ist es nicht und war es nie. Er<br />
hatte ein gutes Auto, ein gutes Team und fuhr<br />
gut. Aber bei <strong>Kimi</strong> liegt mehr Herz und Seele<br />
drin.« Unumstritten ist <strong>Räikkönen</strong> deutlich<br />
jünger als Schumacher und hat mit dem E20<br />
von Beginn an ein gutes Auto zur Verfügung,<br />
doch genauso unumstritten ist, dass die Fahrzeugbeherrschung<br />
des Finnen ihres Gleichen<br />
sucht. »Was <strong>Kimi</strong> aus einem Auto herausholen<br />
kann, sieht man selten«, sagt Leberer und<br />
erinnert sich an eine Anekdote aus der<br />
gemeinsamen Zeit bei Sauber: »Wir haben<br />
mal mit dem Mountainbike trainiert und er<br />
ist auf dem Hinterreifen den Berg hinauf<br />
gefahren. Er hat das Rad hochgezogen und<br />
ist losgefahren. Wie er den Berg runterge-<br />
Fotos: adrivo/Sutton<br />
26 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
fahren ist - da hat es schon teilweise geschneit<br />
gehabt, es lagen Blätter und Laub herum - da<br />
dachte ich mir nur, dass er dabei draufgehen<br />
und mich Peter Sauber deswegen umbringen<br />
wird. Der ist gefahren wie ein Wahnsinniger<br />
- im positiven Sinn. Er hat das Mountainbike<br />
absolut beherrscht und das Maximum<br />
herausgeholt.«<br />
Während Leberer vom fulminanten Comeback<br />
des Finnen nicht überrascht ist, mussten<br />
einige Kritiker ihre Meinung revidieren. »Ich<br />
habe am Anfang des Jahres gesagt, dass ich<br />
nicht glaube, dass <strong>Kimi</strong> es hinbekommt. Deswegen<br />
muss ich mich echt an der eigenen<br />
Nase packen und zugeben: ich hatte Unrecht.<br />
<strong>Kimi</strong> ist aus dem Stand wieder voll dabei«,<br />
räumt Christian Danner ein. »Er kommt mit<br />
allen modernen Gegebenheiten, den Autos<br />
ohne Tankstopps und den Pirelli-Reifen, perfekt<br />
klar. Seine Leistung ist einfach super.«<br />
Dabei bleibt <strong>Räikkönen</strong> weiter <strong>Räikkönen</strong>.<br />
So weigert er sich, für Lotus in den Simulator<br />
zu steigen, weil er lieber »richtige Autos auf<br />
der Strecke fährt«, und ließ den wichtigen<br />
Test in Mugello ausfallen, weil ihm das vorhergesagte,<br />
regnerische Wetter missfiel. Früher<br />
hätte man <strong>Räikkönen</strong> daraus einen Strick<br />
gedreht. Heute steigert das viel mehr die<br />
Unerwartete Stärke: Bei <strong>Kimi</strong> <strong>Räikkönen</strong> gab es<br />
von Saisonbeginn an keine Spur von angesetztem<br />
Rost oder Motivationsproblemen<br />
Bewunderung für seine Leistung. »Es ist so<br />
irre, was er manchmal macht. Manchmal<br />
kommt er gar nicht. Es ist unfassbar. Aber<br />
das ist <strong>Kimi</strong>, er ist halt so. Das mache ich<br />
ihm nicht zum Vorwurf. Er bringt seine Leistung<br />
auf diese Art und Weise - nicht<br />
anders«, sagt Danner. Das Wort Motivationsproblem,<br />
das seitjeher im Zusammenhang<br />
mit <strong>Räikkönen</strong> auftauchte, scheint<br />
derzeit nicht mehr im Wortschatz der Journalisten<br />
zu existieren. Im Wortschatz des<br />
Finnen kam es sowieso nie vor.<br />
»So lange ich weiß, dass ich 100 Prozent gegeben<br />
habe und ich glücklich mit meiner Fahrweise<br />
bin, bin ich zufrieden. Das ist ehrlich.<br />
Wem das nicht genügt, dem genügt es eben<br />
→<br />
nicht«, stellte <strong>Räikkönen</strong> klar. So ehrlich ist<br />
er auch, wenn er von seiner eigenen Leistung<br />
enttäuscht ist wie in Bahrain. Auf dem Weg<br />
zum Podest gratulierte ihm Red-Bull-Teamchef<br />
Christian Horner mit den Worten:<br />
»Starkes Rennen, <strong>Kimi</strong>!« Die knappe Antwort<br />
des Finnen lautete: »Nicht gut genug.« <strong>Räikkönen</strong><br />
will nur eines: Rennen fahren und<br />
Rennen gewinnen. »Die junge Generation<br />
hat das Ruder übernommen und <strong>Kimi</strong> gehört<br />
in Sachen Konkurrenzfähigkeit eindeutig in<br />
diese Kategorie. Ich denke, <strong>Kimi</strong> wird mehr<br />
Erfolg haben als Michael«, meint Herbert.<br />
Auch Hill erwartet sich noch einiges vom<br />
32-Jährigen. »<strong>Kimi</strong> verfügt über immenses<br />
Talent und Erfahrung. Und er ist noch jung.<br />
Ich fing erst mit 33 Jahren in der F1 an.<br />
Anfang 30 ist ein gutes Alter für einen Rennfahrer,<br />
somit ist es für ihn die optimale Zeit,<br />
in die F1 zurückzukehren.« Ob <strong>Räikkönen</strong>s<br />
Kritiker allerdings die restliche Saison verstummt<br />
bleiben, wird nicht zuletzt von seinen<br />
Ergebnissen abhängen. Das Comeback ist<br />
ihm zweifelsohne gelungen. Von Rennen zu<br />
Rennen haben sich Team und Fahrer gesteigert,<br />
während so manches Top-Team an Konstanz<br />
vermissen ließ. Das lässt auf Großes für<br />
2012 hoffen.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 27
28 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com<br />
Fotos: adrivo/Sutton
Der Mann hinter<br />
der Iceman-Fassade<br />
Text: Kerstin Hasenbichler<br />
Kurze Antworten,<br />
eiserner Blick. Das Iceman-Image<br />
haftet <strong>Kimi</strong><br />
<strong>Räikkönen</strong> unwiderruflich<br />
an. Das <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong><br />
wirft<br />
mit <strong>Räikkönen</strong>-Kenner<br />
Jo Leberer einen Blick<br />
hinter die Fassade des<br />
Eismanns.<br />
KIMI<br />
spezial<br />
Mit <strong>Kimi</strong> <strong>Räikkönen</strong> ist die Formel 1 um eine<br />
schillernde Persönlichkeit reicher. Seine Fahrzeugbeherrschung<br />
lässt die Fans jubeln, seine egozentrische<br />
Art die Journalisten, Sponsoren und Teamchefs<br />
verzweifeln. Auf die Aussage von<br />
Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali, er lebe auf<br />
einem eigenen Planeten, konterte <strong>Räikkönen</strong> einst<br />
auf seine gewohnt Art: »Ich lebe sehr gut auf<br />
meinem Planeten. Es ist schön hier.« Die Meinung<br />
anderer prallt am Finnen eiskalt ab, weshalb ihm<br />
sein damaliger McLaren-Teamchef Ron Dennis<br />
den Spitznamen »Iceman« verpasste. Auf und<br />
abseits der Strecke gibt <strong>Räikkönen</strong> Vollgas - an die<br />
Konsequenzen denkt er nicht. Eine Woche nach<br />
der Vertragsunterzeichnung bei Lotus trat er bei<br />
einem Schneemobilrennen in Österreich an.<br />
Andere Piloten hätten es langsam angehen lassen,<br />
um kein Risiko einzugehen - aber <strong>Räikkönen</strong> ist<br />
nicht irgendein Rennfahrer. Er gab Gas, verlor<br />
dabei die Kontrolle über seinen Schlitten und<br />
krachte in eine Schneewand. Die Folge war eine<br />
Verletzung an seiner Hand und negative Schlagzeilen.<br />
Doch damit kennt sich der Finne aus, der<br />
gern mal betrunken von einer Yacht fällt oder als<br />
James Hunt in einem Gorilla-Kostüm auftritt.<br />
Einer, der weiß wie es hinter der Fassade des Iceman<br />
aussieht, ist sein alter Wegbegleiter aus Sauber-Zeiten<br />
Jo Leberer. Dem <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong><br />
verrät Leberer, wer <strong>Kimi</strong> <strong>Räikkönen</strong> wirklich ist<br />
und welche Momente ihm unvergesslich<br />
bleiben.<br />
...das Comeback von <strong>Räikkönen</strong>:<br />
Jo Leberer hat mit <strong>Kimi</strong> <strong>Räikkönen</strong> schon so manche Anekdote erlebt...<br />
»Ich bin eigentlich nicht überrascht, dass <strong>Kimi</strong>s<br />
Comeback so gut gelungen ist. Wenn er sich entscheidet,<br />
zu fahren, dann ist für mich klar, dass er<br />
sich das genau überlegt hat. Es hat viele Meinungen<br />
von so genannten Experten zu <strong>Kimi</strong> gegeben.<br />
Als er sich zu seinem Comeback entschlossen<br />
hat, habe ich sehr viele Anfragen bekommen, aber<br />
ich überließ es lieber den anderen, ihre Meinung<br />
zu äußern. Klar habe ich meine Meinung gehabt<br />
und habe mich über die Expertenmeinungen<br />
gewundert. Ich kenne <strong>Kimi</strong> von früher. Er ist so<br />
motiviert, so willensstark und dass er fahren kann,<br />
wissen alle. Also warum sollte er dann nicht wieder<br />
vorne mitfahren? Ich hatte da keinerlei Angst,<br />
denn er hat nichts verlernt. Lotus brauchte<br />
jemanden, der schnell ist und das ist <strong>Kimi</strong>.«<br />
...Motivationsprobleme bei<br />
<strong>Räikkönen</strong>:<br />
»Motivationsprobleme gibt es bei <strong>Kimi</strong> nicht.<br />
Dass er sein Leben lebt, wie er es für richtig hält,<br />
das weiß jeder. Bei ihm weiß man, woran man<br />
ist. Gott sei Dank haben wir gerade solche Typen<br />
in der Formel 1, wir wollen ja keine Retortenfahrer<br />
haben. Dass nicht alle Fahrer gleich sind,<br />
gleich funktionieren, das macht es gerade so interessant.<br />
Seinen Kritikern kann ich nur sagen, dass<br />
er menschlich ein toller Kerl ist.«<br />
...die Anfänge bei Sauber:<br />
»Als er bei Sauber anfing, hat keiner <strong>Kimi</strong> gekannt.<br />
Wir haben dann eine Weile zusammen in Filzmoos<br />
trainiert, dort habe ich ihn wirklich gut<br />
kennengelernt. Ich kann nur von meinen eigenen<br />
Parametern ausgehen. Aber seine Einstellung,<br />
seine Körperbeherrschung, seine Ausdauer, seine<br />
Helligkeit, wenn es ums Rennen geht, seine Aufmerksamkeit,<br />
seine Willenskraft, seine Disziplin<br />
und seine Willensstärke, in dem Sinne, dass er<br />
nicht alles akzeptieren muss, haben damals schon<br />
gestimmt. Ich wusste, wenn er im Auto auch noch<br />
schnell ist, dann wird er ein ganz Großer. Das hat<br />
sich bestätigt. Kurz darauf wechselte er zu McLaren<br />
- das ist ein Schritt, den man normalerweise nicht<br />
macht. Aber <strong>Kimi</strong> hat es geschafft.«<br />
...<strong>Räikkönen</strong>s Talent:<br />
»Wir haben als er zu uns stieß, eine Prioritätenliste<br />
angefertigt. Er war damals nur eine Saison Single-<br />
Seater gefahren, 23 Rennen dann ist er in die Formel<br />
1 gekommen. Das war ein riesen Sprung, da<br />
kann man nicht das normale Vorbereitungsprogramm<br />
abspulen. Bei Sauber hat er diese Möglichkeit<br />
gehabt. Im Dezember hat er die Lizenz<br />
bekommen, im Januar/Februar hat er getestet.<br />
Gleichzeitig haben wir ihn körperlich sukzessiv<br />
auf die kommenden Belastungen vorbereitet. →<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 29
In Monaco fuhr <strong>Räikkönen</strong> mit einem Helmdesign zu Ehren<br />
von Ex-Champion James Hunt - weil er es »cool« fand<br />
Wir haben uns nach vorne getastet, was Nacken<br />
etc. anging. Ein Fahrer kann nur fahrerisch und<br />
technisch vorne mithalten, wenn er auch körperlich<br />
topfit ist. Im März war das erste Rennen und<br />
<strong>Kimi</strong> holte als Sechster gleich seinen ersten WM-<br />
Punkt. Das muss man sich mal vorstellen.«<br />
...<strong>Räikkönen</strong>s Coolness:<br />
»Unglaublich wie sich <strong>Kimi</strong> zu Beginn schon<br />
präsentiert hat. Wie kühl trotz des Drucks. Ich<br />
dachte, dass irgendwann die Nervosität kommen<br />
müsste. Das war ja auch bei den anderen Piloten,<br />
selbst bei den Spitzenfahrern der Fall. Sie ist aber<br />
nie gekommen. Vor seinem ersten F1-Rennen<br />
habe ich ihn kurz vorher noch einmal massiert<br />
und er ist dabei eingeschlafen. Eine halbe Stunde<br />
vor dem Start habe ich ihn praktisch wecken<br />
müssen und er meinte nur: ‚Jo, lass mich noch<br />
ein bisschen schlafen. Gib mir noch fünf Minuten.‘<br />
Das muss man sich vorstellen, das war vor<br />
seinem ersten Rennen! Ich finde das einfach<br />
genial. Diese Coolness muss einem angeboren<br />
sein. Es war eine Freude, mit ihm<br />
zusammenzuarbeiten.«<br />
...<strong>Räikkönen</strong>s erster WM-Titel:<br />
»Das war unglaublich, denn er lag in der WM<br />
weit zurück. Das ganze Sauber-Team hat sich<br />
natürlich über seinen Titel gefreut. Am Montag<br />
nach seinem Titelgewinn sind wir beide mit der<br />
Swiss nach Zürich zurückgeflogen und er meinte<br />
zu mir: ‚Hey Jo, morgen treffen wir uns in Zürich<br />
und feiern - nur enge Freunde, meine Frau und<br />
ich möchte das du dabei ist.‘ Und das nach vielen,<br />
vielen Jahren - das hat mich sehr gefreut. Der<br />
Weltmeister lädt mich persönlich ein, diese Einladung<br />
konnte ich nicht ablehnen. Wir sehen uns<br />
nicht oft, aber es ist eine Bindung da. Wenn man<br />
ihn einmal als Freund hat, dann hat man ihn<br />
immer. Obwohl er das Team gewechselt hat und<br />
damit eigentlich ein Gegner war, ist die Beziehung<br />
aufrecht geblieben. Das ist schön, das<br />
spricht für seinen Charakter.«<br />
Seine Einstellung,<br />
Körperbeherrschung,<br />
Ausdauer, Helligkeit,<br />
Aufmerksamkeit, Willenskraft,<br />
Disziplin<br />
und Willensstärke,<br />
in dem Sinne, dass er<br />
nicht alles akzeptieren<br />
muss, haben damals<br />
schon gestimmt.<br />
Ich wusste, wenn er<br />
im Auto auch noch<br />
schnell ist, dann wird<br />
er ein ganz GroSSer.<br />
Fotos: lotus<br />
30 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
→<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 31
KIMI<br />
spezial<br />
Fotos: adrivo/Sutton<br />
32 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
jetzt spricht der<br />
Iceman<br />
<strong>Kimi</strong> <strong>Räikkönen</strong> polarisiert. Die einen lieben ihn, weil er anders ist. die<br />
anderen kritisieren ihn genau aus diesem Grund. <strong>Räikkönen</strong> hat schnell<br />
gelernt, nicht auf Andere zu hören, sondern sich selbst zu vertrauen.<br />
Text: Kerstin Hasenbichler<br />
<strong>Kimi</strong> über <strong>Kimi</strong>: »Ich habe mich in den letzten<br />
Jahren nicht verändert. Ich glaube, dass die Leute<br />
immer denken, dass sich eine Person auf eine<br />
bestimmte Weise verändern muss. Klar, man wird<br />
älter, das eigene Leben verändert sich. Aber ich<br />
habe versucht, der Gleiche zu bleiben. Von meiner<br />
Arbeitsweise hat sich nichts zu früher verändert.<br />
Ich sage, was ich denke - egal, ob die Dinge gut<br />
oder schlecht laufen. Das habe ich immer getan.<br />
Manchmal funktioniert es eben besser, manchmal<br />
schlechter. Aber ich war immer schon<br />
geradeaus.«<br />
<strong>Kimi</strong> über den Job: »Ich würde es nicht<br />
machen, wenn ich es nicht lieben würde. Klar ist<br />
es ein Job, aber am Ende kommt es darauf an, ob<br />
du magst, was du tust. Aber klar wird man bezahlt<br />
und es gibt auch Dinge, die man nicht machen<br />
würde, wenn es eben zum Job nicht dazugehören<br />
würde. Nur des Geldes wegen wäre ich niemals in<br />
die Formel 1 zurückgekommen.«<br />
<strong>Kimi</strong> über die F1: »Keine Ahnung, ob mich<br />
die Formel 1 vermisst hat. Es interessiert mich<br />
auch nicht. Ich habe sie nicht vermisst. Ich bin<br />
nicht hier, um anderen zu gefallen. Ich will ich<br />
selbst sein und auf meine Weise die Dinge angehen.<br />
Wichtig ist nur, dass man mit sich selbst<br />
zufrieden ist. Wenn man nur versucht, anderen<br />
Leuten zu gefallen und man dabei selbst unglücklich<br />
ist, dann läuft etwas schief. Man kann<br />
sowieso niemals allen Leuten gefallen. Es ist<br />
wichtig, dass man selbst glücklich ist und mit<br />
dem, was man tut. Alles andere ist egal.«<br />
<strong>Kimi</strong> über Freizeit: »Ich bin gerne zu Hause<br />
und mache einfach mal gar nichts. So sieht für<br />
mich ein perfekter Tag aus. Klar, irgendwann<br />
wird es langweilig, nichts zu tun. Dann hängt es<br />
von der Stimmung ab, was man macht. Ich mag<br />
verschiedene Sachen - Motocross, Skifahren. Es<br />
gibt nicht eine Sportart, die ich mehr mag als<br />
eine andere. Normalerweise muss es für mich<br />
nur etwas mit Speed oder einem Motor zu tun<br />
haben, damit ich es mag.«<br />
<strong>Kimi</strong> über Familie: »Natürlich möchte ich<br />
Vater werden, aber ich halte es im Moment nicht<br />
<strong>Kimi</strong> <strong>Räikkönen</strong> hat die Formel 1 in seiner Auszeit nicht<br />
vermisst - trotzdem fightet er gerne wieder auf der Strecke<br />
für den richtigen Zeitpunkt. Kinder sind nur<br />
einmal klein, aber wenn man in der F1 fährt, ist<br />
man selten zu Hause und bekommt das alles<br />
nicht mit. Das ist eine komplizierte Situation. Ich<br />
denke auch, dass die Formel 1 nicht der richtige<br />
Ort für Familie und Kinder ist. Das ganze Umfeld<br />
ist nicht das, was ich mir für sie vorstelle. Aber<br />
klar freue ich mich darauf, eines Tages Vater zu<br />
sein. Ich konnte schon bei den Kindern von<br />
meinem Bruder üben. Ich würde nicht sagen,<br />
dass ich der beste Onkel der Welt bin, dafür bin<br />
ich einfach zu selten zu Hause. Momentan ist das<br />
Timing ein Problem.«<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 33
34 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com<br />
Fotos: lotus, adrivo/Sutton
Text: Kerstin Hasenbichler<br />
MittelmaSS ist nicht unser<br />
Ding<br />
Toleman, Benetton und Renault sind Vergangenheit. Gerard<br />
Lopez lässt das Team aus Enstone als Lotus in neuem<br />
Glanz erstrahlen. Im <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> spricht der<br />
Geschäftsmann Klartext - über <strong>Räikkönen</strong>, Budgets<br />
und den WM-Titel.<br />
MSM: Die Saison 2012 bewegt sich langsam<br />
auf die Halbzeit zu. Wie fällt Ihre Bilanz<br />
bisher aus?<br />
GERARD LOPEZ: Ich würde sagen, dass die<br />
Bilanz fast nur positiv ausfällt. Wir wissen,<br />
dass wir vom Speed her dabei sind, dass das<br />
Auto auf fast allen Strecken funktioniert.<br />
Einzig negativ ist, dass wir ein paar Ausfälle<br />
und Rückschläge im Qualifying hatten, aber<br />
ich bin guter Dinge.<br />
Lotus zählt zu den positiven Überraschungen<br />
des Jahres. Im letzten Jahr konnte das Team<br />
zu Beginn der Saison ebenfalls gute Ergebnisse<br />
einfahren, danach ging die Leistungskurve<br />
allerdings bergab. Was hat Lotus<br />
getan, um das 2012 zu verhindern?<br />
Die Frage ist viel mehr, was wir im Vorjahr<br />
nicht getan haben. Die Leistungskurve ist im<br />
vergangenen Jahr nicht abgefallen, weil wir<br />
keinerlei Weiterentwicklungen hatten. Wir<br />
waren eines der Teams, mit den meisten<br />
Entwicklungsstufen. Das Problem war<br />
allerdings, dass das Auto um ein Auspuffsystem<br />
herum gebaut wurde, was nach vier oder<br />
fünf Rennen nicht mehr in der Art und<br />
Weise, wie wir es genutzt haben, von der FIA<br />
zugelassen war. Das Chassis ist vorgegeben,<br />
somit konnten wir das Auto die gesamte<br />
Saison nicht mehr verändern. Wir konnten<br />
nicht mehr auf ein Auspuffsystem wechseln,<br />
das nach hinten rausgeblasen hat. Damit war<br />
die ganze Saison verkorkst. Dieses Jahr ist das<br />
Auto gut. Anders als im Vorjahr sind wir<br />
nicht mehr so extreme Wege gegangen, somit<br />
haben wir keine Angst, dass wir mit der<br />
Entwicklung nicht weiter mithalten können.<br />
Es könnte eher der Fall sein, dass andere<br />
Dinge nicht funktionieren, wie das im ersten<br />
Rennen der Fall gewesen ist.<br />
2011 wählte Lotus eine aggressivere Herangehensweise<br />
an das Auto, dieses Jahr war es<br />
Ferrari. In beiden Fällen ging die Strategie<br />
nicht auf. Kann man daraus schließen, dass<br />
der konservative Weg in der aktuellen Formel<br />
1 erfolgreicher ist?<br />
Es scheint so zu sein, einfach weil wir alle so<br />
eng beieinander liegen. Sobald man etwas<br />
probiert und es nicht hundertprozentig<br />
funktioniert, fällt man von 1 auf 12, 13, 14<br />
oder 15 zurück. Speziell in dieser Saison<br />
liegen zwischen der Spitze und dem Mittelfeld<br />
nur eine halbe Sekunde oder sechs Zehntel -<br />
da ist man schnell Top oder Flop. Ich würde<br />
nicht sagen, dass die Herangehensweise<br />
konservativ ist, aber man muss mehr in die<br />
Detailsuche gehen und wenn man in<br />
Bereichen extremere Wege gehen will, dann<br />
muss man diese langsam über die Freitagstests<br />
einführen. Man kann etwas nur →<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 35
auf das Auto schrauben, wenn man sich zu<br />
100 Prozent sicher ist. Vermutlich ging Ferrari<br />
dieses Jahr einen aggressiveren Weg, wir<br />
haben es im Vorjahr definitiv getan. Es hätte<br />
sich auch ausgezahlt, wenn sich die Auspuffregelung<br />
nicht verändert hätte. Aber so ist es<br />
halt.<br />
Mit <strong>Kimi</strong> <strong>Räikkönen</strong> und Romain Grosjean<br />
setzt Lotus auf zwei Piloten, die 2012 nach<br />
einer Pause in die Formel 1 zurückkehrten.<br />
Wie zufrieden sind sie mit der bisherigen<br />
Leistung und wie viel können sich die Fans<br />
von beiden noch erwarten?<br />
Ich bin schon sehr zufrieden, vor allem mit<br />
<strong>Kimi</strong>. Er hat sehr vielen Leuten gezeigt, dass<br />
er sein Comeback gut hinbekommen hat. Er<br />
gibt alles und bringt seine maximale Leistung,<br />
aber ich denke, da kommt noch etwas, wenn<br />
er immer mehr Qualifyings und Rennen<br />
gefahren ist. Bei Romain empfinde ich die<br />
gleiche Zufriedenheit. Wir wussten, dass er<br />
sehr schnell ist. Bei ihm ist es wie bei <strong>Kimi</strong><br />
eine Sache der Erfahrung.<br />
Wann haben Sie <strong>Räikkönen</strong> zum ersten Mal<br />
getroffen und welchen Eindruck hatten Sie<br />
von ihm?<br />
Das war vor sechs oder sieben Jahren. Es war<br />
schwer, sich einen Eindruck von ihm zu<br />
machen, weil ich mehr über andere Leute von<br />
ihm wusste. Damals habe ich nicht mit ihm<br />
selbst gesprochen, das ist jetzt ganz anders.<br />
Er ist wirklich ein toller Mensch.<br />
Jeder scheint eine Meinung über <strong>Räikkönen</strong><br />
zu haben. Er selbst geht in allen Dingen<br />
seinen eigenen Weg - er testet beispielsweise<br />
nicht im Simulator, weil er es nicht mag.<br />
Lotus scheint das zu akzeptieren. Ist das der<br />
Grund, warum er nach seinem Comeback so<br />
schnell wieder vorne mitfahren konnte?<br />
<strong>Kimi</strong> passt einfach zu uns. Bei uns gibt es<br />
keine Politik. Es gibt keinen Nummer-1- und<br />
keinen Nummer-2-Fahrer. Wir verlangen von<br />
einem Fahrer zuallererst, dass er gut fährt und<br />
dann kommt der ganze Rest. Und auch den<br />
ganzen Rest versuchen wir so zu managen,<br />
dass es nicht übertrieben ist. <strong>Kimi</strong> und ich<br />
reden auch sehr direkt miteinander. Der letzte<br />
Punkt ist, dass bei uns im Team eine super<br />
Stimmung herrscht. Das Team ist mehr eine<br />
große Familie. <strong>Kimi</strong> fühlte sich bei uns sofort<br />
wohl, aber nicht weil wir ihn so genommen<br />
haben wie er ist, sondern weil er so wie er ist,<br />
gut zu uns passt.<br />
Lotus fährt derzeit in der Liga von Red Bull,<br />
McLaren, Ferrari und Mercedes. Kann Lotus<br />
auch finanziell mit diesen Teams mithalten?<br />
Schließlich haben Sie bis jetzt noch keinen<br />
Titelsponsor...<br />
36 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com<br />
Wir geben jetzt nicht viel weniger oder mehr<br />
aus, als wir das vorher getan haben. Wir<br />
haben einfach die richtigen Entscheidungen<br />
getroffen. Wir haben weiterhin ins Werk<br />
investiert. Mittelmaß oder nur irgendwie in<br />
der Formel 1 mitzufahren, ist nicht unser<br />
Ding. Es ist nicht die Frage, ob wir finanziell<br />
mithalten können, sondern ob wir an der<br />
Rennstrecke mithalten können. Da scheinen<br />
wir im Moment ganz gut dabei zu sein.<br />
Welchen Wert stellt die Formel 1 für ihr<br />
Unternehmen Genii generell dar?<br />
Es ist kein normales Unternehmen, sondern<br />
eher eine Plattform. Die ganzen Unternehmen,<br />
die wir haben, werden wie die Formel 1<br />
geschäftlich gehandhabt. Verschiedene<br />
Unternehmen sind auch sehr bekannt, wir<br />
sagen auch nicht sehr oft, wo wir unsere<br />
Hände im Spiel haben. Aber diese Unternehmen<br />
sind jetzt nicht das Mega-Highlight,<br />
wenn es um Medienberichterstattung geht.<br />
Die Formel 1 ist hingegen sehr medienträch-<br />
<strong>Kimi</strong> passt einfach<br />
zu uns. Bei uns gibt<br />
es keine Politik. Es<br />
gibt keinen Nummer-1-<br />
und keinen<br />
Nummer-2-Fahrer.<br />
Wir verlangen von<br />
einem Fahrer zuallererst,<br />
dass er<br />
gut fährt und dann<br />
kommt der ganze<br />
Rest. Das Team ist<br />
mehr eine groSSe<br />
Familie.
alles passiert schneller, persönlicher und auf<br />
geringem Raum. Es ist ein bisschen wie ein<br />
Kondensat von dem, was man von außen<br />
kennt.<br />
Hinter den Kulissen wird fleißig am neuen<br />
Concorde Agreement gearbeitet. Ein Streitfaktor<br />
ist dabei immer wieder das Budget -<br />
eine mögliche Obergrenze.<br />
Wenn Geld im Mittelpunkt steht, dann gibt es<br />
immer Diskussionen, Streit oder was auch<br />
immer. Ich befürworte eine Obergrenze, aber<br />
ich würde keine Zahl nennen. Das wäre<br />
falsch. Wenn man sich einigen könnte, dann<br />
wäre ich für eine Obergrenze.<br />
Was macht für Sie persönlich die Faszination<br />
Formel 1 aus?<br />
Für mich ist es ziemlich einfach. Ich mag<br />
Autos. Ich mochte von klein auf Rennen. Wenn<br />
ich ein bisschen Zeit habe, dann setze ich mich<br />
auch selbst hinters Lenkrad. Von Zeit zu Zeit<br />
fahre ich GT-Rennen. Für mich ist die Formel<br />
1 die höchste Klasse des <strong>Motorsport</strong>s. Das<br />
beinhaltet Faszination, was Technik, Performance<br />
und Logistik angeht. Das ist schon das<br />
Maximale. Wenn man <strong>Motorsport</strong> liebt, kann<br />
man auch die Formel 1 nur lieben.<br />
tig und von daher ist es für uns eine super<br />
Plattform. Aber die Formel 1 definiert nicht<br />
unsere Geschäfte. Wir haben um die 60<br />
Beteiligungen in verschiedenen Firmen, die<br />
Formel 1 ist eine davon. Von außen betrachtet,<br />
ist die Formel 1 natürlich ein Unternehmen,<br />
das jeder sieht und kennt, aber auf<br />
keinen Fall definiert uns die Formel 1.<br />
Ist ein Formel-1-Team aus Ihrer Sicht ein<br />
ganz normales Unternehmen oder gelten in<br />
der Formel 1 doch andere Spielregeln als in<br />
der Wirtschaft?<br />
Zum Teil sind es die gleichen, nur auf zwei<br />
Ebenen gelten andere Spielregeln. Erstens ist<br />
es emotional. Normalerweise arbeitet nicht<br />
die ganze Firma an einem Sonntag, wo es ums<br />
Gewinnen oder Verlieren geht. Das bringt<br />
natürlich starke Emotionen - und wir sind im<br />
Team alle sehr emotional gebunden. Das ist<br />
vielleicht der große Unterschied. Zweitens ist<br />
das F1-Feld sehr klein. Es gelten hier zum Teil<br />
die gleichen Regeln wie in der Wirtschaft, nur<br />
Fotos: lotus, adrivo/Sutton<br />
Wenn Sie selbst Rennen fahren, lautet dann<br />
die Devise »Dabei sein ist alles« oder »Vorne<br />
dabei sein, ist alles«?<br />
Nein, nein! Wenn ich ein Rennen fahre, will<br />
ich schon vorne dabei sein.<br />
Mit welcher Platzierung am Ende des Jahres<br />
wären Sie in der Konstrukteurswertung<br />
zufrieden?<br />
Nach wie vor wollen wir Vierter werden,<br />
unabhängig davon, wo wir jetzt stehen. Das<br />
heißt nicht, dass wir nicht mehr alles geben<br />
werden, wenn wir Zweiter oder Dritter sind.<br />
Wir werden sicher versuchen, die Position zu<br />
verteidigen, aber wir haben ein Programm<br />
abzuspulen. Das Programm heißt, 2012<br />
mindestens Vierter zu werden. Platz vier wäre<br />
okay, Platz fünf wäre eine Mega-Enttäuschung,<br />
weil wir auf dieser Position schon im<br />
Vorjahr waren. Alles über Platz vier hinaus<br />
wäre positiv.<br />
Wann glauben Sie ist das Team bereit, um<br />
die WM mitzukämpfen?<br />
Wir möchten ab 2014 um die WM mitfahren.<br />
Alles, was schneller kommt, werden wir<br />
natürlich nehmen. Aber mitfahren, heißt<br />
nicht gewinnen, sondern zu wissen, dass wir<br />
ein Gesamtpaket haben, das uns erlaubt, an<br />
der Spitze zu fahren. Wir unternehmen alles,<br />
um es an jedem Sonntag hinzubekommen,<br />
aber wir wollen uns auch die Zeit geben, um<br />
das aufzubauen.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 37
TEXT: Stephan Heublein<br />
Formel<br />
Wahnsinn<br />
Unberechenbar, überraschend und actiongeladen: Die Formel-1-Saison 2012 ist ein Geschenk<br />
für die Fans und der Albtraum jedes Buchmachers. Das <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> untersucht, was<br />
die Königsklasse in diesem Jahr so abwechslungsreich macht.<br />
38 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Nico Rosberg schüttelt leicht mit dem Kopf. »Es ist ein großes<br />
Durcheinander«, sagt er. Die 63. Formel-1-Saison versetzt sogar<br />
die Akteure selbst in Erstaunen. »Ab und zu saß ich im Auto und<br />
fragte mich, wer hat denn jetzt eigentlich gewonnen?«, verrät<br />
der Mercedes-Pilot lachend. Die Siegerliste wuchs von Rennen<br />
zu Rennen stetig an - nur zwei Mal in den vergangenen Jahren<br />
gab es ähnlich viele Sieger, damals allerdings am Ende der Saison.<br />
Von Reifenroulette und Glücksspiel war nach so vielen verschiedenen<br />
Gewinnern die Rede. »Es sind niemals nur die Reifen, das<br />
ist ein Märchen«, wehrt <strong>Kimi</strong> <strong>Räikkönen</strong> ab. »Selbst wenn die<br />
Reifen funktionieren, gewinnt Marussia nicht plötzlich Rennen.«<br />
Aber was macht die unberechenbare Formel 1 des Jahrgangs 2012<br />
dann aus? Wieso konnte Pastor Maldonado den ersten Williams-<br />
Sieg seit 2004 holen, Sergio Perez beinahe in Malaysia gewinnen<br />
und Fernando Alonso trotz der offensichtlichen Schwächen des<br />
Ferrari auf Anhieb an der WM-Spitze mitmischen?<br />
Faktor 1:<br />
Regeländerungen<br />
Eine Formel-1-Saison ohne neue Regeln wäre wie Monaco ohne<br />
Yachten. In diesem Winter sagte die FIA dem angeblasenen Diffusor<br />
den Kampf an und verbot die Abtriebswunderwaffe, die<br />
Adrian Newey am Weltmeisterauto von Sebastian Vettel 2011<br />
perfektioniert hatte. »Dadurch sind die Autos jetzt recht anders<br />
im Vergleich zum letzten Jahr«, erklärt Rosberg. Der ‚blown diffuser‘<br />
habe einigen Teams unglaublich viel Speed gegeben. »Durch<br />
das Verbot wurden die Karten neu gemischt«, so Rosberg. Jenson<br />
Button geht sogar soweit, zu sagen: »Es gibt in diesem Jahr keine<br />
Top-Teams.« Abgesehen von HRT hält Button jedes Team für<br />
siegfähig. Den titelentscheidenden Geniestreich à la Doppeldiffusor,<br />
F-Kanal oder ‚angeblasenem Heck‘ gibt es in dieser Saison<br />
nicht - auch der Mercedes DRS-Flügeltrick fällt nicht in diese<br />
Kategorie. »Die Autos liegen so dicht zusammen, weil die neuen<br />
Regeln nicht mehr so viel Kreativität erlauben«, glaubt Fernando<br />
Alonso. Das beraubt Superhirne wie Adrian Newey ihrer wichtigsten<br />
Waffe.<br />
→<br />
Fotos: adrivo/Sutton<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 39
Faktor 2:<br />
Ausgeglichenheit<br />
Weniger Regelfreiheiten und ein stabiles Reglement bedingten<br />
schon immer ein enger zusammengeschobenes Feld - nur so<br />
eng wie 2012 lagen die Teams noch nie zusammen. Die<br />
kleinsten Details entscheiden über mehrere Startreihen und<br />
Positionen im Rennen. So ist es möglich, dass nur ein paar<br />
Grad Temperaturunterschied im Rennen das Blatt in die eine<br />
oder andere Richtung wenden können. »Natürlich ist es<br />
immer noch so: wer am schnellsten fährt, steht vorne«, rechnet<br />
Marc Surer im <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> vor. »Wenn das ganze<br />
Feld aber innerhalb von ein paar Zehnteln liegt, kommt es<br />
sofort zu Verschiebungen, wenn ein Auto nicht hundertprozentig<br />
stimmt.« Zu dieser Erkenntnis kommt auch Christian<br />
Danner. In seinen Augen liegen alle Teams bei Zuverlässigkeitsstandards,<br />
Motoren und Fahrzeugleistung in etwa gleich<br />
auf. Ein Beweis sind die Abstände im Qualifying: im ersten<br />
Saisondrittel betrug der Rückstand des Zweiten auf die Pole-<br />
Zeit nie mehr als eine gute halbe Sekunde; von Bahrain bis<br />
Monaco waren es sogar drei Mal in Folge weniger als ein<br />
Zehntel.<br />
Faktor 3:<br />
fahrerfeld<br />
Sechs Formel-1-Weltmeister im Starterfeld bürgen für eine<br />
gewisse Qualität der Fahrzeuglenker in der Saison 2012. Wenn<br />
dann sogar als Paydriver verschriene Piloten wie Pastor Maldonado<br />
zum GP-Sieger aufsteigen, steht fest: das Fahrerfeld<br />
2012 ist wahrscheinlich so gut wie noch nie. Auch Christian<br />
Danner sieht in dieser Saison ein unglaublich ausgeglichenes<br />
Feld. »Da macht der Fahrer den Unterschied aus«, betont er<br />
gegenüber dem <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>. »Es sind einfach saugute<br />
Fahrer unterwegs.« Diese These untermauert ein Pilot,<br />
der unter Experten als der kompletteste und vielleicht beste<br />
Fahrer unter den 24 Aktiven gilt. »Es ist eine Fahrer-WM«,<br />
betont Fernando Alonso. »Es gab keine Zufallssieger, jeder<br />
Fahrer hatte den Erfolg wirklich verdient, weil er das ganze<br />
Wochenende stark gewesen ist.« Umso mehr kommt es in<br />
dieser Saison auf konstante Topergebnisse und Punkteresultate<br />
an. In der WM-Endabrechnung könnte sich Konstanz<br />
demnach mehr auszahlen, als die meisten Rennsiege auf dem<br />
Konto zu haben.<br />
40 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Faktor 4: Reifen<br />
Es vergeht kaum ein Rennwochenende, an dem<br />
nicht ausgiebig über die neueste Reifengeneration<br />
und deren rapides Abnutzungsverhalten diskutiert<br />
wird. »Der größte Gegner sind wahrscheinlich die<br />
Reifen«, bestätigt Jenson Button. Nur wer eine gute<br />
Balance findet und die Reifen im richtigen Arbeitsfenster<br />
zum Funktionieren bringt, kann auch das<br />
Rennen gewinnen, sagen die einen. »Nein, die<br />
Reifen sind dabei nur das Zünglein an der Waage«,<br />
widerspricht Danner. Rosberg hält den Einfluss<br />
der Reifen dennoch für enorm: »Ein Auto, das<br />
nicht ganz so schnell ist, aber mit den Reifen besser<br />
umgeht, hat viel größere Chancen als in den Vorjahren«,<br />
erklärt er. »Das hat die Formel 1 aufgemischt.«<br />
Dank der unterschiedlich stark abbauenden<br />
Reifen sind verschiedene Strategien und<br />
damit auch viel mehr Überholmanöver möglich.<br />
»So kann man den Gegner auch mal aus der<br />
Reserve locken«, freut sich Danner, der die Reifendiskussion<br />
trotzdem als überbewertet ansieht.<br />
»Von einer Reifenlotterie kann schon überhaupt<br />
keine Rede sein, denn Pirelli stellt gleiche Bedingungen<br />
für alle her.«<br />
Zustimmung erhält Danner von Surer, der einen<br />
Vergleich zu den Zeiten der Bridgestone-Einheitsreifen<br />
zieht. »In Michael Schumachers<br />
Ferrari-Zeit lag er trotzdem vorne, selbst wenn<br />
die Reifen nicht richtig funktionierten - so viel<br />
Vorsprung hatte Ferrari damals«, erinnert Surer.<br />
In der heutigen Situation verliere ein Team gleich<br />
fünf oder sechs Positionen. Das sei der entscheidende<br />
Unterschied und der Grund dafür, warum<br />
die Reifen in diesem Jahr als so kritisch empfunden<br />
werden: »Die Reifen waren in der Formel 1<br />
schon immer wichtig, sie mögen jetzt noch kritischer<br />
geworden sein, aber in Zeiten des Reifenkriegs<br />
war es so, dass man auf manchen Strecken<br />
mit dem einen Reifenhersteller gar keine Chance<br />
hatte. Demnach sollten wir froh sein, dass jetzt<br />
alle die gleichen Reifen und damit die gleichen<br />
Voraussetzungen haben. Was jeder daraus macht,<br />
liegt in seiner Hand - wie beim Pokerspiel.«<br />
Wenn ein Team mit den Reifen schonender<br />
umgehen kann, wie etwa Sauber, hat es sich das<br />
erarbeitet. »Die Reifen sind für alle Teams gleich,<br />
und wir hatten seit den Wintertests Zeit, uns<br />
darauf einzustellen«, versteht Peter Sauber die<br />
Kritik nicht. »Natürlich mag das frustrierend sein<br />
für die Ingenieure, wenn die Reifen nicht das tun,<br />
was sie erwarten«, gesteht Sauber. »Aber wir<br />
sollten nicht vergessen, dass die Rennen nicht<br />
uns gefallen müssen, sondern den Fans.« Aus<br />
seiner Sicht gibt es ein paar wenige Leute im<br />
Fahrerlager, die sich nicht darauf einstellen können,<br />
am Freitag noch nicht zu wissen, wer am<br />
Sonntag gewinnt. »Ich denke, die Fans sehen das<br />
ganz anders. Sie freuen sich über die Unberechenbarkeit,<br />
die Abwechslung und die geradezu<br />
unglaubliche Leistungsdichte. Ich bin jetzt seit<br />
20 Jahren in der Formel 1 und fand sie noch nie<br />
spannender und besser.«<br />
Fotos: adrivo/Sutton<br />
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Alain Prost gewann 1982<br />
zwei Grand Prix<br />
Die meisten Sieger<br />
Die meisten GP-Sieger pro Saison gab es im Jahr 1982 mit elf verschiedenen<br />
Gewinnern. Insgesamt fünf Fahrer siegten je zwei Mal (Prost, Watson,<br />
Pironi, Lauda, Arnoux), sechs Piloten waren ein Mal erfolgreich:<br />
Patrese, Piquet, Tambay, de Angelis, Rosberg, Alboreto. In der Saison 1975<br />
trugen sich neun Fahrer in die Siegerliste ein, in den Jahren 1977, 1983,<br />
1985 und 2003 feierten jeweils acht Piloten mindestens einen Erfolg<br />
Die wenigsten Sieger<br />
Vier Mal gab es in der Formel 1 nur drei verschiedene<br />
Sieger. In den Jahren 1950 und 1952 ist in dieser Zahl<br />
jedoch der Sieger des Indy 500 berücksichtigt, das<br />
zwischen 1950 und 1960 zur Formel-1-WM gezählt<br />
wurde. 1963 dominierte Jim Clark die Saison mit<br />
sieben Siegen, 1988 gewannen die beiden McLaren-<br />
Fahrer Alain Prost und Ayrton Senna alle Rennen bis<br />
auf eines - den Großen Preis von Italien in Monza, bei<br />
dem legendär Gerhard Berger für Ferrari<br />
triumphierte<br />
Jim Clark<br />
dominierte die<br />
Saison 1963<br />
Keke Rosberg<br />
wurde mit<br />
einem Sieg<br />
Weltmeister<br />
Auch Mike<br />
Hawthorn gelang<br />
nur ein Sieg in<br />
der WM-Saison<br />
Weltmeister mit einem Sieg I<br />
Die Saison 1982 schrieb nicht<br />
nur wegen der Rekordanzahl<br />
von 11 Siegern in 16 Rennen<br />
Schlagzeilen. Mit Keke Rosberg<br />
gewann auch ein Pilot den Weltmeistertitel,<br />
der nur einen einigen<br />
Grand Prix gewann. Kurios:<br />
passend zum 30-jährigen Jubiläum<br />
von Rosbergs Titelgewinn<br />
erzielte sein Sohn Nico seinen<br />
ersten GP-Erfolg in China und<br />
das auch noch in einer ebenso<br />
unberechenbaren Saison wie im<br />
Titeljahr seines Vaters.<br />
Weltmeister<br />
mit einem Sieg II<br />
Rosberg teilt sich den Rekord für den Titelgewinn mit<br />
nur einem Sieg mit Mike Hawthorn, der 1958 mit nur<br />
einem GP-Erfolg beim Frankreich GP Champion wurde.<br />
Damals standen allerdings nur elf Rennen im Rennkalender,<br />
diese brachten allerdings sechs verschiedene<br />
Sieger hervor. Hawthorn setzte sich mit einem<br />
Zähler Vorsprung gegen Stirling Moss durch, der in<br />
jenem Jahr vier Grand Prix als Sieger beendete.<br />
Es wird immer<br />
mehr überholt<br />
Überholstatistik<br />
Dank DRS und KERS bot die Saison mit 1.152 Positionswechseln (inklusive<br />
Regenrennen) die meisten Überholmanöver der letzten 20 Jahre. Die wenigstens<br />
sahen die Fans 1996 mit gerade einmal 186 Manövern. Die meisten<br />
Überholmanöver in dieser Zeit gab es beim Türkei GP 2011 (126), gefolgt<br />
vom Regenchaos von Kanada 2011 (125). Keinerlei Überholmanöver gab<br />
es beim Europa GP 2009 in Valenia, dem US GP in Indianapolis 2005 (nach<br />
Michelin Tyregate mit nur sechs Autos) und dem Monaco GP 2003.<br />
Fotos: adrivo/Sutton<br />
42 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Text: Karin Sturm<br />
Payday<br />
Seit Barcelona gehört Pastor Maldonado dem erlesenen Kreis der Grand-Prix-Sieger an. Zugetraut haben<br />
ihm das in seiner Karriere die wenigsten. Das <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> traf sich mit dem Williams-Piloten, um<br />
mit den Vorurteilen aufzuräumen.<br />
Er war der Überraschungssieger des Jahres, als<br />
er in Barcelona den Spanien GP gewann: Pastor<br />
Maldonado, der Mann aus Venezuela, dem<br />
viele immer unterstellten, er sei nur wegen<br />
seiner hohen Öl-Millionen-Mitgift in der Formel<br />
1, vermittelt durch den venezolanischen<br />
Staatspräsidenten Hugo Chavez. Doch der<br />
GP2-Champion von 2010 bewies, dass er viel<br />
mehr ist als nur ein »Paydriver«, dass bei ihm<br />
durchaus auch das Talent stimmt.<br />
MSM: Wie hat sich dein Leben nach dem überraschenden<br />
Sieg in Barcelona verändert?<br />
PASTOR MALDONADO: Schon ziemlich. Das<br />
ganze Land Venezuela hat sich so gefreut, die<br />
Leute haben einen unglaublichen Moment<br />
erlebt. Sie haben seit letztem Jahr darauf<br />
gewartet. Das ist ein bisschen das Problem in<br />
Wie gut kennst du ihn eigentlich - es heißt ja<br />
immer wieder, er kümmere sich persönlich um<br />
deine Sponsorengelder der nationalen Ölgesellschaft<br />
PDVSA?<br />
Nicht so besonders, wir haben uns nur immer<br />
wieder bei offiziellen Events getroffen, zusammen<br />
mit anderen Sportlern, mit dem Fußballoder<br />
dem Baseball-Nationalteam zum Beispiel.<br />
Aber er ist ein sehr starker und beeindruckender<br />
Mann. Auch weil er hundertprozentig<br />
an uns glaubt, an unser Talent, und uns unterstützt.<br />
Nicht nur in der Formel 1, im Rennsport<br />
allgemein, sondern auch in allen anderen<br />
Sportarten. Es ist sehr wichtig für Venezuela,<br />
für dieses junge Land mit seiner jungen Bevöleinem<br />
Land, das noch nicht so viel Erfahrung<br />
mit der Formel 1 hat, die Leute sind davon<br />
ausgegangen, dass ich dort von Anfang an<br />
genauso gewinnen kann und werde, wie das in<br />
der GP2 der Fall gewesen ist. Das ist nicht<br />
immer einfach, zu erklären, dass das ein großer<br />
Unterschied ist, dass es sehr schwierig ist, in<br />
der Formel 1 zu gewinnen, dass hier die Autos<br />
unterschiedlich sind, es eine ganz andere Welt<br />
ist. Aber alle sind unglaublich happy jetzt - das<br />
habe ich schon mitbekommen, obwohl ich<br />
seitdem noch gar nicht wieder in Venezuela<br />
war.<br />
Also noch kein großes Treffen, keine große<br />
Feier mit deinem großen Förderer, Staatspräsident<br />
Hugo Chavez?<br />
Nein, aber ich habe von ihm und einigen ande-<br />
ren Ministern direkt nach dem Rennen Anrufe<br />
erhalten.<br />
44 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Pastor Maldonado war<br />
als Bezahlfahrer<br />
verschrien - jetzt ist er<br />
der 104. GP-Sieger<br />
der F1-Geschichte<br />
Fotos: williams<br />
kerung, diese Unterstützung zu haben.<br />
Sorgt diese Verbindung in die Politik auch<br />
dafür, dass du dich generell für die Politik,<br />
vor allem für die in deinem Land, mehr interessierst<br />
als das allgemein für einen Formel-<br />
1-Fahrer üblich ist?<br />
Vor allem interessiere ich mich für die Entwicklung<br />
in Venezuela. Ich möchte das Beste<br />
für alle Menschen dort, auch für meine Familie.<br />
Ich habe eine politische Meinung, ich<br />
unterstütze gewisse Wege. Wir sind ein junges<br />
Land, es gibt noch viel zu tun, aber wir haben<br />
auch sehr viel Potenzial für die Zukunft. Wir<br />
haben viel Öl. Aber auch andere Bodenschätze,<br />
wir haben touristisches Potenzial, wir sind<br />
dabei, das Land zu entwickeln, und es scheint,<br />
dass da alle an einem Strang ziehen.<br />
Außerhalb Venezuelas wirft man dir oft vor,<br />
du würdest dich von Chavez als Aushängeschild<br />
für Propaganda missbrauchen lassen...<br />
Das stimmt doch nicht, ich habe mit politischen<br />
Kampagnen nichts zu tun. Er unterstützt<br />
mich einfach, das ist alles. Und PDVSA<br />
ist ein Staatsbetrieb, der gehört allen Leuten,<br />
nicht einem Einzelnen und ist nicht politisch.<br />
Sie haben mich einfach seit Beginn meiner<br />
Karriere unterstützt, sie haben immer an mich<br />
geglaubt - und ich fühle mich sehr wohl mit<br />
ihnen und muss ihnen jetzt auch etwas<br />
zurückgeben.<br />
Ab wann hast du wirklich daran geglaubt,<br />
dass du es in die Formel 1 und zum Grand-<br />
Prix-Sieger schaffen könntest?<br />
Ich war von Anfang an in allen Nachwuchs-<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 45
formeln sehr schnell, aber ich wusste, dass<br />
noch mehr dazu gehört, dass ich mich auch<br />
auf vielen anderen Gebieten verbessern muss,<br />
zum Beispiel, was das Verständnis des Autos<br />
angeht. Als es mir auch da gelungen ist, deutliche<br />
Schritte nach vorne zu erzielen, wusste<br />
ich, dass ich das Talent dazu habe. Die Unterstützung<br />
war auch vorhanden - und ich habe<br />
dann einfach mein Bestes gegeben.<br />
Trotzdem: in der Formel 1 hat dir das kaum<br />
jemand zugetraut, du warst bei vielen als<br />
»Paydriver« verschrien, der nur wegen seiner<br />
Sponsorengelder seinen Platz bekommen hat.<br />
Wie wichtig war der Sieg, um diese Kritiker<br />
zum Schweigen zu bringen?<br />
Das war schon wichtig und auch ein schönes<br />
Gefühl, das muss ich zugeben. Obwohl ich in<br />
erster Linie für mich selbst fahre, für mein<br />
Land, für die Leute, die an mich glauben. Aber<br />
es war schon toll, mein Potenzial für alle unter<br />
Beweis stellen zu können. In den letzten acht<br />
Jahren sind viele große Fahrer bei Williams<br />
gewesen und keiner von ihnen hat gewonnen.<br />
Mir ist es nach 20 Rennen in der Formel 1<br />
gelungen. Wir sind zusammen nach vorne<br />
gekommen, ich glaube, ich konnte dem Team<br />
auch einiges geben, es herrscht jetzt eine ganz<br />
andere Stimmung als zu Beginn des letzten<br />
Jahres, als ich kam. Jetzt läuft alles super.<br />
Venezuela hat einen neuen<br />
Helden - das Verständnis<br />
für die Formel 1 muss aber<br />
noch wachsen<br />
Glaubst du, dass du mit deinem Sieg auch ein<br />
bisschen etwas für das Renommee vieler anderer<br />
junger Fahrer getan hast, denen das Paydriver-Etikett<br />
anhäng t, die aber bei<br />
genauerem Hinsehen auch immer wieder gute<br />
Leistungen zeigen?<br />
Ja, das glaube ich schon. Das war eine Demonstration,<br />
dass wir vieles auch können, was die<br />
Etablierten können, wenn alles zusammenpasst<br />
- und dass wir auch mithelfen können, es eben<br />
passend zu machen.<br />
Wo kann diese Erfolgsspur mit Williams in<br />
diesem Jahr noch hinführen?<br />
Wir müssen uns weiter verbessern, das Auto,<br />
auch unseren Fahrstil, müssen noch konstanter<br />
werden, um ständig in der Spitzengruppe mit<br />
zu fahren, um dann auch wieder zu gewinnen.<br />
Das ist nicht leicht, weil alles so eng zusammen<br />
liegt, aber es ist möglich.<br />
Apropos Fahrstil: Du hast, auch zusammen<br />
mit Alex Wurz, viel daran gearbeitet, ihr habt<br />
versucht, ihn etwas ruhiger, softer zu machen.<br />
Hat Wurz dir da viel geholfen?<br />
Ein bisschen auf jeden Fall, aber ich habe auch<br />
selbst schon versucht, mich eben in allen<br />
Bereichen zu verbessern. Jede Kleinigkeit kann<br />
helfen. Ich habe versucht, meinen Fahrstil an<br />
das Auto anzupassen und gleichzeitig das Auto<br />
an meinen Fahrstil. Auch meine Ingenieure<br />
Fotos: williams<br />
46 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Mit Williams ganz nach<br />
oben: Maldonado würde<br />
gerne den Titel mit den<br />
Blauen gewinnen - und<br />
dann erst wechseln<br />
es ist mein groSSer Traum, mit Williams<br />
Weltmeister zu werden, bevor ich wechsele.<br />
ich war in meiner Kindheit ein groSSer<br />
Fan dieses Teams, deshalb wäre das sehr<br />
schön, mit ihnen den titel zu holen.<br />
Maldonado wird stark von seinem Heimatland Venezuela<br />
unterstützt - bei einer Demofahrt bedankte er sich<br />
haben sehr hart gearbeitet, mir genau das Auto<br />
hinzustellen, das ich brauche. Aber wie gesagt,<br />
ich versuche immer und überall, dazu zu lernen,<br />
in den verschiedensten Bereichen, nutze dazu<br />
zum Beispiel auch sehr intensiv das Internet.<br />
Wozu speziell zum Beispiel?<br />
Zum Beispiel im Bereich Aerodynamik, Mechanik.<br />
Das ist etwas, was mich schon immer interessiert<br />
hat, auch weil meine Familie als Händler<br />
in der Automobilbranche aktiv ist, für Chevrolet,<br />
Ford... Ich informiere mich eben auch über<br />
Dinge wie Trainingslehre oder Ernährung, alles,<br />
was mich in meiner sportlichen Karriere weiterbringen<br />
kann.<br />
Manche haben dich - auch dank deines Managers<br />
Nicolas Todt - schon als zukünftigen<br />
Ferrari-Piloten gesehen. Wie stellst du dir<br />
denn deine Zukunft vor?<br />
Ich möchte weiter mit Williams gewinnen,<br />
bevor ich hier weggehe, aber später möchte ich<br />
dann auch mal für andere Teams fahren. Aber<br />
es ist mein großer Traum, mit Williams einmal<br />
Weltmeister zu werden, bevor ich wechsele.<br />
Denn ich war früher, in meiner Kindheit, einmal<br />
ein großer Fan dieses Teams, deshalb wäre<br />
das sehr schön, mit ihnen so einen ganz besonderen<br />
Erfolgsmoment zu erleben..<br />
Hattest du unter den Fahrern auch spezielle<br />
Idole?<br />
Klar, das war immer Ayrton Senna.<br />
War es für dich ein besonderes Gefühl, als du<br />
gehört hast, dass Bruno dein Teamkollege<br />
wird?<br />
Ach, vor allem habe ich mit Bruno zusammen<br />
immer eine Menge Spaß. Und ich glaube, wir<br />
geben dem Team zusammen eine Menge<br />
Schwung, wir sind nun mal zwei Latinos. Das<br />
passt alles sehr gut zusammen.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 47
Text: Kerstin Hasenbichler<br />
top<br />
The next<br />
Generation<br />
In der ersten Saisonhälfte haben die jungen Löwen<br />
der Formel 1 ihr Zeichen gesetzt. wer hat die gröSSten<br />
Chancen, den Sprung aus der zweiten in die erste Reihe<br />
zu schaffen? Das <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> sieht sich die<br />
fünf aussichtsreichsten Kandidaten näher an.<br />
Text: Kerstin Hasenbichler<br />
5. Jean-Eric Vergne<br />
Wer die Karriere von Jean-Eric Vergne verfolgt hat,<br />
den überrascht es kaum, dass der Franzose 2012 im<br />
Toro Rosso sitzt und als zukünftiger Nachfolger von<br />
Mark Webber bei Red Bull gehandelt wird. Mit vier<br />
Jahren nahm ihn sein Vater das erste Mal auf die<br />
Kartbahn mit, danach stand für ihn seine Zukunft fest.<br />
Er kletterte die Karriereleiter im Eiltempo hinauf. Von<br />
seinen ersten Gehversuchen im Kart bis zum F1-Einstieg<br />
vergingen nicht einmal zehn Jahre - nicht zuletzt<br />
dank der Unterstützung von Red Bull. Doch wer von<br />
Red Bull unterstützt wird, muss auch Leistung zeigen.<br />
»Als ich in der britischen F3 fuhr, sagte mir Helmut<br />
Marko, dass Jaime und Daniel in ihrem jeweils ersten<br />
Jahr gewonnen haben und dass ich nicht gut genug<br />
sei, wenn ich das nicht täte. Dabei war für mich alles<br />
neu - die Strecken, das Team, das Leben in England«,<br />
erinnert sich Vergne. Doch mit Druck kann das Talent<br />
aus Pontoise umgehen. »Druck ist Teil des Jobs. Es<br />
fahren nur 24 Piloten in der F1. Man muss Ergebnisse<br />
bringen und beweisen, dass man den Platz verdient.«<br />
Dank dieser Einstellung und seinem Talent hat er die<br />
Chance, ein Großer zu werden<br />
Superstar-Potenzial: <br />
Fotos: adrivo/Sutton<br />
48 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
4. Pastor Maldonado<br />
Während Jean-Eric Vergne mit vielen Vorschusslorbeeren in die Formel 1 einstieg, wurde Pastor Maldonado als »Paydriver«<br />
abgestempelt. Ohne Zweifel bekam der Venezolaner wegen seiner kolportierten 40 Millionen Euro Sponsorengelder eine<br />
Chance bei Williams, doch dass er neben Geld auch über Talent verfügt, ist allen spätestens seit seinem Sieg in Spanien<br />
klar. »Es ist die unglaublichste Leistung der vergangenen Jahre, dass Maldonado dem Druck von Alonso stand gehalten<br />
hat - dem eigentlich besten Fahrer, den es heute gibt«, lobte ihn Niki Lauda. Schon in seinem Premierenjahr konnte er<br />
mit seinem viel routinierteren Teamkollegen Rubens Barrichello mithalten. Das Qualifying-Duell verlor er nur knapp mit<br />
9:10, doch weil der Williams-Bolide mehr einer Gurke als einem Rennwagen glich, fiel Maldonado nicht auf. Einziges<br />
Manko des Venezolaners ist sein heißblütiger Fahrstil. Nach seiner Triumphfahrt in Spanien folgte ein schwarzes Monaco-<br />
Wochenende. Im dritten Freien Training schoss er Sergio Perez ab, im Rennen kam er Pedro de la Rosa zu nahe. Sein<br />
Management gibt zu: »Dass Pastor schnell ist, wissen alle im F1-Zirkus. Einige wissen aber auch, dass er manchmal<br />
Probleme hat, ohne Fehler durchzukommen.« Superstar-Potenzial:
3. Sergio Perez<br />
Abgeschirmt vom Zirkus in der Formel 1 sitzt Sergio<br />
Perez im Motorhome von Sauber. Immer wieder spielt<br />
er alle Abläufe durch, visualisiert die Strecke, absolviert<br />
spezielle Konzentrationsübungen. »Sergio ist körperlich<br />
und geistig topfit«, weiß Josef Leberer. Seine mentale<br />
Stärke bewies Mexikos größte Rennfahrerhoffnung seit<br />
Pedro Rodriguez in Malaysia, als er Fernando Alonso wie<br />
ein Schatten ins Ziel folgte. In den Häuserschluchten<br />
von Monaco war er phasenweise der schnellste Fahrer<br />
im Feld, erzielte die schnellste Rennrunde. Eine weitere<br />
Stärke ist sein Umgang mit den Reifen. Beim Saisonauftakt<br />
in Australien war er der einzige Pilot, der mit einem<br />
Boxenstopp auskam. Schon ein Jahr zuvor bewies er im<br />
Albert Park seine Qualitäten als Reifenflüsterer. Er setzte<br />
als Einziger auf eine Ein-Stopp-Strategie und spulte 35<br />
Runden auf dem weichen Reifensatz ab. Zwar wäre der<br />
kometenhafte Aufstieg des Mexikaners ohne die Unterstützung<br />
des Telekommunikations-Riesen Telmex wohl<br />
nicht möglich gewesen, doch Perez ist ehrgeizig und<br />
hat sich hohe Ziele gesteckt: »Ich bin nicht in der Formel<br />
1, um nur mitzufahren. Ich will eines Tages Weltmeister<br />
werden.« Superstar-Potenzial: <br />
Fotos: adrivo/Sutton<br />
2. Romain Grosjean<br />
Als seine Freundin vor zwei Jahren zum Türkei GP reiste, um als<br />
Journalistin vom Rennen zu berichten, hatte Romain Grosjean<br />
seinen Tiefpunkt erreicht. »Sie war an der Rennstrecke und ich<br />
saß zu Hause. In diesem Moment dachte ich, dass es mit meiner<br />
Karriere vorbei sei und ich es nie wieder in die Formel 1 schaffen<br />
würde«, erinnert sich Grosjean. Nachdem der Franzose von Flavio<br />
Briatore nach nur sieben Rennen an die Luft gesetzt wurde, haftete<br />
der Nimbus des Gescheiterten an ihm. Doch 2012 kehrte<br />
Grosjean gestärkt und gereift in die Formel 1 zurück und bewies<br />
allen Skeptikern, dass er eine zweite Chance verdient hat.<br />
»Romain hat gezeigt, dass er auf höchstem Niveau mithalten<br />
kann. Er hat den Speed und das Talent, eines Tages Weltmeister<br />
zu werden«, meint Lotus-Teamchef Eric Boullier. Diesmal steht<br />
auch sein Team voll und ganz hinter Grosjean und anders als<br />
2009 muss er den Vergleich mit seinem Teamkollegen nicht<br />
fürchten. Dank seines Grundspeeds ließ er <strong>Kimi</strong> <strong>Räikkönen</strong> im<br />
Qualifying des Öfteren hinter sich. Sollte Grosjean seinen Performance-Level<br />
über die Saison hinweg halten, hat er sich endgültig<br />
rehabilitiert und einen Schritt in Richtung zukünftiger Top-Star<br />
gemacht. Superstar-Potenzial:
1. Paul di Resta<br />
Paul di Restas Herz hat schon immer für Rennautos geschlagen. Die Begeisterung für <strong>Motorsport</strong> und PS<br />
wurde ihm in die Wiege gelegt. Sein Vater ist glühender <strong>Motorsport</strong>fan, sein Cousin kein Geringerer als<br />
Indy-Car-Legende Dario Franchitti. Schon früh wurde Mercedes auf das Talent des Schotten aufmerksam<br />
und förderte ihn. 2010 gewann er in einem »Silberpfeil« den DTM-Titel. Mit dem Titel in der Tasche kehrte<br />
er der Rennserie den Rücken, um das gleiche Kunststück in der Formel 1 zu vollbringen. Die nötige Qualität<br />
dazu hat di Resta. Er ist schnell, kann sich auf eine Runde konzentrieren und ist im Zweikampf ein unnachgiebiger<br />
Gegner. In nur knapp zwei Jahren bei Force India stieg sein Marktwert in derartige Höhen, dass<br />
er bereits als Nachfolger von Michael Schumacher bei Mercedes gehandelt wird. »Paul befindet sich auf<br />
unserem Radar. Er ist ein großartiger Teamplayer und wäre zweifellos jemand, auf den wir schauen, sollte<br />
sich Michael dazu entscheiden, nicht weiterzumachen«, bestätigte Mercedes-Geschäftsführer Nick Fry. Die<br />
Zukunft wird zeigen, ob es di Resta ein zweites Mal gelingt, in einem Boliden mit Stern den Titel zu gewinnen.<br />
Superstar-Potenzial: <br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 51
zu ziehen. Dem <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> verrät<br />
er einen Teil des Erfolgsrezepts.<br />
Text: Kerstin Hasenbichler<br />
Erfolg<br />
statt<br />
Macht<br />
Neue Strukturen, neue Verantwortliche und<br />
neue Erfolge: Williams meldete sich zurück an<br />
der Spitze der Formel 1. Im Hintergrund hilft<br />
der Österreicher Toto Wolff, die Fäden im<br />
Traditionsrennstall von Sir Frank Williams<br />
zu ziehen. Dem <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> verrät<br />
er einen Teil des Erfolgsrezepts.<br />
MSM: Williams hat sich endlich wieder in<br />
die Siegerliste eingetragen. Werden Sie<br />
Ihren ersten Triumph mit dem Team jemals<br />
vergessen?<br />
TOTO WOLFF: Natürlich nicht. Der erste Sieg<br />
mit der eigenen Mannschaft ist und bleibt immer<br />
außergewöhnlich. Der Sieg kam extrem unerwartet,<br />
gerade deswegen ist es auch so speziell.<br />
Der Sieg hat dem Team einen unglaublichen<br />
Antrieb gegeben. Das Auto ist gut und ich denke,<br />
das ist der Beginn einer nachhaltigen<br />
Steigerung.<br />
ren, mehr nicht. Die anderen Teams haben uns<br />
mit Kleinigkeiten unterstützt. Alles andere hat<br />
normal funktioniert.<br />
der Österreicher Toto Wolff, die Fäden im<br />
Traditionsrennstall von Sir Frank Williams<br />
Würden Sie sagen, dass dem Team ein riesen<br />
Schritt zu 2011 gelungen ist oder liegt<br />
es daran, dass die Top-Teams durch das<br />
Verbot des angeblasenen Diffusors viel von<br />
ihrer Dominanz eingebüßt haben?<br />
2011 war für Williams die schlechteste Saison<br />
aller Zeiten. Das wollen wir auch nicht verheimlichen.<br />
Bereits Anfang 2011 haben wir die<br />
gesamte technische Führungsmannschaft ausgetauscht<br />
- wir haben einen neuen Aerodynamiker,<br />
einen neuen Technischen Direktor, einen<br />
neuen Race Operation Direktor. Ende der Saison<br />
ist Claire Williams in den Vorstand aufgerückt,<br />
Adam Parr hat das Unternehmen verlassen und<br />
auch im Unterbau sind Veränderungen vorgenommen<br />
worden, die nicht so medienwirksam<br />
waren. Patrick Head ist aus dem Team ausge-<br />
Nach der Freude kam der Schreck. Wie<br />
schwierig war es, sich nach dem Boxenfeuer<br />
auf Monaco vorzubereiten und wie groß<br />
war die Unterstützung der anderen Teams?<br />
Bereits vor Ort haben uns die Teams extrem<br />
geholfen. Sie waren sofort zur Stelle und haben<br />
uns geholfen, das Feuer zu löschen. Zum Glück<br />
haben wir durch das Feuer nur Hardware verloschieden,<br />
ich bin viel mehr involviert, wobei ich<br />
sicherlich nicht das Auto schneller mache. Aber<br />
die Änderungen waren ein wichtiger Bestandteil<br />
des Erfolgs. Aber es stimmt auch, dass uns das<br />
Verbot des angeblasenen Diffusors geholfen hat.<br />
Cosworth hatte das System nicht angeboten,<br />
somit hatten wir diesen Vorteil nie. Der Vorteil<br />
betrug laut Simulation in Abu Dhabi 2,2 Sekunden<br />
und unser Rückstand betrug 3 Sekunden.<br />
Uns hat das System sicherlich extrem wehgetan.<br />
Dieses Jahr haben wir ein konventionell, mechanisch<br />
gutes Auto und man sieht, dass es<br />
funktioniert.<br />
Mike Coughlan ist der neue Technikdirektor<br />
bei Williams. Nach seiner Beteiligung in<br />
der Spionage-Affäre 2007 fragten sich viele,<br />
warum sich Williams ausgerechnet für ihn<br />
entschieden hat?<br />
Er ist der beste Mann für diesen Job. Ich war 2007<br />
noch nicht an Bord und das, was man in den<br />
52 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Fotos: williams<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 53
Zeitungen über sogenannte Affären liest, ist immer<br />
nur die Spitze des Eisbergs. Darunter liegt allerdings<br />
der viel größere Teil. Mike ist ein integrer, extrem<br />
intelligenter und technisch versierter Mann, der in<br />
eine unglückliche Situation hineingetappt ist. Mehr<br />
will ich dazu gar nicht sagen. Ich glaube, wir müssen<br />
uns abgewöhnen, Menschen vorzuverurteilen, ohne<br />
die Hintergründe genau zu kennen und ständig auf<br />
die Vergangenheit zu schielen. Das ist der Grund,<br />
warum wir im Gegensatz zu Amerika ein Land<br />
voller Neider und Arschlöcher sind. Mike ist ein<br />
toller Mensch, eine Bereicherung für das Team und<br />
ich hoffe, er bleibt lange ein Teil von Williams.<br />
Zurück zur aktuellen Saison - die Fans freuen<br />
sich über die unvorhersehbaren Rennen, die<br />
Top-Teams sind weniger begeistert. Vor allem<br />
die Reifen sind ein heißes Thema. Wie sehen<br />
sie die Situation?<br />
Ich sehe die Situation überhaupt nicht kritisch. Sie<br />
ist toll für den Sport. Red Bull, McLaren und Ferrari<br />
sind immer noch der Benchmark. Daran hat sich<br />
nichts geändert, nur hat sich das Pendel ein klein<br />
wenig Richtung anderer Teams verlagert, die vielleicht<br />
das Reifenthema schneller oder vermeintlich<br />
besser verstanden haben. Ich kann über all das<br />
Gerede nur lachen. Hat sich in den letzten Jahren<br />
irgendjemand über angeblasene Diffusoren oder<br />
sonstige Themen aufgeregt? Die Formel 1 ist ein<br />
zyklisches Geschäft - einmal geht es rauf, einmal<br />
geht es runter. Einmal sind die Techniker gut, einmal<br />
sind die anderen Techniker gut. Ich schaue auf<br />
Williams und dass ich die besten Leute anheuern<br />
und halten kann. Was die anderen Teams machen,<br />
interessiert mich nicht. Die Teams sollten nicht über<br />
die Reifen lamentieren, sondern lieber darüber<br />
nachdenken, wie sie die Reifen besser in den Griff<br />
bekommen. Wir hoffen, dass wir so gut weitermachen<br />
wie bisher.<br />
Ferrari, Red Bull und McLaren haben ihre<br />
eigene Philosophie, wie versucht Williams<br />
seine Leute zu halten?<br />
Ich kenne die Philosophie der anderen Teams nicht,<br />
aber vermutlich zahlen sie ihnen viel Geld. Wir<br />
operieren anders. Wir sind finanziell gut ausgestattet,<br />
haben keine Schulden. Wir sind ein echtes<br />
Rennteam, Rennfahren ist unser Hauptgeschäft.<br />
Das Team hat seine Basis in England, was sicher<br />
auch ein Vorteil ist. Bei uns herrscht eine Aufbruchsstimmung<br />
und wir befinden uns auf dem<br />
Weg nach oben. Die Leute haben gesehen, dass wir<br />
uns verbessert haben. Somit hat der eine oder<br />
andere, der in anderen Strukturen nicht glücklich<br />
war, in Erwägung gezogen, bei uns anzuheuern.<br />
Die Challenge für ambitionierte Leute ist bei uns<br />
sicherlich größer als bei einem vermeintlichen<br />
Top-Team.<br />
Bei den Fahrern setzt Williams mit Pastor<br />
Maldonado und Bruno Senna auf zwei junge<br />
und eher unerfahrene Piloten. Hat der Sieg<br />
gezeigt, dass Sie auf den richtigen Weg gesetzt<br />
haben?<br />
Maldonado hat vor seinem Wechsel in die Formel<br />
1 in der GP2 extrem viel Erfahrung gesammelt. In<br />
seinem ersten Jahr hatte er das Glück, mit Rubens<br />
Barrichello einen extrem erfahrenen Teamkollegen<br />
an der Seite zu haben. Diese Leistung ruft er jetzt<br />
ab - in Barcelona zeigt er eine astreine Leistung.<br />
Jetzt gilt es die Ups and Downs ein wenig zu glätten,<br />
die ganz normal sind für einen jungen Fahrer.<br />
Wenn wir diese geglättet haben, dann wird er einer<br />
der ganz Guten werden. Auch Bruno ist ein guter<br />
Fahrer, der etwas im Kopf hat. Er hat relativ spät<br />
begonnen und in der Vergangenheit wenige Chancen<br />
erhalten. Wir haben uns vorgenommen, ihn so<br />
gut wie möglich zu unterstützen und das tun wir<br />
auch. Wir werden sehen, was die Ergebnisse davon<br />
sind.<br />
Frank Williams bezeichnet Sie bereits als<br />
Ersatzteamchef. Würde Sie diese Rolle<br />
reizen?<br />
Die Rolle würde mich schon reizen, aber von<br />
meinem Naturell her entspricht es nicht dem, was<br />
ich in der Zukunft tun möchte. Ich bin ein aktiver<br />
Gesellschafter und bin in der Zeit eingesprungen,<br />
als Adam Parr das Team verließ. Diese Rolle nehme<br />
ich gemeinsam mit Frank wahr und was die<br />
Zukunft bringt, weiß ich noch nicht. Diese Rolle ist<br />
etwas ganz Neues, aber im Moment sehe ich mich<br />
nicht als Teamchef.<br />
Wie hat sich Ihre Rolle in den letzten zwei<br />
Jahren verändert?<br />
Ich habe mich von Beginn an eingebracht - das war<br />
auch eine Voraussetzung, warum ich das machen<br />
wollte. Da ich mich so lange schon im <strong>Motorsport</strong><br />
bewege, hatte ich keinerlei Probleme, mich in das<br />
Team einzufinden. Ich habe schon alles gemacht,<br />
was man machen kann. Ich habe ein Rallye-Team,<br />
bin mit HWA in der DTM und somit war der<br />
Schritt in die Formel 1 kein komplexer. Was die<br />
Struktur angeht - ikonenhafte Teamgründer haben<br />
das Recht ihr Team so zu führen, wie sie es für<br />
richtig halten. Aber nun hat eben ein Generationswechsel<br />
quer durch alle Management-Ebenen stattgefunden.<br />
Ich arbeite mit allen sehr gut zusammen.<br />
Zu Beginn hatte ich täglichen Kontakt mit dem<br />
Team und seit dem Weggang von Adam Parr bin<br />
ich jede Woche auch physisch dort.<br />
Welche Auswirkungen hat der Teilrückzug von<br />
Frank Williams auf das operative Geschäft?<br />
Frank Williams ist nicht nur der Namensgeber,<br />
sondern auch einer der Gründe, warum das Team<br />
in der Vergangenheit so erfolgreich war. Er ist<br />
immer noch ein wesentlicher Bestandteil des<br />
Teams. Er ist inspirierend, ideengebend und unser<br />
Sprachrohr. Sein Rückzug ist ein logischer Schritt.<br />
Er gibt jüngeren Leuten mehr Freiraum und das<br />
funktioniert reibungslos.<br />
Monisha Kaltenborn hat uns verraten, dass<br />
Fotos: williams<br />
54 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Toto Wolff nimmt immer<br />
mehr Einfluss auf das<br />
Tagesgeschäft bei Williams<br />
sie es hasst, die mächtigste Frau in der F1<br />
genannt zu werden. Machtspiele überlässt sie<br />
lieber anderen. Wie halten sie es damit?<br />
Mich interessieren diese Dinge nicht. Ich<br />
möchte, dass Williams erfolgreich ist und ich<br />
werde alles tun, damit das Team erfolgreich wird<br />
bzw. nachhaltig erfolgreich bleibt. Es geht mir<br />
nicht um Macht, sondern nur darum, die Basis<br />
für den Erfolg zu finden.<br />
Österreich scheint auch ohne Grand Prix eine<br />
immer größer werdende Rolle in der F1 zu spielen.<br />
Eine Entwicklung, die ihnen gefällt?<br />
Man kann nicht alle in einen Topf werfen. Mateschitz<br />
spielt eine außerordentliche Rolle. Er ist<br />
mit seinem Team zwei Mal Weltmeister geworden<br />
- das muss man ihm mit einem neuen Team<br />
erst einmal nachmachen. Wir - Monisha (Kaltenborn),<br />
Franz (Tost) und ich - sind davon<br />
noch Lichtjahre entfernt. Wir können uns alle<br />
zum Himmel strecken und versuchen, das zu<br />
erreichen. Als patriotischer Österreicher macht<br />
es mir natürlich Spaß, dass so ein kleines Land<br />
so gut in der F1 vertreten ist.<br />
Die F1 hat ihren Börsengang verschoben. Williams<br />
hat diesen Schritt bereits gewagt. Empfinden<br />
Sie den Börsengang der F1 generell als<br />
richtigen Schritt?<br />
Klar. Die Formel 1 ist ein tolles Geschäftsmodell<br />
und der Börsengang bietet einem größeren<br />
Ich sehe die aktuelle<br />
Situation überhaupt<br />
nicht kritisch. Sie ist<br />
toll für den Sport.<br />
Red Bull, McLaren und<br />
Ferrari sind immer noch<br />
der Benchmark. Die<br />
Teams sollten nicht<br />
über die Reifen lamentieren,<br />
sondern lieber<br />
darüber nachdenken,<br />
wie sie die Reifen an ihren<br />
autos besser in den<br />
Griff bekommen.<br />
Publikum die Möglichkeit, das Geschäftsmodell<br />
zu teilen. Das gilt für kleine Aktionäre als auch<br />
für große Institutionen. Ich glaube an die F1<br />
und das Geschäftsmodell. Es ist immerhin die<br />
größte Sportplattform der Welt und wächst<br />
jedes Jahr um 10 Prozent und mehr. Die F1 ist<br />
ein nachhaltiges Geschäft. Die Manager wissen<br />
schon drei bis fünf Jahre vorher, welche Einnahmen<br />
sie generieren. Sie können sich geografisch<br />
in den Märkten bewegen, sie sind viel flexibler<br />
als herkömmliche Unternehmen. Deshalb ist<br />
der Börsengang absolut sinnvoll. Man muss nur<br />
die Transparenz hinkriegen. Williams hat es<br />
hingekriegt, somit wird es auch die F1<br />
hinkriegen.<br />
Sie galten früher selbst als talentierter Rennfahrer.<br />
Wie kam es dazu, dass sie Finanzinvestor<br />
wurden?<br />
Ich war sicher nicht in dem Maße talentiert, wie<br />
ich ambitioniert war. Ich glaube, dass es sehr<br />
wichtig ist, sich selbst einzuschätzen. Mir ist<br />
schon früh klar geworden, dass ich in der Formel<br />
1 nicht erfolgreich gewesen wäre. Ich habe dann<br />
einen herkömmlichen Weg eingeschlagen, habe<br />
als Angestellter für Unternehmen gearbeitet,<br />
habe mich dann selbstständig gemacht und so<br />
ist eins ins andere übergegangen. Zwischen dem<br />
ambitionierten und nicht talentierten Rennfahrer<br />
und dem Finanzinvestor, der an einem F1-Team<br />
beteiligt ist, liegen dann doch 20 Jahre.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 55
Jo Siffert belegte Platz acht<br />
in Spa im Brabham BT11<br />
Mit FleiSS,<br />
Charme &<br />
Schnauzbart<br />
Text: Frederik Hackbarth<br />
Schnelle Autos, schöne Frauen<br />
und ein Star ohne Allüren:<br />
Jo Siffert war einer der<br />
talentiertesten Rennfahrer<br />
seiner Ära. Anlässlich seines<br />
76. Geburtstags erinnert das<br />
<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> an den<br />
schnellsten Charmeur, den<br />
die Schweiz je zu sehen bekam.<br />
56 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Fotos: adrivo/Sutton<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 57
Jo Siffert liebte den<br />
Rennsport, Frauen und<br />
große Sonnenbrillen<br />
ür Jo Siffert war das ganze Leben ein Rennen - ein Rennen<br />
f<br />
zwischen zwei Frauen, ein Rennen ums große Geld und gegen<br />
alle Widerstände, ein Rennen nach Ruhm und Unvergänglichkeit.<br />
Letztere erlangte das Schweizer Idol der späten Sechzigerjahre<br />
paradoxerweise nicht nur durch seinen viel zu<br />
frühen Tod, sondern auch durch seine unnachahmliche Aura<br />
und seinen überdauernden Stil. Sifferts Aufstieg war unvergleichlich<br />
- auch, weil er von ganz unten kam. Am 7. Juli 1936 als eines von<br />
drei Kindern in ärmste Verhältnisse hineingeboren, musste der Fribourger<br />
schnell lernen, widrige Gegebenheiten zu seinem Vorteil zu nützen. Sein von<br />
Geburt an zwei Zentimeter kürzeres rechtes Bein bescherte ihm einen auffallend<br />
schwebenden Gang - an der Verwirklichung seines Kindheitstraumes konnte<br />
es ihn freilich ebenso wenig hindern, wie die Armut seiner Eltern, die in der<br />
Nachkriegsschweiz eine Molkerei betrieben: Siffert wollte Rennfahrer<br />
werden.<br />
Sein spitzbübischer Charme, der wohl noch aus der Zeit stammte, als er durch<br />
die Vorgärten der Nachbarn streifte, mal Obst, mal alte Patronenhülsen klaute<br />
und diese zu Geld machte, gepaart mit seiner einzigartigen Sprache, einer Mixtur<br />
aus Deutsch und Französisch, machte eine ganz besondere Kombination aus.<br />
Dieser konnte auch die Damenwelt kaum widerstehen. »Ich habe Jo Siffert<br />
niemals mit einer Frau gesehen, die nicht ausgesprochen hübsch war«, erinnerte<br />
sich nicht nur Biograph Richard von Frankenberg an den Lebemann. Nachdem<br />
Sifferts Liaison aus früheren Renntagen, Yvette, bald Geschichte war, lernte er<br />
im Herbst 1962 das Model Sabine kennen - kurze Zeit später wurde geheiratet.<br />
Doch dass der Rennfahrer immer auf Reisen war, half der Beziehung wenig -<br />
ebenso wie die ein oder andere Swissair-Stewardess, die es nicht unterlassen<br />
konnte, dem Frauenschwarm beim Verlassen des Flugzeuges ihre Telefonnummer<br />
zuzustecken.<br />
Selbst sein langjähriger Teamchef Rob Walker bezeichnete das Liebesleben<br />
seines Schützlings durchwegs als äußerst kompliziert - spätestens durch die<br />
Scheidung Sifferts von Sabine und die Heirat mit Simone Guhl wurde der<br />
Schotte bestätigt. Die Geburt der ersten gemeinsamen Tochter Véronique fiel<br />
jedoch noch in die Zeit, als Siffert mit seiner ersten Frau liiert war - für den<br />
Schweizer in einer konservativen Epoche ein Grund zur Geheimhaltung. Dass<br />
er die Entbindung allerdings versäumte, hatte andere, terminliche Gründe:<br />
Siffert weilte beim Großen Preis von Frankreich in Clermont-Ferrand. Trotz<br />
rasanter, nächtlicher Fahrt im Porsche nach Vichy, wo sich Simone aufhielt,<br />
kam er zu spät. Die Nachricht von der Geburt seines Sohnes Philippe zwei Jahre<br />
später überraschte ihn gar per Telegramm im Buenos-Aires-Grid. Kurz vor<br />
dem Rennstart reichte die Zeit jedoch nicht mehr zum Lesen, der Zettel wurde<br />
kurzerhand in die Overalltasche gesteckt - von den Vaterfreude erfuhr der<br />
passionierte Schnauzbartträger daher erst nach dem Überfahren der Zielflagge<br />
1.000 Kilometer später.<br />
Siffert war ein Getriebener. Wenn er nachts nicht schlafen konnte, holte er<br />
seinen Renn-Porsche aus der Garage und weckte zu Testzwecken die halbe<br />
Stadt auf. Dass Fribourg seinen berühmtesten Sohn trotzdem liebte, lag an dem,<br />
was er verkörperte: Vom Lumpensammler hatte es der Schweizer zum Millionär<br />
gebracht. Dass er sich seinen Ruhm selbst erarbeitet hatte, machte ihn äußerst<br />
populär. Später stand Siffert als Typus Rennfahrer sogar Steve McQueen für<br />
dessen berühmten Rennfilm ‚Le Mans‘ Pate. War das Geld zu Beginn noch so<br />
knapp, an Sonnenbrillen schien es dem lässigen Draufgänger nie zu mangeln.<br />
Nur das Rauchen gab Stilikone Siffert im Alter von 28 Jahren auf - dem ehrgeizigen<br />
Eidgenossen war aufgefallen, dass er mit mehr Puste schneller fahren<br />
konnte.<br />
Vom Lohn seiner Lehre als Karosseriespengler begann er im Alter von 20 Jahren<br />
mit Motorrad- und Beiwagenrennen. Später kratzte er die letzten Groschen<br />
zusammen, um bei Paris auch auf vier Rädern einen Ausbildungskurs in einem<br />
Alfa Romeo zu absolvieren. 1960 folgte schließlich der Einstieg in den Automobilrennsport<br />
- in der Formel Junior wurde Siffert auf einem Lotus Europameister.<br />
Das sorgte für Aufmerksamkeit und der Genfer Industrielle Georges<br />
Fillipinetti ermöglichte ihm mit seiner Unterstützung Ende 1961 den Durchbruch.<br />
Bereits im Folgejahr kam es in der Qualifikation von Monaco gegen die<br />
Fotos: adrivo/Sutton<br />
58 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
übermächtigen Werksautos erst zum fehlgeschlagenen,<br />
dann in Spa zum geglückten F1-Debüt. Auf unterlegenem<br />
Material waren gute Ergebnisse jedoch schwierig,<br />
wenngleich es für diverse Achtungserfolge reichte.<br />
1963 folgten in Frankreich die ersten Punkte, in Enna<br />
schlug Siffert ein Jahr später bei einem nicht zur Weltmeisterschaft<br />
zählenden Lauf sogar Klassenprimus Jim<br />
Clark - sein Talent war in der Szene längst bekannt. So<br />
nahm ihn Mitte 1964 Rob Walker unter Vertrag. Die<br />
Zusammenarbeit gipfelte zwar gleich beim ersten Rennen<br />
in Watkins Glen in einem sensationellen dritten<br />
Platz auf einem privat eingesetzten Brabham BT11,<br />
doch in den folgenden Jahren blieb aufgrund des unzuverlässigen<br />
Materials Zählbares oft Mangelware. Die<br />
Siegerkränze holte sich Siffert anderswo ab - in der<br />
Formel 2 und vor allem im Sportwagen hatte er mehr<br />
Erfolg. Das 24-Stunden-Rennen von Le Mans konnte<br />
er bei sieben Teilnahmen zwar nie gewinnen, im Langstrecken-Porsche und<br />
bei Bergrennen eilte er jedoch von Sieg zu Sieg. Aus Loyalität zum deutschen<br />
Autobauer schlug Siffert sogar mehrmals ein Ferrari-Angebot für die F1 aus,<br />
da die Scuderia ihn nicht parallel bei der Konkurrenz hätte starten lassen.<br />
Doch die Geduld des ewigen Underdogs zahlte sich auch in der Königsklasse<br />
aus. 1968 konnte ihm Walker in der vierten gemeinsamen Saison mit dem<br />
Lotus 49 endlich ein siegfähiges Auto hinstellen - der Spitzenpilot setzte sein<br />
ambitioniertes Vorhaben schließlich in die Tat um, sicherte sich in Brands<br />
Hatch vor Chris Amon den umjubelten ersten Grand-Prix-Sieg seiner Karriere.<br />
Nur drei Jahre später sollte die Strecke südöstlich von London allerdings zu<br />
seinem Schicksal werden. Zur Saison 1970 nahm er bei March erstmals ein<br />
Werks-Angebot an - im Nachhinein ein Flopp, musste Siffert mit null Punkten<br />
doch das schlechteste Jahr seiner Laufbahn verbuchen. Anschließend zog es<br />
ihn zu Yardley-BRM - an der Seite von Pedro Rodríguez sollte es wieder bergauf<br />
gehen, der Mexikaner verunfallte aber bereits nach fünf Rennen im Sportwagen<br />
tödlich. Nur einen Monat später holte Siffert als neuer Teamleader am Österreichring<br />
in Andacht an seinen verunglückten Stallgefährten den zweiten und<br />
jeder Rennfahrer<br />
hat eine Art<br />
Scheckheft. Bei<br />
jedem Unfall<br />
reiSSt einem das<br />
Schicksal ein<br />
Blatt aus - doch<br />
niemand weiSS,<br />
wie viele Blätter<br />
noch übrig sind.<br />
letzten Sieg seiner Karriere. In der Weltmeisterschaft<br />
konnte er sich mit Rang vier seine bis dato beste Platzierung<br />
sichern. Zu Ehren von Weltmeister Jackie Stewart<br />
wurde am Saisonende schließlich das alljährliche<br />
‚Race of Champions‘ ausgetragen. Bereits am Start kam<br />
es dabei zwischen Siffert und dem March von Ronnie<br />
Peterson zu einer Berührung, deren genaue Auswirkungen<br />
auf das spätere Geschehen bis heute unklar sind<br />
- nach 96 Grand Prix und insgesamt 68 WM-Punkten<br />
sollte es in Brands Hatch das letzte Rennen des Jo Siffert<br />
werden. In Runde 15 brach ein Verbindungsstück zu<br />
einem Querlenker des BRM - der Ausnahmefahrer fand<br />
sich am Ende der langen Geraden vor der Hawthorn-<br />
Kurve bei Geschwindigkeiten jenseits der 280 Stundenkilometer<br />
plötzlich ohne Lenkung wieder, ehe der weiße<br />
Bolide nach links ausscherte. An vierter Stelle liegend<br />
zerschellte Sifferts Auto an einem Erdwall, überschlug<br />
sich und ging sofort in Flammen auf. Mit schweren<br />
Beinverletzungen im Wrack eingeklemmt, war der 35-Jährige chancenlos, starb<br />
an Sauerstoffmangel und einer Rauchvergiftung.<br />
»Ich denke, dass jeder Rennfahrer eine Art Scheckheft besitzt. Bei jedem Unfall<br />
reißt einem das Schicksal ein Blatt aus - doch niemand weiß, wie viele Blätter<br />
noch übrig sind«, hatte Siffert einmal seine Einstellung zur Gefahr des buchstäblichen<br />
Ritts auf der Kanonenkugel beschrieben. An einem sonnigen Herbsttag<br />
ereilte ihn und die ganze <strong>Motorsport</strong>welt die bittere Antwort: Aus dem<br />
südenglischen Flammeninferno gab es am 24. Oktober 1971 um 14:18 Uhr<br />
kein Entrinnen mehr. In einer der größten Trauerfeiern in der Geschichte der<br />
Schweiz erwiesen ihm fünf Tage später 50.000 Menschen in seiner Heimatstadt<br />
die letzte Ehre. Sie nahmen Abschied von einem Querdenker, der sich trotzdem<br />
immer treu blieb. Im Rennen fuhr er ohne Strategie immer voll auf Sieg - im<br />
Leben abseits der Piste blieb ‚Seppi‘ jedoch stets bodenständig, war nie um ein<br />
verschmitztes Lächeln und ein Augenzwinkern verlegen. Dabei stand er für<br />
den Zeitgeist einer ganzen Generation - oder wie seine Schwester Adélaïde es<br />
einst ausdrückte: »Es ist besser, 35 Jahre gefährlich zu leben, als sich 80 Jahre<br />
lang zu langweilen.«<br />
f<br />
Peter Revson in Monza: Auf dem Asphalt ein Tribut an den<br />
verstorbenen Jo Siffert<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 59
60 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Foto: RACEPRESS<br />
Hart -<br />
härter -<br />
DTM<br />
Der Red Bull Ring in<br />
Spielberg verlieh<br />
Audi-Pilot Filipe<br />
Albuquerque im<br />
wahrsten Sinne des<br />
Wortes Flügel<br />
Jahrelang gab es langweilige Prozessionen in der<br />
DTM. Nicht so in dieser Saison: Mit den neuen Autos<br />
und drei Herstellern knallt es an allen Ecken und<br />
Enden, in bislang jedem Rennen mussten einige<br />
Piloten vorzeitig ihre zerstörten Coupés abstellen. Das<br />
sieht zwar spektakulär aus, geht aber über die Grenzen<br />
hinaus. Der Grund ist klar: Neue Autos und gleich<br />
sieben Rookies im Feld sorgen zeitweise für Chaos,<br />
hinzu kommt der hohe Konkurrenzdruck. Hoffentlich<br />
beruhigen sich die Gemüter bald. Am Ende soll der<br />
beste Pilot mit dem besten Paket gewinnen - und nicht<br />
der Fahrer, der in die wenigsten Unfälle verwickelt<br />
war. - Robert Seiwert<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 61
<strong>Motorsport</strong> ist kein<br />
Wunschkonzert<br />
Text: Kerstin Hasenbichler<br />
Timo Scheider dachte, er hätte in der DTM schon alles erlebt. Doch dann kamen die Saison 2012 und einer der<br />
schlechtesten Saisonstarts seiner Karriere. Im <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> verrät der Audi-Pilot wie er trotz aller<br />
Rückschläge motiviert bleibt.<br />
MSM: Du hattest dir durch das neue Reglement,<br />
die neuen Autos, den Einstieg von BMW<br />
frischen Wind erwartet. Wie fällt dein Fazit<br />
nach den ersten Rennen aus?<br />
TIMO SCHEIDER: Vor allem durch den Einstieg<br />
von BMW ist frischer Wind eingekehrt,<br />
aber auch der Audi A5 ist für uns eine neue<br />
Herausforderung und mit dem neuen Reglement<br />
gibt es für alle Fahrer auch eine neue Basis.<br />
Du hast bereits 2000 die »neue DTM« miterlebt.<br />
Wenn man dann als Fahrer wieder eine<br />
neue Ära miterlebt, ist man dann stolz, dass<br />
man so lange schon dabei ist?<br />
Es ist schon etwas Besonderes, dass man so<br />
lange in diesem System dabei sein kann und<br />
darf - vor allem, wenn man dann eine zweite<br />
neue Ära miterlebt. In den vielen Jahren gab es<br />
sicherlich Momente, wo ich mich gefragt habe,<br />
was ich hier eigentlich mache, aber es gab auch<br />
viele schöne Momente. Alles in allem bin ich<br />
froh, ein Teil der DTM-Familie zu sein und<br />
noch den einen oder anderen Erfolg einfahren<br />
zu können.<br />
Die Autos sind neu, das Reglement ist neu -<br />
inwieweit hat dir deine langjährige Erfahrung<br />
in der DTM geholfen, dich schneller auf alles<br />
einzustellen?<br />
Das Niveau in der DTM ist mittlerweile so<br />
gigantisch hoch, dass man echt schauen muss,<br />
dass man einigermaßen bei der Musik ist. In<br />
den ersten Rennen ist es mir sehr schwer gefallen,<br />
alles zu 100 Prozent abzurufen. Ich glaube,<br />
dass wir zu Beginn des Jahres etwas das Nachsehen<br />
hatten. Aber wir werden nicht aufgeben<br />
und weiterhin alles probieren. In Spielberg lief<br />
mein Auto schon deutlich besser.<br />
Der schlechteste Saisonstart aller Zeiten - könnte<br />
so der Titel eines Buches über die Saison 2012 heißen,<br />
wenn Timo Scheider unter die Autoren gehen<br />
würde?<br />
Ich denke, der Titel würde eher lauten: »Ich dachte,<br />
ich hätte schon alle Erfahrungen gesammelt. Aber<br />
dem war nicht so.«<br />
Dein Auto schien die Konkurrenz in den letzten<br />
Rennen magisch anzuziehen, aber ist Pech allein<br />
der Grund, warum es derzeit nicht so rund läuft?<br />
Wir haben natürlich einige Kollisionen gehabt, mit<br />
Ralf Schumacher und Roberto Merhi in Hockenheim.<br />
Das könnte daran liegen, dass ein Großteil<br />
des Autos gelb ist, genauso wie die Wespen und<br />
Bienen. Die holen sich auch ihren Honig und vielleicht<br />
gilt das auch für meine Konkurrenten, die<br />
meinen sie müssten Kontakt mit meinem Auto<br />
suchen. (lacht) Es gibt nicht immer nur einen →<br />
Fotos: audi<br />
62 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 63
Grund, warum es nicht läuft. Ich habe dieses Jahr<br />
alles schon einmal gehabt. In Brands Hatch hatte<br />
ich beispielsweise im Qualifying wie auch im Rennen<br />
Probleme mit dem Auto. Es fühlt sich natürlich<br />
nicht prickelnd an, wenn es mal nicht rund läuft<br />
Du hast in deiner langjährigen DTM-Karriere<br />
schon schwierige Zeiten erlebt. Die Zeit bei Opel<br />
war nicht einfach, es dauerte sieben Jahre bis zu<br />
deinem ersten Podestplatz. Wie geht man mit solchen<br />
Phasen um, wie bleibt man motiviert?<br />
Im Rennfahrerleben geht es immer darum, schnell<br />
zu sein und Erfolg zu haben. Es geht auch darum,<br />
Freude daran zu haben, was man macht. Klar,<br />
<strong>Motorsport</strong> macht nur dann Spaß, wenn man<br />
erfolgreich ist, Dinge bewegen kann und sich dabei<br />
wohlfühlt. Wenn man sich nicht wohlfühlt, dann<br />
ist das Gen eines Rennfahrers sicher das, dass man<br />
arbeiten muss, um dort wieder hinzukommen. Ich<br />
bin froh, dass ich schon schwierige Zeiten erlebt<br />
habe und mich aus diesen Löchern herausarbeiten<br />
konnte. Das macht es am Ende nur noch schöner,<br />
wenn man wieder dort ist, wo man hinwollte.<br />
Stimmt es, dass du damals den Spitznamen Podiumsverweigerer<br />
hattest?<br />
Ja. Das ist in der Zeit entstanden, als ich für Opel<br />
fuhr. Als ich dann das erste Jahr in einem Neuwagen<br />
saß, hat jeder natürlich gehofft, dass die ersten<br />
Podestplätze kommen. Die kamen allerdings relativ<br />
spät, aber danach kam der Paukenschlag umso<br />
extremer. 2008 und 2009 mit neun Podiumsplätzen<br />
in zehn Rennen. Das ist einer der wenigen Rekorde,<br />
die man aufstellen konnte. Mit diesen Erfolgen habe<br />
ich meinen Spitznamen Podiumsverweigerer<br />
schnell und hart abgelegt. Auch den Titel zu verteidigen,<br />
gelang in der DTM bis auf Bernd Schneider<br />
vor mir niemandem. Der Druck und die Erwartungshaltungen<br />
im Umfeld waren nach dem ersten<br />
Titel natürlich groß. Für mich ist mit dem ersten<br />
Titel der größte Stein von den Schultern gefallen.<br />
Klar will man im nächsten Jahr ähnlich gut performen<br />
wie im Jahr zuvor, aber <strong>Motorsport</strong> ist kein<br />
Wunschkonzert. Es gibt Jahre, die sind mal gut und<br />
Jahre, die sind mal schlecht. Dass ich den Titel 2009<br />
verteidigen konnte, ist und bleibt immer etwas<br />
Besonderes. Darauf bin ich sehr stolz.<br />
Die Leistungsdichte in der DTM ist so eng wie<br />
schon lange nicht mehr. Wie schwierig ist es für<br />
einen Fahrer, ins Q4 zu gelangen?<br />
Für mich persönlich extrem schwierig, weil das<br />
Thema Qualifying eines der größten Probleme ist,<br />
die ich habe. Im ersten Moment ist die Aufgabe<br />
Qualifying für mich unangenehm, weil es für mich<br />
die meiste Arbeit bedeutet. Aber es kann von jetzt<br />
auf gleich wieder alles anders sein. Wenn ich 2008<br />
und 2009 nehme, dann hätte ich rückwärts im Auto<br />
sitzen können und hätte trotzdem eine gute Performance<br />
gezeigt. Aktuell ist jeder Schritt hart erarbeitet<br />
und gelingt auch nicht immer. Das gilt es<br />
umzustellen und zu verbessern.<br />
Timo Scheider scheint das<br />
Pech magisch anzuziehen<br />
- und auch so manches<br />
Auto der Konkurrenz<br />
Auf diesem Level muss man sich Gedanken<br />
machen, wie man die Rennen so spannend<br />
gestaltet, dass die Fans Überholmanöver<br />
sehen. Autos, die wie an der Perlenkette<br />
aufgereiht sind, will kein Mensch sehen.<br />
Erwartest Du, dass es weiterhin so eng zugeht oder<br />
denkst du, dass sich schon bald einige Fahrer<br />
herauskristallisieren werden, die den Titel untereinander<br />
ausmachen?<br />
In der DTM ist die Konkurrenz sehr stark und<br />
überhaupt in der DTM zu bestehen, ist sehr schwierig.<br />
Die Rundenzeiten sind aktuell sehr eng und ich<br />
denke, dass wird über die Saison hinweg auch so<br />
bleiben. Jeder Hersteller wird mit seinen Autos<br />
weiter Erfahrungen sammeln. Ich hoffe, dass wir<br />
bei Audi uns weiter in die richtige Richtung entwickeln,<br />
um noch mehr mit guten Ergebnissen dazustehen.<br />
In diesem Jahr lief es für den einen oder<br />
anderen Audi-Piloten bereits ganz gut, aber es ist<br />
im Moment keine geschlossene Mannschaftsleistung.<br />
Das ist momentan die große Aufgabe für<br />
uns.<br />
In Spielberg sahen wir eines der spannendsten<br />
Rennen der letzten Jahre. Wie kann man aus Fahrersicht<br />
die Spannung zukünftig auf sämtlichen<br />
Rennstrecken noch weiter steigern?<br />
Aus Sicht der Fahrer, der Hersteller, der ITR und<br />
der gesamten Organisation war es immer der<br />
Wunsch, die Rennen so spannend wie möglich zu<br />
gestalten. Die Autos sind so effizient und so sensibel,<br />
Fotos: audi<br />
64 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Scheider-Zeitplan. Die Termine, angefangen beim<br />
ersten Meeting am Donnerstag, liegen sehr eng<br />
beieinander. Sie sind bei Rennen im Ausland nicht<br />
so extrem, weil es nicht so viele PR-Termine abseits<br />
der Strecke gibt. Aber bei einem Heimrennen oder<br />
auch beim Rennen in Spielberg sind die Termine<br />
natürlich zahlreicher. Das ist leider auch das, was<br />
der Fan nicht mitbekommt. Ich sage immer, dass<br />
ein Rennwochenende für mich Arbeit ist. Ich werde<br />
von A nach B geschickt, muss meinen Job am und<br />
im Auto mit meinen Ingenieuren machen und auch<br />
noch den »Rest« abarbeiten. Manchmal würde ich<br />
mir erhoffen, dass der Fan einen noch besseren<br />
Einblick in das, was wir tun müssen, hätte. Oftmals<br />
sitzt man bei einer Autogrammstunde und da stehen<br />
dutzende Fans an. Aber irgendwann muss man<br />
einfach Stopp sagen und gehen. Klar sind da einige<br />
Fans enttäuscht, aber es ist wie wenn man morgens<br />
ins Büro geht. Da muss man auch seinen Zeitplan<br />
einhalten, nicht anders geht es mir. Vor allem wenn<br />
es um offizielle Termine geht, die auch mit Geldstrafen<br />
belegt sind. Demzufolge ist es auch unfair<br />
gegenüber dem Fan, wenn man sich umdrehen und<br />
gehen muss, aber so ist der Job. Das ist part of the<br />
game.<br />
Timo Scheider hätte nichts<br />
dagegen, wenn die DTM<br />
mit Push-to-Pass-Buttons<br />
oder beweglichen Flügeln<br />
experimentieren würde<br />
was die Aerodynamik angeht, dass man auf den meisten<br />
Strecken nicht so viele Überholmanöver sieht<br />
wie man sich das wünschen würde. Eine mögliche<br />
Variante wäre, dass man einen weichen und zwei<br />
harte Reifensätze im Rennen fahren muss. Eine<br />
andere Variante könnte ein Push-to-Pass-Button<br />
sein, der für einen kurzen Moment mehr Leistung<br />
abrufen lässt. So etwas hat man bereits in der Formel<br />
1 gemacht. Da hat man sogar noch den verstellbaren<br />
Heckflügel zusätzlich eingeführt. Auf diesem Level,<br />
auf dem sich die DTM bewegt, muss man sich<br />
Gedanken machen, wie man die Rennen so spannend<br />
gestaltet, dass die Fans auch Überholmanöver<br />
sehen. Autos, die wie eine Perlenkette aufgereiht,<br />
hintereinander fahren, will kein Mensch sehen.<br />
Apropos Fans. Die Fans sehen dich auf der Strecke<br />
oder bei den Autogrammstunden, aber an einem<br />
Rennwochenende steht für dich viel mehr an.<br />
Kannst du einen kurzen Einblick geben, wie so ein<br />
Rennwochenende für dich abläuft?<br />
Am Anfang eines Rennwochenendes erhalte ich<br />
einen Race Guide. In diesem Buch stehen hunderttausend<br />
Informationen drin, inklusive einem Timo<br />
Abseits der DTM ist deine große Leidenschaft<br />
Motorradfahren. Was macht für dich dein Reiz<br />
aus?<br />
Ich fahre im Winter sehr viel Supermoto. Das ist<br />
ein gutes Fitness-Training für den Gleichgewichtssinn,<br />
Kraft und Ausdauer. Das Motorradfahren<br />
bedeutet für mich eine Menge Spaß. Natürlich fahre<br />
ich nur im Winter, weil während der Saison das<br />
Risiko einer Verletzung einfach zu groß ist. Motorradfahren<br />
ist eine andere Art von Herausforderung.<br />
Wenn man Rennfahrer ist, dann reizt einen alles,<br />
was einen Motor hat und mit dem man Geschwindigkeit<br />
aufbauen kann.<br />
Du engagierst dich abseits der Strecke für sehr viele<br />
Charity-Projekte, unter anderem bist du Botschafter<br />
der Stiftung Wings for Life, du förderst den<br />
Nachwuchs mit deinem »Nintendo Team Scheider«.<br />
Wie wichtig ist dir dein soziales Engagement,<br />
speziell für den Nachwuchs?<br />
Mein großer Traum von der Formel 1 hat sich vielleicht<br />
nicht erfüllt, aber wenn ich darauf zurückblicke,<br />
was ich in meiner Karriere erreicht habe,<br />
dann bin ich sehr stolz. Es gab einen Punkt, an dem<br />
ich mit Partnern und Sponsoren den Gedanken<br />
hatte, ob wir etwas zurückgeben können - speziell<br />
dem Nachwuchs. Da entstand auch die Idee mit<br />
dem Kartteam. Das gibt mir die Möglichkeit, jungen<br />
Talenten etwas auf ihrem Weg mitzugeben.<br />
Angefangen bei der Technik über die Linienwahl<br />
auf der Strecke bis hin zu PR- und Medienterminen.<br />
Mit einem professionellen Umfeld bereits zu Beginn<br />
zu arbeiten, ist für die spätere Karriere entscheidend.<br />
Das ist für mich eine schöne Geschichte, weil<br />
ich etwas zurückgeben und meine Erfahrung teilen<br />
kann.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 65
Text: Marion Rott<br />
Bis zum<br />
bitteren Ende<br />
Jari-Matti Latvala wollte 2012 Weltmeister werden. Pech und etliche Fehler haben seinen<br />
Traum in weite Ferne rücken lassen. Aufgeben kommt für Latvala aber nicht in Frage.<br />
Viele Beispiele der Vergangenheit geben ihm Recht. Das <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> blickt auf die<br />
gröSSten Aufholjagden der letzten 20 Jahre zurück.<br />
Fotos: adrivo/Sutton<br />
66 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Einziger Titel<br />
für Colin McRae<br />
Den Auftakt in sein Weltmeisterjahr hatte sich<br />
Colin McRae bestimmt anders vorgestellt. Sowohl<br />
in Monte Carlo als auch in Schweden blieb der Brite<br />
1995 ohne Punkte. Auch danach gelangen ihm<br />
keine großen Erfolge. Sein Subaru-Teamkollege<br />
Carlos Sainz lag bereits 30 Punkte in Führung.<br />
Doch als die WM schon verloren schien, begann<br />
der Triumphzug von McRae. In Neuseeland holte<br />
er seinen lang ersehnten ersten Saisonsieg. Es<br />
folgten weitere Top-Platzierungen und am Ende<br />
gingen die Teamkollegen punktgleich in das Saisonfinale.<br />
36 Sekunden Vorsprung machten McRae<br />
zum Sieger und Weltmeister.<br />
Bittere Niederlage<br />
Fünf Jahre wartete Carlos Sainz bereits auf den<br />
nächsten Titel. 1998 sollte sein Jahr werden, was<br />
der Spanier mit einem Auftaktsieg in Monte Carlo<br />
unterstrich. Doch nach dem Höhepunkt folgte der<br />
Tiefschlag, in Form von sieben Rallyes ohne Sieg.<br />
Doch Sainz hatte Glück im Unglück, denn sein<br />
härtester Konkurrent Mäkinen ging fünf Mal leer<br />
aus. Vier Rallyes vor Saisonende führte Sainz die<br />
WM mit 13 Punkten Vorsprung an. Ab diesem<br />
Zeitpunkt allerdings zündete Mäkinen die Rakete,<br />
gewann drei Mal in Folge und lag vor dem Finale<br />
zwei Punkte vorne. In Großbritannien fiel Mäkinen<br />
vorzeitig aus und Sainz wurde bereits inoffiziell zum<br />
Weltmeister gekürt. Niemand hatte damit gerechnet,<br />
dass der Motor seines Toyotas nur 300 Meter<br />
vor dem Ziel den Dienst quittieren und Sainz erneut<br />
den WM-Titel verlieren würde.<br />
Zweigeteilte Saison<br />
Hirvonen gegen Loeb - lautete das Duell 2008 und<br />
auch im Folgejahr sollte sich nichts ändern. Loeb<br />
versuchte sein Revier abzustecken, indem er die<br />
ersten fünf Rallyes der Saison gewann. 20 Punkte<br />
Vorsprung gegenüber Hirvonen sprachen eine deutliche<br />
Sprache. Doch der Finne blieb unbeeindruckt,<br />
was er mit vier Siegen in Folge in der zweiten Saisonhälfte<br />
demonstrierte. Mit einem Punkt Vorsprung<br />
ging der Ford-Pilot ins Saisonfinale. Er hatte<br />
alle Trümpfe in der Hand, doch kurz vor dem Ziel<br />
verließ Hirvonen wieder einmal das Glück. Die<br />
Motorhaube seines Boliden legte sich auf die Windschutzscheibe,<br />
weshalb er Loeb ziehen lassen musste.<br />
Der Franzose gewann die Rallye Wales und sicherte<br />
sich mit einem Punkt Vorsprung die WM.<br />
Herzschlagfinale<br />
Die Saison 1997 war an Spannung nicht zu überbieten,<br />
dank der Hauptakteure Tommi Mäkinen<br />
und Colin McRae. Nach einem holprigen Start lieferten<br />
sich beide bis zur Rallye Argentinien ein<br />
heißes Duell. Eine Pechsträhne schmiss McRae<br />
zurück, Mäkinen schien mit 20 Punkten Vorsprung<br />
uneinholbar. Doch das Blatt wendete sich und<br />
McRae gewann in Italien und Australien. Die Entscheidung<br />
fiel in Wales - McRae gewann, doch der<br />
achte Rang und ein WM-Punkt reichten Mäkinen,<br />
um McRae eine schmerzliche 63:62 Niederlage zu<br />
verpassen. Bei Punktgleichheit hätte McRae dank<br />
einem Sieg mehr auf dem Konto den zweiten Titel<br />
geholt.<br />
Unerwartetes<br />
Saisonfinale<br />
Sebastien Loeb feierte 2005 seinen dritten WM-Titel<br />
in Folge und wollte in gleicher Manier fortfahren -<br />
hätte es da nicht Marcus Grönholm gegeben. Der<br />
Ford-Pilot gewann die ersten beiden Rallyes, doch<br />
Loebs Antwort folgte auf dem Fuße. Die darauffolgenden<br />
fünf Rallyes entschied der Franzose deutlich<br />
für sich. Als sein Vorsprung bereits auf 35 Zähler<br />
angewachsen war, passierte das Unerwartete. Loeb<br />
brach sich bei einem Fahrradunfall den Arm und<br />
war damit für den Rest der Saison außer Gefecht.<br />
Grönholm musste allerdings drei der vier verbliebenen<br />
Rallyes gewinnen und einmal Dritter werden,<br />
um Loeb in der WM noch abzufangen. Doch in<br />
Australien reichte es nur zu Rang fünf - und Loeb<br />
war zum vierten Mal in Folge Weltmeister.<br />
Der ewige Zweite<br />
Hirvonen war nach seiner schlechten Saison 2010<br />
auf Angriff getrimmt. Er gewann den Saisonauftakt<br />
2011 in Schweden, allerdings musste er sich im weiteren<br />
Verlauf der Saison auf Schotter - und vor allem<br />
auf Asphalt - gegen Sebastien Loeb geschlagen geben.<br />
Nach der Rallye Deutschland standen 36 Punkte<br />
Rückstand wie in Stein gemeißelt und die wenigsten<br />
zweifelten am achten Titel des Citroen-Piloten. In<br />
Australien und Frankreich wendete sich aber das<br />
Blatt, Loeb holte nur vier Punkte. Damit ging es für<br />
die Kontrahenten punktgleich in die finalen Rallyes<br />
in Spanien und Großbritannien. Im Schlamm der<br />
Rallye Wales schlug das Schicksal erneut erbittert zu:<br />
ein Ast bohrte sich in den Kühler von Hirvonens<br />
Boliden und zerstörte dessen Hoffnungen auf den<br />
ersten Titel.
Text: Fabian Schneider<br />
In der IndyCar Serie galt Simona de Silvestro stets als groSSes Talent. In dieser Saison hat es die<br />
23-jährige Schweizerin aber ganz und gar nicht leicht. Im <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> erläutert sie ihr<br />
Leben in der Lotus-Falle.<br />
MSM: Beim Indy 500 bist du gnadenlos hinterher<br />
gefahren. Wie schnell möchte man als Rennfahrer<br />
ein solches Rennen vergessen?<br />
SIMONA DE SILVESTRO: Das ist schon schwierig,<br />
denn für uns war der gesamte Monat sehr schwierig<br />
- man fährt ja alle paar Tage ein Training. Wir waren<br />
15 Meilen pro Stunde langsamer, das ist schon eine<br />
große Differenz. Gerade auf einem Oval ist es dann<br />
sehr schwer, nicht im Weg zu stehen. Das haben<br />
wir leider schon am ersten Testtag feststellen müssen<br />
und trotzdem haben wir weiter hart gearbeitet<br />
- auch wenn uns immer klar war, dass wir keine<br />
Chance haben würden.<br />
Wie fühlt man sich als Rennfahrer, wenn man<br />
auf der Strecke nur hinterher fährt und es ganz<br />
klar am Auto liegt?<br />
Das ist absolut frustrierend, vor allem weil man es<br />
nicht ändern kann. Man kann lediglich versuchen,<br />
trotzdem an das Limit zu gehen. Wenn man sich<br />
von der Situation zu sehr frustrieren lässt, dann hilft<br />
das auch nicht. Es bringt nichts, wenn man Fehler<br />
macht und nicht richtig arbeitet. Man sollte also<br />
immer positiv denken.<br />
Kann man denn auf einem Oval wie Indy überhaupt<br />
noch etwas rausholen?<br />
Indy ist anders als andere Ovale, hier muss man<br />
schon fahren können. Aber klar, wenn man ein<br />
gutes Auto hat, ist das deutlich einfacher. Wir haben<br />
im Qualifying eine ganze Woche gut gearbeitet und<br />
ein paar Meilen gefunden, das war sehr positiv.<br />
Unsere vier gezeiteten Runden waren sehr konstant,<br />
auch das gibt mir Hoffnung. Wir haben die richtige<br />
Basis, jetzt fehlt nur noch der richtige Motor.<br />
Was genau fehlt dem Lotus-Motor? Ist es nur die<br />
reine Leistung?<br />
Die fehlenden Pferdestärken sind sicher das größte<br />
Problem. Weitere Schwierigkeiten verursacht die<br />
Elektronik, die noch nicht ausgereift ist. Die ganzen<br />
Gangwechsel laufen noch nicht so sauber ab, daran<br />
muss noch gearbeitet werden. Lotus sollte aber verstanden<br />
haben, dass es noch offene Baustellen gibt.<br />
In Indy war Jean Alesi dein Teamkollege. War das<br />
eine tolle Erfahrung? Immerhin ist er F1 gefahren,<br />
als du noch vor dem Fernseher gesessen hast...<br />
Fotos: indycar<br />
68 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Der Lotus-Motor ist für Simona de Silvestro<br />
noch ein großes Handicap - das Team arbeitet<br />
hart an einer Verbesserung<br />
Für mich war das anfangs schon ein bisschen<br />
komisch. Es war aber toll, dass Jean hier mit uns<br />
gefahren ist, und ich denke, dass er nächstes Jahr<br />
wieder mit dabei ist. Für uns beide war es eine sehr<br />
schwere Situation, ich habe ihm geholfen und wir<br />
haben sehr viel über den Motor geredet. Jean ist<br />
einfach ein unglaublicher Rennfahrer, mit ihm zu<br />
arbeiten ist wirklich klasse.<br />
Konntest du dich vom Trubel und den Schwierigkeiten<br />
in Indianapolis ablenken? Immerhin seid<br />
ihr mehrere Wochen an der Strecke...<br />
Es ist schon ein bisschen schwerer als bei den normalen<br />
Rennwochenenden. Zum Glück waren<br />
meine Eltern da und wir sind öfter zusammen ausgegangen<br />
und waren etwas Leckeres essen. Indy ist<br />
einfach nicht normal, da muss man auch am Abend<br />
mal abschalten können und am nächsten Morgen<br />
wieder voll angreifen.<br />
Anfang Mai hast du das US-Masters Golfturnier<br />
in Augusta besucht. Spielst du privat auch Golf?<br />
Ich probiere es zumindest, obwohl ich nicht sonderlich<br />
gut bin. Aber es macht schon Spaß und ist eine<br />
tolle Abwechslung, denn man kann nur auf sich<br />
selbst sauer sein - auf kein Auto und keinen Motor.<br />
Wenn man Fehler macht, dann ist man selbst Schuld<br />
- nur du, der Schläger und der Ball.<br />
Bist du in den USA schon so bekannt, dass man dich<br />
auch auf dem Golfplatz erkannt hat?<br />
Ja, schon ein bisschen - aber natürlich nicht so wie<br />
einen Filmstar. Ein paar Leute haben mich aber angesprochen<br />
und mir viel Glück gewünscht. Es freut<br />
mich sehr, dass die Fans sich für mich interessieren<br />
und mich unterstützen. Durch den Abgang von<br />
Danica Patrick hat sich da seit dem letzten Jahr übrigens<br />
gar nichts verändert. Die Fans, die schon vorher<br />
hinter mir standen, stehen auch jetzt noch hinter mir,<br />
weil sie wissen, dass ich gut Auto fahren kann.<br />
Wie geht es für dich weiter? Darf Lotus noch am<br />
Motor arbeiten?<br />
Eingefroren ist jedenfalls nichts und es gibt noch<br />
viel Spielraum, den man nutzen kann. Honda und<br />
Chevrolet werden aber auch Updates bringen, wir<br />
müssen es also noch besser machen. Es wäre hilfreich,<br />
wenn ich nicht als einzige Fahrerin mit dem<br />
Lotus-Motor fahren würde, aber das lässt sich nicht<br />
ändern. Immerhin komme ich schon gut mit dem<br />
neuen Auto zurecht, gerade auf den Straßenkursen<br />
gefällt es mir sehr gut. Bisher kann ich damit eigentlich<br />
zufrieden sein, obwohl sicher noch etwas Luft<br />
nach oben ist.<br />
Welche Ziele hast du dir für den Rest der Saison<br />
gesteckt?<br />
Wenn wir in den letzten drei oder vier Rennen in<br />
die Top-10 kommen, wäre das schon fantastisch.<br />
Wir müssen einfach mal abwarten, wie die nächsten<br />
Rennen laufen. Es kann immer nach vorne gehen,<br />
aber dafür müssen wir es auch im Qualifying unter<br />
die besten Zehn schaffen. Wenn wir bisher nach<br />
vorne gekommen sind, lag das an chaotischen Rennen<br />
- aber ich will vorne starten und das Rennen<br />
auch vorne fertig fahren.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 69
Chevrolet<br />
Camaro GT<br />
Knapp 8 Liter Hubraum, Drehmoment ohne Ende und Höllen-Sound -<br />
der Chevrolet Camaro GT ist ein Auto für echte Männer. Charlie Geipel<br />
pilotiert eines der V8-Monster im ADAC GT Masters und erklärt im<br />
<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> die Besonderheiten der US-Dampframme.<br />
Text: Robert Seiwert<br />
Der Motor: »Die Daten sind beeindruckend: 7,9 Liter Hubraum,<br />
650 PS, 800 Nm, V8-Bigblock - ein richtiger Ami-Schlitten! Aufgrund<br />
des schweren Motors lastet viel Druck auf der Vorderachse,<br />
was das Fahrverhalten eigentlich begünstigt. Wegen der extrem<br />
leichten Hinterachse tendiert der Camaro allerdings zum Übersteuern.<br />
Du kommst aus fast jeder Kurve im leichten Drift heraus.«<br />
Karosserie: »Wir legen beim Camaro keinen<br />
großen Wert auf teures Carbon, stattdessen ist ein<br />
Großteil der Karosserie aus ABS-Kunststoff und Blech<br />
gefertigt. In Sachen Gewicht macht das keinen allzu<br />
großen Unterschied, dafür ist es viel günstiger. Der<br />
Camaro ist wohl das einzige Auto im GT-Masters-Feld,<br />
das weniger als 200.000 Euro kostet. Der Bolide<br />
kommt ziemlich bullig rüber - links und rechts gibt<br />
es so viel Platz, dass du manchmal das Gefühl hast,<br />
mit beiden Rädern auf dem Gras zu fahren. Enge<br />
Strecken kommen dir wie eine Kartbahn vor. Keine<br />
Überraschung: Im Serienauto kannst du quasi eine<br />
ganze Sitzgarnitur unterbringen.«<br />
Technik-Gimmick: »Richtig cool beim Camaro: Die Mittelkonsole wurde extra so konzipiert, dass ein Tablet, wie etwa ein iPad,<br />
integriert werden kann. Mittels dieses Tablets können wir während der Rennen bestimmte Einstellungen vornehmen. Außerdem<br />
könnten wir den Tablet-PC als Rückfahrkamera nutzen. Das ist ziemlich praktisch, denn wegen des extremen V8-Motors vibriert<br />
der normale Innenspiegel so stark, dass man kaum noch etwas dadurch sieht.«<br />
70 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Aerodynamik: »Einen riesigen Heckflügel haben wir natürlich, um mehr Abtrieb an der Hinterachse zu generieren. Aber der Camaro ist<br />
kein aerodynamisch auf die Spitze getriebener Rennsportler wie manch andere GT-Autos. Bei uns liegt der Fokus ganz klar auf dem Top-<br />
Speed, wir haben mehr auf mechanischen Grip hingearbeitet statt Spoiler anzubringen. In den Kurven sind wir langsamer als die Konkurrenz,<br />
die verlorene Zeit holen wir dafür auf den Geraden wieder rein. Bei der Aerodynamik des Camaro ist noch Luft nach oben - man darf aber<br />
nicht vergessen, dass das Auto noch sehr neu in der Welt des Rennsports ist.«<br />
Cockpit: »Der Wagen wirkt im Vergleich zu den anderen Autos<br />
im ADAC GT Masters sehr hoch. Deshalb haben wir versucht, den<br />
Schwerpunkt so niedrig wie möglich anzusetzen. Das Resultat:<br />
Der Fahrer sitzt extrem tief im Cockpit. Das kann in manchen<br />
Kurven spannend werden, weil man den Kurveneingang nicht<br />
richtig überblickt. Ich denke aber, dass wir einen guten Kompromiss<br />
zwischen Sicht und Gewichtsverteilung gefunden haben.«<br />
Auspuff: »Man kann es nicht anders sagen: Der<br />
Camaro klingt einfach geil. Der Hammer-Sound<br />
des V8 entsteht durch die Sidepipes, die knapp<br />
hinter dem vorderen Radkasten ins Freie münden.<br />
Der Auspuff ist keine 30 cm lang, so kommt der<br />
dröhnende Klang zustande. Das Auto klingt<br />
genauso wie es aussieht - ein echtes<br />
Männer-Auto!«<br />
Fahrwerk: »«Der Camaro verfügt über liegende Rennstoßdämpfer von Oehlins, ähnlich wie bei einem Formelauto. So etwas<br />
sieht man sehr selten im GT-Bereich. Dadurch stehen uns bessere Verstellmöglichkeiten zur Verfügung, denn bei einem Gesamtgewicht<br />
von 1.300 kg müssen wir versuchen, das Auto noch feiner einzustellen. Das Problem dabei: Es ist sehr aufwendig, das<br />
optimale Setup für die jeweilige Strecke zu finden. Wir können zwar alles punktgenau einstellen, doch das kostet einiges an Zeit.«<br />
Fotos: ADAC GT Masters<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 71
Andrina Gugger schaffte<br />
den Sprung aus dem<br />
ADAC Formel Masters<br />
ins ADAC GT Masters<br />
TALENT<br />
Rennsport als Muttermilch<br />
Text: Robert Seiwert<br />
Andrina Gugger hat sich in der harten <strong>Motorsport</strong>welt etabliert und fährt im Alter<br />
von nur 21 Jahren im ADAC GT Masters bereits gegen Heinz-Harald Frentzen und Co.<br />
Das <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> unterhielt sich mit der jungen Schweizerin.<br />
Die Anfänge:<br />
»Im Alter von elf Tagen war ich zum ersten Mal<br />
an einer Rennstrecke. Ich sage immer, dass das<br />
meine Muttermilch war. Mit drei Jahren wollte<br />
ich Kart fahren, doch es hieß, ‚Erst, wenn du<br />
groß genug bist und an die Pedale kommst‘ -<br />
ich bin in meinem Leben nicht mehr so schnell<br />
gewachsen! Mein erstes Rennen fuhr ich als<br />
Achtjährige, mit 16 nahm ich an einer Formel-<br />
Talentsichtung teil. Nach einem Jahr im ADAC<br />
Formel Masters stieg ich in den GT-Sport um<br />
und in dieser Saison ins ADAC GT Masters auf.<br />
Dass es so schnell vorwärts geht, hätte ich nie<br />
erwartet.«<br />
Die Erfolge:<br />
»Ein großer Schritt war die erfolgreiche Qualifikation<br />
für die Kart-EM 2006 - ein Aha-<br />
Erlebnis für mich, denn ich war eine von nur<br />
drei Frauen und dabei die einzige Schweizerin.<br />
Als ich 2008 in die Formel Lista Junior einstieg,<br />
gewann ich die ersten beiden Rennen. Das stärkte<br />
mein Selbstvertrauen und so erzielte ich in<br />
den vergangenen Jahren viele kleine Erfolge.<br />
Vor zwei Jahren war ich die allererste Frau, die<br />
an einem GP3-Test teilnahm.«<br />
Das Ziel:<br />
»Ich möchte <strong>Motorsport</strong> auf einem Niveau<br />
betreiben, wo ich als anerkannte Pilotin Einsatzmöglichkeiten<br />
erhalte und nicht die ganze<br />
Zeit damit beschäftigt bin, Sponsoren zu finden.<br />
Mit dem Formelsport habe ich weitestgehend<br />
abgeschlossen, die DTM wäre für mich<br />
ein Traum. Ich fuhr früher Kart mit Audi-<br />
Pilotin Rahel Frey und kenne sie sehr gut. Auf<br />
einem solchen Level Rennen zu fahren, wäre<br />
wirklich super.«<br />
Die Ausbildung:<br />
»Ich absolviere an der Pädagogischen Hochschule<br />
in Zürich ein Teilzeit-Studium zur Oberstufenlehrerin,<br />
das dauert noch etwa zweieinhalb<br />
Jahre. Als <strong>Motorsport</strong>lerin kann ich keine<br />
normale Lehrstelle annehmen, weil die Rennen<br />
und das ganze Drumherum extrem viel Zeit in<br />
Anspruch nehmen. Ich bin froh, mit der Ausbildung<br />
ein zweites Standbein zu haben, das<br />
mir auch sehr viel Spaß bereitet. <strong>Motorsport</strong><br />
ist ein schnelllebiges Geschäft, es kann vom<br />
einen auf den anderen Tag vorbei sein.«<br />
Die Hobbys:<br />
»Neben meinem Studium und dem <strong>Motorsport</strong><br />
habe ich noch ein paar Arbeitsstellen - ich muss<br />
schließlich Geld verdienen. Für Hobbys bleibt<br />
da kaum noch Freiraum. Wenn ich aber mal<br />
ein wenig Zeit habe, bin ich gern in der Natur.<br />
Radfahren und Skaten sind ein guter Ausgleich<br />
für mich. Ansonsten verbringe ich viel Zeit im<br />
Fitnessstudio, denn als Frau muss man eben<br />
ein bisschen mehr arbeiten als die männlichen<br />
Kollegen.«<br />
Fotos: adAC, adrivo/Sutton<br />
72 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Mädchen kennen<br />
keinen Schmerz<br />
Beitske Visser ist nicht nur die einzige Pilotin im ADAC Formel Masters,<br />
sondern konnte sich bei ihrem Heimspiel in Zandvoort sogar in die Siegerliste<br />
eintragen. Bemerkenswert: Die junge Niederländerin fuhr verletzt<br />
zu ihrem ersten Formel-Sieg, nachdem sie im vorangegangenen Qualifying<br />
heftig in die Streckenbegrenzung geknallt war. Aus Sicherheitsgründen<br />
ließ Visser das folgende Rennwochenende am Sachsenring aus.<br />
Visser ist schon wieder heiß: »Ich würde am liebsten einfach in ein Auto<br />
steigen und wieder fahren.«<br />
Beitske Visser ließ sich<br />
auch von einer<br />
Verletzung nicht<br />
aufhalten<br />
Star für die<br />
Stars von morgen<br />
Ralf Schumacher<br />
startete einige Male im<br />
ADAC Kart Masters<br />
Ralf Schumacher setzt sich für die <strong>Motorsport</strong>-Stars der Zukunft<br />
ein. Der ehemalige Formel-1-Pilot kümmert sich als neuer<br />
Schirmherr des ADAC Kart Masters um die Nachwuchsarbeit.<br />
»Ich freue mich, dass ich junge <strong>Motorsport</strong>ler zu<br />
Beginn ihrer Karriere unterstützen kann«, so Schumacher.<br />
»So kann ich etwas zurückgeben, von dem<br />
ich zu Beginn meiner Karriere profitieren konnte.« Der<br />
DTM-Fahrer greift auch selbst gern aktiv ins Kart-<br />
Geschehen ein: Im vergangenen Jahr trat er mehrmals<br />
als Gaststarter im ADAC Kart Masters an.<br />
Noch besser -<br />
noch spannender<br />
Die ADAC Rallye<br />
Deutschland wird die<br />
Zuschauer auch 2012<br />
begeistern<br />
Die Rallye Deutschland gehört zu den Highlights im WRC-Kalender. Wenn<br />
Sebastien Loeb und Co. in den Weinbergen und mitten in der Stadt Trier<br />
nach Bestzeiten jagen, kommt jeder <strong>Motorsport</strong>-Fan voll auf seine<br />
Kosten. In diesem Jahr wird die Rallye Deutschland sogar noch zuschauerfreundlicher:<br />
von den 63 Zuschauerpunkten sind 27 komplett neu,<br />
zudem wurden drei der Aussichtspunkte erweitert. Zu den Highlights<br />
zählen unter anderem der komplett neue Shakedown, die nochmals<br />
v e r b e s s e r t e A r e n a P a n z e r p l a t t e s o w i e v e r ä n d e r t e<br />
Wertungsprüfungen.
74 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Foto: flohagena.com/red bull content pool<br />
the show<br />
must go on?<br />
99,7% Ausfallquote: Nur<br />
sieben der 1.800<br />
Starter erreichten beim<br />
Red Bull Hare Scramble<br />
am Erzberg die Ziellinie<br />
»MotoGP gibt‘s auch ohne Casey.« Mit dieser Aussage<br />
hat Dorna CEO Carmelo Ezpeleta sicher nicht unrecht,<br />
die MotoGP wird weiter gehen - die Frage ist nur wie?<br />
Wäre es nicht schlauer gewesen, sich die Kritik des<br />
Australiers in Sachen ‚Zukunft MotoGP‘ einmal genau<br />
anzusehen, bevor man mit einem Schulterzucken sagt:<br />
»Man kann nicht alle glücklich machen.« Stoner ist<br />
nicht der einzige Fahrer, dem die CRT-Richtung und<br />
Reglementänderungen nicht zusagen, er war lediglich<br />
der einzige, der Kritik laut äußerte. Andere Fahrer<br />
trauen sich nicht, weil sie auch 2013 einen Job haben<br />
wollen. Eine bedenkliche Zukunftsrichtung, die die<br />
MotoGP da einschlägt. - Jule Krause<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 75
Utopie<br />
oder<br />
Dystopie?<br />
Casey Stoner mag den Weg nicht mehr, den die<br />
MotoGP eingeschlagen hat. Ist der Rücktrittsgrund<br />
des Australiers aber wirklich Anlass<br />
zur Sorge für die Königsklasse?<br />
Text: Maria Pohlmann & Falko Schoklitsch<br />
Nach so vielen Jahren in diesem Sport, den ich liebe und für den<br />
ich und meine Familie so viele Opfer gebracht haben, nach so vielen<br />
Jahren des Versuchs, dorthin zu kommen, wo wir jetzt sind, hat sich<br />
der Sport sehr verändert und er hat sich so verändert, dass ich ihn nicht<br />
mehr genießen kann. Ich habe keine Leidenschaft mehr dafür und<br />
deshalb ist es an diesem Punkt besser, aufzuhören.<br />
Casey Stoner<br />
nverständnis, Erstaunen, Entsetzen und irgendwie doch<br />
U<br />
alles zusammen überkam einen Großteil der GP-Welt, als<br />
Casey Stoner am 17.5.2012 bekanntgab, seine Karriere in<br />
der MotoGP mit Ende der Saison 2012 beenden zu wollen.<br />
Eine Einordnung des Geschehenen fiel schwer, immerhin hatte hier<br />
nicht irgendwer gesagt, dass er aufhören will. Stoner ist amtierender<br />
Weltmeister und er wird zum Saisonende gerade einmal 27 Jahre alt<br />
sein, da haben viele <strong>Motorsport</strong>ler die beste Zeit erst noch vor sich.<br />
Als Vergleichs-Szenario drängte sich ein Rücktritt von Formel-1-<br />
Weltmeister Sebastian Vettel mit Saisonende auf, also ein Ereignis,<br />
das eigentlich unvorstellbar ist.<br />
Das <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> wollte es genau wissen und hörte sich im<br />
Fahrerlager bei Fahrern und Teamchefs um. Wir wollten wissen, steht<br />
der Zweirad-Königsklasse eine utopische oder dystopische Zukunft<br />
bevor? »Sicher verstehe ich Caseys Meinung, aber es gibt bei einer<br />
Geschichte immer zwei Seiten«, sagte sein Teamkollege Dani Pedrosa.<br />
Und dabei müsse es nicht immer um Dinge gehen, die den Rennsport<br />
an sich betreffen. »Es gibt Sachen, die ein Fahrer nicht mag. Wenn<br />
die Serie im Fernsehen lieber in der Primetime sein will oder solche<br />
Dinge, das schadet dem Racing und manchmal sogar der Sicherheit.<br />
Es ist schwierig, da einen Kompromiss zwischen Rennsport und Show<br />
zu haben.«<br />
Pedrosa war klar der Meinung, dass die MotoGP nicht weiter in Richtung<br />
Claiming Rule Teams gehen sollte, also in Richtung von Teams<br />
mit Maschinen, die zwar noch einen Prototypen-Rahmen haben,<br />
aber sonst viele umgemodelte Serienteile verbauen. »Aber Carmelo<br />
[Ezpeleta] weiß es besser.« Und auch andere glauben, es besser zu<br />
wissen, etwa Valentino Rossi. Der Italiener konnte Stoners Gefühle<br />
zwar verstehen, er betonte aber, dass man mit der Zeit gehen müsse.<br />
»Natürlich wäre es schöner für alle, mit 25 Prototypen im Feld anzutreten,<br />
aber keiner hat mehr das Geld dazu«, erklärte Rossi. »Ich<br />
genieße die Rennen immer noch sehr, man kommt her und arbeitet<br />
mit dem Team zusammen an dem Ziel, das Bestmögliche zu erreichen.<br />
Die Rennen sind im Vergleich zu früheren Jahren vielleicht weniger<br />
unterhaltsam, aber ich denke nicht, dass es an den Fahrern liegt.«<br />
Etwas anders gelagert war der Fall für Loris Capirossi. Der nunmehrige<br />
Dorna-Sicherheitsberater meinte, dass Neuerungen nie schlecht<br />
sein werden, solange sie alles besser und sicherer machen. Stoners<br />
Ansicht konnte er nicht nachvollziehen. »Ich finde, Casey ist wirklich<br />
stark, so etwas zu entscheiden und ich kann ihm nur viel Glück wünschen,<br />
aber trotzdem denke ich, dass die Arbeit hier weiter in die<br />
richtige Richtung geht.« Dabei ist es für die MotoGP schon einmal<br />
eine schlechte Richtung, wenn ein Champion wie Stoner sich aus ihr<br />
zurückzieht. Er mag zwar<br />
nie ein Publikumsliebling<br />
wie Valentino Rosis gewesen<br />
sein - das wollte er<br />
auch nie sein -, aber er ist<br />
ein Talent, wie es selten<br />
eines gibt.<br />
»Es gab viele Dinge, die mich enttäuscht haben und auch viele Dinge,<br />
die ich an diesem Sport geliebt habe, aber unglücklicherweise ging diese<br />
Balance jetzt in die falsche Richtung. Und so werden wir grundsätzlich<br />
nicht weitermachen. Ich würde gern sagen, ich bleibe noch ein weiteres<br />
Jahr, aber wo hört es dann auf? Also entschieden wir, alles so zu beenden,<br />
wie es momentan ist«, erklärte Stoner. Das warf klarerweise die Frage<br />
auf, ist der Weg, den die MotoGP für die Zukunft eingeschlagen hat, der<br />
falsche? Sind CRTs, Drehzahlbegrenzungen, eine Standard-Elektronik,<br />
nur vier Werks-Prototypen pro Hersteller und ähnliches das Ende des<br />
reinen Prototypen-Rennsports bei den Zweirädern?<br />
Wie geht es mit der MotoGP<br />
in Zukunft weiter?<br />
Fausto Gresini, der Teamchef<br />
des Gresini Teams,<br />
war überzeugt, dass Stoners<br />
Rückzug nicht gut für<br />
die Weltmeisterschaft ist,<br />
wollte die Entscheidung<br />
aber akzeptieren. »Wenn<br />
ein Fahrer keine Motivation<br />
mehr hat, dann ist es<br />
richtig, aufzuhören. In →<br />
76 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Fotos: milagro<br />
Uda et quate<br />
volenima endel<br />
magnimus,
78 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com<br />
Valentino Rossi plant<br />
nicht, sich aus der<br />
MotoGP zurückzuziehen<br />
- ewig wird aber<br />
auch er nicht fahren
er mag es nicht, in welche<br />
Richtung sich die motorräder<br />
entwickeln. Durch die CRTs<br />
sieht es so aus, als entwickele<br />
sich alles zu Standard-Motorrädern<br />
und das gefällt ihm<br />
sicherlich nicht<br />
Die CRT-Bikes fahren selbst<br />
hinter dem Mittelfeld<br />
Fotos: milagro, bridgestone<br />
der Entwicklung der MotoGP haben wir jetzt eine Umwälzung, es<br />
beginnt eine neue Ära mit neuen Bikes. Genau an diesem Punkt ist<br />
es wichtig, dass wir alle auf die Kosten achten und neue Lösungen<br />
suchen, damit diese Meisterschaft nicht zu teuer wird. CRT ist eine<br />
neue Kategorie innerhalb der MotoGP. Ich denke jetzt, das war eine<br />
gute Idee. Sicherlich ist ein Starterfeld mit nur zehn oder elf Bikes<br />
keine Meisterschaft, deshalb ist es jetzt gut und diese Möglichkeit zu<br />
schaffen, ist eine gute Sache.«<br />
resini war bewusst, dass noch einiges verbessert werden<br />
G<br />
muss, damit die CRTs nicht nur als Unterklasse mitfahren,<br />
wobei das eben ein Punkt war, der Stoner nicht so schmeckte.<br />
Entweder gibt es echte Prototypen oder nicht, eine<br />
halbseidene Lösung war der Albtraum des Australiers. »Momentan<br />
haben die CRTs noch einen Nachteil. Die Richtung war an sich aber<br />
nicht schlecht und eine Änderung war notwendig. Zukünftig wäre<br />
es besser, wenn alle Teams mitreden könnten«, sagte Gresini trotzdem.<br />
Eine Gegenstimme kam dazu aber von Moto2-Pilot und Ex-<br />
MotoGP-Fahrer Mika Kallio, der Stoners Ansicht genau verstand.<br />
»Ich denke, er mag es einfach nicht, in welche Richtung sich die Bikes<br />
momentan entwickeln. Durch die CRTs sieht es so aus, als entwickele<br />
sich alles zu Standard-Motorrädern und das gefällt ihm sicherlich<br />
nicht«, meinte der Finne.<br />
Einen etwas differenzierteren Blick versuchte Nicky Hayden auf die<br />
Sache zu werfen. Er sah positive und negative Entwicklungen in der<br />
MotoGP. »Es gibt unheimlich viele neue Technologien und allgemein<br />
viele neue Dinge, die ich ziemlich mag, aber ich will nicht für Casey<br />
sprechen. Teilweise teile ich seine Meinung aber auch. Natürlich<br />
gefallen mir die Elektronik und einige andere Dinge nicht, aber es<br />
gibt andere Sachen, die ich wirklich mag«, erklärte der Ducati-Pilot.<br />
Die Meinungslage im Fahrerlager ist vielfältig, was ein weiteres fundamentales<br />
Problem der Zukunftsrichtung der Königsklasse aufzeigt:<br />
allen kann man es sowieso nie recht machen. Dessen ist sich auch<br />
LCR Honda Teamchef Lucio Cecchinello bewusst, der sagte, dass<br />
wohl jeder seine eigene Meinung darüber hat, wie die MotoGP gestaltet<br />
werden sollte.<br />
»Ich denke, dass es immer viel zu leicht ist, die Arbeit anderer zu<br />
kritisieren. Ich persönlich bin mit gar nichts einverstanden, was<br />
MSMA, die Dorna, die FIM oder die Teamvereinigung beschließt,<br />
aber natürlich bin ich realistisch genug, um zu wissen, dass es nicht<br />
meine Aufgabe ist, etwas zu beurteilen oder zu verurteilen. Wir müssen<br />
offen genug sein, um daran zu denken, dass es viele Elemente<br />
gibt, die dazu beitragen. Vielleicht kennen wir auch nicht jedes Detail,<br />
um die Arbeit anderer einzuschätzen. Sicherlich ist momentan eine<br />
harte Zeit, denn die Verkaufszahlen von Motorrädern in Europa liegen<br />
durch die Wirtschaftskrise sehr weit unten, aber ich bin zuversichtlich,<br />
dass die Sponsoren schon bald wieder damit beginnen<br />
werden, in die MotoGP zu investieren. Wenn wir in der Lage sind,<br />
mehr Sponsoren an Land zu ziehen, wird alles einfacher und eindeutiger«,<br />
lautete das Urteil Cecchinellos.<br />
ls Präsident der Teamvereinigung IRTA ist Tech 3 Teamchef<br />
A<br />
Herve Poncharal selbst ein Teil jener Kommission, die die<br />
Regeln festlegt, wobei er dem <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> sagte,<br />
dass ihn die Regeln an sich weniger interessieren. »Mein<br />
Job ist es nicht, ein Bike zu fahren, sondern zu versuchen, mit dem<br />
Bike und im Einklang mit den Regeln ein möglichst gutes Ergebnis zu<br />
holen. Momentan weiß ich selbst nicht, welchen Weg ich einschlagen<br />
werde. Ehrlich gesagt, kann ich dir auf die Frage keine Antwort geben.«<br />
Was lässt sich nun aber wirklich besser machen? Immerhin braucht es<br />
konkrete Ideen, um eine bestimmte Richtung einzuschlagen. »Ich verstehe<br />
die Situation von Casey, denn sicherlich ist momentan die weltweite<br />
Wirtschaftskrise stark und es ist schwer, viel Geld zusammen zu<br />
bekommen. Aber ich denke, wir müssen einfach weiterarbeiten und<br />
alle Bereiche verbessern«, war die eher unkonkrete Antwort Capirossis.<br />
Hayden hatte einen einfachen Plan, der allerdings ebenfalls Konkretes<br />
vermissen ließ: »Ich würde gern mehr Sponsoren und mehr Geld<br />
sehen.«<br />
Poncharal wurde in seiner Betrachtung etwas genauer und äußerte<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 79<br />
→
Was die beste Lösung ist, ist<br />
natürlich schwer herauszufinden.<br />
Wenn man weiter in<br />
eine teure Richtung geht, dann<br />
bleiben nur ein paar Bikes im<br />
Starterfeld übrig. Ich denke,<br />
CRT wird falsch kommuniziert.<br />
Gresini konnte nur noch einmal betonen, dass die Zeit aktuell einfach<br />
schwierig ist, wobei das nicht nur die MotoGP, sondern die ganze<br />
Weltwirtschaft betrifft. »Für die MotoGP ist es ein wichtiger Umbruch<br />
und es wäre wichtig, sich die Strategie genau zu überlegen, nach der<br />
man vorgehen will. Momentan arbeiten alle sehr hart, alle Teams,<br />
die Dorna und die Hersteller, alle denken darüber nach, was das Beste<br />
für die MotoGP ist«, meinte er. Für ein wenig Erleichterung sorgte<br />
dann aber noch Cecchinello, der einer dystopischen Zukunft in der<br />
Königsklasse eine Absage erteilte: »Ich denke nicht, dass es bald nur<br />
noch CRT-Bikes und keine Prototypen mehr geben wird, ganz im<br />
Gegenteil.«<br />
klar die Ansicht, dass in der MotoGP am besten jeder einen reinen<br />
Prototypen fahren sollte. Andererseits räumte er aber ein, dass dies<br />
im Moment einfach nicht möglich ist. »Die ganzen neuen Teile kommen<br />
trotzdem von den Herstellern und die haben auch alle Probleme,<br />
genug Geld zusammenzubekommen und alles zu entwickeln. Alle<br />
versuchen momentan, die beste Lösung zu finden, um die Kosten zu<br />
reduzieren. Was die beste Lösung ist, ist natürlich schwer herauszufinden.<br />
Wenn man weiter in eine teure Richtung geht, dann bleiben<br />
nur ein paar Bikes im Starterfeld übrig. Ich denke, CRT wird falsch<br />
kommuniziert«, sagte er.<br />
r brachte die Überlegung ins Spiel, noch etwas anderes zu<br />
E<br />
machen, das nicht so viel kostet. »Wenn die großen Hersteller<br />
wie Honda, Yamaha und Ducati zum Beispiel in der<br />
Lage wären, interessante Motoren und ein Motorenmanagement<br />
wie das der Prototypen vom Vorjahr an kleinere Chassis-<br />
Hersteller wie Suter oder so zu vermieten, dann könnten wir vielleicht<br />
eine interessante Maschine ohne hohe Kosten bekommen, die gute<br />
Leistung zeigt. Ich glaube, das momentane Problem der CRTs ist das<br />
Motorenmanagement und außerdem haben sie keinerlei Referenzen.<br />
Sie fahren auf allen Strecken zum ersten Mal, sie haben vorher nicht<br />
geübt, sie brauchen erst ein bis zwei Sessions, um die Strecke mit<br />
dem Bike zu entdecken. Deshalb gibt es eine ziemlich große Lücke.<br />
Allerdings finde ich, dass die Lücke gar nicht ganz so groß ist«, meinte<br />
Poncharal.<br />
Casey Stoner hat<br />
genug von den<br />
Zukunftsplänen der<br />
MotoGP - er sagt<br />
leise servus<br />
Er war überzeugt, 2013 werden die CRTs dank vorhandener Referenzdaten<br />
um einiges besser aussehen. Dazu verwies er auf die Moto2,<br />
wo sich die Maschinen von 2010 auf 2011 überall um rund eine<br />
Sekunde steigerten. »Außerdem kann man auch die Fahrer vergleichen.<br />
So etwa 15 Prozent der Lücke zwischen den Prototypen und<br />
den CRTs liegen am Niveau des Fahrers, de Puniet [auf der CRT-<br />
Maschine von Aspar] zum Beispiel ist schon um einiges schneller als<br />
die anderen«, urteilte Poncharal. Ungeachtet dessen versprach Capirossi,<br />
dass weiter sehr hart daran gearbeitet wird, neue Regeln auf<br />
die Beine zu stellen, die auch den Geist der MotoGP erhalten. »Ich<br />
denke, wir werden in ein paar Jahren große Änderungen miterleben«,<br />
sagte der Italiener.<br />
80 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Das Starterfeld ist<br />
2012 massiv<br />
angewachsen - aber<br />
ist es auch besser<br />
geworden?<br />
Fotos: milagro, bridgestone<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 81
Ben Spies kann alles - schnell Motorrad fahren,<br />
investieren und sich Tattoos stechen lassen. Nur<br />
was sie bedeuten behält er für sich...<br />
82 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Elbowz<br />
Racing<br />
Text: Maria Pohlmann<br />
Tattoos, Rennräder, Diner und Momma - wie findet Ben Spies eigentlich<br />
Zeit für die MotoGP? Das <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> traf sich mit dem<br />
vielseitigen Yamaha-Werksfahrer.<br />
Fotos: milagro<br />
MSM: Dein Saisonstart lief nicht optimal...<br />
BEN SPIES: Das waren lauter kleine Dinge, die<br />
zusammen kamen, ein paar Probleme mit dem<br />
Bike, etwas Pech, ich habe ein paar Fehler<br />
gemacht, es war einfach eine Kombination aus<br />
schlechten Dingen und das war natürlich ein<br />
schlechter Start in die Saison. Das passiert allerdings<br />
jedem Sportler einmal, man kann nicht<br />
immer perfekt sein und es stimmt schon, dass<br />
wir Probleme hatten und mich das enttäuscht,<br />
aber wir hoffen, den Spieß jetzt umzudrehen.<br />
Hoffentlich können wir nun damit beginnen,<br />
dort zu landen, wo wir hingehören.<br />
Wird es von Yamaha in dieser Saison weitere<br />
Updates geben?<br />
Wir haben am Montag und am Mittwoch nach<br />
dem Rennen in Barcelona getestet und wir hatten<br />
ein paar Teile zum Probieren. Wir hoffen natürlich<br />
immer auf Verbesserungen.<br />
Was ist für dich der Grundunterschied zwischen<br />
den 800ccm-Maschinen und den 1000ern?<br />
Eigentlich sind sie ziemlich ähnlich. Die 1000er<br />
hat nur viel mehr Kraft hinten raus und mehr<br />
Drehmoment, aber das Handling des Motorrads<br />
ist sehr ähnlich. Die Reifen haben sich vom vorigen<br />
zu diesem Jahr etwas verändert, also die<br />
Kombination damit ist etwas anders. Allgemein<br />
hat das Bike einfach mehr Kraft, grundsätzlich<br />
sind sie aber gleich.<br />
Würdest du sagen, dass diese Saison bisher härter<br />
für dich ist als 2011, obwohl du im vorigen<br />
Jahr erst ins Yamaha-Werksteam gekommen<br />
bist?<br />
Ich würde nicht unbedingt sagen, dass es härter<br />
ist, es gibt nur einen härteren Wettbewerb. Wie<br />
schon erwähnt, hatten wir einen miesen Start in<br />
die Saison, das streite ich nicht ab. Ich weiß aber<br />
auch, wozu das Team, das Bike und ich in der<br />
Lage sind. Wir müssen nur etwas mehr Vertrauen<br />
zurückerlangen und alles in die richtige<br />
Richtung lenken, das wäre gut. Wir sind mit dem<br />
Blick auf die Weltmeisterschaft in die Saison<br />
gegangen, was jetzt ziemlich enttäuschend ist,<br />
denn ich wollte eine starke Saison fahren, aber<br />
jetzt müssen wir uns von einem Rennen aufs<br />
nächste konzentrieren.<br />
Schon vor der Saison gab es viel Kritik. Was ist<br />
deine Meinung zu den CRT-Maschinen?<br />
Ich denke noch immer, dass es keine schlechte<br />
Sache ist, es sind mehr Motorräder auf der Strecke,<br />
aber trotzdem haben wir jetzt zwei verschiedene<br />
Meisterschaften. Sie können nicht mit den<br />
GP-Bikes mithalten. Ich denke, wir wussten alle,<br />
dass das im ersten Jahr nicht passieren würde,<br />
aber für die Zuschauer ist es gut, mehr Fahrer<br />
auf der Strecke zu haben und die Richtung, die<br />
die MotoGP jetzt einschlägt, ist meiner Meinung<br />
nach positiv. Ich werde sie nicht kritisieren, denn<br />
sie tun ihr Bestes und es ist eine immense Lernkurve<br />
für Teams und Fahrer. Allgemein denke<br />
ich, dass es eine gute Sache für die MotoGP ist,<br />
wir haben nur zwei verschiedene Klassen: die<br />
C R T - M e i s t e r s c h a f t u n d d i e<br />
MotoGP-Meisterschaft.<br />
Könntest du dir vorstellen, ein solches Motorrad<br />
zu fahren?<br />
Ja, ich kann mir vorstellen, wie es ist. Natürlich<br />
ist eine GP-Maschine, also ein Werksbike, besser,<br />
aber die Entwicklung für die CRT-Bikes beginnt<br />
ja gerade erst. Ich kann sehen, wie sie damit<br />
umgehen und welche Geschwindigkeiten sie<br />
damit fahren können, aber ich bin schon sehr<br />
glücklich im Werksteam.<br />
Was denkst du über Casey Stoners Entscheidung,<br />
die MotoGP zu verlassen?<br />
Es überrascht mich nicht wirklich, ich kenne →<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 83
Casey jetzt schon lange und weiß, dass er ein sehr<br />
familienorientierter Mensch ist und er hat jetzt<br />
schließlich eine Tochter. Ich verstehe auch, was er<br />
über den Sport gesagt hat. Wir alle müssen seine<br />
Entscheidung respektieren. Wenn er das Gefühl hat,<br />
dass es an der Zeit ist, dann ist das so.<br />
Kannst du dir vorstellen, wie er seine ‚Rente‘<br />
verbringt?<br />
Keine Ahnung... Es wird sicherlich sehr ruhig für<br />
ihn. [lacht]<br />
Wie kommst du mit Jorge Lorenzo als Teamkollegen<br />
klar? Treibt ihr euch gegenseitig an, helft ihr<br />
euch?<br />
Offensichtlich hilft er mir mehr als ich ihm, er ist<br />
dieses Jahr ziemlich gut. Er ist mein Teamkollege,<br />
wir kommen super miteinander zurecht. Gerade<br />
bei der Entwicklung des Bikes arbeiten wir so viel<br />
wie möglich zusammen. Ihn als Teamkollegen zu<br />
haben, ist eine gute Sache, denn er ist einer der<br />
schnellsten Fahrer der Welt.<br />
Vermisst du den Spaß mit Colin Edwards?<br />
Colin ist ein großartiger Typ, wir kennen uns schon<br />
lange. Wir haben verschieden angefangen, waren<br />
Teamkollegen, aber kommen super miteinander<br />
klar. Wir wissen ja alle, dass Colin eine sehr kontaktfreudige<br />
Persönlichkeit hat. Er lebt nur etwa drei<br />
Stunden von mir entfernt, also ist es eher wie eine<br />
Familie, denn wir kennen uns schließlich schon seit<br />
über zehn Jahren, also ist das ganz etwas anderes.<br />
Jorge als Teamkollegen zu haben, ist aber auch<br />
großartig.<br />
Trauerst du manchmal den siegreichen Superbike-<br />
Zeiten nach?<br />
Sicher waren es großartige Jahre, ich habe dort oft<br />
gewonnen und holte sogar die Meisterschaft, aber<br />
es war einfach Zeit, um weiterzumachen, mich<br />
selbst anzutreiben, noch besser zu werden. Sicherlich<br />
gibt es Leute aus dem Superbike-Fahrerlager,<br />
die mir fehlen, aber das ist ein Teil der Geschichte.<br />
Wir haben Rennen gewonnen, den Titel mit nach<br />
Hause genommen, dann sind wir in die MotoGP<br />
gekommen und versuchen nun, hier unser Bestes<br />
zu geben.<br />
dung. Momentan sieht es wirtschaftlich aber überall<br />
schlecht aus und ich denke, sie wollten in der Superbike<br />
nicht einfach nur halbherzig weitermachen.<br />
Da die Wirtschaft wirklich weit unten ist und sie<br />
kein Budget mehr hatten, entschieden sie eben, zu<br />
gehen. Ich denke, ich kann das verstehen.<br />
Was ist nach dem schweren Auftakt dein Ziel für<br />
diese Saison?<br />
Ich will einfach besser werden, mich als Fahrer verbessern<br />
und konstanter sein. Erst einmal müssen<br />
wir dahin zurückkommen, wo wir hingehören und<br />
dann können wir die Situation wieder richtig<br />
einschätzen.<br />
Wie sehen deine Pläne für die nächsten Jahre aus?<br />
Könntest du dir auch vorstellen, noch einmal in<br />
die WSBK zurück zu wechseln?<br />
Alles ist möglich. Momentan denke ich aber nur an<br />
morgen. Das ist alles, was ich tun kann. Die Zukunft<br />
müssen wir abwarten und sehen, was passiert.<br />
Was ist deine schönste Rennerinnerung?<br />
Ich habe zwei. Die eine stammt aus der AMA, als<br />
es zum letzten Rennen nach Laguna Seca ging. Es<br />
hieß, wer das Rennen gewinnt, gewinnt die Meisterschaft,<br />
das war ein großartiger Moment. Dann<br />
2009, als ich mich gegen Leon Haslam und Noriyuki<br />
Haga in Assen durchsetzen und das Rennen spektakulär<br />
gewinnen konnte. An diese Rennen werde<br />
ich mich immer erinnern.<br />
Während der Saison lebst du in Italien. Wo ist es<br />
schöner: in Como oder in Texas?<br />
Texas ist natürlich meine Heimat, aber ich mag auch<br />
Como sehr und kenne da mittlerweile viele Leute.<br />
Momentan bin ich oft in Como und es ist schön<br />
dort, aber deine Heimat ist immer deine Heimat,<br />
also freue ich mich auch stets darauf, wieder nach<br />
Texas zu kommen.<br />
ich fahre Dirt-Bikes, Roller und solche Sachen. Das<br />
macht sich in Italien natürlich gut.<br />
In deiner Freizeit bist du ziemlich engagiert, du<br />
hast ein eigenes Rennradteam. Radeln die nur in<br />
den USA oder kommen sie dich auch mal in Europa<br />
besuchen?<br />
Ja, es ist das Ziel, dass sie irgendwann hier rüber<br />
kommen, aber wir wissen noch nicht wann. Bis<br />
dahin werden sie sich immer weiter verbessern, wir<br />
haben ein Team aufgebaut, das jetzt richtig gut ist.<br />
Das ist alles toll, ich liebe es, den Jungs zuzusehen,<br />
wenn sie Erfolge feiern und Spaß haben.<br />
Dazu hast du noch ein Restaurant...<br />
Man versucht halt immer, zu investieren, clever zu<br />
sein und sich einen kleinen Rückhalt zu schaffen,<br />
wenn es mit den Rennen mal vorbei ist. Deshalb<br />
habe ich vor ein paar Monaten das Restaurant eröffnet<br />
und bisher läuft es echt gut. In Dallas arbeite ich<br />
noch mit einem japanischen Restaurant zusammen<br />
und dann habe ich dort noch ein paar Immobilien.<br />
Man muss immer an die Zukunft denken.<br />
Isst du selbst viele Burger?<br />
Ja, aber nur im Winter. [lacht]<br />
Hast du einen Fitnessplan, hältst du strenge Diät<br />
oder isst du einfach, worauf du Lust hast?<br />
Ja, sicherlich, aber der Plan ändert sich im Laufe des<br />
Jahres, abhängig von den Rennen und Pausen, das<br />
ist immer anders. Momentan haben wir viele Tests<br />
und einige Rennen, da trainiere ich nicht so viel,<br />
denn man muss sich auch mal ausruhen und die<br />
Kräfte sammeln. Es hängt also immer davon ab, wie<br />
Gerade bei der Entwicklung des Bikes arbeiten wir so viel wie<br />
möglich zusammen. Ihn als Teamkollegen zu haben, ist eine<br />
gute Sache, denn er ist einer der schnellsten Fahrer der Welt.<br />
viele Rennen anstehen. Aber ja, ich habe immer<br />
einen Plan. Ich versuche, mich gesund zu ernähren,<br />
ich habe keine besondere Diät oder so. Ich versuche,<br />
nur immer genau die richtige Menge an Essen zu<br />
mir zu nehmen und ausgewogen zu essen.<br />
Verfolgst du die Serie trotzdem noch?<br />
Ich versuche es. Durch unsere ganzen Reisen ist es<br />
aber schwierig. Es gibt tolle neue Fahrer dort und<br />
ich versuche, so viel mitzubekommen wie möglich,<br />
aber ich bin nicht mehr so nah dran wie früher.<br />
Aber ja, ich denke, ich weiß immer noch, was da<br />
abgeht.<br />
Dann hast du sicherlich auch mitbekommen, dass<br />
Yamaha sich aus der Superbike zurückgezogen<br />
hat...<br />
Ja, das war hart. Wenn ich in der World Superbike<br />
geblieben wäre, dann wären sie vielleicht noch<br />
immer dabei. Es war sicher eine schwere Entschei-<br />
Du hast ziemlich viele Tattoos. Wie viele sind es<br />
genau und was bedeuten sie alle?<br />
Ich habe ein großes und ein kleines auf meinem<br />
Arm, einige am Oberkörper und an den Beinen.<br />
Für mich sind das persönliche Tattoos, sie haben<br />
alle eine besondere Bedeutung, sie erinnern mich<br />
an bestimmte Erlebnisse mit gewissen Leuten, an<br />
andere Dinge, meine Familie. Ich habe zu viele Tattoos,<br />
die alle zu viele Bedeutungen haben, um sie<br />
einfach mal kurz zu erklären.<br />
Fährst du auch abseits der Rennstrecken Motorrad?<br />
Hast du überhaupt einen Führerschein?<br />
Nein, ich habe keinen Motorradführerschein, aber<br />
Deine Mom ist immer mit dabei. Nervt das manchmal,<br />
ist es eine typische Mutter-Sohn-Beziehung<br />
oder seid ihr eher gute Freunde?<br />
Für mich ist das normal, sie war immer bei allen<br />
meinen Rennen dabei. Diese Frage stellen so viele,<br />
aber niemand fragt die Fahrer, die mit ihrem Vater<br />
an der Strecke sind. Ich weiß nicht, warum das so<br />
ist. Von den meisten anderen Fahrern kommen<br />
eben die Väter mit zu jedem Rennen und zu jedem<br />
Test, aber da fragt sich niemand. Nur weil es eine<br />
Frau ist, fragt jeder danach, aber für mich ist das<br />
eben nicht ungewöhnlich. Sie ist schon immer bei<br />
mir gewesen, sie ist meine Managerin und da gibt<br />
es keine Probleme.<br />
Fotos: milagro<br />
84 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Ben Spies greift auch diese<br />
Saison mit Yamaha an<br />
Besser, schneller,<br />
konstanter - das sind die<br />
Ziele von Spies für 2012
Text: Maria Pohlmann<br />
Stars und Sternchen hat die US-amerikanische Welt genug zu bieten, aber wie sieht<br />
es in der MotoGP aus? Das <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> wagt den Walk of Fame über den<br />
Motorrad-Boulevard und stolpert dabei über einige bekannte Sterne.<br />
Yes, they can!<br />
Wir spulen zurück. Halt! Nein, weiter... weiter... weiter... Stopp! Ja, genau<br />
da. Zugegeben, die guten alten amerikanischen Zeiten sind schon eine Weile<br />
her. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass US-Amerikaner in der<br />
MotoGP weniger erfolgreich waren als all die anderen Nationen und vor<br />
allem heißt das noch lange nicht, dass die großen Triumphe nicht wiederkommen<br />
können, obwohl die USA als das Land gilt, in dem Superbike die<br />
absolute Vorherrschaft besitzt. Schließlich hat das Land der unbegrenzten<br />
Möglichkeiten mit Colin Edwards, Nicky Hayden und Ben Spies auch aktuell<br />
einiges in der Königsklasse zu bieten. Einen Nachteil gibt es allerdings:<br />
Beim Nachwuchs scheint es zu stocken. Bis es mit Weltmeistern aus den<br />
USA weitergeht, lehnen wir uns also zurück und schwelgen noch ein wenig<br />
in den guten alten Zeiten. Dazu müssen wir aber noch etwas weiter<br />
zurückspulen... Genau, da wären wir - Play.<br />
Take One -<br />
Kenny Roberts senior<br />
Der erste Pilot, der über den großen Teich kam und es in der<br />
Weltmeisterschaft zu Ruhm und Ehren brachte, war Kenny<br />
Roberts senior. Noch in seiner AMA-Siegsaison 1974 machte der<br />
heute 60-Jährige zur Dutch TT in Assen einen ersten Abstecher<br />
in die 250ccm-Klasse und wurde auf Anhieb Dritter. Mit weniger<br />
bescheidenen Erwartungen startete er vier Jahre später seine<br />
erste volle Saison. Seine Vorab-Ankündigung, direkt den Titel<br />
mitzunehmen, brachte ihm schnell den Namen ‚Großmaul<br />
Roberts‘ ein. Doch mit seinem amerikanischen Fahrstil gelang<br />
es dem Piloten aus Kalifornien tatsächlich, direkt die 500er-Klasse<br />
für sich zu entscheiden. Den ersten Titel für Yamaha konnte er<br />
sogar in den folgenden beiden Jahren noch verteidigen. Aus<br />
‚Großmaul Roberts‘ wurde ‚King Kenny‘ und eine Legende in der<br />
MotoGP. Obwohl er ab 1983 nicht mehr selbst fuhr, war Roberts<br />
noch bis 2008 mit einem eigenen Team in der MotoGP<br />
vertreten<br />
Fotos: milagro, honda<br />
86 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Take Two -<br />
Freddie Spencer<br />
Frederick Burdette Spencer gewann 1983 im Alter von 21<br />
Jahren als jüngster GP-Fahrer seinen ersten 500ccm-Titel.<br />
Zwei Jahre später gelang ihm dieses Kunststück erneut, obendrauf<br />
gab‘s im gleichen Jahr sogar noch den 250er-Titel. Dank<br />
seines außergewöhnlichen Fahrstils wurde Spencer nicht nur<br />
‚Fast Freddie‘, sondern hin und wieder auch ‚der Außerirdische‘<br />
genannt. Aufgrund vieler Verletzungen und von Ausfallpech<br />
blieben die Erfolge nach dem Doppeltriumph allerdings<br />
aus. 1993 versuchte Spencer ein Comeback - mit nur<br />
zwei Punkten am Saisonende konnte er allerdings keinen<br />
amerikanischen Traum verwirklichen. Dafür eröffnete der<br />
Fahrer aus Louisiana vier Jahre später die ‚Freddie Spencer‘s<br />
High Performance Riding School‘ und wurde in den Kreis der<br />
MotoGP-Legenden aufgenommen.<br />
Take Three -<br />
Eddie Lawson<br />
Mit Eddie Lawson landete nach Kenny Roberts senior der nächste<br />
US-Star in den WM-Erfolgsbüchern von Yamaha, nachdem er in<br />
der US-amerikanischen Superbike-Meisterschaft bereits zwei<br />
Titel auf Kawasaki abgeräumt hatte. Mit der 500er-Maschine<br />
sicherte sich der heute 44-Jährige 1984, 1986 und 1988 den<br />
WM-Triumph in der Königsklasse. Danach wechselte ‚Steady<br />
Eddie‘ zu Honda und konnte auch auf dem japanischen Konkurrenzmodell<br />
den Sieg in der 500ccm-Klasse feiern, womit er sich<br />
als einer der erfolgreichsten Rennfahrer verewigte. Insgesamt<br />
stand Lawson 31 Mal auf der obersten Stufe des 500er-Treppchens.<br />
Vor 13 Jahren wurde er in die Hall of Fame der FIM aufgenommen,<br />
dazu gab es das Prädikat der MotoGP Legende - ein<br />
wahres Happy End.<br />
Take Four -<br />
John Kocinski<br />
Schon mit 17 Jahren war John Kocinski Werksfahrer bei<br />
Yamaha in der AMA, wo er von 1987 bis 1989 gewann. Schon<br />
bei seinem Debüt in der 250er WM sicherte er sich die Pole<br />
Position. 1989 startet er zum ersten Mal in der 500er Kategorie.<br />
Ein Jahr später trat der Pilot aus Little Rock in Arkansas<br />
in vier Serien gleichzeitig an und holte auf Anhieb den 250er<br />
Titel. Trotz Siegen und starken Platzierungen reichte es für<br />
Kocinski nicht mehr für einen GP-Titel. Dafür triumphierte er<br />
1997 mit Honda in der Superbike-WM. Danach versuchte er<br />
sich erneut in der 500er WM, allerdings ohne nennenswerte<br />
Erfolge. Zum Ende des Jahres 2003 trat der heute 44-Jährige<br />
vom aktiven Rennsport zurück.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 87
Take Five -<br />
Wayne Rainey<br />
Sein erstes GP-Rennen fuhr Wayne Rainey 1984, nachdem er<br />
seine Karriere im Motocross begonnen und später in der USamerikanischen<br />
Superbike Meisterschaft angekurbelt hatte.<br />
Sechs Jahre später gelang ihm der Durchbruch in der WM mit<br />
seinem ersten 500ccm-Titel. Diesen konnte der Pilot aus Los<br />
Angeles zwei Jahre lang verteidigen. Insgesamt feierte er 24<br />
GP-Siege. 1993 beendete ein heftiger Sturz beim italienischen<br />
GP in Misano seine Laufbahn abrupt. Durch einen Bruch des<br />
sechsten Brustwirbels war Rainey querschnittsgelähmt. Trotzdem<br />
verlor er die Lust am Motorradsport nicht und noch heute besucht<br />
der 51-Jährige das eine oder andere MotoGP-Rennen als Yamaha-<br />
Botschafter. Auch Rainey wurde in den erlauchten Kreis der<br />
MotoGP-Legenden aufgenommen.<br />
Take Six -<br />
Kevin Schwantz<br />
Eine weitere MotoGP-Legende ist Kevin Schwantz. Nach<br />
Dirttrack-Rennen und AMA Superbike Championship startete<br />
er 1987 erstmals in der Weltmeisterschaft. Von Anfang an<br />
sorgte der wilde Fahrstil des Texaners für Aufsehen. Damit<br />
schaffte er es, 1993 seinen ersten 500ccm-Titel nach Hause<br />
zu fahren. Insgesamt feierte er mit dem Suzuki-Werksteam<br />
25 Siege und galt als einer der beliebtesten Rennfahrer der<br />
Zweirad-Geschichte. Seine Startnummer 34 wird in der<br />
Königsklasse ihm zu Ehren nicht mehr vergeben. Der 48-Jährige<br />
ist noch heute oft an der Rennstrecke zu sehen und<br />
fördert den Nachwuchs in seiner ‚Kevin Schwantz Master-<br />
School‘ - ganz nach dem Motto: »Wenn du Gott siehst, dann<br />
musst du bremsen.«<br />
Uda et quate volenima endel<br />
magnimus, quaerchitin<br />
conseque nis ma quiasi<br />
Take Seven -<br />
Kenny Roberts junior<br />
Kenneth Lee Roberts junior war der Weg in den GP-Sport geebnet.<br />
1993 begann er in der 250ccm-Klasse, wo er im Malboro-Yamaha<br />
Team mit der Crew seines Vaters startete. Vier Jahre später stieg<br />
er mit dem Team Malboro-Roberts in die 500ccm-Kategorie auf.<br />
Aber erst bei Suzuki 1999 fuhr der Pilot aus Kalifornien in die<br />
Siegerspur. Im Jahr darauf trat er in die Fußstapfen seines Vaters<br />
und sicherte sich 19 Jahre nach dem letzten 500er Titel von<br />
Kenny Roberts senior den Titel in der Königsklasse. ‚Little Kenny‘<br />
wurde damit nicht nur der sechste US-Sieger in der 500ccm-<br />
Klasse, sondern war auch der letzte Titelträger vor Valentino Rossis<br />
Triumphserie. Nach der Rückkehr ins Team seines Vaters und<br />
dem Umstieg auf 800ccm 2007 fand Roberts junior seine Motivation<br />
nicht wieder und zog sich ab<br />
dem Katalonien GP zurück.<br />
Fotos: milagro, honda<br />
88 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Take Eight -<br />
Nicky Hayden<br />
Nach dem Ausstieg von Kenny Roberts junior tauchte mit<br />
Nicholas Patrick Hayden 2003 ein neuer amerikanischer Star<br />
am MotoGP-Himmel auf. Schon in seinem ersten Jahr<br />
schaffte er es, als Teamkollege von Valentino Rossi mit der<br />
Honda aufs Podest zu fahren und wurde zum Rookie of the<br />
Year. Zwei Jahre später gelang dem ‚Kentucky Kid‘ der erste<br />
Sieg in der Königsklasse beim Heim-GP in Laguna Seca.<br />
2006 gewann Hayden erneut in den USA und in den Niederlanden.<br />
Die zweite Saisonhälfte lief allerdings nicht wie<br />
erhofft, Tiefpunkt war das vorletzte Rennen in Estoril, in dem<br />
er vom damaligen Teamkollegen Dani Pedrosa abgeschossen<br />
wurde. Durch den Sturz von Rossi in Valencia sicherte sich<br />
der 30-Jährige im gleichen Jahr trotzdem noch seinen ersten<br />
und bislang einzigen MotoGP-Titel. Heute kämpft Hayden<br />
wieder an der Seite des Italieners hart um jeden WM-Punkt<br />
- allerdings auf Ducati.<br />
Abspann:<br />
Nach Hayden folgt eine lange Pause im MotoGP-Film der Vereinigten<br />
Staaten. Dass Amerika entdeckt wurde, war erstaunlich. Noch erstaunlicher<br />
wäre jedoch gewesen, wenn Amerika nicht entdeckt worden wäre.<br />
Marc Twain hätte damit genauso gut die Motorradweltmeister der ‚Neuen<br />
Welt‘ meinen können, schließlich zählen diese besonders unter den<br />
MotoGP-Legenden noch heute zu den größten Entdeckungen der GP-<br />
Geschichte. Vielleicht verstecken sich noch viel mehr Motorrad-Stars<br />
hinter den Hollywood Hills, das Drehbuch ist definitiv noch nicht zu Ende<br />
geschrieben. Aber wer will schon bis zum Happy End vorspulen, ohne<br />
das komplette spannende Schauspiel gesehen zu haben?<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 89
Stefan Bradl bestreitet ein erfolgreiches Rookie-Jahr in der MotoGP<br />
und ist trotzdem immer auf der Suche nach Verbesserungen. Das<br />
<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> begleitete den Zahlinger nach dem Catalunya<br />
Grand Prix in Barcelona beim Testen.<br />
Text: Maria Pohlmann<br />
Fotos: milagro<br />
90 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
die suche<br />
nach der<br />
perfektion<br />
Die Luft<br />
ist trocken und<br />
warm, ein erfrischender<br />
Wind weht<br />
über<br />
den<br />
Circuit de<br />
Catalunya. Die<br />
Sonne zeigt sich<br />
ab und an, die Fans<br />
haben schon lange den<br />
Heimweg angetreten, auch<br />
die Händler rund um den<br />
Kurs bauen ihre Verkaufsstände<br />
ab - es ist der Montagmorgen<br />
nach dem Gran Premi Aperol de<br />
Catalunya und noch immer sind<br />
die MotoGP-Piloten im Fahrerlager<br />
anzutreffen. Alle 21 Fahrer<br />
bereiten sich nach dem anstrengenden<br />
Rennsonntag auf den<br />
offiziellen Test vor, um weitere<br />
Runden auf der spanischen<br />
Strecke<br />
zu<br />
drehen.<br />
Auch Stefan<br />
Bradl kommt<br />
kurz nach 10:00<br />
Uhr bereits umgezogen<br />
in die LCR Honda<br />
Box. Crewchief Christophe<br />
Bourguignon, Ingenieur,<br />
Mechaniker, Reifentechniker,<br />
HRC-Techniker, Papa Helmut<br />
und beide RC213V sind ebenso<br />
bereit für die erste Ausfahrt.<br />
Wäre da über Nacht nicht der<br />
Regen gewesen, der nicht nur<br />
alle Spuren vom Rennsonntag<br />
weggespült, sondern auch den<br />
Asphalt komplett durchtränkt<br />
hat, sodass ein Rausfahren am<br />
Morgen zu gefährlich wäre.<br />
Schließlich sollen Fahrer und<br />
Material keinem unnützen<br />
Risiko ausgesetzt werden.<br />
Jetzt heißt es warten, bis der<br />
Kurs abgetrocknet ist. In der<br />
Zwischenzeit erklärt Crewchief<br />
Bourguignon dem <strong>Motorsport</strong>-<br />
<strong>Magazin</strong> schon einmal den Plan:<br />
»Am Vormittag wollen wir an<br />
der Front arbeiten, also ver-<br />
schie-<br />
dene<br />
Einstellungen<br />
der<br />
Gabeln probieren.<br />
Für den<br />
Nachmittag steht das<br />
Hinterrad auf dem<br />
Programm. Wir wollen<br />
versuchen, die Traktion zu<br />
verbessern.« Bradl selbst<br />
entspannt sich derweil noch ein<br />
wenig. Um 12:00 Uhr wird<br />
endlich grünes Licht gegeben.<br />
Alle Leute in der LCR-Box<br />
schnappen sich ihre Ohrenschützer,<br />
Bradl setzt seinen<br />
Helm auf den Kopf und streift<br />
die roten Handschuhe über. Fast<br />
gleichzeitig ziehen die Mechaniker<br />
die Reifenwärmer von den<br />
Gummis, der Deutsche steigt<br />
zum ersten Mal an diesem<br />
Montag auf die RC213V und<br />
fährt auf die Strecke hinaus.<br />
»Das Warten an sich hat nicht<br />
genervt, ich konnte ja trotzdem<br />
noch genügend Runden<br />
zurücklegen«, sagt der LCR-<br />
Pilot am Abend. Während der<br />
22-Jährige seine erste fliegende<br />
Runde zurücklegt, beginnt in<br />
der Box hektisches Gewusel -<br />
die Mechaniker beginnen, das<br />
zweite Bike vorzubereiten und<br />
aufzuwärmen.<br />
Nach vier gezeiteten<br />
Runden kehrt<br />
Bradl zur Box<br />
zurück, stellt das Motorrad ab,<br />
setzt sich neben Bourguignon<br />
und beginnt, seine Eindrücke zu
Man muss<br />
schon Einiges<br />
durchprobieren;<br />
dafür ist<br />
ein solcher<br />
Test da -<br />
‚Never can<br />
be perfect‘.<br />
Es kann natürlich<br />
auch<br />
passieren,<br />
dass etwas<br />
einmal in<br />
die negative<br />
Richtung<br />
geht. deshalb<br />
muss<br />
man viel<br />
probieren.<br />
Nach einem langen Testtag in Barcelona:<br />
Stefan Bradl bei der Analyse mit seinen Ingenieuren<br />
schildern. Auch Papa Helmut sowie die<br />
HRC- und Bridgestone-Techniker lauschen<br />
konzentriert seinen Ausführungen. Die<br />
Mechaniker schließen derweilen das Garagentor<br />
und beginnen an der Front der RC213V zu<br />
schrauben. »Was genau wir alles verändert<br />
haben, geht ziemlich ins Detail, aber ich glaube<br />
schon, dass wir speziell an der Steifigkeit des<br />
Vorderrads etwas gefunden haben, damit es für<br />
mich ein bisschen direkter reagiert - das<br />
kommt mir sehr entgegenkommt«, erklärt<br />
Bradl später. »Ich glaube, ich bin schon ein<br />
Fahrer, der sehr spät bremst und eigentlich ein<br />
gutes Gefühl am Vorderrad braucht, auch im<br />
Kurveneingang. Da haben wir einen kleinen<br />
Schritt gefunden, der ganz positiv war.« Nach<br />
zehn Minuten geht es für den Zahlinger wieder<br />
auf die Strecke. Vier Runden später fühlte er<br />
sich besonders beim Bremsen etwas besser, wie<br />
er seinem Crewchief mitteilt. »Ein kleiner<br />
Schritt, der funktioniert.«<br />
Bevor es zum dritten Run geht, muss<br />
erst einmal aufgetankt werden.<br />
Wieder wechseln die vier Mechaniker<br />
mit geübten Handgriffen Teile am Vorderrad,<br />
ziehen die eine oder andere Schraube<br />
etwas fester an, bauen die Verkleidungsteile<br />
zurück ans Bike und schon steigt Bradl wieder<br />
auf und legt weitere vier getimte Umläufe<br />
zurück. Obwohl sich Dani Pedrosa und Casey<br />
Stoner damit im Honda-Werksteam nicht wohl<br />
fühlen, hatte Bradl sogar schon im Rennen die<br />
neue weiche Bridgestone-Reifenmischung am<br />
Vorderrad aufgezogen, mit der er auch am<br />
Testtag unterwegs ist. »Ich komme damit<br />
zurecht«, sagt er. Bourguignon schätzt den<br />
neuen Gummi ebenso: »Wir haben damit nicht<br />
so viele Probleme wie die Werksfahrer. Für uns<br />
ist der neue Reifen sogar eine kleine Verbesserung.«<br />
Nach einem weiteren Run und einer<br />
kompletten Stunde voller Testaction heißt es<br />
erst einmal Mittagspause. Für das <strong>Motorsport</strong>-<br />
<strong>Magazin</strong> Zeit zum Nachhaken. Wird ein Teil<br />
weiterverwendet, wenn es sich nach einem<br />
Run schon als gut erwiesen hat oder probiert<br />
Bradl zusammen mit seiner Crew dann<br />
trotzdem noch weitere Optionen? »Man muss<br />
schon Einiges durchprobieren; dafür ist ein<br />
solcher Test da - ‚Never can be perfect‘. Es<br />
kann natürlich auch passieren, dass etwas<br />
einmal in die negative Richtung geht und<br />
deshalb muss man eben viel rumprobieren.<br />
Das kostet eben sehr viel Zeit«, erläutert er<br />
seine Vorgehensweise.<br />
Zum gemütlichen Mittagessen<br />
bleibt keine Zeit. Bradl zieht<br />
sich mit seinem Crewchief in<br />
den LCR-Truck zurück, lässt<br />
sich einen prall gefüllten<br />
Nudelteller bringen und wertet weiter Daten<br />
aus. Um 14:30 Uhr geht es in der Box weiter,<br />
nach zwei weiteren Vier-Runden-Runs,<br />
zwischen denen am Lenker und noch immer<br />
am Vorderrad geschraubt, der Reifenluftdruck<br />
mehrfach geprüft und die Reifenwärmer<br />
auf und abgezogen wurden, ist das<br />
Hinterrad fällig. Ein Rennen dauert nur eine<br />
knappe Stunde, am Testtag ist Bradl acht<br />
Stunden auf den Beinen - und auf dem<br />
Motorrad. Bedeutet das mehr Stress?<br />
»Eigentlich schon, ja. Es ist hin und wieder<br />
sogar schwierig, immer die richtige Motivation<br />
zu finden, weil es doch ab und zu zäh ist<br />
und man kann nicht einfach direkt attackieren,<br />
weil man auch mit abgefahrenen Reifen<br />
rumprobieren muss«, beschreibt er die<br />
Anstrengung.<br />
In Barcelona findet der MotoGP-Rookie die<br />
nötige Motivation. Ab dem siebten Run wird<br />
am Hinterrad gebastelt. »Ich muss das noch<br />
einmal mit dem gleichen Reifen probieren«,<br />
Fotos: milagro<br />
92 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Stefan Bradl schlägt sich in seiner Debütsaison in der MotoGP beachtlich - auch<br />
lange Testsessions bringen ihn nicht aus der Ruhe<br />
sagt er nach seiner Rückkehr in die Teambox<br />
zum Crewchief. Bourguignon gibt die<br />
Anweisung an die Mechaniker weiter, das<br />
Bike wird entsprechend präpariert und es<br />
geht zum achten Mal auf die Strecke. Zum<br />
Team in der Box gesellt sich mittlerweile<br />
auch ein Öhlins-Techniker, der sich jede<br />
Änderung genau ansieht und Daten sammelt.<br />
Sobald Bradl wieder zurückkehrt, wird<br />
die neue Verkleidungsscheibe geputzt und<br />
Reifen, Radaufhängungen und Federbeine<br />
gewechselt. Jeder einzelne Handgriff macht<br />
sich bemerkbar. »Es kommt natürlich darauf<br />
an, wie groß die Veränderung ist und<br />
welcher Bereich gerade betroffen ist. Es hat<br />
auch viel damit zu tun, ob ein neuer Reifen<br />
aufgezogen ist, aber grundsätzlich sind wir<br />
schon sehr sensibel«, kommentiert Bradl.<br />
Insgesamt fährt der Deutsche an<br />
diesem Montag zwölf Mal auf die<br />
Strecke und legt ganze 62 Runden<br />
auf dem katalanischen Kurs zurück.<br />
Damit ist er nach Nicky Hayden<br />
summa summarum der fleißigste Pilot.<br />
»Hinten haben wir viel rumprobiert, aber es<br />
ist nicht wirklich etwas dabei herausgekommen.<br />
Wir haben zum Beispiel verschiedene<br />
Hinterradaufhängungen und andere Federbeine<br />
probiert«, erklärt Bradl etwas enttäuscht.<br />
17:45 Uhr ist Schluss, das Tor zur<br />
LCR-Garage wird ein letztes Mal heruntergezogen,<br />
Bradl setzt sich erneut mit seiner<br />
Crew zusammen und die beiden Honda-<br />
Bikes werden für den Transport zum<br />
nächsten Test nach Aragon vorbereitet. In<br />
Runde 50 legt er mit 1:42.769 Minuten die<br />
schnellste Rundenzeit hin und landet damit<br />
auf Position neun der Testzeitenliste. Zum<br />
Vergleich: Casey Stoners Qualifikationsbestzeit<br />
lag bei 1:41.295 Minuten. Auch Bradl<br />
wirft noch einen Blick auf die Zeitentabelle,<br />
schließlich lässt die Rundenzeit einen<br />
professionellen Piloten nie kalt. »Man sieht<br />
eben automatisch hin. Das gehört zum Job.<br />
Die Zeiten sind dabei allerdings gar nicht so<br />
ausschlaggebend, das Gefühl ist wichtig.«<br />
Insgesamt hat das Team im Laufe des<br />
Testtags acht Bridgestone-Reifen verbraten,<br />
vier für die Front und vier Hinterreifen.<br />
»Das sind im Grunde genommen relativ<br />
wenig neue Reifen«, so Bradl. Der Tag ist für<br />
den Honda-Fahrer nicht schlecht verlaufen.<br />
Er konnte sein Gefühl fürs Vorderrad<br />
verbessern und schließlich ist es das Wichtigste,<br />
sich bei einem Test zu verbessern. Um<br />
19:00 Uhr gibt Bradl die letzten Interviews. »<br />
Der Test war gut, ich bin<br />
zufrieden. Wir konnten<br />
uns ganz gut mit dem<br />
Vorderrad steigern. Das<br />
passt zu meinem Fahrstil, ich bin glücklich, dass<br />
wir da einen Schritt nach vorne gemacht haben.<br />
Leider ist uns dasselbe nicht mit der Hinterradabstimmung<br />
gelungen. Wir wollten am<br />
Hinterrad noch ein bisschen Grip finden,<br />
speziell wenn der Reifen abbaut. Wir haben<br />
verschiedene Sachen probiert, das hat allerdings<br />
nicht optimal funktioniert, aber wir können für<br />
den heutigen Tag trotzdem zufrieden sein. Wir<br />
sind einigermaßen gut dabei und von daher<br />
passt‘s«, fasst er zusammen. Etwas später ist der<br />
Tag endgültig beendet. Die Teams packen<br />
zusammen. Schon am Dienstag reist Bradl<br />
weiter nach Aragon. Während die Sonne über<br />
dem Circuit de Catalunya langsam verschwindet,<br />
denkt der Zahlinger bereits an den nächsten<br />
Test, bei dem er hofft, sich weiter zu verbessern,<br />
um für den Rest seiner Rookie-Saison weiter<br />
vorne dabei zu sein.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 93
Text: Kerstin Hasenbichler<br />
Text: jule krause<br />
top<br />
Känguru-<br />
Power<br />
Das <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> verbeugt<br />
sich vor Casey Stoner und blickt<br />
auf fünf MotoGP-Meilensteine des<br />
Australiers zurück, der Ende 2012 das<br />
Kapitel Motorrad-WM beenden wird.<br />
Am 16. Oktober 2011 feierte Casey Stoner beim Grand Prix von<br />
Australien auf Phillip Island einen 26. Geburtstag der Superlative:<br />
Er gewann mit einem Rennsieg seinen zweiten MotoGP-Titel, den<br />
ersten für Honda seit 2006; damit holte er sowohl den ersten -<br />
2007 mit Ducati - als auch letzten WM-Titel der 800cc-Ära und<br />
ist zudem mit 33 Siegen der Fahrer mit den meisten Erfolgen<br />
dieser MotoGP-Phase. Am 17. Mai 2012, in der Pressekonferenz<br />
zum Grand Prix von Frankreich, verkündete Casey Stoner seinen<br />
Rücktritt zum Saisonende: »Ich habe diesen Sport geliebt, ihm<br />
Opfer gebracht, meine Familie, meine Frau sie alle haben so viel<br />
dafür gegeben, dass ich fahren kann, aber die MotoGP hat sich<br />
verändert und ist an einem Punkt angekommen, an dem ich<br />
meine Leidenschaft dafür verloren habe.« Leidenschaft, vor allem<br />
aber Charakter, bewies Casey Stoner während seiner gesamten<br />
Karriere, obwohl er dafür nie T-Shirts, Feieraktionen oder emotional-heißblütige<br />
Ausbrüche in Anspruch nahm. Känguru-Power<br />
ist eben unvergleichbar. Anders.<br />
Erster GP-Sieg -<br />
5.Valencia 2003<br />
30 Grand Prix, eine Aprilia und zwei Klassenwechsel brauchte<br />
es, bis Casey Stoner sich 2003 »selbst überraschte« und das<br />
Rennen in Valencia gewinnen konnte. Die Känguru-Power schlug<br />
nicht nur die gesamte spanische Armada auf heimischem<br />
Boden, sie schaffte es zudem, das Rennen zu gewinnen, dass<br />
jeder Fahrer gewinnen will: das Saisonfinale. Der Sieg war das<br />
perfekte erste Dankeschön an Teamchef Lucio Cecchinello, der<br />
über die Jahre ein ständig wiederkehrender Wegbegleiter des<br />
Australiers werden sollte.<br />
Fotos: milagro, honda<br />
94 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
4. Erster GP-Sieg für KTM - Malaysia 2004<br />
Am 10. Oktober 2004 sorgte Stoner für den historischen ersten GP-Sieg von KTM. Die Österreicher waren zu diesem<br />
Zeitpunkt erst in ihrer zweiten Saison und hatten sich dafür die Dienste, das Können und das technische Verständnis des<br />
18-Jährigen gesichert. Stoner selbst hatte den ersten Triumph schon viel früher erwartet, doch es dauerte bis zum 14.<br />
Saisonrennen, ehe alles zusammenlief. Bemerkenswert, denn vor dem Rennen hatte Stoner zehn Tage lang mit einem<br />
Grippevirus zu kämpfen, der nicht nur zwei Kilo Körpergewicht raubte, sondern auch viel Energie. Dennoch schaffte es<br />
der Youngster seine Kräfte bei 37°C präzise einzuteilen und sich den zweiten Sieg seiner Karriere zu sichern.
3.<br />
Erster MotoGP Sieg -<br />
Katar 2007<br />
Der erste Sieg in der Königsklasse ist für jeden Fahrer etwas<br />
Besonderes, doch auch hier setzte das ‚Känguru‘ noch einen<br />
drauf. Nachdem Valentino Rossi Ducati eine Absage erteilt hatte,<br />
schnappten sich die Italiener Stoner als Unterstützung für Loris<br />
Capirossi. Doch es war nicht der Altmeister, der die MotoGP-Welt<br />
in Erstaunen versetzte, sondern der damals 21-Jährige. Die<br />
erste gemeinsame Sonntagsausfahrt mit der Diva brachte ihm<br />
den ersten Sieg in der GP-Klasse. Kein Zufall: im Rennen kämpfe<br />
Stoner gegen den siebenfachen Weltmeister Rossi und schlug<br />
diesen im Duell auf der Strecke. Neun weitere Saisontriumphe<br />
folgten und mit insgesamt 367 Punkten wurde er der überlegene<br />
erste MotoGP-Weltmeister der 800cc-Ära, die am 10. März 2007<br />
ihr Debüt gegeben hatte, genau wie die Erfolgs-Kombination<br />
Stoner-Ducati.<br />
2.<br />
Rang 3 -<br />
Barcelona 2009<br />
Kampfgeist, Charakter, selbstkritisch, zäh - wer daran<br />
zweifelt, dass Stoner diese Eigenschaften für sich in<br />
Anspruch nehmen darf, der hat in Barcelona 2009<br />
nicht aufgepasst. Dem Australier ging es am Rennsonntag<br />
schlichtweg dreckig, dennoch kämpfte er<br />
für acht Runden an der Spitze gegen zwei überragende<br />
Yamaha-Fahrer. Als es nicht mehr ging, entschloss<br />
er sich gegen die Rennaufgabe und für so<br />
viele Punkte wie möglich. »Eine Aufgabe wäre gegenüber<br />
dem Team nicht fair gewesen, sie haben so hart<br />
gearbeitet und mir ein klasse Bike gegeben.« Dass<br />
er den dritten Rang mit einem Schwächeanfall und<br />
ärztlicher Betreuung bezahlen musste, schien nebensächlich.<br />
Die Rennen danach wurden nicht einfacher<br />
und es folgten ein Ärztemarathon, Bluttests, Fehldiagnosen,<br />
eine Auszeit sowie unglaublich viel Kritik<br />
- obwohl die Zweifler ihm zusetzten, wühlte Stoner<br />
weiter, bis er den Grund seiner Schwäche fand:<br />
Laktose-Intoleranz.<br />
Fotos: milagro, honda, ducati
1.<br />
35. GP-Sieg -<br />
Laguna Seca 2011<br />
Gefragt nach seinem schönsten Sieg nennt das Känguru nicht die offensichtliche<br />
Antwort Philipp Island 2011, sondern Laguna Seca im gleichen Jahr. Aber nicht,<br />
weil es etwa der erste Triumph in Laguna gewesen ist - 2007 konnte Stoner dort<br />
schon überlegen gewinnen -, 2011 lief es bis zum Rennsonntag nicht rund und<br />
auch der Start war mäßig. Er musste sich erst nach hinten verteidigen, dann an<br />
Teamkollege Dani Pedrosa vorbeikämpfen und danach den souverän führenden<br />
Jorge Lorenzo jagen. Mit noch elf Runden zu fahren hing er am Hinterrad des<br />
Spaniers und die WM-Kontrahenten lieferten sich ein gnadenloses, aber stets<br />
faires Duell auf der Strecke. Sechs Runden vor Schluss schlug Stoner Lorenzo<br />
mit einem Lorenzo-Manöver: Er ging nach Start-Ziel bei Tempo 265km/h außen<br />
herum am Spanier vorbei und gab diesem keine Chance zurück zu schlagen.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 97
Fotos: bmw<br />
MSM: Nach vier Jahren in der Superbike folgte<br />
in Donington der erste Sieg. Wie fühlte sich das<br />
an?<br />
BERNHARD GOBMEIER: Das war natürlich<br />
eine riesen Freude und natürlich auch eine riesige<br />
Erleichterung, weil es einfach eine Bestätigung<br />
von dem war, was wir in den letzten Monaten<br />
erarbeitet haben. Das war sehr viel Arbeit.<br />
Für die einzelnen Mitarbeiter ist das kein einfacher<br />
Büro-Job von morgens um acht bis nachmittags<br />
um vier, sondern teilweise rund um die<br />
Uhr. Deshalb war es natürlich ein super Erlebnis<br />
für alle Beteiligten, also nicht nur für mich persönlich,<br />
sondern für alle, die jetzt wirklich<br />
schon vier Jahre darauf hingearbeitet haben.<br />
Kam der erste Sieg nach vier Jahren eher als<br />
Überraschung, genau zum richtigen Zeitpunkt<br />
98 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com<br />
In den Augen von sehr<br />
vielen Internen war<br />
er natürlich längst<br />
überfällig. Wir hatten<br />
schon in der zweiten<br />
Hälfte 2011 eine stark<br />
steigende Tendenz,<br />
bei genauer Analyse<br />
waren wir schon im<br />
vorigen Jahr bedingt<br />
wettbewerbsfähig;<br />
von den Rundenzeiten<br />
her konnten wir mit<br />
der Spitze mithalten.<br />
oder war er schon längst überfällig?<br />
Das kann man immer von zwei Seiten betrachten.<br />
In den Augen von sehr vielen Internen war<br />
er natürlich längst überfällig. Wir hatten schon<br />
in der zweiten Hälfte des vorigen Jahres eine<br />
stark steigende Tendenz, bei genauer Analyse<br />
waren wir schon im vorigen Jahr bedingt wettbewerbsfähig;<br />
von den Rundenzeiten her konnten<br />
wir mit der Spitze mithalten. Über den<br />
Winter haben wir das ganze Motorrad aufgrund<br />
einer komplett neuen Homologation umgekrempelt<br />
und im Rahmen dessen auch an vielen<br />
Punkten Verbesserungen vorgenommen. Damit<br />
hatten wir zumindest rein auf dem Papier eine<br />
bessere Basis und auch bei den Fahrern und<br />
Teammitgliedern haben wir uns in bestimmten<br />
Aspekten noch verbessert. Insofern waren also<br />
schon das erste Podium in Australien und die
Text: Maria Pohlmann<br />
Bayern auf<br />
der Siegerspur<br />
BMW feierte nach vier Jahren Superbike in Donington den ersten<br />
Sieg. Das <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong> sprach mit Bernhard Gobmeier,<br />
dem Direktor von BMW Motorrad <strong>Motorsport</strong>, über den Triumph,<br />
weitere Ziele und ob die Münchner nicht doch bald in der MotoGP<br />
anzutreffen sein könnten.<br />
weiteren Podestplätze, die wir bisher eingefahren<br />
haben, die Bestätigung dessen. Es war<br />
wirklich nur noch eine Frage der Zeit, bis der<br />
erste Sieg fällig sein würde. Wir hatten in Assen<br />
ein bisschen Pech mit Stürzen und Wetterkapriolen,<br />
gleiches gilt für Monza - da waren<br />
eigentlich schon Siege fällig. In Donington<br />
wussten wir, dass wir relativ gut dastehen würden,<br />
in Salt Lake City war uns hingegen klar,<br />
dass es schwierig werden würde, aber wir hatten<br />
uns zumindest Podestplätze ausgerechnet, dass<br />
es dann ein 1-2-Ergebnis geworden ist, war<br />
natürlich umso besser.<br />
Marco Melandri hat in diesem Jahr Troy Corser<br />
abgelöst. Ist er eine Bereicherung für das Team<br />
oder trauern Sie noch Corser nach?<br />
Natürlich trauern wir Corser nach. Er hat in<br />
BMW gelang der Sprung aufs oberste Treppchen<br />
den vergangenen drei Jahren die Geschicke<br />
unseres Team und unseres Motorrads wesentlich<br />
mit beeinflusst. Troy ist nach wie vor ein<br />
sehr starker Rennfahrer und er hat uns wahnsinnig<br />
viel gegeben. Auf der anderen Seite haben<br />
wir aber auch gemerkt, dass wir einen frischen,<br />
neuen Input brauchten, um uns in bestimmten<br />
Punkten weiterzuentwickeln. Marco Melandri<br />
ist ein Fahrer einer jüngeren Generation, die<br />
mehr durch Technik und Elektronik geprägt ist<br />
als Troy. Dieser zusätzliche Input, den Marco<br />
mitgebracht hat, hat sicher auch dazu beigetragen,<br />
dass wir uns noch weiter verbessert haben.<br />
Melandri kam aus der MotoGP zu Yamaha in<br />
die Superbike und fährt in seinem zweiten Jahr<br />
jetzt die BMW. Hat er typische MotoGP-Fahrereigenschaften<br />
mitgebracht, die er sich erst<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 99
noch abgewöhnen musste?<br />
Er hat typische GP-Eigenschaften, das ist richtig,<br />
besonders von der Arbeitsweise würde ich ihn<br />
mit Max Biaggi und Carlos Checa vergleichen.<br />
Abgewöhnen muss man ihm nichts, eher im<br />
Gegenteil. Was die MotoGP-Fahrer mitbringen,<br />
ist eine gewisse Arbeitsweise, wie sie an ein<br />
Rennwochenende oder an einen Test herangehen<br />
und diese Arbeitsweise ist sehr, sehr systematisch.<br />
Das haben sie in der MotoGP von der<br />
Pike auf gelernt und das sollen sie auch<br />
beibehalten.<br />
Was ist in dieser Saison noch zu erwarten?<br />
Könnte sogar der Titel drin sein?<br />
Man kann das nicht ganz ausschließen, aber<br />
darüber wollen wir momentan nicht spekulieren.<br />
Grundsätzlich gehen wir davon aus, dass<br />
wir unsere bisherige Form weiterführen, wir<br />
werden uns sicherlich nicht verschlechtern. Wir<br />
haben noch einige zusätzliche technische<br />
Lösungen im Köcher, die wir in den nächsten<br />
Wochen und Monaten noch ausprobieren wollen.<br />
Wir wollen das Motorrad und auch uns als<br />
Team immer weiter verbessern. Auf der einen<br />
Seite werden wir neue Teile haben, das ist die<br />
Hardware, aber auf der anderen Seite wird auch<br />
eine neue Software ausprobiert, also sowohl<br />
mechanische Teile als auch Elektronik-Strategien<br />
und -Funktionen.<br />
Das Siegerfeld ist in diesem Jahr bunt durchmischt.<br />
Gibt es Defizite gegenüber den<br />
Konkurrenzmaschinen?<br />
Eigentlich nicht. Es gibt Strecken, auf denen<br />
eine Ducati immer im Vorteil sein wird, aufgrund<br />
ihrer bauartbedingten Vorzüge; also<br />
200ccm mehr, mehr Traktion durch den Big-<br />
Bang-Effekt und auch durch die super Kombination<br />
aus einem erfahrenen Team, einem absolut<br />
ausgereiften Bike und Carlos Checa. Das ist<br />
natürlich immer streckenabhängig, also dort,<br />
wo sehr viel Leistung gefragt ist, sind sie im<br />
Nachteil. Dort, wo es extrem viele Kurven gibt<br />
und wo es sehr darauf ankommt, aus der Kurve<br />
heraus zu beschleunigen, ist die Ducati im Vorteil<br />
gegenüber den Vierzylinder-Bikes. Derzeit<br />
ist ein sehr harmonisches Gleichgewicht eingetreten,<br />
es gibt keinen Hersteller, der in irgendeiner<br />
Art und Weise hervorsticht. Generell muss<br />
man sagen, dass sich speziell Kawasaki und<br />
Honda im Vergleich zum vorigen Jahr technisch<br />
gesehen extrem verbessert haben. Die Aprilia<br />
war sowieso immer mit das stärkste Motorrad<br />
im gesamten Feld. Man muss also sagen, dass<br />
der Wettbewerb sehr ausgeglichen ist, was für<br />
die Meisterschaft schön ist. Aber aus unserer<br />
Sicht ist der Wettbewerb sehr viel härter<br />
geworden.<br />
Mit dem Forward Racing Team ist bereits ein<br />
kleiner Einstieg in die MotoGP erfolgt. Inwie-<br />
Fotos: bmw<br />
Auch für den Rest<br />
der Saison sind<br />
bei BMW noch einige<br />
Entwicklungsstufen geplant<br />
Diese Gerüchte kursieren seit Monaten<br />
und Jahren, aber es gibt dazu noch immer<br />
keine Entscheidung. Wir schauen uns alle<br />
Meisterschaften weltweit an, also auch<br />
die IDM, die AMA, BSB und die motoGP.<br />
100 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Die MotoGP ist bei BMW<br />
vorerst kein Thema - die<br />
Superbike bleibt die<br />
Zweiradserie Nummer eins<br />
weit wird das Team während der Saison<br />
unterstützt?<br />
Das stimmt nicht ganz, wir selbst haben mit<br />
Forward Racing gar nichts zu tun. Wir haben<br />
mit Suter Racing Technology einen Business-<br />
Partner und der betreibt das Geschäft, Rennfahrzeuge<br />
zu produzieren und zu verkaufen.<br />
Eskil Suter hat auf Basis des neuen CRT-Reglements<br />
überlegt, wie er ein möglichst leistungsfähiges<br />
Paket schnüren kann. Da kam er logischerweise<br />
auf uns, weil unser 1000er Motor<br />
von den Maßen her praktisch genauso groß ist<br />
wie der 600er Motor, sodass er unseren Motor<br />
relativ einfach in sein modifiziertes Moto2-<br />
Chassis einbauen konnte. Dann war er auf der<br />
Suche nach möglichen Teams, die ihm das Paket<br />
abkauften und mit Forward Racing ist er sich<br />
einig geworden. Wir machen nichts anderes, als<br />
ihm unsere jetzigen Superbike-Motoren zu leasen,<br />
die er dann wiederum an Forward Racing<br />
weitervermittelt. Unsere Elektronik haben wir<br />
nicht dazugegeben, sie fahren die Bosch-Elektronik<br />
und mussten sich selbst behelfen und<br />
versuchen, so ein Paket zu schnüren. Man<br />
erkennt natürlich auch, dass das Ganze von der<br />
Performance her mit starken Schwankungen<br />
noch in der Entwicklung ist. Das ist also kein<br />
direktes Engagement in der MotoGP.<br />
Warum gab‘s die Elektronik nicht dazu?<br />
Die Elektronik ist zu kompliziert für ein Privatteam,<br />
da hätten wir Leute mit an die Rennstrecke<br />
schicken müssen und das wollte ich<br />
bewusst nicht machen. Sie sollen sich Elektronik<br />
kaufen, es gibt eine Reihe an Firmen und genügend<br />
Auswahl. Wir wollten definitiv nicht mit<br />
hineingezogen werden, wir verleasen nur<br />
Hardware.<br />
Mit der Einführung der 1000ccm-Maschinen<br />
in der MotoGP gab es viele Bedenken, dass<br />
sich die Prototypen-Klasse zu sehr an die seriennahen<br />
Superbikes anlehnt. Haben Sie diese<br />
Bedenken je geteilt?<br />
Ich habe ehrlich gesagt keine Angst, der Motor<br />
alleine macht es nicht aus. Alles andere im<br />
MotoGP-Umfeld ist komplett anders, über Reifen,<br />
Bremsen, Elektronik, Chassis, es ist eine<br />
komplett andere Vorgehensweise. In der Superbike<br />
basiert unser Rennfahrzeug auf einem<br />
Serienbike und es ist ganz genau vorgeschrieben,<br />
was ich verändern darf und was nicht.<br />
Durch dieses Massenprodukt ist in der Superbike<br />
ein gewisses Handicap vorhanden, weil<br />
man gemäß Homologation und Regelwerk<br />
schwerere Bauteile verwenden muss, die für<br />
bis zu 200.000 Kilometer konstruiert sind. In<br />
der MotoGP hat man im Grunde eine komplette<br />
Freiheit, man kann alles tun, was das<br />
Fahrzeug schneller macht. In der MotoGP sind<br />
die Kosten höher, die technischen Freiheitsgrade<br />
höher, umgekehrt ist die ingenieurmäßige<br />
Leistung auch unterschiedlich ausgeprägt.<br />
Also einerseits die totale Freiheit, was jeden<br />
Ingenieur natürlich freut, auf der anderen Seite<br />
müssen wir aus den technischen Vorgaben<br />
eines Serienprodukts ein sehr schnelles Rennprodukt<br />
herausholen. Die Herausforderung für<br />
die Ingenieure ist in der Superbike natürlich<br />
genauso groß, aber anders gelagert, insofern<br />
ist das schon noch weit genug auseinander.<br />
Reizt diese technische Freiheit nicht auch<br />
BMW, in der MotoGP zu starten?<br />
Diese Gerüchte kursieren seit Monaten und<br />
Jahren, aber es gibt dazu noch immer keine<br />
Entscheidung. Wir schauen uns natürlich alle<br />
Meisterschaften weltweit an, also auch die<br />
IDM, die AMA, BSB und die GP, um zu sehen,<br />
wohin sich die verschiedenen Reglements<br />
bewegen und wo unser Motorrad vielleicht am<br />
besten reinpasst. Momentan ist das Thema<br />
MotoGP sehr, sehr unsicher. Alles befindet sich<br />
in einem massiven Umwälzungsprozess und<br />
wir warten einfach mal ab, was sich dort entwickelt.<br />
Umgekehrt passiert in der Superbike<br />
momentan auch die ein oder andere Veränderung,<br />
auf technischer Seite und auch auf der<br />
Vermarktungsseite. Wir schauen uns das an,<br />
aber momentan kann man wirklich nichts dazu<br />
sagen.<br />
Welcher Rennserie würden Sie persönlich den<br />
Vorzug geben?<br />
Der, die für unser Produkt am besten ist, also<br />
derzeit der Superbike.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 101
italien<br />
sucht den<br />
superstar<br />
Der italienische Verband will anscheinend<br />
nicht dabei zusehen, wie seine Talente nur<br />
aufgrund von fehlenden Finanzen scheitern<br />
und fördert mit einem eigenen Team.<br />
Text: Falko Schoklitsch<br />
Egal ob Sport, Politik, Wirtschaft oder sonst ein<br />
Bereich, nirgendwo genügt es, sich auf etablierten<br />
Leistungsträgern auszuruhen und<br />
darauf zu bauen, dass immer alles gut weiterlaufen<br />
wird. Irgendwann wird einen die Zeit<br />
einholen und wer dann vergessen hat, sich um<br />
guten Nachwuchs zu kümmern, der wird eine<br />
schwere Zeit haben. Das Problem dabei, Nachwuchsarbeit<br />
kostet Geld und die Finanzen sind<br />
im Normalfall überall klamm, sobald jemand<br />
kommt und um Unterstützung bittet.<br />
Es gäbe genug Negativbeispiele, die davon<br />
berichten, wie junge Hoffnungsträger ihre Karrieren<br />
beenden mussten, weil ihre Förderung<br />
nicht funktioniert hat und sie keine Sponsoren<br />
fanden, um die weitere Laufbahn zu finanzieren.<br />
Landesverbände waren nur in den seltensten<br />
Fällen bereit oder in der Lage, alles<br />
alleine zu stemmen. Hier kommt die Federazione<br />
Motociclistica Italiana (FMI) ins Spiel. In<br />
Italien will man anscheinend nicht darauf warten,<br />
ob der nächste Valentino Rossi den Weg<br />
alleine an die Spitze schafft, sondern widmet<br />
sich bereits seit Jahren intensiv dem<br />
Nachwuchs.<br />
Fahrer wie Fausto Gresini oder Luca Cadalora<br />
profitierten früher bereits von der direkten Förderung<br />
ihres Landesverbandes, wobei sie<br />
damals noch nicht sehr groß war. Über die Jahre<br />
hielt sich die FMI eigentlich sehr zurück und<br />
widmete sich dem Nachwuchs in den nicht ganz<br />
so großen Serien, doch Ende 2010 dachte man<br />
sich wohl, es ist genug und der Jugend muss auf<br />
die Sprünge geholfen werden. Es wurde das<br />
Team Italia FMI aus der Taufe gehoben, das mit<br />
drei Zielen an den Start ging: Unterstützung<br />
junger italienischer Fahrer, Demonstration der<br />
Wertigkeit des italienischen Nachwuchssystems<br />
und Aufbau eines langfristigen Projekts, mit<br />
dem sich italienische Piloten bis in die Spitze<br />
des internationalen Rennsports arbeiten<br />
können.<br />
Neben Teams in der europäischen Superstock<br />
600 und dem Superstock 1000 FIM Cup wagte<br />
man auch den Schritt in die GP-Weltmeisterschaft<br />
und stieg mit Alessandro Tonucci und<br />
Luigi Morciano in die 125er-WM ein. Als Men-<br />
102 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Das Projekt hat das Ziel,<br />
mit dem Team Italia zu gewinnen.<br />
Der Weg hat begonnen,<br />
das Programm ist<br />
auf mehrere Jahre in den<br />
Kategorien GP, SP und Superstock<br />
ausgelegt und in<br />
Zukunft wollen wir in die<br />
world superbike und<br />
Supersport kommen.<br />
Fotos: milagro<br />
Nachwuchsförderung wie sie sein sollte: In<br />
Italien verlässt man sich nicht auf private<br />
Investoren und einen Sechser im Lotto -<br />
stattdessen sucht der Verband selbst nach<br />
dem nächsten Valentino Rossi<br />
tor diente Roberto Locatelli, der seinerseits mit langjähriger Erfahrung<br />
aufwarten konnte. Die Ergebnisse waren im ersten Jahr allerdings<br />
noch nicht nach Wunsch und das Endergebnis in der Saison<br />
war nicht allzu berauschend. Doch dann kam 2012 die Moto3 und<br />
mit ihr Romano Fenati. Eigentlich kam der junge Pilot nur als<br />
zweitbester Nachwuchsitaliener in die WM, denn Niccolo Antonelli<br />
hatte ihn 2011 in der italienischen Meisterschaft geschlagen. Dementsprechend<br />
wunderte es nicht, dass Antonelli vom Verbandsteam<br />
ins Gresini-Team wechseln konnte, während Fenati weiter beim<br />
Team Italia blieb und damit in die Weltmeisterschaft einstieg.<br />
Doch bei Fenati machte es klick und er holte sich in den ersten<br />
beiden Saisonrennen mit beeindruckenden Fahrten einen zweiten<br />
und einen ersten Platz, womit er nach seinen ersten beiden WM-<br />
Läufen die WM-Führung innehatte. Das Niveau konnte er zwar<br />
nicht halten, doch die gesamte GP-Welt war auf ihn aufmerksam<br />
geworden. »Wir haben viele Mühen in dieses Projekt gesteckt. Das<br />
zeigt eindeutig den Wunsch des Verbandes, wieder die Siegestradition<br />
zu finden, die italienische Fahrer seit 100 Jahren geprägt<br />
haben«, meinte FMI-Präsident Paolo Sesti zu dem Nachwuchsprojekt.<br />
Mit Fenati haben sich die Mühen anscheinend ausgezahlt.<br />
Und der Weg soll noch lange nicht zu Ende sein, wie Alfredo<br />
Mastropasqua, der Sektionsleiter Speed bei der IMF, erklärte: »Das<br />
Projekt hat das Ziel, mit dem Team Italia zu gewinnen. Der Weg<br />
hat begonnen, das Programm ist auf mehrere Jahre in den Kategorien<br />
GP, SP und Superstock ausgelegt und in Zukunft wollen wir<br />
in die World Superbike und Supersport kommen. Das Team soll<br />
Italien wieder nach oben bringen und ist für uns Grund zu Stolz:<br />
von den technischen Managern, über die Piloten, bis hin zu ihren<br />
Eltern drängen alle in die gleiche Richtung.« Hilfreich ist für den<br />
italienischen Verband natürlich die große Rennsport-Tradition in<br />
Italien. Andere Landesverbände hätten es wohl schwer, derartige<br />
Ausgaben zu rechtfertigen, um Fahrer auszubilden, während andere<br />
zeigen, dass es auch mit Selbstfinanzierung möglich ist. Die Gegenbeispiele<br />
jener Piloten, die aufgrund dieses Systems nicht nach oben<br />
gekommen sind, fallen dabei dann meist nicht ins Gewicht. Italien<br />
zeigt jedenfalls, dass die gezielte Förderung auch Früchte trägt.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 103
Immer in<br />
Bewegung<br />
Text: Maria Pohlmann<br />
104 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Thomas Lüthi kämpft<br />
in dieser Saison konstant<br />
an der Spitze<br />
der Moto2. Dem <strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong><br />
verrät<br />
er, ob er im nächsten<br />
Jahr in die MotoGP<br />
aufsteigen könnte,<br />
was er von der<br />
Königsklasse hält<br />
und warum er sich<br />
in Zukunft in<br />
ungewohnte Höhen<br />
begeben könnte.<br />
Fotos: milagro<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 105
MSM: Wie lief die Saison bisher für dich?<br />
THOMAS LÜTHI: Ja gut, ich bin sehr zufrieden.<br />
Schon die Wintertests waren gut, da haben wir im<br />
Team bereits gespürt, dass es ein gutes Jahr werden<br />
könnte. Wir wussten von Beginn an, dass Konstanz<br />
das Wichtigste sein würde und bis jetzt ist<br />
es so eingetreten.<br />
Großes Ziel: Tom Lüthi<br />
will eines Tages<br />
Weltmeister werden<br />
Wenn es dir in diesem Jahr gelingen sollte, den<br />
Moto2-Titel zu holen, würdest du dann in die<br />
MotoGP aufsteigen?<br />
Das weiß ich noch nicht, dazu ist es noch zu früh<br />
in der Saison. Mein sportliches Ziel ist ganz klar<br />
die MotoGP, aber wir wissen alle, dass dazu noch<br />
viel mehr gehört, vor allem die Finanzierung.<br />
Könntest du dir vorstellen, ein CRT-Bike zu<br />
fahren?<br />
Das ist eine gute Frage. Momentan sieht man ganz<br />
klar die zwei Klassen in der MotoGP. Ich schaue<br />
- von unten sozusagen - natürlich gespannt zu,<br />
wie sich das Ganze entwickelt. Es gibt Rennstrecken,<br />
auf denen die CRT-Bikes nah dran sind, aber<br />
am Ende haben sie einfach keine Chance. Ich habe<br />
das Ziel, aufzusteigen, aber auf konkurrenzfähigem<br />
Material und das wäre dann ein Kundenteam<br />
mit einem richtigen Production-Racer. Dann<br />
ist aber auch die Frage offen, in welche Richtung<br />
sich die Klasse entwickelt, in welche Richtung sich<br />
die ganzen Regeländerungen bewegen. Ich weiß<br />
es ehrlich gesagt noch nicht. Ich denke, das Wichtigste<br />
ist, grundsätzlich erfolgreich zu sein, Erfolg<br />
zu haben, versuchen, in der Moto2 um den Titel<br />
zu fahren und dann schauen wir mal, welche Möglichkeit<br />
sich ergibt.<br />
Du bist jetzt in deinem zehnten GP-Jahr. Wie lebt<br />
es sich im Fahrerlager und was hat sich seit deinem<br />
Debüt verändert?<br />
Ich bin sozusagen fast direkt aus der Schule in den<br />
Paddock gegangen, ohne Ausbildung oder etwas<br />
dazwischen. Es gefällt mir, es ist meine Leidenschaft,<br />
aber ich musste auch lernen, dass es viele<br />
Verpflichtungen gibt, die erledigt werden müssen,<br />
die nicht immer so viel Spaß machen und die man<br />
von außen nicht so sieht. Das hat sich im Prinzip<br />
nicht verändert, es ist nur alles organisierter<br />
geworden. Das ganze Team um mich herum mit<br />
Management ist immer professioneller geworden<br />
und das vereinfacht die Arbeit im Fahrerlager und<br />
den Umgang mit dem Druck. Es ist aber ganz klar<br />
noch immer mein Traumberuf.<br />
Hast du ein sportliches Vorbild?<br />
Nicht jemand, den ich immer verfolge. Als ich<br />
angefangen habe, Motorradrennen zu schauen<br />
und schon Junior Cup und IDM gefahren bin, war<br />
[Valentino] Rossi immer der Fahrer, auf den ich<br />
geschaut habe. Ich habe noch immer einen riesigen<br />
Respekt vor der Leistung, die er bringt. Aber<br />
es gibt auch in anderen Sportarten große Sportler,<br />
zum Beispiel Roger Federer, bei dem ich sehr<br />
bewundere, dass er über so viele Jahre immer die<br />
Nummer eins war und immer noch super spielt.<br />
Ich habe höchsten Respekt davor, wenn jemand<br />
eine sportliche Leistung über so viele Jahre auf<br />
Top-Niveau abliefert.<br />
Du hast erst mit neun Jahren angefangen, Motorrad<br />
zu fahren. Für die einen ist das früh, viele<br />
Top-Fahrer bekommen aber schon zum dritten<br />
Geburtstag ihr erstes Motorrad geschenkt. Denkst<br />
du, dass dich das in irgendeiner Art und Weise<br />
beeinflusst hat?<br />
Ungefähr mit acht saß ich zum ersten Mal auf<br />
einem Pocket Bike, aber mit neun Jahren bin ich<br />
meine erste Meisterschaft gefahren. Spät oder<br />
nicht spät, andere sagen, das ist unheimlich früh,<br />
für die Spanier und Italiener ist es eher spät. Aber<br />
ich denke nicht, dass das heute irgendeinen Einfluss<br />
hat.<br />
Was war dein größter Erfolg?<br />
Der größte Erfolg war mein Weltmeister-Titel in<br />
der 125ccm-Klasse 2005. Auch der Sieg in Le Mans<br />
oder voriges Jahr in Malaysia sind große Erfolge,<br />
aber schlussendlich über ein ganzes Jahr so stark<br />
zu sein, ist das, wofür wir alle arbeiten.<br />
Was willst du noch erreichen?<br />
Ich will versuchen, in diesem Jahr wirklich erfolgreich<br />
zu sein. Ich sage bewusst nicht, dass ich den<br />
Titel holen will. Klar will ich Weltmeister werden,<br />
möglichst jedes Rennen gewinnen und dann in<br />
die MotoGP-Klasse aufsteigen. Aber ich muss<br />
natürlich auch realistisch bleiben und mir ist klar,<br />
dass meine Gegner stark sind. Das Fernziel ist, die<br />
MotoGP-Klasse zu erreichen, das ist nicht mehr<br />
nur ein Traum, es ist ein Ziel geworden und dafür<br />
arbeite ich.<br />
Kannst du fahrerisch noch etwas an dir<br />
verbessern?<br />
Ja, es gibt immer Dinge zu verbessern. So denkt<br />
jeder Fahrer oder so sollte man als Fahrer denken.<br />
Da bin ich sicher nicht der Einzige. Es gibt permanent<br />
Dinge, an die ich denke, wenn ich auf dem<br />
Motorrad sitze und eine Runde gefahren bin,<br />
wobei ich dann denke ‚ah, das könnte ich noch<br />
verbessern‘ oder ‚hier könnte man noch zulegen‘,<br />
aber es gibt nichts Spezielles.<br />
Wie stellst du dir ein Leben nach dem Rennsport<br />
vor?<br />
Das weiß ich noch nicht. Ich würde gerne Hubschrauber<br />
fliegen lernen und irgendetwas damit<br />
anfangen, aber dazu brauche ich noch ein bisschen<br />
Hilfe, muss noch etwas arbeiten und Geld verdienen,<br />
um diesen Traum irgendwann zu<br />
verwirklichen.<br />
Mit Dominique Aegerter, Randy Krummenacher<br />
und Marco Colandrea ist die Konkurrenz aus<br />
deinem Heimatland groß. Spornt es dich an,<br />
bester Schweizer in der Moto2 zu sein?<br />
Ja klar, ich will der beste Schweizer sein, aber nicht<br />
Fotos: milagro<br />
106 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
nur Schweizer, ich will möglichst alle schlagen.<br />
Das ist meine Einstellung als Sportler. Auf der<br />
anderen Seite ist es gut und auch schön, dass noch<br />
andere Schweizer da sind. Wenn es bei einem<br />
Schweizer Fahrer an der Spitze nicht gut läuft,<br />
dann ist vielleicht noch ein zweiter Schweizer da,<br />
der erfolgreich ist und über den in den Medien<br />
berichtet wird. Für uns in der Schweiz ist es sehr<br />
wichtig, dass darüber geredet wird, denn es ist<br />
nicht ganz einfach, in der Schweiz den <strong>Motorsport</strong>,<br />
beziehungsweise den Motorradrennsport, ohne<br />
Strecke voranzubringen. Deshalb ist das positiv<br />
und es gibt einen Schwung.<br />
Auf der Rennstrecke wirkst du immer extrem<br />
konzentriert, ernst und zielstrebig. Ist das in deinem<br />
Privatleben genauso?<br />
Kommt drauf an, in welcher Situation. Ich bin ein<br />
ehrgeiziger Typ, wenn ich etwas mache, dann<br />
mache ich es richtig und will darin gut sein, egal<br />
was es ist. Auf der Rennstrecke ist das noch einmal<br />
extremer, es ist alles durchorganisiert, der Ablauf<br />
ist klar, der Fokus liegt klar auf dem Fahren und<br />
ich lege auch sehr viel Wert darauf, dass es so ist<br />
und der Ablauf so bleibt. Man sitzt schließlich<br />
nicht einfach nur auf dem Motorrad und fährt ein<br />
bisschen herum, es ist schon ein Risiko dabei und<br />
da will ich einfach konzentriert sein.<br />
Aber im Privatleben gibt es schon viele Situationen,<br />
in denen ich lockerer bin und mal sage ‚das<br />
ist jetzt egal‘ oder ‚das spielt keine Rolle‘, aber selbst<br />
wenn ich in meiner Freizeit Sport mache, bin ich<br />
schon sehr ehrgeizig.<br />
Was für Sport treibst du in deiner Freizeit?<br />
Im Urlaub mache ich sehr gerne Wassersport, zum<br />
Beispiel Kitesurfen. In der Schweiz ist das etwas<br />
schwierig auf den Seen. Natürlich fahre ich auch<br />
Mountainbike und betreibe Spielsportarten. Ich<br />
bin meistens in Bewegung. Zwei Tage gehen auch<br />
mal ohne, aber dann muss ich mich wieder bewegen.<br />
Ansonsten habe ich meine Familie, meine<br />
Freundin, Freunde, da gibt es noch viele andere<br />
Sachen.<br />
Was war dein bisher schlimmster Moment auf<br />
dem Motorrad?<br />
Ich hatte in Indianapolis 2008 einen Sturz mit der<br />
250er, wobei ich mir die Hand verletzt habe - das<br />
war im Grunde die schlimmste Verletzung, die<br />
ich bisher hatte. Da war auch kurz die Rede davon,<br />
dass der Daumen wegen einer Infektion amputiert<br />
werden müsste, das war ziemlich schlimm und<br />
sicher kein schöner Moment.<br />
Hattest du nach einem Sturz jemals Angst, wieder<br />
aufs Motorrad zu steigen?<br />
Angst eigentlich nicht, aber Respekt. Es gab mal<br />
mehr Respekt und mal weniger davor. Ich spreche<br />
bewusst nicht von Angst, weil Angst würde bremsen<br />
und mit Angst würde ich womöglich nicht<br />
wieder aufs Motorrad steigen und aufhören. Angst<br />
war nie da, aber es gab eine Zeit, in der das Vertrauen<br />
zum Motorrad gefehlt hat, in der ich<br />
gestürzt bin und ich nicht wusste, warum ich<br />
gestürzt bin, was für einen Fahrer das Schlimmste<br />
ist. Das waren schon schwierige Zeiten, aus denen<br />
ich aber sehr viel gelernt habe.<br />
Welche ist deine Lieblingsstrecke?<br />
Jerez gefällt mir sehr gut, das ist einfach eine Fahrerstrecke.<br />
Dann habe ich zu Le Mans ein ganz<br />
spezielles Verhältnis. Ich weiß nicht genau, was es<br />
ist, denn Le Mans gefällt mir vom Layout her nicht<br />
wirklich. Es ist ein Stop-and-Go-Kurs und ich mag<br />
schnelle Kurven, aber ich bin immer erfolgreich<br />
in Le Mans. Jetzt habe ich mein drittes Rennen<br />
dort gewonnen, aber ich weiß nicht warum.<br />
Was geht dir im Grid durch den Kopf?<br />
Das einzige Thema ist Fokus und Konzentration.<br />
Es ist natürlich auch Anspannung vorhanden, ab<br />
und zu auch ein bisschen Nervosität, aber im<br />
Grunde überwiegt die Konzentration. Manchmal<br />
geht mir noch die Taktik durch den Kopf: was habe<br />
ich für einen Reifen drauf?<br />
Könntest du dir vorstellen, später auch Superbike,<br />
Rallye oder etwas anderes zu fahren? Verfolgst<br />
du andere Rennserien?<br />
Ja, auf jeden Fall schaue ich mir auch andere Serien<br />
an. Zur Zeit kann ich mir die Superbike nicht vorstellen,<br />
aber man soll ja niemals nie sagen. Keine<br />
Ahnung, was in ein paar Jahren ist, aber momentan<br />
nicht. Autorennsport könnte ich mir schon<br />
vorstellen, aber erst viel später einmal.<br />
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108 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
Text: Maria Pohlmann<br />
JVAir<br />
Javier Villegas sicherte sich 2011 seinen ersten WM-Titel. Dem <strong>Motorsport</strong>-<br />
<strong>Magazin</strong> verrät der Chilene, was die Night of the Jumps Medaille in seinem<br />
Leben verändert hat, was er für die Zukunft plant und mit welchen Tricks er<br />
seine Gegner bei den Red Bull X-Fighters schlagen will.<br />
Fotos: red bull content pool
MSM: Wie hast du dich auf diese Saison<br />
vorbereitet?<br />
JAVIER VILLEGAS: Ich habe viel trainiert, geübt<br />
und mich auch mental darauf eingestellt. Schließlich<br />
ist das, was wir tun, sehr unheimlich und<br />
verrückt, also bereite ich mich besonders im Kopf<br />
auf die Saison vor.<br />
Da du bei den Red Bull X-Fighters startest, verpasst<br />
du in diesem Jahr einige Night of the Jumps<br />
Events. Denkst du, dass du dadurch deinen Titel<br />
in der IFMXF-Serie verlieren könntest?<br />
Die Night of the Jumps hat viele Wettkämpfe und<br />
ja, ich könnte den Titel durch meine Teilnahme<br />
bei den Red Bull X-Fighters verlieren. Allerdings<br />
sind die X-Fighters vielleicht auch meine Eintrittskarte<br />
zu den X-Games. Ich opfere die Night of the<br />
Jumps, bei der ich natürlich liebend gern dabei<br />
bin, aber ich will es eben gern zu den X-Games<br />
schaffen.<br />
Was ist in deinen Augen der Unterschied zwischen<br />
der Night of the Jumps und den Red Bull<br />
X-Fighters?<br />
Der einzige Unterschied, den ich zwischen den<br />
X-Fighters und der Night of the Jumps sehe, sind<br />
die größeren Strecken bei den Red Bull X-Fighters,<br />
außerdem sind die Kurse dort ein bisschen schwieriger.<br />
Das Niveau der Fahrer ist aber fast gleich.<br />
All die tollen Tricks, die man bei der Night of the<br />
Jumps sehen kann, sieht man auch bei den<br />
X-Fighters.<br />
Als Chilene hast du den FMX-Sport in deinem<br />
Heimatland vorangebracht. Ist das Interesse in<br />
Chile gestiegen?<br />
Das weiß ich nicht, ich lebe mittlerweile in den<br />
USA, in Kalifornien. Ich höre nicht viel von meinen<br />
Landsleuten. Das Medieninteresse in Brasilien,<br />
Mexiko und Argentinien ist sogar größer als<br />
in Chile.<br />
Wie sieht dein Privatleben so aus?<br />
Ich lebe in Südkalifornien, habe eine Frau und<br />
zwei Kinder. Jeder Tag ist bei mir komplett vollgepackt.<br />
Ich stehe sehr früh auf, dann checke ich<br />
erst einmal meine E-Mails, unterhalte mich mit<br />
meinen Fans. Danach bringe ich meinen Sohn zur<br />
Schule, von dort geht es dann zum Training. Wenn<br />
ich damit fertig bin, hole ich meinen Sohn wieder<br />
aus der Schule ab, bringe ihn nach Hause und gehe<br />
ins Fitnessstudio - später habe ich drei bis vier<br />
Stunden mit meiner Familie, dann gehe ich schlafen<br />
und beginne von Neuem.<br />
Du reist durch die ganze Welt und bist oft nicht<br />
zu Hause. Was vermisst du dabei am meisten?<br />
Das Spielen mit meinen Kindern vermisse ich am<br />
meisten. Ich liebe es, mit meiner Familie zusammen<br />
zu sein, das fehlt mir schon sehr. Ich würde<br />
sie so gern überall mit hinnehmen, aber die Kinder<br />
müssen zur Schule, meine Frau hat auch einiges<br />
zu tun... aber wenn sie Ferien haben, werde ich sie<br />
öfter mitnehmen.<br />
Obwohl du deine Familie nicht bei dir hast,<br />
kommst du recht viel rum. In welchem Land<br />
gefällt es dir am besten?<br />
Ich habe nicht wirklich einen Favoriten, glaube<br />
ich. Wenn ich eines Tages alle gesehen habe, dann<br />
werde ich mich für eines entscheiden, aber<br />
momentan liebe ich es einfach, die ganze Welt zu<br />
bereisen. [lacht]<br />
Was war dein bisher bester FMX-Wettbewerb?<br />
Also bisher gab es ziemlich viele sehr gute Events.<br />
Die ganzen Siege bei der Night of the Jumps, der<br />
dritte Platz bei den X-Fighters in Dubai in diesem<br />
Jahr. Im letzten Jahr hatte ich bei den Red Bull<br />
X-Fighters in Brasilien eine Menge Spaß. Jeder<br />
Wettbewerb, bei dem ich antrete, hat etwas Besonderes<br />
für sich. Also ist es sehr schwer, sich für<br />
einen zu entschieden.<br />
Hat dein erster Weltmeistertitel bei der Night of<br />
the Jumps im letzten Jahr etwas in deinem Leben<br />
verändert?<br />
Ich habe mehr Stress, fahre immer mehr Shows<br />
und bin weniger zu Hause. Das ist die größte Veränderung.<br />
Auch heute fahre ich noch mehr Shows<br />
als zuvor, aber viel mehr hat sich nicht<br />
verändert.<br />
Interessierst du dich abgesehen vom Freestyle Motocross<br />
auch noch für andere <strong>Motorsport</strong>arten?<br />
Ich bin viele Rennen gefahren, also liebe ich es<br />
natürlich immer noch, um einen Sieg im Rennen<br />
zu kämpfen oder wenigstens dabei zuzusehen.<br />
Freestyle-Tricks auf Fahrrädern mag ich auch sehr,<br />
aber das kann ich selbst nicht wirklich gut. Dennoch<br />
gehört dem FMX meine wahre<br />
Leidenschaft.<br />
Wie bist du zum Freestyle-Sport gekommen? Speziell<br />
in Chile ist FMX ja nicht unbedingt die Nationalsportart<br />
Nummer 1...<br />
Als ich ein kleines Kind war, wollte ich in jeder<br />
freien Minute auf meinem Fahrrad fahren, später<br />
auf meinem Motorrad. Sobald ich gesehen hatte,<br />
dass andere Leute Tricks damit machten, wollte<br />
ich es unbedingt nachmachen. So hat sich das<br />
dann entwickelt.<br />
Wie oft kommst du neben all den Reisen und deiner<br />
Familie zum Trainieren? Hast du ein eigenes<br />
Trainingsgelände?<br />
Ich probiere, so oft wie möglich zu trainieren, ich<br />
versuche, es jeden Tag zu schaffen und setze nur<br />
an den Wochenenden aus. Aber mit all dem Stress<br />
komme ich meist nur dienstags und mittwochs<br />
zum Trainieren, weil ich donnerstags schon wieder<br />
auf dem Weg zum Flughafen zur nächsten Show<br />
bin. Ich habe einen Trainingsplatz in North<br />
Corona, in Kalifornien, der etwa eine Stunde von<br />
meinem Haus entfernt ist. Dort kann ich jeden<br />
Tag fahren.<br />
Gibt es noch andere Sportarten, mit denen du<br />
dich fit hältst?<br />
Ich habe einen persönlichen Trainer und der hält<br />
mich eigentlich in jeder freien Minute in<br />
Bewegung.<br />
Hast du ein besonderes Ritual, bevor ein Run<br />
beginnt? Was denkst du fünf Sekunden bevor du<br />
rausfährst?<br />
Fünf Sekunden bevor ich rausfahre, bereite ich<br />
Freestyle-Tricks<br />
auf Fahrrädern mag<br />
ich auch sehr, aber<br />
das kann ich selbst<br />
nicht wirklich gut.<br />
mich nur noch darauf vor. Vor meinem Run gehe<br />
ich jeden einzelnen Trick noch einmal im Kopf<br />
durch und versuche, mir vorzustellen, wie es ist,<br />
das Bike um den Kurs zu fahren. Wenn ich also<br />
auf die Strecke komme, ist in meinem Kopf alles<br />
schon passiert.<br />
Wie kannst du entspannen?<br />
Meditation. Wenn ich zu gestresst oder zu nervös<br />
bin, setze ich mich einfach hin und meditiere.<br />
Wenn irgendjemand eine Zeitmaschine bauen<br />
könnte, würdest du dann lieber ins Titeljahr 2011<br />
110 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
zurückreisen oder eher in die Zukunft?<br />
Wenn ich eine Zeitmaschine hätte... würde ich<br />
wahrscheinlich in die Vergangenheit reisen, aber<br />
viele Jahre zurück. Denn dann könnte ich früher<br />
mit diesem Sport beginnen.<br />
Gibt es 2012 für dich viele Neuerungen?<br />
Das Einzige, was anders ist, sind die Fahrer. Alle<br />
fahren besser als im vorigen Jahr und das ist der<br />
Unterschied.<br />
Startest du neben der Night of the Jumps und den<br />
Red Bull X-Fighters noch in anderen Serien?<br />
Ja, ich fahre in Mexiko in einer Rennserie mit, die<br />
sich X-Pilots nennt. Das war‘s dann aber auch<br />
schon, das sind die drei Rennserien, in denen ich<br />
momentan antrete.<br />
Was ist dein größtes Ziel?<br />
Ich will der beste Fahrer der Welt sein. In diesem<br />
Jahr möchte ich gern auf dem Podium bei den Red<br />
Bull X-Fighters landen, eine Medaille bei den<br />
X-Games holen und versuchen, meinen Titel bei<br />
der Night of the Jumps zu verteidigen.<br />
Wen gilt es bei der Night of the Jumps zu<br />
schlagen?<br />
Remi [Bizouard], Libor [Podmol], David<br />
[Rinaldo], Brice [Izzo],... eben die Standard-Leute,<br />
die es bis ins Finale schaffen, die sind immer die<br />
härtesten Gegner.<br />
Und wer sind die härtesten Rivalen bei den<br />
X-Fighters?<br />
Alle! Jeder, der zu den Red Bull X-Fighters eingeladen<br />
wird, fährt auf einem so hohem Niveau,<br />
dass einfach jeder ein echt harter Gegner ist.<br />
Welchen Trick springst du am liebsten und trainierst<br />
du gerade an neuen?<br />
Den Backflip-Suicide-No-Hands, der ist ziemlich<br />
cool! Ja, momentan arbeite ich an neuen Flip-<br />
Kombinationen. Ich versuche immer, an ein<br />
Foam Pit zu kommen, um weiter am 360 zu<br />
arbeiten, den ich schon ein paar Mal im Foam<br />
Pit gesprungen bin. Auch den Body-Varial probiere<br />
ich, bisher hatte ich dabei aber noch nicht<br />
allzu viel Glück.<br />
Was wirst du in zehn Jahren machen?<br />
Hoffentlich habe ich dann eine Menge Geld und<br />
kann mit meiner Familie entspannen, habe keinen<br />
Stress und viel Zeit für Spaß.<br />
Fotos: red bull content pool<br />
Wie siehst du die Zukunft im Freestyle-Sport?<br />
Das weiß ich echt nicht. Dieser Sport könnte<br />
vielleicht einige Zeit steckenbleiben. Ich kann<br />
mir nicht vorstellen, dass diese starke Trick-<br />
Entwicklung dauerhaft so weitergeht, aber es<br />
wird wohl immer irgendjemand mit irgendetwas<br />
Neuem ankommen und das könnte noch verrückter<br />
werden.<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 111
EM-Fieber<br />
Leon Haslam und Marco Melandri<br />
fieberten mit ihren Nationen mit<br />
er<br />
ist es<br />
Bruno Senna und Vitaly Petrov<br />
staunten nicht schlecht: ja, das ist<br />
der legendäre brasilianische<br />
Fußballer Ronaldo!<br />
Sauber arbeitet mit dem FC<br />
Chelsea zusammen - nur<br />
wie weiß keiner so genau<br />
Fotos: adrivo/Sutton, milagro, suzuki<br />
112 www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com
BVB<br />
Renner<br />
Borussia Dortmund gab ein<br />
kurzes Gastspiel in der<br />
Superleague Formula<br />
Scheider und Ekström<br />
heiß aufs Finale:<br />
Das Daumendrücken<br />
half leider nichts<br />
Valentino Rossi freut<br />
sich über Erfolge von<br />
Inter Mailand<br />
www.<strong>Motorsport</strong>-<strong>Magazin</strong>.com 113
Auf zum<br />
schlussspurt:<br />
motorsport-magazin<br />
ausgabe 26 erscheint<br />
am 30.08.2012<br />
foto: red bull racing<br />
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