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Klängen. Meist wird dabei dem Begriff der Phrasierung der der sinnvollen Gliederung<br />

zugeordnet, Artikulation wird dagegen eher mit dem Bereich des Bildhaften, weniger<br />

Fassbaren assoziiert.<br />

Sprecher 2:<br />

Es gibt also (wenige Grenzfälle ausgenommen) fast stets nur eine richtige und eine oder<br />

mehrere falsche Phrasierungen, richtig im Sinne von verstandesmäßig beweisbar, also in<br />

verbindlicherem Sinn, als man, bei älterer Musik, von richtigem Tempo, richtiger Dynamik<br />

sprechen kann. Und damit habe ich nun vielleicht den Gegensatz von Phrasierung und<br />

Artikulation klar hingestellt: Artikulation ist, wo sie nicht vorgezeichnet ist, stets<br />

Auffassungssache, ist fast nie verstandesmäßig beweisbar. Phrasierung versteht sich für einen<br />

begabten Musiker von selbst, um Artikulation kann man sich leidenschaftlich streiten, und<br />

wenn einer den andern fragt: „wie phrasieren Sie dieses Thema?" so meint er immer: „wie<br />

artikulieren Sie es?“<br />

Hermann Keller, Artikulation und Phrasierung, Deutsche Tonkünstlerzeitung 1929<br />

Sprecher 1:<br />

Theoretisch scheint diese Unterscheidung zunächst verständlich. Sowohl für die Analyse als<br />

auch für die Darstellung der Musik ist es von erheblicher Bedeutung, ob es um die Frage der<br />

gedanklichen Logik geht oder um den Charakter und die Transparenz des Bildes. Für beide<br />

Bereiche ist der Aspekt von Bindung und Trennung fundamental, der musikalischsemantische<br />

Wert, der einer gliedernden Trennung zukommt, ist aber ein ganz anderer als der<br />

der Artikulation, die eher der Intensität des Striches in einer Zeichnung vergleichbar wäre.<br />

In der Praxis lassen sich diese beiden Aspekte allerdings oftmals nicht scharf gegeneinander<br />

absetzen, und der von Hermann Keller formulierten Frage „wie artikulieren Sie dieses<br />

Thema?“ gehen in Wirklichkeit die eigentlichen Fragen voraus: Welches sind die Teile des<br />

Themas, wie verhalten sie sich zueinander, welche Verbindungen sollen fundamentalen,<br />

gliedernden Charakter haben, und welche bleiben diesen quasi nachgeordnet, betreffen die<br />

Kohäsion der Linien und Klänge und den daraus möglicherweise resultierenden Charakter des<br />

Bildes. Sowohl für den Spieler als auch für den Hörer können dabei Pausen zwischen Tönen<br />

ambivalenten Charakter behalten, teils gliedernd, und teils artikulatorisch. Für die Harmonik<br />

der abendländischen Musik ist ihre Vieldeutigkeit eine unabdingbare Voraussetzung, für die<br />

Wertigkeit von Pausen gilt – wenn auch in einem etwas anderen Sinn – Ähnliches. Oftmals ist<br />

es gerade die große Kunst einer Interpretation, dass der innere Gehalt der Pausen in der<br />

Schwebe bleibt und sich nicht <strong>zum</strong> Sklaven akademischer Begrifflichkeiten macht. Hinzu<br />

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