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Sprecher 1:<br />

Das Gedicht – dasjenige, auf das sich Peter Waterhouse in seinem Roman bezieht – entfaltet<br />

sein Profil auch über parallele Formulierungen und Konstruktionen: Sieben Mal hebt es an<br />

mit dem Wort ‚Stimmen‟, beim achten Mal mit ‚Keine Stimme‟; die Abschnitte des Gedichtes<br />

sind meist zweigeteilt, in eine Art initiales Bild und einen Kommentar, der darauf Bezug<br />

nimmt; viele syntaktische Konstruktionen weisen Parallelismen auf. Zwischen den beiden<br />

Texten, die sich in einem weiteren Sinn der Entwicklung eines ‚Ich‟ und den Bedingungen<br />

des Sprechens für dieses ‚Ich‟ widmen, gibt es auch inhaltliche Berührungspunkte. Ganz<br />

erhebliche Unterschiede zeigt aber die Binnenstruktur: Celans Gedicht artikuliert sich völlig<br />

anders, Vers, Atem, Satz und Gedanke gehen ein ganz anderes Verhältnis zueinander ein, das<br />

rhythmische Schwingen der Sprache und Sprachklänge entsteht quasi aus sich selbst heraus,<br />

nicht aus einer Setzung von außen.<br />

In dieser Differenz der Binnenstruktur manifestiert sich ein fundamentaler Unterschied in der<br />

ästhetischen Grundorientierung: Peter Waterhouse ist der Spaziergänger – eine Assoziation,<br />

die sich durch sein ganzes Oeuvre zieht. Er erwandert sich die Welt, in ihrem ganzen<br />

Reichtum, wobei er sich mit Vorliebe den kleinen, unscheinbaren Dingen widmet und diesen<br />

– vor allem im Umgang mit Texten - umso mehr Sorgfalt angedeihen lässt. Sein Roman<br />

entfaltet sich nach und nach, Schritt für Schritt, über die klar erkennbare und benennbare<br />

Grundeinheit der einfachen Phrase.<br />

Celan dagegen geht es immer um das ‚Du‟, den Gesprächspartner. In seinem Gedicht sind<br />

solche Setzungen nicht aus<strong>zum</strong>achen, der Reichtum des Bildes und die Vielschichtigkeit des<br />

Beziehungsgeflechtes kann auf keiner erkennbaren Ebene ohne Weiteres auf so etwas wie<br />

einen Hauptnenner gebracht werden. Bei aller Rätselhaftigkeit und Vieldeutigkeit des Textes<br />

bleibt dem Leser damit auch immer eine große Freiheit: Es ist sein Ohr, das bestimmt, auf<br />

welcher Ebene, auf welcher Dimension er sich angesprochen fühlt und mit welcher Faser<br />

seines sprachlichen und emotionalen Erlebens er auf die höchst subtil sich artikulierende<br />

Stimme Celans reagiert.<br />

Musikbsp. 3:<br />

Johann Sebastian Bach: Menuett aus der Partita D-Dur für Klavier, (einblenden) ca. 45“<br />

Glenn Gould<br />

Sony Music Entertainment, 88691961142-08. CD 8, MS 6498<br />

In der Musik ist der große Gegenbegriff zur Artikulation, der oftmals im gleichen Atemzug<br />

genannt wird, der der Phrasierung. Bei beiden geht es um Verbindung und Trennung von<br />

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