Oktober 2013 - EU-Koordination
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THEMA<br />
Verbände<br />
Thema<br />
30 Jahre PCB-Management – ein unlösbares Problem?<br />
Dioxineier, mit PCB verseuchtes Rindfleisch – immer wieder sorgen Lebensmittelskandale für große<br />
Schlagzeilen und heftige politische Debatten. Effektive Maßnahmen, um die Belastung der Umwelt<br />
mit polychlorierten Biphenylen (PCB) zu verringern, bleiben aber Fehlanzeige. Das mangelhafte PCB-<br />
Management steht beispielhaft für Hunderte giftige Chemikalien, die Umwelt und Gesundheit gefährden.<br />
<br />
Ende August haben sich Experten auf<br />
der hochrangig besetzten DNR-Fachtagung<br />
mit dem Thema „30 Jahre PCB-<br />
Management – was ist (noch) zu tun?<br />
Lehren für den Chemikalien-Risk-Cycle<br />
einer Kreislaufwirtschaft“ beschäftigt. Sie<br />
analysierten Ursachen der immer noch<br />
hohen PCB-Belastung und suchten nach<br />
möglichen Lösungsansätzen.<br />
Seit 1929 wurden PCB industriell hergestellt.<br />
PCB sind schwer entflammbar,<br />
elektrisch nicht leitend und wasserunlöslich,<br />
daher fanden sie in unterschiedlichen<br />
Varianten Verwendung in Transformatoren,<br />
Hydraulikanlagen und Kondensatoren,<br />
als Weichmacher in Farben, Fugendichtmassen<br />
oder Kunststoffen.<br />
Erst nach einigen großen PCB-Unfällen<br />
in den 1970er-Jahren wurde die enorme<br />
Gesundheitsschädlichkeit der Stoffe<br />
immer deutlicher und erste Gegenmaßnahmen<br />
wurden eingeleitet. 1983 wurde<br />
in Deutschland die PCB-Produktion eingestellt,<br />
seit 1989 ist der Einsatz von PCB<br />
für sämtliche Anwendungen verboten.<br />
Weltweit befinden sich aber noch<br />
immer rund drei Millionen Tonnen PCB in<br />
Anwendung, allein in Deutschland gibt es<br />
noch 20.000 Tonnen PCB in alten Fugenmassen.<br />
Ein Inventar alter Bestände und<br />
aktueller Anwendungen gibt es allerdings<br />
nicht. Gerade die unsachgemäße Entsorgung<br />
und Zerstörung von PCB erhöhe die<br />
Dioxinemissionen um ein Vielfaches und<br />
damit auch die Gefahr einer großflächigen<br />
Kontaminierung, erklärte Roland Weber<br />
von der POPs Environmental Consulting.<br />
Uwe Lahl, Professor an der Technischen<br />
Universität Darmstadt, stellte fest: „Trotz<br />
ausgearbeiteter Gesetzgebung, geschultem<br />
Personal und einer funktionierenden<br />
Abfallwirtschaft hat es das Industrieland<br />
Deutschland in den vergangenen 30 Jahren<br />
nicht geschafft, das PCB-Problem in<br />
den Griff zu bekommen.“ Mit eindrücklichen<br />
Zahlen und Beispielen verschiedener<br />
Lebensmittelskandale in Deutschland und<br />
anderen <strong>EU</strong>-Staaten untermauerte Roland<br />
Weber diese Aussage. Er zeigte auf, wie<br />
PCB in den Nahrungsmittelkreislauf gelangt<br />
und für kontaminiertes Wasser und<br />
Böden verantwortlich ist.<br />
Nachhaltigkeit durch Kreislaufwirtschaft<br />
Der wissenschaftliche Direktor und Geschäftsführer<br />
des Sekretariats für Zukunftsforschung<br />
Rolf Kreibich zog in<br />
seinem Statement ein ernüchterndes Fazit<br />
aus 30 Jahren PCB-Management: „Viel hat<br />
sich nicht verändert.“ Seine Kritik zielte<br />
vor allem auf die ungenügende Abfallpolitik.<br />
Trotz des Kreislaufwirtschaftsgesetzes,<br />
das vor 19 Jahren beschlossen wurde, sei<br />
Deutschland immer noch weit von einer<br />
echten Kreislaufwirtschaft entfernt. Hohe<br />
Verwertungsquoten von 73 bis 93 Prozent<br />
bei Verpackungsmaterialien täuschten<br />
leicht darüber weg, dass weder Rohstoffe<br />
wie Seltene Erden noch toxische Stoffe aus<br />
den Abfällen gehoben würden. Stattdessen<br />
wandere noch zu viel in die Verbrennungsanlagen,<br />
wo erneut Dioxine entstehen.<br />
Kreibichs Appell an die Politik war daher<br />
eindringlich: „Das 20. Jahrhundert war das<br />
Zeitalter der Arbeitsproduktivität, das 21.<br />
Jahrhundert muss nun das Zeitalter der<br />
Ressourcenproduktivität werden. Es muss<br />
gelingen, nachhaltige Entwicklung durch<br />
eine echte Kreislaufwirtschaft zu gestalten.<br />
Hierzu braucht es auch einen ambitionierten<br />
Chemikalien-Risk-Cycle.“<br />
Dem stimmte der Präsident des Umweltbundesamts<br />
(UBA) Jochen Flasbarth<br />
zu. Er stellte außerdem fest, dass Ursache-<br />
Wirkungs-Zusammenhänge bislang in<br />
der politischen Betrachtung keine Rolle<br />
gespielt hätten. Zusammen mit PCB-verseuchten<br />
Böden, schlechtem Management<br />
alter Bestände und noch offenen PCB-Einträgen<br />
in die Umwelt ergebe sich kein gutes<br />
Bild des PCB-Managements.<br />
Vorsorgeprinzip stärken<br />
In der Umwelt- und Chemikalienpolitik<br />
dürfe das Vorsorgeprinzip nicht als altmodisch<br />
abgestempelt werden, mahnte der<br />
UBA-Chef auch in Richtung der Umweltverbände.<br />
Das Prinzip, Umweltschäden<br />
und Gesundheitsbelastungen trotz unvollständiger<br />
Wissensbasis im Voraus zu<br />
vermeiden oder zu verringern, ist zentraler<br />
Bestandteil des europäischen Chemikalienregisters<br />
(REACH). Chemikalien müssen<br />
hier eingetragen und zur Verwendung<br />
freigegeben werden, allerdings geschieht<br />
das nur sehr langsam. Vor allem aber<br />
müsse die Beweislast umgekehrt werden,<br />
forderte Jochen Flasbarth: „Chemikalien,<br />
die im Verdacht stehen, gesundheitsschädlich<br />
zu wirken, müssen verboten werden.<br />
Es sei denn, die Industrie kann diesen Verdacht<br />
nachweislich entkräften.“<br />
Auch Uwe Lahl sieht in REACH einen<br />
möglichen Lösungsansatz für einen effektiven<br />
Chemikalien-Risk-Cycle, mahnte<br />
aber auch andere politische Maßnahmen<br />
beispielsweise über die europäische Abfallgesetzgebung,<br />
die Ökodesignrichtlinie<br />
oder ein europäisches Umweltlabel an.<br />
DNR-Präsident Hartmut Vogtmann forderte<br />
zusätzlich, das Verursacherprinzip<br />
kompromisslos anzuwenden. Die Industrie,<br />
die maßgeblich für die hohe Belastung<br />
mit PCB verantwortlich ist, müsse für die<br />
Folgekosten aufkommen. Steigende Gesundheitskosten<br />
und Kosten für die Beseitigung<br />
der PCB-Altlasten dürften nicht den<br />
SteuerzahlerInnen zur Last fallen, sagte<br />
Vogtmann.<br />
[Daniel Hiß]<br />
XX<br />
DNR, Dr. Helmut Röscheisen, Berlin,<br />
Tel. +49 (0)30 / 7681775-70, www.dnr.de<br />
umwelt aktuell <strong>Oktober</strong> <strong>2013</strong><br />
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