Die ganze Ausgabe als PDF (1928 K) - Inprekorr
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CHINA<br />
folgt, dass der Begriff „nationales Kapital“,<br />
verstanden <strong>als</strong> Gegenpol zum<br />
ausländischen Kapital, irreführender<br />
ist denn je. Wenn die Linke und<br />
die Arbeiterbewegung gemeinsam mit<br />
dem nationalen Kapital die vom westlichen<br />
Imperialismus getragene Globalisierung<br />
ablehnen, könnte das zur<br />
Folge haben, dass die ArbeiterInnen<br />
dem nationalen Kapital nur helfen, die<br />
Logik der Globalisierung zu festigen,<br />
wenn auch in einer Version der Globalisierung,<br />
die den Bedürfnissen des<br />
„nationalen Kapit<strong>als</strong>“ stärker entgegenkommen<br />
mag. <strong>Die</strong> nationalistische<br />
Antwort auf die Globalisierung unterwirft<br />
die ArbeiterInnen zwangsläufig<br />
den Interessen der herrschenden<br />
Eliten im Kampf für das oberste Ziel<br />
eines oft fiktiven „nationalen“ Interesses.<br />
3<br />
<strong>Die</strong>ses Appellieren an die Tradition<br />
teilen auch andere rechte Globalisierungskritiker<br />
wie der Hindu-Nationalismus<br />
in Indien, der islamische Nationalismus<br />
im Nahen Osten und Asien<br />
sowie der wiederaufkommende Faschismus<br />
in Europa. Der rechte Nationalismus<br />
appelliert an ‚das Volk‘ und<br />
die Nation <strong>als</strong> defensive Antwort auf<br />
die mit der Globalisierung einhergehende<br />
Verunsicherung.“ 1<br />
Gerard Greenfield zeigt sich in seinem<br />
Essay „Bandung redux: Anti-Globalization<br />
Nationalisms in Southeast<br />
Asia“ tief besorgt über das Aufkommen<br />
eines asiatischen Nationalismus:<br />
„Während die Massenmobilisierungen<br />
in Reaktion auf die asiatische Wirtschaftskrise<br />
1997–1998 die Basis für<br />
Antiglobalisierungsbewegungen verbreiterten,<br />
sind das revolutionäre Potenzial<br />
dieser Proteste und ihre Grenzen<br />
unter AktivistInnen stark umstritten.<br />
Was diese Bewegungen gezeigt<br />
haben, war das Primat des Nationalismus<br />
<strong>als</strong> Referenzpunkt für die Unzufriedenheit<br />
der Bevölkerung mit der<br />
Globalisierung im Sinn der Unternehmensglobalisierung<br />
im liberalen Sinn<br />
oder radikaler <strong>als</strong> kapitalistische oder<br />
imperialistische Globalisierung. Für<br />
ein breites politisches Spektrum gilt<br />
der IWF <strong>als</strong> Symbol und Urheber von<br />
1 The Clash of Globalizations. Neo-liberalism,<br />
the Third Way and Anti-Globalization, Historical<br />
Materialism Book Series, S.177.<br />
Ungerechtigkeit und sozialer Zerstörung,<br />
verursacht durch die Krise und<br />
ihre Folgen.<br />
Das Bedürfnis nach einer aus einer<br />
korrekten Reihe von politischen Entscheiden<br />
abgeleiteten unabhängigen<br />
Strategie, die in keinem Zusammenhang<br />
zur strukturellen Macht und den<br />
Interessen des Kapit<strong>als</strong> steht, ist ein<br />
wiederkehrender Schwachpunkt des<br />
(Thai) Visionspapiers. Sofern Kapital<br />
überhaupt in die Analyse einbezogen<br />
wird, wird ein Gegensatz von inländischem<br />
und ausländischem Kapital<br />
konstruiert und das nationale Kapital<br />
praktisch <strong>als</strong> Synonym für die Nation<br />
gesetzt … Einer der bemerkenswertesten<br />
Aspekte des Machtaufstiegs<br />
der Thai-Rak-Thai-Partei 2001 bestand<br />
darin, dass es ihr gelungen war,<br />
prominente VertreterInnen von NGOs<br />
und sozialen Bewegungen für sich zu<br />
gewinnen … Dank diesem breiten politischen<br />
Bündnis konnte Thai Rak<br />
Thai die nationalistischen Gefühle in<br />
einen umfassenden politischen Plan<br />
kanalisieren, um den Staat radikal umzuorganisieren,<br />
damit er den Interessen<br />
der ‚fortschrittlichen Kapitalisten‘<br />
besser dient.“ 2<br />
Auf dem globalisierten Markt sind<br />
heute das große und selbst das mittlere<br />
inländische Kapital in den globalen<br />
Wettbewerb eingebunden. Daraus<br />
2 Socialist Register 2005, Merlin Press, S.170f.<br />
und 175.<br />
Ein neues Banner für die<br />
KP Chinas<br />
Der erste bekannte chinesische Nationalist<br />
ist He Xin, der in den frühen<br />
Neunzigerjahren die Erlaubnis hatte,<br />
vor dem Hintergrund der Nachwehen<br />
des Tiananmen-Massakers und der daraufhin<br />
vom Westen auferlegten Sanktionen<br />
antiwestliche Bücher herauszugeben.<br />
Interessant ist nicht He Xins<br />
nationalistische Antwort auf die damalige<br />
Feindseligkeit des Westens,<br />
sondern die Tatsache, dass sein Buch<br />
kaum Diskussionen auslöste. Selbst<br />
nachdem die USA das chinesische<br />
Schiff The Milky Way in internationalen<br />
Gewässern gestoppt und durchsucht<br />
hatten, war wenig öffentlicher<br />
Protest zu hören. Als 1996 der Nationalist<br />
Wang Xiaodong sein Buch<br />
„China Can Say No“ herausbrachte,<br />
das die USA <strong>als</strong> Hauptfeind ins Visier<br />
nahm, erregte das ein wenig Aufsehen,<br />
das sich aber schnell beruhigte.<br />
Erst im Mai 1999, <strong>als</strong> die Bombardierung<br />
der chinesischen Botschaft in Jugoslawien<br />
Massenproteste gegen die<br />
USA auslöste, kehrte der Nationalismus<br />
definitiv zurück. Ich definiere<br />
das <strong>als</strong> „neuen chinesischen Nationalismus“.<br />
Während der alte chinesische<br />
Nationalismus zwischen 1840<br />
3 Es gilt zwischen nationaler Identität und Bindung<br />
an nationale Kultur einerseits und Nationalismus<br />
andererseits zu unterscheiden. Ebenso<br />
muss ein keynesianisches Wirtschaftsprogramm<br />
oder der Wohlfahrtsstaat vom Nationalismus<br />
unterschieden werden.<br />
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