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Die ganze Ausgabe als PDF (1928 K) - Inprekorr

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CHINA<br />

die Bedingungen, denen China zugestimmt<br />

hat, <strong>als</strong> zu weitreichend an.<br />

Er plädiert lediglich für einen verbesserten<br />

Beitrittsvertrag, der den chinesischen<br />

Markt besser schützt und China<br />

gleichzeitig erlaubt, einen größeren<br />

Anteil am Weltmarkt zu halten. <strong>Die</strong><br />

Frage ist, wie man dieses Ziel erreicht.<br />

Hans Antwort lautet: „Der Marktrealismus<br />

erfordert, dass wir im Staat die<br />

höchste Verkörperung unserer Interessen<br />

sehen und ein klares Verständnis<br />

vom Markt <strong>als</strong> Schlachtfeld des Wettbewerbs<br />

haben. Unter Anleitung des<br />

Marktrealismus wird unsere gesamte<br />

junge Industrie miteinander verbunden<br />

und in eine einzige Einheit unter Aufsicht<br />

des Staates umgeformt, die dann<br />

auf dem Weltmarkt die Konkurrenz<br />

aufnehmen, einen anhaltenden Kampf<br />

der Schwachen gegen die Starken führen<br />

und letztlich den wahren Aufstieg<br />

Chinas erreichen kann.“ 22 „Wenn wir<br />

diesen Wirtschaftskrieg am Ende gewinnen,<br />

wird sich China nicht nur<br />

vollständig im Rahmen der WTO-Ordnung<br />

entwickeln, sondern sogar in der<br />

Lage sein, diese zu dominieren.“ 23<br />

In den 90er-Jahren gab es ein beliebtes<br />

Fernsehprogramm, in dem in einer<br />

Szene eine Mutter einen Brief an<br />

ihren in den USA studierenden Sohn<br />

schreibt, der in Teilzeit <strong>als</strong> Tellerwäscher<br />

arbeitet. Sie fordert ihren Sohn<br />

auf: „Studiere fleißig, und wenn unser<br />

Land in Zukunft einmal stark und mächtig<br />

ist, werden wir diese Laowai (Westler)<br />

unsere Teller waschen lassen.“<br />

Hans Globalisierungs- und WTO-<br />

Kritik entspricht im Wesentlichen den<br />

Empfehlungen dieser Mutter an ihren<br />

Sohn. Er spricht sich nicht wirklich<br />

gegen die von den Konzernen gesteuerte<br />

Globalisierung aus, sondern plädiert<br />

einfach für eine chinesische Version<br />

der Globalisierung, die mehr Gewicht<br />

auf protektionistische Elemente<br />

legt, gegenüber dem von den USA und<br />

der EU diktierten Weg aber im Wesentlichen<br />

nur für einen anderen Weg<br />

für Chinas Integration in den weltweiten<br />

Kapitalismus plädiert. Statt einer<br />

Amerikanisierung der Welt will Han<br />

die „Chinisierung“. Er ist nicht vollständig<br />

überzeugt davon, dass China<br />

das erreichen kann, aber es ist sein<br />

Ziel. Daher ist immer ein Aspekt von<br />

Messianismus in den Schriften von<br />

22 Ibid, S.160.<br />

23 Ibid, S. 8.<br />

Han und anderen (Autoren der neuen<br />

Linken). „Wenn der chinesische Weg<br />

lösen kann, was zu lösen die westliche<br />

Zivilisation nicht in der Lage ist,<br />

wird die chinesische Nation in der Lage<br />

sein, das Zentrum der Welt zu erobern,<br />

und China wird <strong>als</strong> reiche, demokratische,<br />

zivilisierte Nation im<br />

Osten dastehen.“ 24<br />

Ein anderer bekannter Vertreter<br />

der neuen Linken, Yang Fan, stellt in<br />

einem Artikel mit dem Titel „Ideologischer<br />

und theoretischer Kampf in<br />

der chinesischen Gesellschaft“ sein<br />

Programm vor. „In Bezug auf die Entwicklung<br />

(müssen wir) unsere Grundlagenforschung<br />

auf die Theorie der<br />

Grande Nation stützen, mit der wir<br />

den Weg hin zum Erwachen Chinas<br />

<strong>als</strong> einer Grande Nation der besonderen<br />

Art finden können. In Bezug auf<br />

die Öffnung zur Welt vor dem Hintergrund<br />

der Globalisierung müssen wir<br />

den Weg zu unserer nationalen Sicherheit<br />

und dem Aufstieg unserer Nation<br />

erforschen. Wir müssen mit der Logik<br />

des Kapit<strong>als</strong> brechen, die Annahme<br />

aufgeben, es gäbe keine äußeren<br />

Feinde, und die nationale Sicherheit<br />

zu einem Kernanliegen unserer strategischen<br />

Anpassung machen. In Bezug<br />

auf die Reform verteidigen wir eine<br />

Reform, die fair ist, und streben die<br />

Überwindung des rechten wie des linken<br />

Diskurses und die Aufhebung des<br />

Dogmas und des Fundamentalismus<br />

der Planwirtschaft wie des Marktes<br />

an. An deren Stelle schlagen wir neue<br />

ideologische Richtlinien für Reformen<br />

vor … das Konzept der ‚strategischen<br />

nationalen Industrie‘. Besonderes Augenmerk<br />

ist darauf zu legen, private<br />

Unternehmer und private Geschäfte<br />

in die nationale Industrie zu führen.<br />

Im Hinblick auf die Theorie vertreten<br />

wir eine Art von Mitte-Links-Position,<br />

die Sozialismus und Patriotismus miteinander<br />

verbindet. Wir sind für ein<br />

Bündnis aus Mitte-Rechts, Mitte und<br />

linken Liberalen und sogar für einen<br />

Block mit den Planwirtschaftsfundamentalisten<br />

– der alten Linken –, um<br />

gegen die chinesischen Neoliberalen<br />

und die rechtsradikalen ‚Teilhaber‘ eine<br />

gemeinsame Front aufzubauen.” 25<br />

Das obige Programm bringt nichts<br />

Neues. Es ist die altbekannte Ge-<br />

24 Ibid, S. 264.<br />

25 2005/06: Zhongguo de shehui sichao yu lilun<br />

douzheng, http://www.blogchina.com/new/<br />

displa...<br />

schichte vom staatlich gelenkten<br />

Wachstum. Han und Yang begrüßen<br />

den Nationalismus der Groß-Han so<br />

sehr, dass sie die Regierung gedrängt<br />

haben, Taiwan anzugreifen und es so<br />

schnell wie möglich einzuverleiben.<br />

„Wenn wir diesen Krieg gewinnen,<br />

werden wir all die jahrelangen Beleidigungen<br />

seitens der USA hinter uns<br />

lassen, das chinesische Volk wird sich<br />

einmal mehr um die KP Chinas einen<br />

und die Entwicklung der chinesischen<br />

Wirtschaft und Gesellschaft<br />

des 21. Jahrhunderts wird gewährleistet<br />

sein”, schreibt Han. 26 Han, Yang<br />

und viele andere VertreterInnen der<br />

neuen Linken sowie die KP Chinas<br />

sind so sehr in den Groß-Han-Nationalismus<br />

verstrickt, dass sie sich niem<strong>als</strong><br />

vorstellen können, das taiwanesische<br />

Volk könne das demokratische<br />

Recht haben, selbst zu entscheiden, ob<br />

es die Vereinigung mit Festlandchina<br />

will und unter welchen Bedingungen.<br />

Es überrascht nicht, dass sie genauso<br />

blind für die Tatsache sind, dass den<br />

ethnischen Minderheiten im Tibet und<br />

Xinjiang grundlegende demokratische<br />

Rechte verweigert werden. Wenn<br />

„Stabilität Vorrang vor allem anderen“<br />

hat, steht sie logischerweise auch über<br />

den demokratischen und Minderheitenrechten.<br />

27<br />

Innenpolitische Faktoren<br />

sind auch externe Faktoren<br />

Han und Yang argumentieren im Wesentlichen<br />

weder mit Marktprotektionismus<br />

noch mit Keynesianismus,<br />

sondern mit der Stärkung des Einparteienstaats<br />

zur Rettung Chinas vor äußeren<br />

Bedrohungen durch die Globalisierung<br />

und <strong>als</strong> Werkzeug, um letztlich<br />

die Konkurrenz auf dem Welt-<br />

26 Meiguo zenyang zhizao he zhichi liangguolun<br />

(How US manufacture and support the<br />

Two States Theory), 1999, http://www.edu.<br />

cn/20030127/3076681_...<br />

27 Tragischerweise, aber nicht überraschend fördert<br />

der Groß-Han-Nationalismus unausweichlich<br />

einen taiwanesischen Nationalismus oder<br />

sogar Chauvinismus, der sich gerne schriller<br />

Slogans bedient wie „Chinesenschweine, zum<br />

Teufel!“ Eine andere Ursache für die Zunahme<br />

des taiwanesischen Nationalismus könnte der<br />

ostasiatischen Sicht auf die Globalisierung zuzuschreiben<br />

sein, da die chinesische Reintergration<br />

in den globalen Kapitalismus in erster<br />

Linie Taiwan mitzieht, so dass heute die wirtschaftliche<br />

Integration zwischen beiden Ländern<br />

unumkehrbar ist, was zu einer steigenden<br />

Arbeitslosigkeit führt.<br />

44 inprekorr 458/459

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