SOZIALE TECHNIK 1/14
SOZIALE TECHNIK ist die einzige Zeitschrift im deutschsprachigen Raum, die über umwelt- und sozialwissenschaftliche Technikforschung berichtet. Die Themen umfassen Technologie & Politik, Umwelt & Energie, Neue Biotechnologien und Frauen & Technik. SOZIALE TECHNIK informiert seit mehr als 20 Jahren über aktuelle Themen in den Bereichen umwelt- und sozialverträgliche Technikgestaltung, Technikbewertung und Technikfolgenabschätzung.
SOZIALE TECHNIK ist die einzige Zeitschrift im deutschsprachigen Raum, die über umwelt- und sozialwissenschaftliche Technikforschung berichtet. Die Themen umfassen Technologie & Politik, Umwelt & Energie, Neue Biotechnologien und Frauen & Technik.
SOZIALE TECHNIK informiert seit mehr als 20 Jahren über aktuelle Themen in den Bereichen umwelt- und sozialverträgliche Technikgestaltung, Technikbewertung und Technikfolgenabschätzung.
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Frauen & Technik<br />
Mit Kunst zur Technik?<br />
Evaluation einer Bildungsinitiative für Mädchen<br />
Bereits vor über einer Dekade postulierte die Europäische Kommission angesichts<br />
des Sinkens der Studierendenzahlen in der Technik eine „Krise“ des Interesses<br />
junger Menschen an naturwissenschaftlich-technischen Berufen<br />
(vgl. Thaler & Zorn 2009). Für dieses postulierte Desinteresse nennen Jugendliche<br />
als Hauptgrund unattraktiven und zu abstrakten Naturwissenschaftsunterricht<br />
in der Schule. Insbesondere fehlen der Bezug zu Alltagsanwendungen<br />
und Möglichkeiten, eigene Experimente durchführen zu können<br />
(vgl. Dahmen & Thaler 2009).<br />
Das Evaluationsdesign<br />
Der Frage, ob und wie Kunst als Medium<br />
für die Vermittlung von Inhalten aus Technik<br />
und Naturwissenschaften eingesetzt<br />
werden kann, wurde in leitfadengestützten<br />
Interviews mit fünf der teilnehmenden<br />
Mädchen und zwei der beteiligten Pädagog*innen<br />
sowie in einer Fokusgruppe mit<br />
drei der involvierten Künstler*innen nachgegangen.<br />
Die Interviews wurden im Fall<br />
der Mädchen um Zeichnungen ergänzt<br />
(vgl. Roth-Ebner 2011), in denen sie sich<br />
selbst „im Kunstlabor“ abbildeten.<br />
Zur Sicherung der Qualität bzw. im Sinne<br />
der intersubjektiven Nachvollziehbarkeit<br />
(vgl. Steinke 2003) wurden bis auf zwei<br />
Ausnahmen alle empirischen und interpretativen<br />
Schritte jeweils von zwei Wissenschafter*innen<br />
vorgenommen.<br />
Birgit Hofstätter<br />
absolvierte das Masterstudium Interdisziplinäre Geschlechterforschung<br />
und hat eine Ausbildung zur<br />
AHS-Lehrerin abgeschlossen. In ihrem Dissertationsprojekt<br />
und ihrer Lehre an den Universitäten Graz<br />
und Klagenfurt beschäftigt sie sich mit der Schnittstelle<br />
von Technik, Medien und Geschlecht aus<br />
queer-feministischer Perspektive.<br />
E-Mail: birgit.hofstaetter@aau.at<br />
Anita Thaler<br />
studierte Psychologie und Erziehungs- und Bildungswissenschaften,<br />
sie leitet den Forschungsbereich<br />
„Frauen – Technik – Umwelt“ am IFZ und<br />
lehrt an den Universitäten Graz und Klagenfurt. Ihr<br />
Forschungsinteresse liegt u. a. in der Analyse von<br />
Technik- und Geschlechterwissen in formellen und<br />
informellen Lernräumen.<br />
E-Mail: anita.thaler@aau.at<br />
Magdalena Wicher<br />
ist Diplomandin der Psychologie an der Karl-Franzens-Universität<br />
Graz und Mitglied der am IFZ angebundenen<br />
AG Queer STS. Ihre Forschungsinteressen<br />
liegen in der Umweltpsychologie und in Fragen<br />
zu Geschlecht in der Technikbildung.<br />
E-Mail: magdalena.wicher@edu.uni-graz.at<br />
Das GISAlab_MädchenLaborfürKunstund-<br />
Wissenschaft – im Folgenden kurz GISAlab<br />
genannt – versucht genau hier anzusetzen<br />
und bietet seit Oktober 2012 Mädchen ab<br />
10 Jahren ein außerschulisches Programm,<br />
in dem durch die Verknüpfung von Experimenten<br />
und Kunst technische und naturwissenschaftliche<br />
Inhalte vermittelt werden.<br />
Das Angebot umfasst Experimente-<br />
Workshops, die von Studierenden der Pädagogischen<br />
Hochschule Steiermark (PH)<br />
durchgeführt werden, Workshops, in denen<br />
Kunstschaffende mit den Mädchen arbeiten<br />
und Besichtigungen von Betrieben.<br />
Das IFZ wurde 2013 mit einer Evaluation<br />
der Initiative beauftragt. 1 Das GISAlab<br />
wurde dabei vor dem Hintergrund der Vehikeltheorie<br />
(vgl. Thaler & Zorn 2009) bewertet,<br />
wonach die Verknüpfung von naturwissenschaftlichen<br />
und technischen Inhalten<br />
mit Interessensgebieten von Kindern<br />
und Jugendlichen (z. B. Musik) den<br />
Zugang zu abstrakteren Themen aus der<br />
Physik und Technik erleichtert. Das GISAlab<br />
selbst basiert auf dem Ansatz des „forschenden<br />
Lernens“, in dem konkrete Phänomene<br />
des Alltags von den Lernenden<br />
selbst als spezifisches Problem erkannt und<br />
dieses als Frage in den anschließenden<br />
Lernprozess eingeführt und kooperativ bearbeitet<br />
wird (vgl. Messner 2012).<br />
Das GISAlab aus der Perspektive<br />
der Beteiligten<br />
Allen interviewten Mädchen hat das GISAlab<br />
„grundsätzlich gut“ gefallen, drei würden<br />
auch gerne wieder mitmachen, zwei<br />
Mädchen meinten, sie hätten dieses Jahr<br />
keine Zeit mehr für eine Teilnahme. Unter<br />
den künstlerischen Workshops schienen<br />
vor allem jene besonders gut gefallen zu<br />
haben, wo etwas unmittelbar ausprobiert<br />
werden konnte (z. B. auf dem eigenen Arm<br />
Geige spielen) oder Material zum Weiterbasteln<br />
mit nach Hause genommen werden<br />
konnte. Dem gegenüber wurden Momente,<br />
in denen beschädigtes Material dazu führte,<br />
dass ein „Experiment“ nicht funktionierte<br />
oder Werke nicht fertig gestellt werden<br />
konnten oder zu wenig klar formuliert war,<br />
was im Laufe des Workshops entstehen<br />
soll, eher mit Enttäuschung und Ambivalenz<br />
beschrieben. Für die Mädchen schien<br />
der naturwissenschaftlich-technische Aspekt<br />
gegenüber dem künstlerischen im Vordergrund<br />
zu stehen, da die Aktivitäten von<br />
ihnen zumeist als „Experimente“ bezeichnet<br />
wurden – unabhängig davon, ob es sich<br />
um einen expliziten Experimente-Workshop<br />
oder um einen künstlerischen Workshop<br />
handelte.<br />
Die Arbeit mit den Mädchen wurde von<br />
den beteiligten Kunstschaffenden und Pädagog*innen<br />
insgesamt sehr positiv beschrieben.<br />
Die Mädchen hätten während<br />
der Workshops große Neugier und wenig<br />
Berührungsängste mit dem Material und<br />
den Aufgabestellungen gezeigt. Die Experimente-Workshops<br />
gingen den künstlerischen<br />
Workshops voraus. Während die<br />
Kunstschaffenden ihre Workshops als<br />
„praktisches Element“ im Rahmen des GI-<br />
SAlabs sahen, wurden diese aus pädagogi-<br />
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