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SOZIALE TECHNIK 1/14

SOZIALE TECHNIK ist die einzige Zeitschrift im deutschsprachigen Raum, die über umwelt- und sozialwissenschaftliche Technikforschung berichtet. Die Themen umfassen Technologie & Politik, Umwelt & Energie, Neue Biotechnologien und Frauen & Technik. SOZIALE TECHNIK informiert seit mehr als 20 Jahren über aktuelle Themen in den Bereichen umwelt- und sozialverträgliche Technikgestaltung, Technikbewertung und Technikfolgenabschätzung.

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Technologie & Politik<br />

Ernährung der Nutztiere. Der größte Teil davon<br />

wird von Wiederkäuern auf der Weide<br />

oder als Ernterückstände aufgenommen,<br />

aber auch 45% der Ackerbauprodukte werden<br />

an Nutztiere verfüttert. Nur etwa <strong>14</strong>%<br />

Biomasse entfällt auf Ackerprodukte, die direkt<br />

in der menschlichen Ernährung verwendet<br />

werden. Die restlichen Nutzungen<br />

fallen im Vergleich dazu eher bescheiden<br />

aus: Brennholz kommt auf knapp 10% und<br />

Rundholz für die materielle Nutzung auf 5%<br />

der Biomasse. Was noch übrig bleibt, entfällt<br />

auf Faserpflanzen, Saatgut und sonstige<br />

materielle und energetische Nutzungen<br />

(Krausmann et al. 2008).<br />

Energetische Grundlage von<br />

Nahrungsketten<br />

Biomasse ist also nach wie vor von zentraler<br />

Bedeutung für den gesellschaftlichen Stoffwechsel.<br />

Biomasse ist aber nicht nur unersetzlich<br />

für den Menschen, sie ist auch die<br />

Energiequelle für alle heterotrophen Nahrungsketten<br />

in Ökosystemen, d. h. Nahrungsgrundlage<br />

für alle anderen tierischen<br />

Organismen (sowie Pilze und die meisten<br />

Bakterien). Die Funktionsweise von Ökosystemen<br />

und Biodiversität hängen unmittelbar<br />

mit der Verfügbarkeit von Biomasseenergie<br />

für Ökosystemprozesse zusammen.<br />

Der Mensch als eine von vielen heterotrophen<br />

Arten hat sich dabei zur dominanten<br />

Spezies entwickelt: Durch Ernte und Landnutzungswandel<br />

eignet sich der Mensch<br />

heute etwa ein Viertel der potenziell jedes<br />

Jahr in Ökosystemen erzeugten pflanzlichen<br />

Biomasse (Nettoprimärproduktion)<br />

an. In manchen dichtbesiedelten und industrialisierten<br />

Regionen wie Europa sind es<br />

sogar 50% und darüber, mit entsprechenden<br />

Auswirkungen auf Biodiversität und<br />

Ökosysteme. Der Druck auf die Ökosysteme<br />

in Form von „gesellschaftlicher Aneignung<br />

von Nettoprimärproduktion (HANPP)“, wie<br />

diese Maßzahl genannt wird, wird erwartungsgemäß<br />

in den nächsten Jahrzehnten<br />

weiter zunehmen, denn die Nachfrage nach<br />

Biomasse steigt (Krausmann et al. 2013).<br />

lich etwas über 100 kg pro Kopf und Jahr),<br />

aber in den schnell wachsenden Ökonomien<br />

des globalen Südens wächst er eng<br />

gekoppelt an das Bruttoinlandsprodukt: In<br />

China ist der Fleischverbrauch in den letzten<br />

20 Jahren von 24 auf 60 kg/Kopf und<br />

Jahr angewachsen, Tendenz steigend (FAO -<br />

STAT 20<strong>14</strong>). Zum steigenden Nahrungs -<br />

bedarf kommt nun noch der rasch wachsende<br />

Bedarf nach Biomasse als Substitut<br />

für fossile Ressourcen zur Energieerzeugung,<br />

aber auch als Rohmaterial hinzu.<br />

Ausweitung von Kulturflächen und<br />

Intensivierung<br />

Die Deckung dieses steigenden Bedarfes<br />

kann über die Ausweitung der land- und<br />

forstwirtschaftlich genutzten Flächen bzw.<br />

über eine weitere Intensivierung, also eine<br />

Steigerung der Produktion je Flächeneinheit,<br />

erfolgen. Beide Prozesse sind aktuell zu<br />

beobachten und beide Prozesse können im<br />

Konflikt mit wichtigen Zielen nachhaltiger<br />

Entwicklung stehen: Eine Ausweitung der<br />

Kulturflächen geht auf Kosten der letzten<br />

noch wenig vom Menschen beeinflussten<br />

Ökosysteme vor allem in Afrika und Lateinamerika<br />

und kann große Mengen an Kohlenstoff,<br />

der in Boden und Vegetation gebunden<br />

ist, freisetzen. Eine weitere Steigerung<br />

der Erträge bedeutet in vielen Regionen<br />

eine Ausweitung von Bewässerung, zunehmenden<br />

Einsatz von Agrochemie und<br />

hohen Energieaufwand und Druck auf<br />

Ökosysteme und Biodiversität. Zwar<br />

scheint eine bessere Ausnutzung des Er-<br />

Steigender Biomassebedarf<br />

Der Bedarf an Nahrung und Futter wird<br />

weiter zunehmen, zum einen, weil zu erwarten<br />

ist, dass die Weltbevölkerung bis<br />

2050 von derzeit 6,9 auf 9,3 Milliarden ansteigen<br />

wird, zum anderen, weil mit steigendem<br />

Wohlstand auch der Bedarf nach<br />

biomasseintensiven tierischen Produkten<br />

steigen wird. In Europa hat sich der<br />

Fleischverbrauch zwar auf hohem Niveau<br />

stabilisiert (in Österreich bei durchschnitttragspotenzials<br />

vor allem in Ländern des<br />

Südens auch durch Methoden sogenannter<br />

„sustainable intensification“ möglich (Foley<br />

et al. 2011), doch grundsätzlich wirkt<br />

eine Intensivierung dem Ziel einer stärkeren<br />

Ökologisierung der Produktion entgegen,<br />

bei der mit einer geringeren Steigerung<br />

der Erträge zu rechnen ist. Eine Studie, die<br />

diese verschiedenen Zielkonflikte mit einbezieht,<br />

kommt zu dem Schluss, dass unter<br />

der Annahme einer Ökologisierung der<br />

Agrarproduktion zwar ausreichend Nahrung<br />

für eine wachsende Bevölkerung bereitgestellt<br />

werden könnte, die Potenziale<br />

für Bioenergie aber eher bescheiden ausfallen.<br />

Die Größe des Potenzials hängt dabei<br />

vor allem von der Entwicklung des Fleischverbrauches<br />

ab (Erb et al. 2012).<br />

Bioenergiepotenziale<br />

Mit wieviel Bioenergie können wir auf globaler<br />

Ebene also rechnen? Die Schätzungen<br />

in der wissenschaftlichen Literatur liegen<br />

sehr weit auseinander, allerdings setzt sich<br />

in jüngster Zeit zunehmend die Einschätzung<br />

durch, dass die Erwartungen nicht zu<br />

hoch angesetzt werden sollten: Derzeit werden<br />

global etwa 55 Exajoule (EJ) an Bioenergie<br />

pro Jahr genutzt, der größte Teil davon<br />

entfällt nach wie vor auf Holz; der Anteil<br />

von Ethanol oder Diesel aus Ackerprodukten<br />

ist sehr gering. Eine aktuelle Schätzung<br />

auf Grundlage der Bioproduktivität der globalen<br />

Ökosysteme geht von einer biophysischen<br />

Obergrenze von 250 EJ/Jahr aus, was<br />

rund 20-30% des für 2050 prognostizierten<br />

Soziale Technik 1/20<strong>14</strong><br />

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