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Fürsorgeerziehung der 1950er und 1960er Jahre - Kinderheime in ...

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Im E<strong>in</strong>zelnen ist die ablehnende Haltung <strong>der</strong> Eltern gegenüber dem gerichtlichen<br />

Fürsorgeerziehungsverfahren zunächst e<strong>in</strong>mal darauf zurückzuführen, dass diese<br />

den Charakter e<strong>in</strong>er zwangsmäßigen Beschränkung ihrer Rechte hat, die oftmals<br />

auch als re<strong>in</strong>e Willkür empf<strong>und</strong>en wird da erfahrungsgemäß nur e<strong>in</strong> Teil aller<br />

gefährdeten <strong>und</strong> verwahrlosten M<strong>in</strong><strong>der</strong>jährigen <strong>in</strong> Fürsorgeerziehung kommt,<br />

während an<strong>der</strong>e, bei denen ebenfalls die Voraussetzungen des § 63 RJWG<br />

vorliegen, <strong>der</strong> Fürsorgeerziehung entgehen. Auf diese Weise wird von vornhere<strong>in</strong> die<br />

Erreichung des Erziehungsziels erschwert, da <strong>in</strong> den Eltern <strong>der</strong> E<strong>in</strong>druck entsteht,<br />

dass sie völlig ausgeschaltet würden <strong>und</strong> es auf ihre Bereitschaft überhaupt nicht<br />

mehr ankommt. Beson<strong>der</strong>s werden es die ärmeren Kreise <strong>der</strong> Bevölkerung se<strong>in</strong>, die<br />

den E<strong>in</strong>griff <strong>in</strong> ihre Rechte als hart <strong>und</strong> ungerecht empf<strong>in</strong>den <strong>und</strong> sich wohlhabenden<br />

Kreisen gegenüber benachteiligt fühlen, da gemäß § 63 RJWG die<br />

Fürsorgeerziehung nicht angeordnet wird, wenn genügend private Mittel für e<strong>in</strong>e<br />

an<strong>der</strong>weitige Unterbr<strong>in</strong>gung zur Verfügung stehen <strong>und</strong> die<br />

Erziehungsschwierigkeiten sich auch ohne Inanspruchnahme öffentlicher<br />

E<strong>in</strong>richtungen beheben lassen.<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus scheuen viele Eltern das Fürsorgeerziehungsverfahren auch, weil <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er unangenehmen Beweisaufnahme die Verwahrlosung des M<strong>in</strong><strong>der</strong>jährigen <strong>und</strong><br />

ihre Schuld an diesem Zustand festgestellt werden muss. Der die Fürsorgeerziehung<br />

anordnende Beschluss bedeutet für sie praktisch e<strong>in</strong>en Vorwurf <strong>und</strong> erweckt <strong>in</strong> ihnen<br />

oft das Gefühl, ungerecht beurteilt zu werden. Erziehungswillige Eltern, die von sich<br />

aus die ersten Schritte zur Bekämpfung <strong>der</strong> Verwahrlosung ihres K<strong>in</strong>des<br />

unternehmen wollen, aber nicht über die erfor<strong>der</strong>lichen Mittel für e<strong>in</strong>e Unterbr<strong>in</strong>gung<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em privaten Heim verfügen, wären also gezwungen, gewissermaßen e<strong>in</strong><br />

Verfahren gegen sich selbst zu beantragen, das sie als beson<strong>der</strong>s bitter empf<strong>in</strong>den<br />

müssen, da es <strong>in</strong> gleicher Weise auch gegen unverständige Eltern angewandt wird.<br />

Nicht zuletzt schrecken viele Eltern auch vor dem Fürsorgeerziehungsverfahren<br />

zurück, weil sie verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n wollen, dass ihrem K<strong>in</strong>d das Odium e<strong>in</strong>es Zögl<strong>in</strong>gs<br />

anhaftet, <strong>der</strong> durch Gerichtsbeschluss <strong>in</strong> öffentliche Erziehung überwiesen worden<br />

ist.<br />

Die durch diese Mängel hervorgerufene Abneigung gegen die Fürsorgeerziehung<br />

bleibt natürlich nicht auf die Eltern beschränkt, son<strong>der</strong>n teilt sich auch den<br />

M<strong>in</strong><strong>der</strong>jährigen mit. Sie wirkt sich bei dem Erziehungsberechtigten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

ungünstigen Bee<strong>in</strong>flussung se<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>des <strong>und</strong> sonstigen erziehungswidrigem<br />

Verhalten <strong>und</strong> bei dem K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Wi<strong>der</strong>spenstigkeiten aus.<br />

Soll aber e<strong>in</strong> erzieherischer Erfolg erreicht werden, so müssen die Eltern die<br />

öffentliche Erziehung bejahen <strong>und</strong> <strong>in</strong> ihr e<strong>in</strong>e Hilfe sehen, die ihnen je<strong>der</strong>zeit zur<br />

Verfügung steht.“ (aus dem Bestand des DZI B-6793)<br />

Auf <strong>der</strong> schon erwähnten AFET-Fachtagung „Die öffentliche Ersatzerziehung:<br />

Erziehungsfürsorge – Fürsorgeerziehung“ im April 1953 sagte e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Hauptredner,<br />

Professor Hans Eyferth:<br />

„Wir müssen for<strong>der</strong>n, dass <strong>der</strong> bisherige Kern unserer Arbeit, die Angeordnete<br />

Fürsorgeerziehung, immer mehr zurücktritt <strong>und</strong> sich e<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>t <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e große, breit<br />

angelegte öffentlich gesicherte Erziehungsarbeit (…)<br />

E<strong>in</strong>e begründete Klarheit über das, was wir zu tun vermögen <strong>und</strong> die Verfügung über<br />

mannigfaltige, gute Unterbr<strong>in</strong>gungs- <strong>und</strong> Erziehungsmöglichkeiten, brauchen wir aber<br />

auch, um immer mehr <strong>in</strong> e<strong>in</strong> freies Gespräch zu kommen mit den Eltern, um<br />

Verständnis zu f<strong>in</strong>den <strong>in</strong> <strong>der</strong> Öffentlichkeit <strong>und</strong> unsere ganze Arbeit aus dem Bann<br />

<strong>der</strong> Son<strong>der</strong>existenz, des Makels, <strong>der</strong> über ihr zu ruhen sche<strong>in</strong>t, herauszuführen.<br />

Unsere Aufgabe wird heißen: Wir müssen e<strong>in</strong>erseits neue Organisationsformen,<br />

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