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Fürsorgeerziehung der 1950er und 1960er Jahre - Kinderheime in ...

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Mitarbeiterschaft<br />

In den E<strong>in</strong>richtungen <strong>der</strong> Freien Wohlfahrtspflege existierte e<strong>in</strong>e Personalkrise. Die<br />

Zahl <strong>der</strong> konfessionellen Mitarbeiter aus Ordensgeme<strong>in</strong>schaften sowie aus<br />

Schwestern- <strong>und</strong> Brü<strong>der</strong>schaften nahm wegen des sich hier verschärfenden<br />

Nachwuchsmangels immer mehr ab. „Weltliche“, also nicht ordensgeb<strong>und</strong>ene Kräfte<br />

waren wegen <strong>der</strong> Unattraktivität des Berufsfeldes aufgr<strong>und</strong> ger<strong>in</strong>ger Entlohnung,<br />

Schichtdienst, Wohnen <strong>in</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung usw. bei gleichzeitigem wirtschaftlichem<br />

Boom, <strong>der</strong> seit Mitte <strong>der</strong> <strong>1950er</strong> <strong>Jahre</strong> Arbeitskräfte <strong>in</strong> besser bezahlte Bereiche zog,<br />

kaum zu f<strong>in</strong>den. Zudem bestand beim Großteil des Personals e<strong>in</strong><br />

Qualifizierungsdefizit, das nur unzureichend durch Nachqualifizierung ausgeglichen<br />

wurde. Versuche <strong>der</strong> verstärkten Kompensation durch den Ausbau des<br />

Ausbildungswesens <strong>in</strong> Form von Heimerzieher/<strong>in</strong>n-Schulen, Fach- <strong>und</strong><br />

Fachhochschulen liefen zwar wenig später an, doch reichten sie angesichts <strong>der</strong><br />

schwierigen Gesamtsituation nicht aus. Es fand seitdem darüber h<strong>in</strong>aus e<strong>in</strong>e<br />

differenzierende Professionalisierung des Erziehungspersonals statt, das nun<br />

zunehmend durch Psycholog<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Psychologen ergänzt wurde.<br />

Die Verwissenschaftlichung <strong>der</strong> <strong>in</strong> den Heimen angewandten Methoden <strong>der</strong><br />

Verhaltensbee<strong>in</strong>flussung begünstigte seit Mitte <strong>der</strong> <strong>1960er</strong> <strong>Jahre</strong> auch <strong>in</strong><br />

konfessionellen Heimen die Zufluchtnahme zu Psychopharmaka als verme<strong>in</strong>tlich<br />

effektivere Form zur Anpassung erziehungsschwieriger K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> die Gruppen.<br />

Diszipl<strong>in</strong>ierung<br />

Erste „Probebohrungen“ verweisen auf e<strong>in</strong> auf Strukturbildung Wert legendes<br />

pädagogisches Handeln, das durch die <strong>in</strong> den Heimen geltenden<br />

Rahmenbed<strong>in</strong>gungen h<strong>in</strong>sichtlich Mentalität, Personalmangel <strong>und</strong><br />

Traditionsverhaftetheit wesentlich verstärkt wurde. Lange <strong>Jahre</strong> unzureichende<br />

bauliche Mo<strong>der</strong>nisierungen wie auch <strong>in</strong>nere Konflikte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Professionalisierungsprozess haben dabei die Situation für die Jugendlichen<br />

verschärft. Auch wenn sich viele <strong>der</strong> Beispiele für Schläge <strong>und</strong> körperliche<br />

Züchtigungen überwiegend im Rahmen <strong>der</strong> gesetzlich zugebilligten<br />

Strafbestimmungen bewegten <strong>und</strong> Missbrauch zeitgenössisch z. T. zum<strong>in</strong>dest auch<br />

zur juristischen Anklage gekommen ist, stellt sich doch die Frage, welche<br />

Bed<strong>in</strong>gungen diese Diszipl<strong>in</strong>regime ermöglichten.<br />

Es hat <strong>in</strong> vielen Heimen e<strong>in</strong>e durch landesgesetzliche Regelungen bzw.<br />

Verordnungen legitimierte Strafpädagogik gegeben. Neben offiziellen, meist <strong>in</strong><br />

Strafbüchern zu vermerkenden Interventionen – dies sollte die Gefahr von<br />

willkürlichen Strafen e<strong>in</strong>dämmen – ist e<strong>in</strong>e <strong>in</strong> ihrem Ausmaß nur schwer feststellbare<br />

Menge von Bestrafungen, Demütigungen <strong>und</strong> physisch wie psychisch verletzenden<br />

Strafen zu konstatieren, welche unterhalb e<strong>in</strong>er <strong>in</strong> Aktenüberlieferungen<br />

festgehaltenen Ebene lagen <strong>und</strong> z. T. Traumatisierungen bei den e<strong>in</strong>zelnen<br />

Betroffenen hervorgerufen haben. Strafen fanden <strong>in</strong> so unterschiedlichen Formen<br />

wie Entzug von Vergünstigungen, Essensentzug, Isolierung/Arrest <strong>in</strong> sogenannten<br />

„Bes<strong>in</strong>nungszimmern“, körperliche Züchtigung <strong>und</strong> Misshandlungen – Schläge „auf<br />

die Erziehungsfläche“, Ohrfeigen etc. – statt. Solche Strafen gab es ke<strong>in</strong>eswegs nur<br />

<strong>in</strong> Heimen konfessioneller Trägerschaft, son<strong>der</strong>n ebenso <strong>in</strong> staatlichen<br />

E<strong>in</strong>richtungen. Inwieweit die konfessionelle Prägung e<strong>in</strong>es Heims strafbegünstigend<br />

o<strong>der</strong> zum<strong>in</strong>dest nicht strafausschließend gewirkt hat, gilt es ebenso im Detail zu<br />

erforschen wie Fälle von sexuellem Missbrauch.<br />

E<strong>in</strong> Beispiel aus Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz:<br />

Das Heim Wolf an <strong>der</strong> Mosel hatte 1951 e<strong>in</strong>en Konflikt mit dem rhe<strong>in</strong>ischen<br />

Landesjugendamt über körperliche Strafen sowohl an schulpflichtigen K<strong>in</strong><strong>der</strong>n als<br />

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