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2 SPIELZEIT 07/08 Begleitendes Material zu ULRIKE ... - Theater Ulm

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theater ulm <strong>ULRIKE</strong> MARIA STUART Begleitmaterial<br />

Stefanie Flamm und Barbara Nolte<br />

VON DER MUTTER EINGEHOLT<br />

Er heißt Felix Ensslin. Er hat eine Ausstellung über die RAF gemacht. Er sagt, das<br />

hat nichts mit ihm persönlich <strong>zu</strong> tun<br />

Felix Ensslin hat eine Stimme, <strong>zu</strong> der man sich bei geschlossenen Augen einen<br />

gewaltigen Resonanzkörper vorstellt. Opernbässe sprechen so tief, Märchenerzähler<br />

oder Pfeifenraucher. Doch <strong>zu</strong> dem schmalen blonden Mann, der im Café Bravo in<br />

Berlin-Mitte auf seinem Stuhl herumrutscht, als wäre er schon wieder auf dem<br />

Sprung, will dieser ausgeruhte Bass einfach nicht passen. Was passt schon <strong>zu</strong><br />

einem Menschen? Die Kleidung etwa, oder der Name? Felix Ensslin trägt an diesem<br />

Nachmittag eine verwaschene Jeans, T-Shirt, darüber eine grasgrüne Strickjacke. Es<br />

ist kalt und nass draußen, die Haare gehorchen bei diesem Wetter keinem Scheitel.<br />

Er wirkt ein bisschen abwesend, seine Haltung signalisiert Abwehr. Der Oberkörper<br />

ist leicht nach vorne gebeugt, die Hände ruhen auf der Tischplatte, als müsse er sich<br />

festhalten. Er sagt, dass er sehr müde sei.<br />

Vor ein paar Wochen hatte sein erstes <strong>Theater</strong>stück Premiere, in Weimar, am<br />

kommenden Samstag wird in den Ausstellungsräumen der Berliner Kunstwerke die<br />

seit langem erwartete RAF-Schau eröffnet, die er <strong>zu</strong>sammen mit den Kuratoren<br />

Ellen Blumenstein und Klaus Biesenbach drei Jahre lang konzipiert hat. Ein Teil der<br />

Arbeiten hängt schon, der Rest muss in den nächsten Tagen noch fertig werden. Sie<br />

sind knapp dran. Nachdem das Projekt vor anderthalb Jahren heftig in die Kritik<br />

geraten war, hatte der Hauptstadtkulturfonds seine Förderung <strong>zu</strong>rückgezogen. Erst<br />

kurz vor Weihnachten konnte eine Kunstauktion im Internet das Budget sichern.<br />

Doch Ensslin ist <strong>zu</strong>versichtlich, dass sie es bis <strong>zu</strong>m 29. schaffen. Das Konzept stehe<br />

schließlich nicht erst seit drei Wochen.<br />

Er zündet sich eine Zigarette an, seine Augen heften sich prüfend auf sein<br />

Gegenüber. Felix Ensslin ist der Sohn der RAF-Terroristin Gudrun Ensslin, die sich<br />

im Herbst 1977 in ihrer Zelle in Stuttgart-Stammheim das Leben nahm. Er weiß,<br />

dass – egal, was er sagen wird – die Fragen sich immer auch an Gudrun Ensslins<br />

Sohn richten.<br />

Ist er wirklich der Richtige, um so eine Ausstellung <strong>zu</strong> kuratieren?<br />

„Es geht um Kunst, nicht um meine persönliche Betroffenheit.“<br />

Macht er mit dieser Ausstellung die eigene Auseinanderset<strong>zu</strong>ng mit seiner Mutter<br />

öffentlich?<br />

„Ich mache meine Auseinanderset<strong>zu</strong>ng mit Kunst, die sich mit der RAF beschäftigt,<br />

öffentlich.“<br />

Ensslin war sechs Monate alt, als seine Mutter im Frühling 1967 die Familie verließ.<br />

Nach dem 2. Juni war das. Tausende hatten an diesem Tag in Berlin gegen den<br />

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