Restitutionsbericht 2008 - Wien Museum
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2. Enteigneter Besitz jüdischer und anderer verfolgter Personen: Dabei handelt es sich<br />
um den „Hausrat“ jüdischer Emigranten oder Deportierter, den diese zurücklassen<br />
mussten und der von den NS-Behörden veräußert wurde. Nutznießer waren private<br />
Käufer, Antiquariate, aber auch Bibliotheken, da sich unter dem Hausrat häufig auch<br />
Bücher befanden. Eine zentrale Rolle spielte dabei die VUGESTA, eine vom NS-<br />
Regime geschaffene Einrichtung in <strong>Wien</strong> 1, Bauernmarkt 24, welche die von der<br />
Gestapo beschlagnahmten Umzugsgüter verkaufte, nachdem den emigrierenden<br />
Juden mit Erlass vom 1. August 1940 die Mitnahme von Sachwerten verboten<br />
worden war. Mit dem Einsetzen der Deportationen organisierte die VUGESTA auch<br />
den Verkauf der zurückgelassenen Gebrauchsgegenstände, welche – zumeist im<br />
Dorotheum – auf Grund niedriger Schätzpreise und geringer Verkaufsspesen zu<br />
einem günstigen Preis versteigert wurden. Der Erlös aus den beschlagnahmten<br />
jüdischen Umzugsgütern wird allein für die Zeit bis zum 31. Juli 1941 mit über 4 Mio.<br />
RM angegeben. 6 Besonders wertvolle Gegenstände wurden vorweg Museen,<br />
Bibliotheken und ähnlichen Stellen zum Erwerb angeboten, doch kamen Bücher<br />
auch indirekt (über das Dorotheum, Antiquariate oder arisierende Privatpersonen) in<br />
Bibliotheken.<br />
3. Unfreiwillig veräußerte Bücher: Die sich allmählich verschärfenden Unterdrückungsmaßnahmen<br />
wie Berufsverbote oder Sondersteuern nötigten die jüdische<br />
Bevölkerung oft dazu, Wertgegenstände aus ihrem Besitz zu verkaufen, um ihren<br />
Lebensunterhalt zu sichern oder die Ausreise zu finanzieren. Das Nichtigkeitsgesetz<br />
– 1946 erlassen – erklärte entgeltliche und unentgeltliche Rechtsgeschäfte während<br />
der deutschen Besatzung Österreichs daher folgerichtig für null und nichtig, „wenn<br />
sie im Zuge einer durch das Deutsche Reich erfolgten politischen oder<br />
wirtschaftlichen Durchdringung vorgenommen worden sind“.<br />
In den großen Bibliotheken des NS-Staats spielte auch Raubgut aus den im Zweiten<br />
Weltkrieg besetzten Territorien eine Rolle. Derartige Spuren konnten in der<br />
<strong>Wien</strong>bibliothek aber nicht gefunden werden.<br />
6 Erika Weinzierl, Zu wenig Gerechte. Österreich und die Judenverfolgung 1938-1945. 4. erw. Aufl., Graz/<strong>Wien</strong>/Köln<br />
1997, S. 67 und 77.