Zugänge zur Physik - AM BRG Kepler
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<strong>Zugänge</strong> <strong>zur</strong> <strong>Physik</strong><br />
Gerhard Rath, <strong>BRG</strong> <strong>Kepler</strong> Graz und Inst. f. <strong>Physik</strong> – Fachdidaktik, UNI Graz<br />
Inhalt<br />
<strong>Physik</strong> für „die Anderen“ unterrichten ..............................2<br />
Einführung in die <strong>Physik</strong>: Raum und Zeit..........................3<br />
Bewegungen .............................................................. 13<br />
Impuls und Kraft ........................................................ 23<br />
Wege <strong>zur</strong> Energie ....................................................... 30<br />
Elektrizität ................................................................. 40<br />
Wege zum Teilchenmodell............................................ 53<br />
Astronomie: Die Geometrisierung des Weltbildes............. 61
<strong>Zugänge</strong> <strong>zur</strong> <strong>Physik</strong><br />
Im Laufe meiner langjährigen Tätigkeit in der Schule entwickelte ich ‐ meist unter Verwendung diverser<br />
fachdidaktischer Quellen ‐ Wege und Materialien für sämtliche Gebiete der Schulphysik. Hier möchte ich<br />
einiges davon <strong>zur</strong> Verfügung stellen.<br />
Die Materialien werden präsentiert in Form von <strong>Zugänge</strong>n zu wesentlichen Gebieten der <strong>Physik</strong> ‐ durchaus<br />
aus fachsystematischer Sicht. Es handelt sich nicht um vollständige Unterrichtsplanungen, sondern um<br />
Skizzen. Diese sollen jeweils einen möglichen Weg in das betreffende Gebiet zeigen, der mir sinnvoll<br />
erscheint und auf untersuchte Verständnisschwierigkeiten Rücksicht nimmt. Manchmal finden sich jedoch<br />
auch durchgeplante Unterrichtseinheiten darunter ‐ trotzdem erheben diese <strong>Zugänge</strong> keinerlei Anspruch<br />
auf Vollständigkeit. Es wird kein Gebiet abgedeckt, es wird nur ein Weg dazu aufgezeigt.<br />
Für WEN unterrichten wir eigentlich? Für WEN brauchen wir spezielle <strong>Zugänge</strong>, teilweise abseits der<br />
physikalischen Fachsystematik? Meine Meinung ist: Wir unterrichten für DIE ANDEREN.<br />
<strong>Physik</strong> für „die Anderen“ unterrichten<br />
„Die Einen“ sind jene, die sich mit <strong>Physik</strong> (und meist auch Mathematik) in der Schule leicht tun. Sie haben<br />
die Fähigkeit abstrakten formalen Denkens und sind eher sach‐ als personenorientiert. Sie sind die, die<br />
später <strong>Physik</strong> oder ein verwandtes Fach studieren, sie sind auch wir: Manche werden <strong>Physik</strong>lehrer.<br />
„Die Anderen“ sind der Rest – die überwiegende Mehrheit. Sie sind durch den konventionellen<br />
<strong>Physik</strong>unterricht (der sich an der Wissenschaft orientiert bzw. an deren Ergebnissen) nicht ansprechbar und<br />
finden <strong>Physik</strong> uninteressant. Sie kommen zu uns ohne mathematische und naturwissenschaftliche „Skills“,<br />
und sie verlassen uns auch wieder so, egal was und wie wir unterrichten. Sie verstehen <strong>Physik</strong> nicht, obwohl<br />
sie deren Wichtigkeit erkennen. Dies empfinden sie oft als persönliches Versagen.<br />
Warum für „die Anderen“ unterrichten?<br />
Sie werden später Manager, Politiker, Richter, Künstler, Journalisten… Sie werden die Macht haben, sie<br />
bestimmen das öffentliche Leben, sie entscheiden. In allen Rankings („1000 wichtigste Österreicher …“)<br />
finden sich kaum überhaupt Wissenschaftler. <strong>Physik</strong>unterricht, der an dieser Gruppe vorbeigeht und sie<br />
abstößt, schadet sich selbst: Es werden Beamte dabei sein, die im Ministerium über Stundenzahlen<br />
entscheiden, mögliche Sponsoren, Redakteure.<br />
Wie erreicht man „die Anderen“?<br />
Wir erreichen sie über „Orientierungswissen“ – Wissen, das ihnen hilft, sich selbst und die Welt besser zu<br />
verstehen, mit <strong>Physik</strong>. Beispiele sind Bereiche wie Mensch, Umwelt, Sport, Medizin, Kunst, aber auch<br />
allgemein gesellschaftliche und historische Aspekte.<br />
Statt der begrifflichen Systematik bieten sich allgemeine Übersichten an, etwa Größenordnungen im<br />
Universum. In den klassischen Aufbau sollten laufend Bezüge zu aktueller Forschung integriert werden.<br />
Ziel ist also nicht die <strong>Physik</strong> zu beherrschen, sondern die Welt mit Hilfe von <strong>Physik</strong> besser zu verstehen.<br />
Das Problem:<br />
Das Problem sind wir <strong>Physik</strong>lehrer – den wir gehören zu „den Einen“. Wir denken mathematisch, wir<br />
beherrschen die Sprache der <strong>Physik</strong>, wir haben deren Systematik integriert. Natürlich tun wir uns leicht mit<br />
Gleichgesinnten, daher orientieren wir uns gerne an den „<strong>Physik</strong>ern“ und bereiten sie auch gut für ein<br />
eventuelles Studium vor. Bei einem systematischen fachorientierten Unterricht bleiben „die Anderen“ auf<br />
der Strecke.<br />
Gerhard Rath, <strong>BRG</strong> <strong>Kepler</strong> Graz, Inst. f. Experimentalphysik – Fachdidaktik, Uni Graz http://rath.brgkepler.at<br />
2
Einführung in die <strong>Physik</strong> (Oberstufe)<br />
1. WAS IST PHYSIK?<br />
Mit diesem (zumindest in Schulbüchern) oft breitgetretenen Gebiet halte ich mich nicht lange auf. Eine<br />
Ahnung von <strong>Physik</strong> haben die Schüler ja schon aus der Unterstufe, und Inhalte sowie Methodik dieser<br />
Wissenschaft sollten durch den weiteren Unterricht erkennbar werden. Kurze Diskussionen über die Frage<br />
können aber das in der Unterstufe Gelernte aus neuen Blickwinkeln erscheinen lassen.<br />
Noch weniger angetan bin ich von irgendwelchen Ausführungen über die ʺnaturwissenschaftliche<br />
Methodeʺ (z.B: Jaros u.a.: Basiswissen <strong>Physik</strong> 1, S. 8/9. hpt Wien). Wie Naturwissenschaft zu gesicherten<br />
Ergebnissen kommt, ist eine der schwierigeren Fragen der Wissenschaftstheorie, die bei weitem nicht klar<br />
beantwortet ist - schon gar nicht in Form irgendwelcher grafischer Schemata. Außerdem meine ich, dass<br />
dieses Thema für 15-jährige Schüler einfach langweilig ist.<br />
Wenig ziel führend sind an dieser Stelle auch Ausführungen über Experimente. Allgemeine Regeln,<br />
Verhaltensrichtlinien, Aspekte wie Planung, Durchführung, Auswertung, Fehleranalysen etc. sollten sich<br />
jeweils während der Arbeit an Experimenten behandelt werden, die sich aus der jeweiligen Thematik<br />
ergeben. Experimente bzw. Versuche können ganz verschiedene Funktionen im didaktischen Gang des<br />
Unterrichts aufweisen. Es gibt auch ein weites Spektrum möglicher Versuche, von einfachen Spielereien und<br />
Tricks bis zu aufwändigen Messversuchen.<br />
Wenn das Thema von den Schülern angesprochen wird, beschränke ich mich fürs Erste auf eine<br />
Eingrenzung des Begriffs, welche den Aspekt der Messbarkeit hervorhebt: <strong>Physik</strong> (als Naturwissenschaft)<br />
befasst sich mit Aspekten der Natur, die messbar sind - für die wir also Messvorschriften angeben können.<br />
2. WAS IST RAUM?<br />
„Philosophische“ Diskussion (Alltagsbegriff?), historische Entwicklung<br />
Raum als Ort von Objekten (Aristoteles)<br />
KOSMOS als geordneter Raum – mittelalterliches Weltbild<br />
Cartesischer Raum (drei Dimensionen)<br />
Newtons absoluter Raum<br />
Raum als geistige Kategorie , als subjektiver Orientierungsrahmen (Kant)<br />
Einsteins Raum-Zeit, gekrümmte Räume<br />
(Wie) kann man RAUM messen?<br />
Was wäre, wenn sich alle Längen im gleichen Ausmaß dehnten?<br />
Der Raumbegriff ermöglicht interessante und vielseitige <strong>Zugänge</strong> – Länge erscheint dann als eine Dimension<br />
des (mathematischen) Raumes. Der historische Überblick zeigt uns den radikalen Wandel: Vom<br />
geschlossenen Kosmos zum offenen Weltraum …<br />
Raumdimensionen<br />
Wie könnten zweidimensionale Lebewesen aussehen?<br />
Im Klassiker „Flächenland“ (flatland) von E. Abbott (Franzbecker) wird die Geschichte von A Quadrat<br />
erzählt, der als Flächenwesen in die 3. Dimension entführt wird …<br />
Interessant ist die Extrapolation: Wie könnten wir als 3-dimensionale Wesen solche der 4. Dimension<br />
wahrnehmen bzw. umgekehrt? 4-dimensionale Wesen könnten plötzlich irgendwo im Raum auftauchen,<br />
auch an mehreren Stellen zugleich. Für sie wäre unser Inneres offen zugänglich …<br />
Gerhard Rath, <strong>BRG</strong> <strong>Kepler</strong> Graz, Inst. f. Experimentalphysik – Fachdidaktik, Uni Graz http://lehrer.brgkepler.at/grath<br />
3
Wie kann man Längen messen?<br />
<strong>Physik</strong>alische Größe: Größe = Maßzahl * Einheit<br />
Einheiten: Meter, Vielfache<br />
kleine Längen: Messung der Dicke eines Blatte (Schiebelehre)<br />
große Längen (Entfernungsmessung): Wie misst man Entfernungen zu Sternen, Galaxien Beispiel: Wie<br />
weit ist der Mond entfernt?<br />
Übersicht Größenordnungen – vom Mikro- zum Makrokosmos<br />
Zehnerpotenzen-Schreibweise, Abkürzungen<br />
Übersicht: Arbeitsbereiche der <strong>Physik</strong><br />
Film ZEHN HOCH<br />
Artikel: „Das kurze Leben der Löcher“<br />
Dies erscheint mir als eines der wesentlichsten Ziele des <strong>Physik</strong>unterrichts überhaupt. Mit relativ einfachen<br />
Mitteln wie Zehnerpotenzen und maßstäblichen Modellen können wir einen Überblick über große Teile der<br />
Welt erlangen, wie sie die <strong>Physik</strong> heutzutage beschreibt.<br />
Als filmischer Einstieg eignet sich der Beginn des Hollywood-Films CONTACT. In den ersten Minuten<br />
erlebt man eine fiktive Reise von der Erde bis an den Rand des Universums, in enormer Beschleunigung.<br />
Interessant der Ton: Was man (von der Erde) hört, wird immer älter – nach ca. 100 Lichtjahren ist es still.<br />
Unsere Zivilisation ist nicht mehr wahrnehmbar.<br />
Wie wissen wir, WO wir sind? (Ortsbestimmung)<br />
Himmelsrichtungen, Nord-Süd<br />
Geographische Breite<br />
Geographische Länge<br />
GPS<br />
Warum kann es keine Riesen geben?<br />
Länge – Fläche – Volumen<br />
Orientierung in der Welt der Lebewesen<br />
Dabei handelt es sich um einen Aspekt, der Schüler ansprechen kann, die an sich weniger an <strong>Physik</strong><br />
interessiert sind. Wie bei den Größenordnungen erhalten wir mit einem einfachen mathematischen Konzept<br />
eine Vielzahl von Erklärung und Verständnis der Welt – hier auch der belebten Welt. Zum Beispiel:<br />
Warum haben Elefanten so große Ohren?<br />
Warum müssen Mäuse so viel essen?<br />
Warum ist unser Darm so stark gefaltet (Fläche: ca. 200 m²)<br />
Literatur: E. Schwaiger: Grössenordnungen in der Natur. Hpt-Verlag<br />
Lehrplan: Größenordnungen im Mikro-<br />
und Makrokosmos kennen und unsere<br />
Stellung im Universum einschätzen<br />
können<br />
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4
3. WAS IST ZEIT?<br />
Diese Frage führt erfahrungsgemäß zu noch intensiveren Diskussionen. Sie lässt sich mit einigem<br />
verknüpfen, was Schüler in Medien oder Filmen gesehen haben - insbesondere etwa mit der Frage von<br />
Zeitreisen.<br />
„Philosophische“ Diskussion (Alltagsbegriff?), historische Entwicklung<br />
zyklisch oder linear<br />
wie lange dauert die Gegenwart?<br />
Gibt es die Zeit überhaupt?<br />
menschlicher Orientierungsrahmen (Kant)<br />
subjektives Zeitempfinden<br />
absolute Zeit (Newton)<br />
Raum-Zeit-Materie (Einstein)<br />
Eigentlich blicken wir immer in die Vergangenheit …?<br />
Wie kann man Zeit messen?<br />
Was wäre, wenn alle Vorgänge langsamer abliefen?<br />
Zeit ist das, was die Uhr anzeigt - meinte A. Einstein. Jedenfalls werden bei der Zeitmessung eigentlich nur<br />
(meist periodische) Bewegungsabläufe miteinander verglichen.<br />
Zeit und Kalender<br />
Dazu gibt es einiges Wissen der Schüler. Doch meistens sind ihnen keine Hintergründe bewusst, etwa die<br />
astronomischen Wurzeln unserer Zeitmaße.<br />
Wie spät ist es jetzt?<br />
z.B. Welches Jahr haben wir? Welches Jahr hätten wir, wenn wir Araber wären, Chinesen oder Juden? .<br />
Was steckt hinter den Einheiten Jahr, Monat, Woche, Tag, Stunde?<br />
Warum haben Juli und August 31 Tage?<br />
Wie sind die Zeitzonen festgelegt?<br />
Messung der Zeit<br />
Zeitmessung: Vergleich von (periodischen) Bewegungen.<br />
Zeiteinheit: Sekunde<br />
Uhren: Sonnenuhren, mechanische Uhren, Quarzuhren, Atomuhren<br />
kurze Zeiten: Artikel „Tausend Körnchen Gegenwart“<br />
lange Zeiten: Radioaktiver Zerfall – Isotopenmessungen (z.B. C14-Methode)<br />
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5
Qualitative Aufgaben – Größenordnungen<br />
Die Phasen des Mondes – falsch erklärt<br />
Alle 29 Tage wechselt der Mond seine Lichtgestalt: Neumond – zunehmender Mond – Vollmond –<br />
abnehmender Mond.<br />
Eine falsche Begründung für diese Mondphasen lautet: Ihre Ursache ist der Schatten der Erde, der einen Teil<br />
des Mondes verfinstert.<br />
Argumentiere gegen diese Behauptung! Warum kann sie nicht richtig sein? Wie lautet die richtige<br />
Erklärung?<br />
Am Mond<br />
Als der Astronaut vorsichtig über die holprige<br />
Mondoberfläche ging, schaute er auf und sah<br />
Tausende hell funkelnde Sterne am schwarzen<br />
Nachthimmel. Im Westen schwebten ein paar<br />
zerzauste Wolken am Himmel, und eine sanfte<br />
Brise blies Mondstaub gegen das Glasfenster<br />
seines Helmes.<br />
Ein lautes, knallendes Geräusch ließ ihn sich<br />
umschauen, um zu sehen, was geschehen war.<br />
Sein Kamerad hatte nur einen großen<br />
Mondstein in zwei Teile zerlegt, indem er mit<br />
einem Hammer dagegen geschlagen hatte. Vor<br />
lauter Schreck sprang er einen Meter in die<br />
Höhe.<br />
Etwas später wandten sich beide nach Osten: Dort ging gerade majestätisch die Erde auf, der blaue Planet.<br />
Welche Fehler enthält diese Geschichte?<br />
Modell unseres Sonnensystems<br />
Die folgende Tabelle zeigt die mittleren Abstände in unserem Planetensystem in Vielfachen des Abstandes<br />
Sonne-Erde (ʺAstronomische Einheitʺ AE), weiters den Abstand zu einem der nächsten Sterne.<br />
Merkur 0,4<br />
Venus 0,7<br />
Erde 1,0<br />
Mars 1,5<br />
Jupiter 5,2<br />
Saturn 9,5<br />
Uranus 19,2<br />
Neptun 30,1<br />
Pluto 39,4<br />
α Centauri 270.000<br />
Das Licht benötigt von der Sonne <strong>zur</strong> Erde ca. 8 Minuten. Stelle<br />
Dir vor, Du könntest mit halber Lichtgeschwindigkeit reisen – wie<br />
lange würdest Du jeweils brauchen?<br />
Überlege Dir einen Maßstab, in dem das ganze Sonnensystem in<br />
eine Stadt (Durchmesser 10 km) passt. Wo ist dann der nächste<br />
Stern?<br />
Wie groß wären in diesem Modell die Sonne (ca. 0,01 AE) und die<br />
Erde (ca. 0,0001 AE)?<br />
Wie groß wäre die Lichtgeschwindigkeit in diesem Modell?<br />
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6
Das Mittelalterliche Weltbild<br />
2 Wurzeln: Aristotelisches Weltbild – Christentum.<br />
a) Antike Wurzeln: Geozentrik. Mitte: Erde. 4 Elemente Erde- Wasser –Luft – Feuer hier als Temperamente<br />
enthalten.<br />
Es folgen die Sphären der 7 Planeten: Mond, Merkur, Venus, Sonne, Mars, Jupiter, Saturn (als Symbole),<br />
danach der Fixsternhimmel (als Tierkreis-Symbole). Ab dem Mond besteht die Welt aus dem 5. Element<br />
(Äther).<br />
b) Christliche Beiträge: Auf den Sternenhimmel folgen die Engelshierarchien, ganz oben/außen: Gott. Die<br />
Hölle/das Böse findet sich im Zentrum der Erde.<br />
Entsprechung Mensch-Kosmos: Im Menschen spiegelt sich diese Ordnung: Seele, Geist, Körper.<br />
Der Raum war endlich, begrenzt und sinnvoll geordnet – alles hat seinen rechten Platz. Er wird als Kosmos<br />
bezeichnet (griech. Für Ordnung). Er ist nicht allzu groß, da alle Sphären um die Erde rotieren. Auch optisch<br />
erscheint uns die Sternenkuppel nicht allzu weit entfernt (10-100 km)<br />
Gerhard Rath, <strong>BRG</strong> <strong>Kepler</strong> Graz, Inst. f. Experimentalphysik – Fachdidaktik, Uni Graz http://lehrer.brgkepler.at/grath<br />
7
Das Geheimnis der Wochentage<br />
Im geozentrischen System gab es 7 Himmelskörper, die sich vor dem Sternenhintergrund bewegten. Bereits<br />
in der Antike war ihre Reihenfolge (aus den beobachteten Umlaufzeiten) klar. Von der Erde aus: Mond,<br />
Merkur, Venus, Sonne, Mars, Jupiter, Saturn.<br />
Dieses System findet sich heute noch in der Anordnung der Wochentage, es geht auf die Babylonier <strong>zur</strong>ück.<br />
Jedem Wochentag wurde ein Planet zugeordnet, was aus einem Sprachvergleich gut ersichtlich wird:<br />
Wochentag Planet<br />
Französich<br />
Germanische<br />
(röm. Gottheit) (Englisch)<br />
Gottheit<br />
Montag Mond (Luna) lundi<br />
Dienstag Mars mardi (tuesday) Tiu<br />
Mittwoch Merkur mercredi (wednesday) Wodan<br />
Donnerstag Jupiter jeudi (thursday) Thor, Donar<br />
Freitag Venus vendredi Freia<br />
Samstag Saturn saturday<br />
Sonntag<br />
Anordnung:<br />
Sonne (Sol) sunday<br />
.<br />
Man teilt einen Kreis in sieben Teile und schreibt jedem Punkt einen der Planeten in der Reihenfolge des<br />
Geozentrischen Systems zu.<br />
Verbindet man diese Punkte durch gerade Linien in der Reihenfolge, die durch die entsprechenden<br />
Wochentage gegeben ist, so entsteht ein regelmäßiger siebenstrahliger Stern - ein altes magisches Symbol.<br />
Sa<br />
SATURN<br />
Do<br />
JUPITER<br />
Di<br />
MARS<br />
Mo<br />
MOND<br />
So<br />
SONNE<br />
Mi<br />
MERKUR<br />
Fr<br />
VENUS<br />
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12
Bewegungen<br />
Kinematik - Trägheit<br />
Den Kern der klassischen Mechanik bildet das Trägheitsprinzip von I. Newton. Es bringt ein Jahrhunderte<br />
dauerndes Umdenken auf den Punkt und definiert den zentralen Begriff der Kraft. Beim folgenden Zugang<br />
geht es vor allem um das Verständnis dieses Prinzips. Mir scheint hier der historische Weg am besten<br />
geeignet. Dieses Prinzip kann man nicht induktiv verstehen oder aus irgendwelchen Experimenten herleiten<br />
- es ist eben ein abstraktes Gedankenkonstrukt, das eigentlich nur im leeren, kräftefreien Raum gilt.<br />
Wesentliche Beiträge kamen diesbezüglich von G. Galilei. Er brachte uns vor allem eine radikale<br />
Umdeutung des Bewegungsbegriffs, wobei bereits das Trägheitsprinzip anklingt. Dies anzusprechen ist<br />
insofern wichtig, als wir im Alltag noch immer stark im aristotelischen Denken verhaftet sind - eigentlich<br />
genügt es vorerst für ein Verständnis der Bewegungen.<br />
Beispiel: Ich fahre mit dem Fahrrad mit konstanter Geschwindigkeit. Alltagsbeschreibung: Ich muss ständig<br />
eine Kraft ausüben, damit die Bewegung erhalten bleibt. Die Kraft ist proportional <strong>zur</strong> Geschwindigkeit.<br />
Höre ich zu treten auf, bleibe ich bald stehen.<br />
Klassische Mechanik: Ohne Gegenkräfte müsste auch ich keine Kraft aufwenden und würde mich<br />
gleichförmig weiterbewegen. Ich kompensiere nur die auftretenden Reibungskräfte.<br />
Warum war diese Umdeutung notwendig? Galilei brauchte sie, um die Möglichkeit der Erdbewegung<br />
mechanisch zu erklären! Mechanische Experimente laufen auf einer bewegten Erde gleich ab wie auf einer<br />
ruhenden. Die gesamte begriffliche Struktur der Mechanik scheint mir nur verständlich zu werden, wenn<br />
man ʺin den Weltraumʺ geht - die Mechanik ʺkommt vom Himmelʺ. Erst hier wird sie wirklich <strong>zur</strong><br />
Erklärung notwendig, daher behandle ich in diesem Rahmen auch das Problem der Schwerelosigkeit bei<br />
Raumflügen.<br />
Abfolge<br />
1. Diskussion des (historischen) Bewegungs-Begriffs. Was ist Bewegung? Gibt es eine absolute<br />
Bewegung? Wie kann man sie messen bzw. was an ihr ist messbar?<br />
2. Freie Aufgabe (Schülerversuch mit offener Problemstellung): Wagerl oder Kugel rollt eine<br />
Schiefe Ebene herunter (Rampe, Fahrbahn oder geneigter Tisch). Offensichtlich wird es immer schneller. Wie<br />
hoch ist die Geschwindigkeit an verschiedenen Punkten?<br />
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13
14<br />
3. Elementare Definition der Geschwindigkeit (ist den Schülern im Allgemeinen bekannt).<br />
Auswerten in Form von Diagrammen: v-s, v-t. Interpretation: Es ist eher ein einfacher Zusammenhang v-t<br />
anzunehmen (EXCEL) - der Graph bildet eine Gerade.<br />
Anmerkung: Aus diesem Grund bezog bereits Galilei die Geschwindigkeit auf die Zeit und nicht auf den Weg. Näher<br />
liegt eigentlich (und die Schüler machen dies meistens), Geschwindigkeiten auf Wegstücken zu messen, z.B. Wie<br />
schnell ist das Wagerl nach 1 m, 2 m ... Hier ergibt sich jedoch im (v-s)-Diagramm eine gekrümmte Kurve (Wurzel-<br />
Funktion).<br />
Ein weiterer Grund war wohl die leichtere Messbarkeit von Wegstücken in Zeitintervallen (z.B. Pulsschlag) als<br />
umgekehrt.<br />
Definition der Beschleunigung a als v/t (und nicht v/s). Wie groß ist a (Wagerl)?<br />
4. Das rätselhafte 1/2<br />
Geometrische Überlegung ergibt: Endgeschwindigkeit bei einer<br />
gleichmäßig beschleunigten Bewegung ist gleich die doppelte<br />
Durchschnittsgeschwindigkeit (bzw. die doppelte<br />
Geschwindigkeit einer gleichförmigen Bewegung, die den gleichen<br />
Weg ergibt)<br />
(im nebenstehenden Diagramm als verzögerte Bewegung<br />
gezeichnet)<br />
ve=2vd<br />
s (als Fläche unter der Linie) ist also gleich 1/2vt. Dieses 1/2 zieht<br />
sich durch weite Teile der Mechanik, bis hin <strong>zur</strong> Formel für die<br />
kinetische Energie!<br />
5. Fallbewegungen<br />
Wie hängt der Weg mit der Geschwindigkeit zusammen? v ~ s?<br />
Ableitung: s=a/2t², s=v²/2a<br />
Fallen verschieden schwere Objekte verschieden schnell?<br />
Argumentation Galileis: Gedankenversuch - Beweis durch Widerspruch<br />
Ich denke mir eine 10kg-Kugel und eine 1kg-Kugel gleicher Größe, z.B. aus Eisen und Holz. Annahme: Die Kugeln<br />
fallen verschieden schnell, die schwere schneller als die leichte (nach Aristoteles 10 mal so schnell).<br />
Nun verbinde ich beide Kugeln, befestige etwa die leichte auf der schweren. Wie schnell fällt das entstandene Gebilde?<br />
Mit gleichem Recht kann ich behaupten: Die beiden Kugeln bilden ein neues Objekt von 11 kg, das schneller fällt als die<br />
schwere Kugel allein. Aber: Denke ich mir die Kugeln noch getrennt, bremst die leichte die schwerere, es muss sich eine<br />
mittlere Geschwindigkeit ergeben. Die Überlegung führt zu einem Widerspruch!<br />
Neue Annahme: Beide Kugeln fallen gleich schnell!<br />
Als Tatsache bleibt, dass die 10kg-Kugel 10 mal so stark von der Erde angezogen wird als die 1kg-Kugel.<br />
Was kompensiert dann dieses Übergewicht: Die größere Trägheit. Die schwere Kugel ist im gleichen Maß<br />
schwerer zu beschleunigen.<br />
(Vergleich: Ein schwerer Lastwagen mit 500 PS kann (beim Start) eine ähnliche Beschleunigung haben wie ein<br />
Radfahrer ...)<br />
Der Beweis<br />
Warum ist man im Weltall schwerelos?<br />
Die internationale Raumstation ISS befindet sich nur ca. 300 km über der Erdoberfläche .. wäre die Erde ein<br />
Ball von 12 cm Durchmesser, betrüge der Abstand der ISS 3 Millimeter.<br />
Schwerelos ist man dort wegen der ständigen Fallbewegung - die Raumstation fällt den Astronauten unter<br />
den Füßen weg, alles bewegt sich gleich schnell (mit ca. 30.000 km/h) um die Erde.<br />
Mit speziellen Flügen wird Schwerelosigkeit simuliert. So wurden z.B. Szenen von ʺApollo 13ʺ gedreht.<br />
Gerhard Rath, <strong>BRG</strong> <strong>Kepler</strong> Graz, Inst. f. Experimentalphysik – Fachdidaktik, Uni Graz http://lehrer.brgkepler.at/grath
G. Galilei: Experimente mit der geneigten Ebene<br />
Auf einem Holzbrett von 12 Ellen Länge war auf der schmalen Seite<br />
eine Rinne von etwas mehr als einem Zoll Breite eingegraben.<br />
Diese war sehr gerade gezogen, und um die Fläche recht glatt zu<br />
haben, war inwendig ein sehr glattes und reines Pergament<br />
aufgeklebt. In dieser Rinne ließ man eine sehr harte, völlig runde<br />
und glattpolierte Messingkugel laufen.<br />
Nach Aufstellung des Brettes wurde dasselbe einerseits gehoben,<br />
bald eine, bald zwei Ellen hoch. Dann ließ man die Kugel durch den<br />
Kanal fallen und verzeichnete die Fallzeit für die ganze Strecke:<br />
Häufig wiederholten wir den einzelnen Versuch, <strong>zur</strong> genaueren<br />
Ermittlung der Zeit, und fanden gar keine Unterschiede, nicht einmal<br />
von einem Zehntel eines Pulsschlages.<br />
Darauf ließen wir die Kugel nur durch ein Viertel der Strecke laufen<br />
und fanden stets genau die halbe Fallzeit gegen früher. Dann<br />
wählten wir andere Strecken und verglichen die gemessene Fallzeit<br />
mit der zuletzt erhaltenen und mit denen von 2/3 oder ¾ oder irgend<br />
anderen Bruchteilen – bei wohl hundertfacher Wiederholung fanden<br />
wir stets, dass die Strecken sich verhielten wie die Quadrate der<br />
Zeiten und dies für jede Neigung der Ebene.<br />
Zur Ausmessung der Zeit stellten wir einen Eimer voll Wasser auf,<br />
in dessen Boden ein enger Kanal angebracht war, durch den sich<br />
ein feiner Wasserstrahl ergoss. Dieser wurde während jeder<br />
beobachteten Fallzeit in einem kleinen Becher aufgefangen, das<br />
gesammelte Wasser auf einer sehr genauen Waage gewogen. Aus<br />
den Differenzen der Wägungen erhielten wir die Verhältnisse der<br />
Gewichte und der Zeiten, und zwar mit solcher Genauigkeit, dass<br />
die zahlreichen Beobachtungen niemals merklich voneinander<br />
abwichen.<br />
Vereinfacht aus: Discorsi e dimonstrazioni<br />
matematiche intorna a due nuove scienze, Leiden<br />
1638 (Unterredungen und mathematische<br />
Demonstrationen über zwei neue Wissenszweige)<br />
Fachdidaktisches Seminar 1 Gerhard Rath<br />
15
G. Galilei: Dialog über die beiden hauptsächlichen Weltsysteme (1632)<br />
(teilweise vereinfachter Auszug)<br />
Diskutiert wird ein altes<br />
Argument gegen eine<br />
mögliche Erddrehung: Ein<br />
von einem Turm<br />
fallengelassener Stein<br />
müsste bei rotierender Erde<br />
entfernt vom Fuß des Turmes<br />
auftreffen. Diese Situation<br />
wird mit einem fahrenden<br />
bzw. ruhendem Schiff<br />
verglichen.<br />
Salviati: Ihr sagt: Weil bei ruhendem Schiff der Stein am Fuß des Mastes niederfällt, bei bewegtem aber vom<br />
Fuß entfernt, so lässt sich umgekehrt schließen: Wenn der Stein am Fuß niederfällt, steht das Schiff, und<br />
wenn er entfernt davon auftrifft, ist es bewegt. Was beim Schiff gilt, tritt auch bei der Erde ein; so folgt aus<br />
dem Ankommen des Steines am Fuß des Turmes die Unbewegtheit des Erdballs. Ist das nicht Euer Beweis?<br />
Simplicio: Ja, und zwar in gedrängter Fassung, was sehr <strong>zur</strong> Erleichterung des Verständnisses beiträgt.<br />
Salviati: Wenn der von der Spitze des Mastes fallengelassen Stein auch bei rasch bewegtem Schiff genau<br />
an der gleichen Stelle auftrifft wie bei ruhendem Schiff, was würde dies für die Entscheidung der Frage<br />
bedeuten, ob das Schiff feststeht oder fährt?<br />
Simplicio: Absolut keinen. Ebenso zum Beispiel wie aus dem Schlagen des Pulses sich nicht erkennen läßt<br />
ob jemand schläft oder wacht, weil der Puls in gleicher Weise bei Schlafenden wie bei Wachenden schlägt.<br />
Salviati: Habt Ihr jemals den Versuch mit dem Schiff angestellt?<br />
Simplicio: Ich habe es nicht getan, wohl aber denke ich, haben die Schriftsteller die ihn angeben, sich<br />
sorgfältig mit ihm beschäftigt. Darüber hinaus liegt die Ursache der Verschiedenheit so sehr auf der Hand,<br />
dass kein Raum für Zweifel bleibt.<br />
Salviati: Dass jene Autoren ihn möglicherweise anführen, ohne ihn angestellt zu haben, dafür seid Ihr selbst<br />
ein klassischer Zeuge. Denn ohne den Versuch gemacht zu haben, zitiert Ihr ihn als sicher und verlasst<br />
Euch in gutem Glauben auf ihr Wort. Ebenso haben wohl auch diese Gelehrten gehandelt: Sie haben sich<br />
auf ihre Vorgänger verlassen, ohne dass man jemals auf einen kommt der den Versuch wirklich durchgeführt<br />
hat. Denn jeder, der das tut, wird finden, dass sich das genaue Gegenteil von dem ergibt, was man<br />
geschrieben liest. Man wird nämlich zum Ergebnis kommen, dass der Stein stets an derselben Stelle des<br />
Schiffes niederfällt, egal ob es steht oder sich mit beliebiger Geschwindigkeit bewegt. Da aber für die Erde<br />
und das Schiff gleiches Recht gilt, so lässt sich aus dem lotrechten Fall des Steines und dem Aufschlag am<br />
Fuß des Turmes nichts über die Bewegung und Ruhe der Erde ermitteln.<br />
Simplicio: Wenn Ihr mich nicht auf den Weg des Versuchs verwiesen hättet, so würden wir noch lange Hinund<br />
Herreden. Mir scheint diese Frage für menschliche Spekulation so unzugänglich, dass niemand so frech<br />
sein kann, etwas zu glauben oder zu vermuten.<br />
Salviati: Und doch erkühne ich mich, das zu tun.<br />
Simplicio: Ihr hättet also nicht ein einziges mal die Probe selbst gemacht und seid doch des Erfolges sicher?<br />
Ich kehre zu meiner anfänglichen Überzeugung <strong>zur</strong>ück: Die Gelehrten die diesen Versuch anführen, haben<br />
ihn auch ausgeführt, und zwar mit dem von ihnen angegebenen Erfolg.<br />
Salviati: Ich bin auch ohne Versuch sicher, dass das Ergebnis so ausfällt, wie ich es Euch sage! Ja noch<br />
mehr: Ich behaupte, Ihr selbst wisst ebenfalls, dass das Resultat nur so sein kann, wie ich es vorhersage.<br />
Denn ich verstehe das Handwerk, mit Gehirnen umzugehen, so meisterlich, dass ich Euch gewaltsam ein<br />
Geständnis entreißen werde! Sie müssen nur ehrlich auf meine Fragen antworten.<br />
Simplicio: Ich werde nach bestem Wissen antworten, aber ich bin sicher, nicht in Ungelegenheiten zu<br />
kommen.<br />
Salviati: Ich möchte nicht, dass Ihr antwortet, wenn Ihr nicht völlig sicher seid. Sagt mir also: Stellt Euch eine<br />
ebene, völlig glatte, spiegelähnliche Fläche vor, von stahlhartem Stoff, die nicht horizontal, sondern etwas<br />
geneigt ist. Ihr legt einen vollkommen kugelförmigen Ball darauf, aus schwerem, sehr hartem Stoff, etwa aus<br />
FACHDIDAKTISCHES SEMINAR 1 ANHANG SEITE 56<br />
16
Bronze. Was würde diese Kugel tun, wenn sie sich selbst überlassen ist? Meint Ihr nicht auch wie ich, sie<br />
würde ruhig liegen bleiben?<br />
Simplicio: Und die Fläche soll geneigt sein?<br />
Salviati: Freilich, diese Voraussetzung habe ich ja gemacht.<br />
Simplicio: Keineswegs glaube ich, dass sie liegenbleibt! Ich bin im Gegenteil völlig sicher, dass sie sich von<br />
selbst nach der geneigten Seite bewegen würde.<br />
Salviati: Gebt acht, was Ihr sagt, Signore Simplicio! Ich bin nämlich überzeugt, dass die Kugel überall ruhen<br />
würde, wohin Ihr sie auch legt.<br />
Simplicio: Wenn Ihr Euch auf eine solche Art von Annahmen stützt, dann fange ich an zu begreifen, warum<br />
Ihr zu grundfalschen Ergebnissen gelangt.<br />
Salviati: Ihr seid Euch also sicher, dass die Kugel sich von selbst nach der geneigten Seite bewegen würde?<br />
Simplicio: Welche Frage!<br />
Salviati: Und Ihr behauptet dies nicht weil ich es Euch gelehrt hätte - ich versuchte Euch ja das Gegenteil<br />
ein<strong>zur</strong>eden - sondern aus freiem Antrieb, nach Eurem gesunden Menschenverstand.<br />
Simplicio: Jetzt verstehe ich Euren Kunstgriff; Ihr habt nur so geredet, um mich zu verleiten, mich<br />
reinzulegen, nicht weil Ihr selbst so dachtet!<br />
Salviati: So ist's. Wie lange und mit welcher Geschwindigkeit würde sich die Kugel bewegen? Beachtet, dass<br />
ich von einer vollkommen runden Kugel und einer ausgezeichnet glatten Ebene gesprochen habe, um damit<br />
alle äußeren und zufälligen Hindernisse auszuschließen. Ebenso möchte ich, dass Ihr von der Luft abseht,<br />
die einen Widerstand bieten könnte, desgleichen von allen anderen zufälligen Hemmnissen, wenn etwa<br />
solche vorhanden sein sollten.<br />
Simplicio: Ich habe das alles ganz gut verstanden. Eure Frage anlangend antworte ich: Sie würde ins<br />
Unendliche fortfahren, sich zu bewegen, wenn die Neigung der Ebene solange wäre, und zwar in stetig<br />
beschleunigter Bewegung. Dabei wird die Geschwindigkeit um so größer sein, je stärker die Neigung der<br />
Ebene ist.<br />
Salviati: Wenn man aber wollte, dass die Kugel auf der gleichen Eben sich nach oben bewegte, würde sie<br />
das Eurer Meinung nach tun?<br />
Simplicio: Freiwillig nicht, wohl aber, wenn man sie gewaltsam hinaufschiebt oder -stößt.<br />
Salviati: Und wenn sie nun wegen eines gewaltsamen Anstoßes hinaufgetrieben würde, wie und von welcher<br />
Dauer würde ihre Bewegung dann sein?<br />
Simplicio: Die Bewegung würde immer schwächer werden und sich verzögern. Außerdem würde sie länger<br />
oder kürzer dauern, je nach der Stärke des Impulses und nach der Steilheit.<br />
Salviati: Wir haben bis jetzt das Verhalten eines bewegten Körpers auf zwei Ebenen geschildert: Auf der<br />
geneigten Ebene bewegt sich die Kugel beschleunigt abwärts; um sie anzuhalten, muss man Kraft<br />
anwenden. Bei der aufsteigenden Ebene ist hingegen Kraft notwendig, um sie vorwärts zu treiben und<br />
ebenso, um sie festzuhalten. Die eingeprägte Bewegung vermindert sich beständig und hört schließlich ganz<br />
auf. Weiters sagtet Ihr, dass die Bewegung vom Grad der Steilheit abhängt. Nur sagt mir, was mit<br />
demselben Körper auf einer Fläche geschieht, die weder abschüssig ist noch ansteigt.<br />
Simplicio: Hier muss ich mich ein wenig auf die Antwort besinnen. Da keine Abschüssigkeit vorhanden ist,<br />
gibt es keinen natürlichen Antrieb. Da aber auch kein Ansteigen stattfindet, gibt es auch keinen Widerstand<br />
gegen eine Bewegung. Der Körper muss also von Natur aus ruhen.<br />
Salviati: Das ist auch meine Ansicht - wenn man ihn ruhig hinlegt. Wenn man ihm aber einen Anstoß in<br />
irgendeine Richtung gibt, was passiert dann?<br />
Simplicio: Er würde sich in diese Richtung bewegen.<br />
Salviati: In welcher Bewegungsart? Beschleunigt wie auf der abschüssigen Ebene, oder verzögert wie bei<br />
der Steigung?<br />
Simplicio: Ich kann weder einen Grund für eine Beschleunigung noch für eine Verzögerung entdecken, da<br />
weder ein An- noch ein Absteigen stattfindet.<br />
Salviati: Wenn kein Grund für eine Verzögerung vorliegt, kann auch keiner für einen Stillstand das Körpers<br />
vorhanden sein. Wie lange müsste die Bewegung andauern?<br />
Simplicio: So weit diese Ebene Fläche reicht.<br />
FACHDIDAKTISCHES SEMINAR 1 ANHANG SEITE 57<br />
17
Salviati: Wäre diese unbegrenzt, so würde die Bewegung ewig andauern, nicht wahr?<br />
Simplicio: So scheint es mir, vorausgesetzt, der Körper ist aus einem dauerhaften Stoff.<br />
Salviati: Dies haben wir ja vorausgesetzt, als wir sagten, es sollten alle zufälligen Hindernisse entfernt<br />
werden; die Zerstörbarkeit des Körpers ist in diesem Falle eines der zufälligen Hindernisse. Sagt mir nun:<br />
Was ist Eurer Ansicht nach die Ursache, dass die Kugel sich auf der geneigten Ebene freiwillig bewegt, auf<br />
der ansteigenden dagegen nur gezwungen?<br />
Simplicio: Der Grund ist die Neigung der schweren Körper, sich in Richtung des Mittelpunktes der Erde zu<br />
bewegen. Die geneigte Ebene bewirkt eine Annäherung an den Mittelpunkt, die absteigende eine<br />
Entfernung.<br />
Salviati: Eine Fläche die weder abschüssig noch ansteigend ist, muss also überall gleich weit entfernt vom<br />
Erdmittelpunkt sein. Gibt es solche Flächen?<br />
Simplicio: Daran fehlt es nicht. Nehmt unsere Erdoberfläche, wenn sie vollkommen glatt und nicht rau und<br />
gebirgig wäre, oder die Wasseroberfläche, solange sie unbewegt und ruhig ist.<br />
Salviati: Ein bei Meeresstille fahrendes Schiff gehört aber dann zu den Körpern, die sich über eine ebene<br />
Fläche der besprochenen Art bewegen. Es ist daher bestrebt sich gleichförmig fortzubewegen, nach<br />
Entfernung aller zufälligen und äußerlichen Hindernisse.<br />
Simplicio: So muss es sein, scheint mir.<br />
Salviati: Betrachten wir nun den Stein, der sich auf der Spitze des Mastes befindet. Vollzieht er nicht<br />
ebenfalls eine Bewegung um den Erdmittelpunkt längs einer Kreislinie? Eine Bewegung also, die gleich<br />
schnell wie die des Schiffes ist und die in ihm unveränderlich fortbesteht, von äußerlichen Hindernissen<br />
abgesehen?<br />
Simplicio: So weit ist alles in Ordnung. Was nun weiter?<br />
Salviati: Zieht daraus rechtzeitig selbst den letzten Schluss!<br />
Simplicio: Ihr meint damit, dass dieser Stein diese unveränderliche Bewegung während seines Falls<br />
beibehalten wird. Er wird dem Schiff folgen und schließlich an demselben Ort auftreffen wie bei ruhendem<br />
Schiff.<br />
Salviati: Wenn aber zwischen ruhendem und fahrenden Schiff kein Unterschied im Fallen des Steins besteht,<br />
was muss man erst bei dem von der Turmspitze fallenden Stein erwarte? Dieser hat ja eine natürliche<br />
Kreisbewegung, er folgt dem Erdball wie der Turm und die Luft! Habt Ihr noch eine Erwiderung vorzubringen,<br />
Signore Simplicio?<br />
Simplicio: Nur die eine, dass ich die<br />
Bewegung der Erde bis jetzt noch nicht<br />
erwiesen sehe.<br />
Salviati: Ich habe auch gar nicht den<br />
Anspruch erhoben, sie beweisen zu<br />
wollen. Ich wollte nur zeigen, dass aus<br />
dem Versuch mit dem fallenden Stein<br />
kein Argument für eine unbewegte Erde<br />
folgt.<br />
FACHDIDAKTISCHES SEMINAR 1 ANHANG SEITE 58<br />
18
Erläuterungen zum Text von G. Galilei aus "Dialogo"<br />
Grundfrage: Kann man eine (eventuelle) Bewegung der Erde anhand von Fallversuchen (Stein von<br />
Turm) feststellen?<br />
Um diese Frage in seinem Sinn zu beantworten, muss Galilei eine grundlegende Revision der<br />
Alltagserfahrung bzw. ihrer Beschreibung vornehmen. Dies wird allerdings nicht ausgesprochen,<br />
sondern Galilei arbeitet mit psychologischen "Tricks".<br />
Aristotelischer Bewegungsbegriff:<br />
Orientiert sich an der Erfahrung. Bewegung ist sichtbar, erkennbar, spürbar. Bewegung ist nicht<br />
nur Ortswechsel, sondern jede Veränderung, also auch Erwärmung, Lernen, Wachsen, ... Sie ist<br />
immer zielgerichtet, man unterscheidet zwischen natürlichen und künstlichen Bewegungen.<br />
Aristoteles versucht die Beobachtungen möglichst präzise zu beschreiben und einzuteilen.<br />
Die Alltagserfahrung widerspricht der Möglichkeit einer Erddrehung. Um sie denkbar zu machen,<br />
muss das Denksystem geändert werden. Galilei geht über zu einer "Erfahrung mit metaphysischen<br />
Bestandteilen".<br />
Wie kann man zu verlässlichem Wissen kommen?<br />
• Galilei lehnt die unkritische Übernahme des Wissens von Autoritäten ab. Er selbst verfügt aber<br />
auch über keine bewährte Theorie der Erddrehung.<br />
• Er hat aber auch kein Experiment durchgeführt (fahrendes Schiff)<br />
• Trick: Scheinbare Ableitung aus logischem Denken, aus Hausverstand. Galilei tut so, als sei das<br />
neue Denksystem bereits allgemein bekannt, wenn auch nicht direkt bewusst. (Argumentation<br />
mit der rollenden Kugel).<br />
Erkennbare naturwissenschaftliche Verfahrensweisen: Abstraktion und Reduktion werden deutlich<br />
sichtbar. "Zufällige" Hindernisse werden weggelassen (Haltbarkeit ...)<br />
Ein neuer Bewegungsbegriff wird entwickelt: Bewegung wird reduziert auf Ortsveränderungen.<br />
Diese werden aus idealisierten, nicht beobachtbaren Elementen zusammengesetzt.<br />
Unausgesprochene Prinzipien:<br />
• Relativitätsprinzip: Unsere Sinne nehmen nur relative Bewegungen wahr. Es kann Bewegungen<br />
geben, die wir nicht absolut feststellen können.<br />
• Unabhängigkeitsprinzip: Der Stein vollführt zwei (grundsätzlich verschiedene) Bewegungen<br />
gleichzeitig; diese beeinflussen einander nicht.<br />
• Trägheitsprinzip: Sich selbst überlassene Objekte vollführen gewisse ausgezeichnete<br />
Bewegungen. Diese benötigen keinen Antrieb.<br />
"Fehler" Galileis aus heutiger Sicht:<br />
• Die Trägheitsbewegung ist eine Kreisbewegung um den Erdmittelpunkt. Hier argumentiert<br />
Galilei durchaus im aristotelischen Sinn - kein Streben nach unten oder oben. (Trägheitsprinzip<br />
für geradlinige Bewegungen: R. Descartes 1650)<br />
• Galilei behandelt nur irdische Bewegungen - die himmlischen werden ausgenommen bzw. im<br />
alten System gesehen. Er akzeptierte nicht die Leistungen seines Zeitgenossen J. <strong>Kepler</strong>.<br />
Literatur: P. Feyerabend: Wider den Methodenzwang. Frankfurt/Main 1986; Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 597<br />
G. Rath Fachdidaktik 1<br />
19
Tempo 160 auf Autobahnen?<br />
Ein Leserbrief (erschienen in der KLEINEN ZEITUNG vom 8.8.03)<br />
Auto A fährt mit 130 km/h Schnitt, Auto B mit 160 km/h.<br />
Die Zeitersparnis für B beträgt auf 100 km etwa 8 1/2<br />
Minuten. Da geht sich vielleicht gerade einmal eine WC-<br />
Pause aus.<br />
Andere Faktoren ändern sich jedoch dramatischer.<br />
Der Luftwiderstand steigt quadratisch: Auto B<br />
verbraucht beinahe 50% mehr Treibstoff als Auto A,<br />
genauso steigen die Schadstoffemissionen.<br />
Die Bewegungsenergie und mit ihr der Anhalteweg<br />
liegen auch um diesen Prozentsatz höher.<br />
Während A (nach den Fahrschulformeln gerechnet)<br />
etwa 200 Meter Anhalteweg braucht, benötigt B etwa<br />
300 Meter. Und besonders dramatisch: Wenn Fahrzeug<br />
A nach 200 Metern bereits steht, hat B dort noch etwa<br />
130 km/h, die erst auf den letzten 100 Metern<br />
abgebremst werden! Bei einem Aufprall mit dieser<br />
Geschwindigkeit kann man sich Gurt, Airbag & Co<br />
abschminken: Es wird vom Auto nicht viel ganz bleiben.<br />
Auch solche Überlegungen sollten eine Rolle spielen für<br />
die Herren mit ihren Mercedes, Audis und BMWs, die in<br />
den Gremien sitzen und die Entscheidungen treffen -<br />
hoffentlich nicht nur aus der Zylinderkopfperspektive.<br />
1) Markiere die vorkommenden physikalischen Begriffe und erkläre sie in der rechten Spalte!<br />
2) Wie wurde bei den Angaben gerechnet? Versuche die Berechnungen nachzuvollziehen!<br />
3) Wo finden sich die benötigten Formeln bzw. die Theorie im Lehrbuch (+Beiheft) der 5. Klasse?<br />
3) Bei einer Rechnung findet sich ein Fehler. Stelle diesen richtig!<br />
Rekonstruktion eines Autounfalls<br />
Ein KFZ wurde 40-50 m vor Beginn der Blockierspur durch Gaswegnehmen verzögert (0,6 m/s²).<br />
Es folgen 6 m Blockierspur auf Beton (7 m/s²).<br />
Das Fahrzeug kommt aufs Bankett ab, legt vollblockiert (3,5 m/s²) 17,4 m <strong>zur</strong>ück,<br />
rammt einen Baum (Geschwindigkeitsverlust 20 km/h)<br />
und legt schleudernd (3 m/s²) weitere 7,9 m <strong>zur</strong>ück.<br />
Wie hoch war die Geschwindigkeit vor Beginn des Unfalls?<br />
(Anleitung: Rechne von „hinten nach vorne“! )<br />
21
Rätselhafte Autowespe<br />
Aus: G. Hofmann-Wellenhof: Notizen eines Vaters (Kleine Zeitung 7.5.2000)<br />
Während einer längeren Autofahrt wollte Klemens unlängst von mir wissen, ob eine Wespe, die sich in<br />
unserem Bus verflogen hatte, an die Heckscheibe prallen würde oder nicht. Da ich zwar schon viele Insekten<br />
an der vorderen Scheibe außen picken sah, nie jedoch eines an der hinteren innen, entschied ich<br />
gefühlsmäßig richtig: Einer Wespe passiert nichts, sie fährt einfach mit. Die physikalische Erklärung konnte<br />
ich freilich nicht geben, holte sie jedoch bei meinem Bruder ein, einem Hochschullehrer für Geodäsie.<br />
Dieser versicherte mir, er könne den Sachverhalt in gebotener Kürze unmöglich wissenschaftlich korrekt,<br />
sondern nur in sehr einfachen Worten darstellen, und führte aus:<br />
"Das bewegte Fahrzeug ist stets im Banne des Gravitationsfeldes der Erde. Die Wirkungsweise dieses<br />
Erdschwerefeldes ist nicht ganz leicht verständlich, vor allem dann, wenn man an das Flugzeug denkt, das<br />
im Prinzip dem Beispiel der Wespe vergleichbar ist."<br />
Ich war ein wenig erleichtert, dass auch diese fundierte Aussage meinen Buben nicht wirklich zufrieden<br />
stellte.<br />
Darauf schrieb ich folgenden Leserbrief: abgedruckt in der Kleinen Zeitung vom 11. Mai 2000<br />
In "Rätselhafte Autowespe" wird ein physikalisches Problem angesprochen, dessen Lösung nicht so<br />
schwierig ist, um damit einen Hochschullehrer für Geodäsie zu verwirren. Hat uns doch bereits ein Herr G.<br />
Galilei vor etwa 400 Jahren die Antwort gegeben. Er wollte erklären, wie es möglich sein kann, dass sich die<br />
Erde dreht und wir nichts davon merken - also ähnlich wie eine Wespe im Auto oder Flugzeug uns einfach<br />
mitbewegen und nicht sofort weggetragen werden.<br />
Die Antwort heißt in einem Begriff: Trägheit. Alles was die Drehung der Erde einmal in sich hat, behält diese<br />
auch bei, wenn es zeitweise den Erdboden verlässt, wie ein fallender Stein oder ein fliegender Vogel. Daher<br />
ist es auch nicht möglich, mit einem Hubschrauber hochzusteigen, einige Stunden zu warten um dann in<br />
USA zu landen.<br />
Sobald die Wespe die Bewegung des Autos in sich hat, behält sie diese wegen ihrer Trägheit bei, solange<br />
sich das Auto gleichmäßig bewegt. Springen sie in einem Flugzeug gerade in die Luft, landen sie wieder am<br />
selben Punkt - haben sich aber von außen gesehen um mehr als 100 Meter parallel zum Flugzeug<br />
weiterbewegt.<br />
Schon gar nicht braucht man für dieses Phänomen die Gravitation bemühen, sie hat nichts damit zu tun. Das<br />
Gravitationsgesetz wurde auch erst 50 Jahre nach Galilei von Newton gefunden.<br />
Brief von Dr. Bernhard Hofmann-Wellenhof, Univ.-Prof. für Positionierung und Navigation an der TU Graz.<br />
Wespe und Gravitation<br />
18. Mai 2000<br />
Unter dem Titel "Die Trägheit ist schuld" erschien von Ihnen in der Kleinen Zeitung vom 11. Mai 2000 ein<br />
Leserbrief. Sie schreiben, die Trägheit genüge <strong>zur</strong> Erklärung der im Auto fliegenden Wespe und "die<br />
Gravitation braucht man für dieses Phänomen nicht zu bemühen". Möglicherweise wurde Ihr Leserbrief<br />
verkürzt publiziert, ich erlaube mir daher folgende Erklärungen.<br />
1. Nach dem Äquivalenzprinzip von Einstein sind die träge und die schwere Masse gleich. Das heißt,<br />
Trägheit und Gravitation sind untrennbar miteinander verknüpft. Wenn also jemand die Trägheit "bemüht" (in<br />
Ihrem Sprachgebrauch), kann man in äquivalenter Weise auch die Gravitation "bemühen".<br />
2. Der Satz in Ihrem Leserbrief "Auch die Wespe, die die Bewegung des Autos in sich hat, behält diese bei,<br />
solange sich das Auto gleichmäßig bewegt" ist auf der Erde (genauer: im Wirkungsbereich des<br />
Erdschwerefeldes) nicht richtig. Sie gründen Ihre Aussage auf das Trägheitsgesetz, das unvollständig gerne<br />
mit "Ein Körper verharrt in seinem Zustand der Ruhe oder der gleichförmigen Bewegung" zitiert wird.<br />
Vollständig und korrekt lautet das Grundgesetz der Trägheit jedoch: "Ein jeder äußeren Einwirkung<br />
entzogener Körper verharrt in seinem Zustand der Ruhe oder der gleichförmig geradlinigen Bewegung."<br />
Siehe etwa Joos , Lehrbuch der Theoretischen <strong>Physik</strong> (...).<br />
Das bedeutet also, im Erdschwerefeld gilt das Trägheitsgesetz nicht - eben wegen der Gravitation.<br />
Experimentell lässt sich das Nichtgelten sehr leicht nachprüfen: ersetzen Sie die Wespe im gleichförmig<br />
fahrenden Auto durch einen Apfel, den Sie auf Ihre Handfläche legen. Nun drehen Sie die Handfläche um.<br />
Das Ergebnis ist klar: der Apfel fällt zu Boden. Ihrer Erklärung nach müsste der Apfel die Bewegung<br />
beibehalten und somit in der Luft schweben. Die Realität bemüht also sehr wohl die Gravitation, die beim<br />
Newton’ schen Grundgesetz der Mechanik vernachlässigt wird.<br />
22
Impuls und Kraft<br />
Probleme mit dem Kraftbegriff<br />
Kraft ist ein fundamentales Konzept der <strong>Physik</strong>, insbesondere der Mechanik. Untersuchungen zeigen, dass<br />
große Probleme beim Lernen dieses Begriffs auftreten, und zwar auf allen Stufen. Wir verwenden das Wort<br />
in der Alltagssprache, jedoch in einer Bedeutung, die weit von der physikalischen entfernt ist - das<br />
Alltagswort ʺKraftʺ entspricht in der <strong>Physik</strong> eher dem Begriff Energie (-> Kraftwerk, Kraftstoff). ʺKraftʺ hat<br />
man oder nicht, sie ist etwas Aktives, das Widerstand überwindet.<br />
Literatur: R. Duit: Der Kraftbegriff im <strong>Physik</strong>unterricht. In: Naturwissenschaften im Unterricht<br />
<strong>Physik</strong>/Chemie 36/1988, S. 2 ff<br />
H. Wieser: Verbesserung des Lernerfolgs im Unterricht über Mechanik. In: <strong>Physik</strong> in der Schule 32 (1994),<br />
S. 122 ff<br />
Aus historischer Sicht definierte I. Newton Kraft als Ursache von Bewegungsänderungen. Sie wurde damit<br />
zu einer äußeren Einwirkung, die als Wechselwirkung auftritt - im Gegensatz <strong>zur</strong> inneren ʺKraftʺ<br />
(ʺlebendige Kraftʺ), die später <strong>zur</strong> Energie wurde.<br />
Literatur: H. Schecker: Von Aristoteles bis Newton - der Weg zum physikalischen Kraftbegriff. In:<br />
Naturwissenschaften im Unterricht <strong>Physik</strong>/Chemie 36/1988, S. 7 ff.<br />
Der Kraftbegriff kann meines Erachtens nicht sinnvoll aus dem Alltagsbegriff entwickelt werden. Viel eher<br />
bietet sich hier eine Gegenüberstellung an. Diese bedarf natürlich einer Erklärung bezüglich ihrer<br />
Notwendigkeit - warum muss man einen Begriff so definieren, was bringt das eigentlich?<br />
Die Antwort folgt aus den Überlegungen <strong>zur</strong> Trägheit bzw. zum Trägheitsprinzip. Man kam auf diese<br />
Begriffe, um eine einheitliche <strong>Physik</strong> für Bewegungen auf und außerhalb der Erde zu bekommen. Aus der<br />
Möglichkeit der Erddrehung bzw. ihrer Unmerklichkeit entstand mit Galilei die Idee der<br />
Trägheitsbewegung, die mit Descartes <strong>zur</strong> geradlinigen gleichförmigen Bewegung wurde. Sie benötigt<br />
keinen Antrieb, ist aber ein abstraktes Konzept, das es genau genommen nirgendwo in dieser Form geben<br />
kann.<br />
Impuls<br />
Einen eleganten Zugang zum Kraftbegriff erhält man über den neutraleren IMPULS. Diese Größe ist für die<br />
Schüler neu, das Alltagswort relativ neutral (Anstoß, Ruck) und nicht so weit vom Fachbegriff entfernt. Er<br />
lässt sich leicht als Menge von Bewegung verstehen, KRAFT wird dann in der Folge mit Änderungen des<br />
Impulses verbunden. Dieser Zugang liegt näher am historischen Weg als die Einführung über F=m.a. Impuls<br />
und Impulserhaltung waren bereits vor Newton eingeführt (Huygens), auch Newton selbst verbindet in<br />
seinem 2. Axiom die Kraft mit der Impulsänderung. Erst durch Euler wurde dieses Axiom als F=m.a<br />
formuliert.<br />
Ich folge hier den Überlegungen des ʺKarlsruher <strong>Physik</strong>kursesʺ, der die <strong>Physik</strong> auf mengenartige Größen<br />
aufbaut.<br />
Fundamentale Wechselwirkungen<br />
Im weiteren scheint es mir sinnvoll, den Kraftbegriff gleich in moderne Austausch- bzw. Feldkonzepte<br />
einzubinden und eine Übersicht über die 4 fundamentalen Wechselwirkungen zu geben. Die mechanischen<br />
Kräfte werden dann zu speziellen Ausdrucksformen dieser fundamentalen Wechselwirkungen: Einerseits<br />
durch unmittelbaren Kontakt (z.B. Reibung) - eine Folge der elektromagnetischen Wechselwirkung der<br />
Atomhüllen - und andererseits durch Einwirkung des Gravitationsfeldes (Gewicht).<br />
Gerhard Rath, <strong>BRG</strong> <strong>Kepler</strong> Graz, Inst. f. Experimentalphysik – Fachdidaktik, Uni Graz http://lehrer.brgkepler.at/grath<br />
23
Mögliche Abfolge<br />
1. Die Menge von Bewegung<br />
Wie viel Bewegung ein Körper hat - hängt ab von der Geschwindigkeit, der Masse und der Richtung. Diese<br />
Menge an Bewegung wird durch die Größe IMPULS beschrieben. Impuls entspricht in etwa dem, was man<br />
im Alltag als ʺSchwungʺ bezeichnet.<br />
Alltagsbeispiele:<br />
Ein Auto bremst: Impuls wird an die Erde abgegeben.<br />
Ein Auto beschleunigt: Der Motor ʺpumptʺ Impuls von der Erde in das Auto<br />
Messung von Impuls: Wir messen diese Größe nicht direkt, sondern berechnen sie aus p=m.v<br />
2. Wechselwirkungen<br />
Schülerversuche mit Münzen, Kugelspiel: Impuls kann übertragen und gespeichert werden.<br />
Betrachtet werden verschiedene Austauschvorgänge, z.B. Unfälle, Zusammenstöße, Ballspiele ... Bei all<br />
diesen Wechselwirkungen bleibt der gesamte Impuls erhalten, er verteilt sich nur anders auf die Beteiligten.<br />
In den ʺAltlasten der <strong>Physik</strong>ʺ (Aulis-Verlag) wird dargestellt, dass sich die Newtonʹschen Axiome allesamt<br />
vorteilhaft aus der Impulserhaltung ableiten lassen.<br />
3. KRAFT als die Ursache von Bewegungsänderungen<br />
Jede Änderung eines Impulse braucht eine Ursache - ohne Einfluss bleibt der Impuls konstant<br />
(Trägheitsprinzip). Die Stärke dieser Ursache nennt man Kraft. Sie hängt von der Änderung des Impulses ab<br />
und davon, wie schnell diese erfolgt. Also: F=Δp/Δt.<br />
Aus der Erhaltung des Impulses ergibt sich das Wechselwirkungsprinzip: Jede Änderung wirkt auf beide<br />
Beteiligten - Kraft ist immer ein Zwilling.<br />
Falls man die Änderung der Geschwindigkeit kennt (die Beschleunigung), kann man die Kraft aus dieser<br />
berechnen: F=m.Δv/Δt = m.a<br />
4. Arten von Kräften - fundamentale Wechselwirkungen<br />
Wodurch können Bewegungen geändert werden?<br />
I. Newton untersuchte die Bewegung des Mondes um die Erde. Infolge seiner Richtungsänderung ändert<br />
sich andauernd der Impuls - es muss eine Kraft wirken. Aber welche? Die Richtung der Änderung zeigt <strong>zur</strong><br />
Erde. Newtons große Erkenntnis: Was wir hier als Gewicht spüren, ist auch jene Kraft, die den Mond ständig<br />
antreibt, um die Erde zu ʺfallenʺ. Er nannte sie die universelle Gravitation.<br />
Newton konnte sie durch eine Formel ausdrücken – das Gravitationsgesetz. Es blieb ein Problem: Die<br />
Ausbreitung im Raum blieb unverständlich (Fernwirkung). Bereits J. <strong>Kepler</strong> fragte: Wie weiß die Erde, wo die<br />
Sonne ist?<br />
Heute beschreiben wir Kräfte, die im Raum wirken, durch Felder (Nahwirkung). Für die Erde geht es<br />
ständig „bergab“, doch infolge ihrer Geschwindigkeit (Trägheit) läuft sie auf einer stabilen Bahn<br />
Auf der Erde leben wir ständig unter potentieller Bewegungsänderung, in einem Gravitationsfeld. Der<br />
Raum ist ʺvon Kraft erfülltʺ. Die Gravitation hat sich als eine der 4 fundamentalen Wechselwirkungen<br />
herausgestellt: Auf der Ebene der Elementarteilchen gibt es nur vier verschiedene Kräfte. Unser Gewicht ist<br />
die Folge einer Wechselwirkung von allen Atomen unseres Körpers mit allen Atomen der Erde - die wir<br />
vereinfacht als Doppelpfeil zeichnen: Die Erde zieht uns an - wir ziehen sie an.<br />
Die Atome werden durch die elektromagnetische Wechselwirkung zusammengehalten, diese wirkt auch<br />
zwischen den Atomen. Folgen dieser Kräfte erfahren wir bei direktem Kontakt zwischen Objekten als<br />
Reibung sowie als elastische und Zwangs-Kräfte. Sichtbar werden elektromagnetische Wechselwirkungen<br />
auch direkt bei Magneten sowie bei Reibungselektrizität.<br />
Gerhard Rath, <strong>BRG</strong> <strong>Kepler</strong> Graz, Inst. f. Experimentalphysik – Fachdidaktik, Uni Graz http://lehrer.brgkepler.at/grath<br />
24
Überall Kräfte…<br />
Beispiel 1:<br />
Ein Mensch steht einfach so da. Zeichne die wirkenden Kräfte ein!<br />
Beispiel 2<br />
Ein fauler, aber gebildeter Esel behauptet, er könne wegen des 3. Newton’schen Axioms keinen Baumstamm<br />
ziehen. Denn: Zieht er den Stamm mit einer bestimmten Kraft nach vor, zieht in dieser mit der gleichen Kraft<br />
nach hinten – also ist eine Bewegung unmöglich. Widerlege den Esel!<br />
Beispiel 3:<br />
In diesen beiden Abbildungen (aus einem Lehrbuch für <strong>Physik</strong>) sind die Kräfte falsch bzw. unvollständig<br />
eingezeichnet. Stelle die Zeichnungen richtig!<br />
Gerhard Rath, <strong>BRG</strong> <strong>Kepler</strong> Graz, Inst. f. Experimentalphysik – Fachdidaktik, Uni Graz http://lehrer.brgkepler.at/grath<br />
25
Kräfte am Fahrrad<br />
Wie wird die Tretkraft (am Pedal) zum Hinterrad übertragen?<br />
Experimente:<br />
1) Fahrrad mit Federwaage (eventuell mehrere parallel) gleichmäßig ziehen (nicht beschleunigen) --�<br />
Reibungskraft<br />
a) leer:<br />
b) mit Fahrer:<br />
2) Kraftübersetzung Pedal – Hinterrad<br />
verschiedene Übersetzungen!<br />
Fahrrad umdrehen (auf Sattel/Lenker stellen), eine Federwaage zieht am Pedal, die andere hält am<br />
Hinterrad (außen) dagegen<br />
Übersetzung Tretkraft (Pedal) Kraft (Hinterrad)<br />
3) Kräfte beim Beschleunigen und Bremsen<br />
a=2s/t², F=m.a – Stoppuhr, Maßband. Masse: Schätzen!<br />
Beschleunigen: Fahrer beschleunigt gleichmäßig über z.B. 5 Meter<br />
t a F<br />
Bremsen: Fahrer bremst -> s, t messen<br />
s t a F<br />
26
Der "Karlsruher <strong>Physik</strong>kurs"<br />
Kritik am Aufbau der herkömmlichen Schulphysik:<br />
Die Abfolge und Struktur der Schulphysik ist historisch orientiert. Sie baut auf der Mechanik auf<br />
und damit auf Größen, die sich als schwer verständlich erwiesen haben (z.B. Kraft). Dadurch wird<br />
insbesondere der Übergang <strong>zur</strong> Quantenphysik, die mit völlig anderen Konzepten arbeitet,<br />
erschwert.<br />
Grundidee:<br />
Die gesamte <strong>Physik</strong> wird auf mengenartigen Größen und deren Strömen aufgebaut. Dadurch<br />
gelangt man zu einer einheitlichen Beschreibung der Natur, die sich an Konzepten der<br />
Thermodynamik und Quantenphysik orientiert.<br />
Solche Größen sind:<br />
Energie E, Impuls p, Drehimpuls L, Ladung Q, Entropie S, Teilchenmenge n<br />
Bei jedem Vorgang in der Natur strömen mindestens 2 dieser Größen, eine davon ist meist<br />
die Energie.<br />
Bildhafte Grunddarstellung:<br />
Es gibt Zu- und Abströme von mengenartigen<br />
Größen.<br />
Energie<br />
System<br />
Die mit der Energie mitfließende Größe wird als<br />
Energieträger bezeichnet – somit gibt es keine<br />
Energieträger<br />
Energieformen mehr.<br />
Manche Größen sind Erhaltungsgrößen, aber nicht<br />
alle. Somit gibt es „Pfandflaschen“-Träger (zB Impuls)<br />
und „Einwegflaschen“-Träger (zB Entropie). Bei ersteren sind geschlossene Stromkreise möglich.<br />
Grundformel:<br />
I = b ⋅ I<br />
E<br />
Beispiele:<br />
Elektrizität:<br />
Mechanik:<br />
Thermodynamik:<br />
T<br />
dE<br />
dt<br />
dE<br />
dt<br />
dE<br />
dt<br />
IE: Energiestrom(stärke)<br />
b: Beladungsmaß<br />
IT: Trägerstrom(stärke)<br />
Die Energiestromstärke (Energie/Zeit) entspricht einer Leistung.<br />
dQ<br />
= U ⋅ P = U ⋅ I<br />
dt<br />
dp<br />
= v ⋅ P = v ⋅ F<br />
dt<br />
= T ⋅<br />
dS<br />
dt<br />
http://www.physikdidaktik.uni-karlsruhe.de/kpk/info.html<br />
Hier wird also die Kraft <strong>zur</strong><br />
abgeleiteten Größe: Sie entspricht der<br />
Impulsstromstärke, das Beladungsmaß<br />
(wie viel Energie der Impulsstrom<br />
transportiert) ist die Geschwindigkeit.<br />
Das Beladungsmaß des Entropiestroms<br />
ist die Temperatur<br />
Fachdidaktisches Seminar 1 Gerhard Rath<br />
27
Altlasten der <strong>Physik</strong> (7)<br />
Die Newtonschen Axiome<br />
Gegenstand:<br />
1. Ein Körper bleibt im Zustand der Ruhe oder geradlinig gleichförmigen Bewegung, wenn keine Kräfte auf ihn<br />
wirken.<br />
2. Die auf einen Körper wirkende Kraft ist gleich dem Produkt aus Masse und Beschleunigung des Körpers.<br />
3. Wenn ein Körper A auf einen Körper B eine Kraft FAB ausübt, so übt B auf A die Kraft FBA = – FBA aus.<br />
Mängel:<br />
Alle drei Gesetze sind Spezialfälle einer Aussage, die man viel einfacher formulieren kann: Impuls kann weder<br />
erzeugt noch vernichtet werden. Besonders deutlich wird dies, wenn man berücksichtigt, dass eine Kraft nichts<br />
anderes ist, als die Stärke eines Impulsstroms. Die Newtonschen Gesetze können dann folgendermaßen umformuliert<br />
werden:<br />
1. Der Impuls eines Körpers ändert sich nicht, solange kein Impuls in ihn hinein oder aus ihm heraus fließt.<br />
2. Die zeitliche Änderung des Impulses eines Körpers ist gleich der Stromstärke des Impulses, der in den Körper<br />
hineinfließt.<br />
3. Fließt ein Impulsstrom von einem Körper A auf einen Körper B, so ist die Stromstärke beim Verlassen von A<br />
gleich der beim Eintritt in B.<br />
Diese Folgerungen aus dem Impulssatz sind so einfach, dass man kaum den Status von Lehrsätzen zugestehen<br />
würde. Man überzeugt sich leicht davon, indem man die entsprechenden Sätze für andere Erhaltungsgrößen formuliert,<br />
oder zum Beispiel auch einfach für Wasser: “Die Wassermenge in einem Behälter ändert sich nicht, solange<br />
man kein Wasser in den Behälter hinein oder aus ihm heraus fließen lässt.”…<br />
Herkunft:<br />
Die Herkunft ist einerseits jedermann klar, andererseits bedürfte es einer umfangreichen Analyse der Newtonschen<br />
Arbeit, um zu verstehen, dass im Newtonschen System die drei Gesetze unabhängig voneinander waren.<br />
Schließlich ordnen sie sich in ein kompliziertes Gefüge von Beobachtungen und Definitionen ein. Selbstverständlich<br />
hat Newton nicht die Impulserhaltung an den Anfang seiner Überlegungen gestellt.<br />
Entsorgung:<br />
Man führt in der Mechanik den Impuls sehr früh und als eigenständige Größe ein: als ein Maß der “Bewegungsmenge”,<br />
also dessen, was man umgangssprachlich “Schwung”, “Wucht” oder auch “Kraft” nennt. Wenn sich der<br />
Impuls eines Körpers ändert, so sagt man nicht, es wirke eine Kraft F, sondern es fließe ein Impulsstrom der<br />
Stärke F auf den Körper. Diese Sprechweise ist für den erfahrenen <strong>Physik</strong>lehrer zwar ungewohnt, für den Anfänger<br />
aber leichter, da sie einige der Komplikationen vermeidet, die die Diskussion der Newtonschen Gesetze, besonders<br />
des dritten Gesetzes, mit sich bringt.<br />
F. H.<br />
28
Wege <strong>zur</strong> ENERGIE<br />
ʺKlassischeʺ Abfolge: Kinematik -> Kraft -> Arbeit -> Energie.<br />
KRITIK: Aufwändiger Zugang über komplexe Begriffe. Unmittelbarkeit des Verständnisses wird<br />
verschüttet, Mächtigkeit des Begriffs wird reduziert. Eine Definition wie: ʺEnergie ist die Fähigkeit, Arbeit zu<br />
verrichtenʺ führt Energie auf den komplexeren Begriff Arbeit <strong>zur</strong>ück und meint im Allgemeinen mechanische<br />
Arbeit, ein skalares Produkt zweier Vektoren. Man geht einen langen Weg zu einem Begriff, der leichter<br />
unmittelbar aus dem Alltagsbegriff entwickelbar ist.<br />
Was im Alltag mit Kraft bezeichnet wird, liegt meist der physikalischen Energie näher. Sätze wie ʺHeute habe<br />
ich viel Energieʺ lassen sich weiterführen. Es erscheint angebracht, den Begriff direkt aus<br />
Alltagsvorstellungen zu entwickeln und als <strong>Zugänge</strong> bekannte Aspekte wie Nährwerte oder die Einheit<br />
Watt (Leistung) zu benutzen.<br />
Energie ist skalar und lässt sich als mengenartige Größe konzeptualisieren (siehe: Karlsruher <strong>Physik</strong>kurs).<br />
Auch M. Apolin (Mechanik-Puzzle, hpt-Verlag) beginnt den Band über Mechanik direkt mit<br />
Energiebetrachtungen, ohne andere Begriffe vorauszusetzen.<br />
Verteilt sich die Energie im Raum – infolge von Kraftfeldern (Wechselwirkungen) – beschreibt man dies mit<br />
dem Begriff Potential: Es zeigt die räumliche Verteilung potentieller Energie und ergibt Bilder ähnlich zu<br />
Höhenlandschaften.<br />
Mögliche Abfolge<br />
1. Was ist Energie?<br />
Auf jeden Fall handelt es sich dabei um einen der wichtigsten und weitestreichenden Begriffe der <strong>Physik</strong>,<br />
der auch im Alltagsleben hohe Bedeutung erlangt hat - man denke an Energie als Wirtschaftsfaktor.<br />
Der Begriff lässt sich ohne explizite Definition anhand verschiedener Aspekte ʺeinkreisenʺ und erklären:<br />
Gerhard Rath, <strong>BRG</strong> <strong>Kepler</strong> Graz, Inst. f. Experimentalphysik – Fachdidaktik, Uni Graz http://lehrer.brgkepler.at/grath<br />
30
2. Energieformen und -träger<br />
Energie tritt in verschiedenen ʺFormenʺ auf. Sie ist notwendig, wenn etwas in Bewegung gesetzt, erwärmt,<br />
hochgehoben ... werden soll. Statt: ʺEnergie ist die Fähigkeit, Arbeit zu leistenʺ kann man die Frage stellen:<br />
Auf welche Arten kann man Wärme erzeugen?<br />
Energieformen in alltagsnaher Formulierung sind zum Beispiel: Mechanische Energie (Bewegung, Lage...),<br />
Elektrische E., Chemische E., und Wärme.<br />
Die verschiedenen Formen bestimmen sich eigentlich durch die Träger bzw. Träger-Größen (wie: Impuls,<br />
Entropie, elektrische Ladung). Sie sind ineinander umwandelbar, wobei die Gesamtmenge jeweils erhalten<br />
bleibt.<br />
3. Energieflussdiagramme<br />
Sie sind eine hervorragende Veranschaulichung der verschiedenen Aspekte des Energiebegriffs und<br />
ermöglichen die Beschreibung verschiedenster natürlicher und technischer Vorgänge. Der Kern eines<br />
derartigen Diagramms besteht aus 3 Bestandteilen: Zufließende Energie (formen bzw. träger), System<br />
(Energiewandler bzw. -speicher), abfließende Energie.<br />
Die Energieerhaltung zeigt sich durch die (langfristig) gleich großen Mengen zu- und abfließender Energie.<br />
Damit kann man den Energieerhaltungssatz realitätsnäher am offenen System erklären. Es lassen sich auch<br />
ganze Energieumwandlungsketten bilden - z.B. vom Wärmekraftwerk bis <strong>zur</strong> Glühbirne.<br />
Damit arbeiten wir mit einem Werkzeug, das auch in der Wirtschaft verwendet wird. Wirtschaftliche<br />
Energieflussdiagramme sehen ähnlich aus, statt der physikalischen Energieträger werden dort jedoch<br />
ökonomische beschrieben. Damit gelangt man zu den wirtschaftlichen Energieformen PRIMÄRENERGIE,<br />
ENDENERGIE und NUTZENERGIE.<br />
4. Wert von Energie<br />
Energieformen haben verschiedenen ʺWertʺ, die Umwandlungen sind nicht beliebig bzw. verlustfrei<br />
möglich.<br />
Aus physikalischer Sicht hängt dieser Wert zusammen mit der Ordnung, der Gerichtetheit von Energie. Bei<br />
einem fahrenden Auto bewegen sich (fast) alle Atome mit der gleichen Geschwindigkeit in die gleiche<br />
Richtung. Bei einem Bremsvorgang wird diese Energie in Wärme umgewandelt, also in ungeordnete<br />
Bewegungsenergie von Luftmolekülen bzw. Bestandteilen des Autos. Hochgeordnete ʺwertvolleʺ<br />
Energieformen sind theoretisch vollständig in andere Formen umwandelbar. Den höchsten Wert<br />
repräsentieren elektrische und mechanische Energie, den niedrigsten Wärme (bzw. innere Energie).<br />
Gerhard Rath, <strong>BRG</strong> <strong>Kepler</strong> Graz, Inst. f. Experimentalphysik – Fachdidaktik, Uni Graz http://lehrer.brgkepler.at/grath<br />
31
Der physikalische Wert entspricht in erster Näherung auch dem ökonomischen: Die teuersten<br />
Energieformen sind jene, die am flexibelsten einsetzbar sind - etwa die elektrische Energie.<br />
Energieverbrauch wird hier zu Entwertung von Energie, Erzeugung bzw. Bereitstellung <strong>zur</strong> Aufwertung.<br />
5. Arbeit und Leistung<br />
An solchen Diagrammen ist auch die Unterscheidung zwischen Energie und Arbeit bzw. die Definition von<br />
Leistung möglich. In der <strong>Physik</strong> unterscheidet man zwischen Energie als Systemgröße (wie viel im System<br />
steckt, gespeichert ist) und Energie-Zu- oder Abflüssen - diese bezeichnet man allgemein als Arbeit.<br />
Mechanische Arbeit ist immer mit Wirkungen von Kräften entlang von Wegen verbunden; sie bleibt<br />
abgesehen von (Wärme)Verlusten erhalten (z.B. Hebelgesetz). Elektrische Arbeit tritt in Stromkreisen bei<br />
Stromstärken unter Spannung auf . Die entsprechende Größe in der Thermodynamik bezeichnet man als<br />
Wärme.<br />
Die Stärke dieser Energieströme (also Energie pro Zeit) bezeichnet man als Leistung. Ordnet man Leistung<br />
einem Energiewandler zu, so beschreibt sie die Schnelligkeit der Energieumwandlung. Im Allgemeinen gibt<br />
man bei Energiewandlern Nennleistungen an - Energieumsätze pro Zeit, die sie im Idealfall erreichen<br />
können. Zum Beispiel: Glühbirne: 100W, Auto z.B. 50 kW. Bei Menschen lässt sich die Dauerleistung<br />
(Grundumsatz) mit ca. 80 W angeben, Spitzenleistungen im kW-Bereich sind jedoch möglich.<br />
6. Wie misst man Energie?<br />
Über die Leistung steht uns die erste Möglichkeit <strong>zur</strong> Verfügung - sie ist bei vielen Wandlern (als<br />
Nennleistung) bekannt. Damit lässt sich über E=P.t die in der Zeit t umgewandelte Energie berechnen, aus<br />
Watt und Sekunden erhalten wir Joule (oder aus kiloWatt und Stunden kWh). Beispiele sind elektrische<br />
ʺVerbraucherʺ im Haushalt, Kraftfahrzeuge, Kraftwerke ...<br />
Am bekanntesten ist die Einheit Joule vom Nährwert - der (theoretische) Energiegehalt von Lebensmitteln.<br />
Er gibt eigentlich eine chemische Energie bzw. Arbeit an und wird aus Umsätzen der Energieträger<br />
Kohlehydrate, Eiweiß und Fette mit Sauerstoff berechnet. Damit lassen sich menschliche Energieumsätze<br />
und Leistungen abschätzen. Bei den angegebenen ʺKalorienʺ bzw. ʺJouleʺ handelt es sich jedoch immer um<br />
kcal und kJ.<br />
Weiters lässt sich Energie über die Arbeit (also Energieflüsse) berechnen, wofür es jeweils eigene Formeln<br />
gibt.<br />
Beim Heben im Gravitationsfeld erhalten wir sie aus Gewicht*Höhe. Damit können mechanische<br />
Energieumsätze und Leistungen von Menschen abschätzen - etwa beim Stiegensteigen, Gehen und Laufen.<br />
Beachtet werden muss, dass die mechanische Leistung etwa 20%-25% des Gesamtumsatzes ausmacht. Die<br />
Einheit Joule kommt aus der Mechanik: 1 J = 1Nm - also z.B eine Tafel Schokolade um einen Meter<br />
hochheben.<br />
Einfach zu berechnen ist auch die Wärme. Über sie wurde die erste Energieeinheit definiert, die kiloKalorie<br />
kcal: Jene Energie die notwendig ist, um 1 kg Wasser um 1°C zu erwärmen. 1 kcal = 4,2 kJ.<br />
Die größere Energieeinheit kWh ist bekannt von Stromrechnungen - in kWh wird die umgesetzte<br />
elektrische Energie gemessen. Man misst sie aus dem Produkt von Stromstärke, Spannung und Zeit.<br />
7. Felder: Energie im Raum<br />
Energieverteilungen im Raum werden durch das Potential beschrieben. Entlang von Potentiallinien bzw. –<br />
flächen benötigt man keine Arbeit, man gewinnt aber auch keine Energie. Im Gravitationsfeld sind dies<br />
Linien gleicher Höhe.<br />
Gerade in der Atom- und Teilchenphysik arbeitet man mit Potentialen. Atomkerne erzeugen<br />
„Potentialtöpfe“ für Elektronen, in denen diese „gefangen“ sind und dort „schwingen“<br />
Gerhard Rath, <strong>BRG</strong> <strong>Kepler</strong> Graz, Inst. f. Experimentalphysik – Fachdidaktik, Uni Graz http://lehrer.brgkepler.at/grath<br />
32
Energie - Übersicht<br />
Energieformen und -träger<br />
Energieform Träger<br />
Beispiele<br />
Elektrische Energie elektrische Ladung („Strom“)<br />
elektromagnetisches Feld<br />
Stromnetz, Strahlung<br />
Mechanische Impuls, Kraft Bewegung, Lage (Höhe),<br />
Energie<br />
Schall<br />
Chemische Energie Moleküle, Atome (Hüllen) Nahrung, Brennstoffe,<br />
Treibstoffe<br />
Kernenergie Atomkerne Sonne, Kernspaltung<br />
Innere Energie<br />
Formen, -träger<br />
Einheiten,<br />
E=P.t<br />
Energieflussdiagramme<br />
ENERGIE<br />
Teilchenbewegung Wärme<br />
chemische Energie<br />
Umwandelbarkeit<br />
Wert, Entwertung<br />
SYSTEM<br />
Energiewandler<br />
Transport<br />
Flussdiagramme<br />
Erhaltung<br />
innere Energie (Wärme)<br />
mechanische Energie<br />
chemische Energie<br />
Von selbst<br />
33<br />
unter Energieeinsatz
ENERGIE<br />
• …ist nötig, wenn etwas in Bewegung<br />
gesetzt werden soll, schneller gemacht,<br />
hochgehoben, beleuchtet, erwärmt …<br />
• tritt in verschiedenen Formen auf:<br />
Mechanische Energie (z.B. kinetische,<br />
potentielle), innere Energie, chemische,<br />
elektrische …<br />
• Energieformen haben verschiedenen Wert.<br />
Die hochwertigen (z.B. elektrische Energie)<br />
können ohne Verluste in andere Formen<br />
umgewandelt werden<br />
• geht nicht verloren und kann nicht aus<br />
Nichts erzeugt werden<br />
• Umwandlungen gehen von selbst immer in<br />
eine Richtung („Verbrauch“ von Energie) –<br />
Entwertung<br />
• Einheit: 1 Joule: 1 J = 1 Nm = 1 Ws<br />
ARBEIT<br />
Energieumwandlungen,<br />
bei denen mechanische<br />
Energie auftritt, nennt<br />
man Arbeit<br />
• Ist eine bestimmte Art von<br />
Energieumwandlungen, also<br />
Energiezufuhr oder –abgabe (W = ∆E)<br />
• …tritt ebenfalls in verschiedenen Formen<br />
auf, z.B. Hubarbeit, Beschleunigungsarbeit,<br />
Verformungsarbeit…<br />
• Wenn eine Arbeit W verrichtet wird, muss<br />
eine Kraft F entlang eines Weges s<br />
aufgewendet werden. Die Arbeit berechnet<br />
sich dann als das Produkt aus dem Betrag<br />
der Kraft (in Wegrichtung) und der Strecke,<br />
also:<br />
W = F.s<br />
• Die Einheit ist ebenfalls 1 J = 1 Nm<br />
E<br />
W<br />
Wenn eine Arbeit verrichtet wird, muss<br />
immer eine Kraft aufgewendet werden<br />
Wie schnell läuft eine<br />
Energieumwandlung ab?<br />
LEISTUNG<br />
• Sie gibt an, wie schnell eine<br />
Energieumwandlung abläuft.<br />
• Man kann sie auch als die Stromstärke der<br />
Energie verstehen – wie viel Energie fließt<br />
pro Zeit zu oder ab?<br />
• Die Leistung P berechnet man aus der<br />
umgewandelten bzw. zu/ab-fließenden<br />
Energie ∆E und der dafür benötigten<br />
Zeitspanne ∆t:<br />
P = ∆E/∆t oder P = W/∆t<br />
• Die Einheit der Leistung ist ein Watt<br />
1 W = 1 J/s<br />
KRAFT<br />
34<br />
Die Leistung gibt an, wie schnell eine<br />
Energieumwandlung (ARBEIT) abläuft<br />
• Kräfte erkennt man an ihren Wirkungen.<br />
Sie können etwas verformen, gespannt<br />
halten oder die Bewegung ändern<br />
• Es gibt verschiedene Arten von Kräften,<br />
z.B. Schwerkraft, Federkraft, Reibung …<br />
• Kräfte wirken immer in eine bestimmte<br />
Richtung, sie haben Betrag und<br />
Angriffspunkt (Vektorielle Größe)<br />
• Kräfte sind Wechselwirkungen zwischen<br />
zwei Körpern. Dabei treten Kraft und<br />
Gegenkraft immer paarweise auf (gleich<br />
groß und entgegengesetzt gerichtet)<br />
• Die Einheit der Kraft ist ein Newton<br />
1 N entspricht der Schwerkraft von 100<br />
Gramm am Erdboden<br />
P<br />
F
Gesamtenergiefluss Österreich<br />
100 %<br />
PRIMÄRENERGIE<br />
7% Lagerung,<br />
Export<br />
Bereitstellung<br />
Raffinerien,<br />
Kraftwerke,<br />
Transport<br />
18% Umwandlung,<br />
Eigenverbrauch,<br />
Verteilung<br />
75 %<br />
ENDENERGIE<br />
Verbrauch<br />
Haushalte,<br />
Industrie,<br />
Landwirtschaft,<br />
Verkehr<br />
28% Verluste<br />
Wirkungsgrade von<br />
Öfen, Motoren …<br />
47%<br />
NUTZENERGIE<br />
35
Energiefluss Auto<br />
100 %<br />
PRIMÄRENERGIE<br />
(Erdöl)<br />
Bereitstellung<br />
Raffinerie<br />
15% Umwandlung,<br />
Eigenverbrauch,<br />
Verteilung<br />
85 %<br />
ENDENERGIE<br />
(Benzin)<br />
Verbrauch<br />
Otto-Motor<br />
65% Verluste<br />
Abgase, Kühlung<br />
20% NUTZENERGIE<br />
ENERGIEDIENSTLEISTUNG<br />
4% Transport<br />
(Personen)<br />
16% Eigenbedarf<br />
(Auto)<br />
36
1 Joule (1 J = 1 Ws = 1 Nm)<br />
• an potentieller Energie gewinnt eine Tafel Schokolade, wenn man sie aufhebt<br />
• fällt bei Sonnenschein innerhalb von 10 Sekunden auf 1 cm²<br />
• braucht eine Biene, um 120 m weit zu fliegen; eine Maus kommt damit 0,2 m weit<br />
• lässt eine Taschenlampe eine Sekunde aufleuchten<br />
1 kiloJoule (1 kJ = 10 J)<br />
• wendet man auf, wenn man 1 m schwimmt, 5 m geht, 12 m radfährt oder 8 Treppenstufen steigt<br />
• wird beim Verbrennen von einem Tropfen Benzin frei<br />
• erwärmt einen Esslöffel Leitungswasser auf Körpertemperatur<br />
• lässt eine Nachttischlampe eine Minute leuchten<br />
3,6 MegaJoule (3,6.10 J = 1 kWh)<br />
• an potentieller Energie hat ein Bergsteiger auf dem Matterhorngipfel (4505 m) gewonnen<br />
• reicht für ein warmes Duschbad<br />
• bringt einen Radfahrer 44 km weiter, einen Fußgänger 16 km, einen Bahnreisenden 8 km, einen<br />
Mopedfahrer 6 km, einen Busreisenden 4 km, einen PKW-Fahrer 1 km, einen Flugpassagier 0,7 km.<br />
• braucht ein Kühlschrank für einen Tag Dauerbetrieb<br />
• steckt in 130 g Speck, 10 Eiern, 1/4l Milch, 220 g Zucker, 12 Scheiben Weißbrot oder 1 kg Kartoffeln<br />
3,6 GigaJoule (3,6 GJ = 3,6.10 J = 1 MWh)<br />
• fallen in Österreich als Sonnenenergie im Jahresmittel auf 1 m². Ein Sonnenkollektor kann daraus 34<br />
Vollbäder machen<br />
• reichen in einem Haushalt für 3,3 Jahre Kühlen, 2,5 Jahre Beleuchtung, 1 Jahr Waschen und<br />
Trocknen, ½ Monat Heizen<br />
• können auf dem Elektroherd 500 Menüs bereiten<br />
1 TeraJoule (1 TJ = 10 J)<br />
• stecken in 34 t Steinkohle oder 31000 l Benzin (PKW: 8 Erdumrundungen)<br />
• ist der Primärenergiebedarf Österreichs in einer halben Minute<br />
• verschwendet ein schlecht gedämmtes Einfamilienhaus in 7 Jahren<br />
• entsprechen dem Nahrungsbedarf von 3 Menschen während ihres Lebens<br />
1 Petajoule (1PJ = 10 J)<br />
• steckt in einem fußballfeldgroßen Steinkohlehaufen von 6 m Höhe<br />
• ist der gegenwärtige Primärenergie-Weltverbrauch in 2 Minuten<br />
• empfängt die Erde in einer hundertstel Sekunde von der Sonne<br />
• strahlt die Sonne in 3 Nanosekunden ins All<br />
1) Vervollständige die Zehnerpotenzen (Joule)!<br />
2) Suche zu jeder Rubrik 2 weitere Beispiele!<br />
3) Vergleiche verschiedene Energieformen bzw. Träger miteinander! (z.B. Wärme – Bewegung – Elektr. E.)<br />
Quelle: M. Brockt: Eine Energie-Äquivalenztabelle <strong>zur</strong> Verwendung im Unterricht. in: NiU-P/C 30(1982), S. 128ff<br />
37
NATURWISSENSCHAFTLICHES LABOR<br />
<strong>BRG</strong> KEPLER GRAZ<br />
Energie und Leistung<br />
beim Gehen und Laufen<br />
Theorie:<br />
Der größte Teil der Leistung wird hier für das Heben des<br />
Körpers verwendet!<br />
Wenn man die Hubhöhe h und die Masse m kennt,<br />
kann man die potentielle Energie berechnen, die<br />
pro Schritt zugeführt werden muss (Hubarbeit).<br />
Aus der Schrittlänge und Schrittfrequenz (Schritte<br />
pro Sekunde) kann man die Energie für eine<br />
bestimmte Strecke bzw. Zeit errechnen.<br />
Daraus ergibt sich auch die erbrachte Leistung.<br />
Datum:<br />
Gruppe:<br />
Aufgabe:<br />
1. Bestimmt für jedes Gruppenmitglied die Hubhöhe h!<br />
2. Berechnet daraus die Hubarbeit pro Schritt<br />
3. Messt die Schrittfrequenz f (Schritte pro Sekunde) und die Schrittlänge l!<br />
4. Berechnet die Hubarbeit für 30 Minuten Gehen (bzw. Laufen)<br />
5. Berechnet die Leistung!<br />
Gruppenmitglied -><br />
Hubhöhe (m)<br />
Hubarbeit pro Schritt<br />
Schrittlänge (m)<br />
Schrittfrequenz (Hz)<br />
Hubarbeit für 30 min<br />
Hubleistung<br />
Erklärung:<br />
Vergleicht die erhaltenen Werte mit jenen der Nährwert/Leistungsumsatz-Liste.<br />
Welche Umsätze werden schätzungsweise erbracht?<br />
Quelle: Mathelitsch: Sport und <strong>Physik</strong>. Themenheft <strong>Physik</strong> compact erstellt von: Gerhard Rath<br />
38
39<br />
Nährwerte von Nahrungsmitteln (in kJ) INPUT<br />
Nahrungsmittel kJ kcal Beispiel (Sport)<br />
Mineralwasser, Tee, Kaffee (ohne Zucker) 0<br />
Chips (1 Stk.) 40<br />
1 Stk Würfelzucker 67<br />
ein Apfel 230<br />
1 Ei 370<br />
eine Banane 380<br />
eine Scheibe Brot 400<br />
1 Semmel 590<br />
Cola, 0,33 l 600<br />
1 Glas Milch 600<br />
Bier, 0,5 l 1000<br />
Apfelstrudel, 1 Stk. 1500<br />
Pommes Frittes, Portion (200 g) 1900<br />
1 Tafel Schokolade 2300<br />
1 Rahmschnitzel mit Spätzle 2350<br />
Backhendel, 1 Portion 2400<br />
Grundumsatz (absolutes Nichtstun):<br />
Pro Tag (24 Stunden) ungefähr: Körpergewicht in kg x 100 → kJ<br />
z.B. 70 kg → 7000 kJ<br />
Meine Masse (kg): Mein Grundumsatz (kJ) Meine Grundleistung (W):<br />
Zusätzlicher Verbrauch (für jeweils eine halbe Stunde) in kJ:<br />
Aktivität kJ/30min Watt Fressbeispiel<br />
Liegen 42<br />
Sitzen 54<br />
Stehen 92<br />
Auto Fahren 126<br />
zu Fuß gehen, 2 km/h 213<br />
Gymnastik 300 - 600<br />
Radfahren, 10 km/h 350<br />
zu Fuß gehen, 5 km/h 400<br />
Tanzen (Walzer) 700<br />
Tanzen (Rock) 1200<br />
Tennis, Fußball ca. 1000<br />
Laufen, 12 km/h 1400<br />
Schi-Langlauf, 6 km/h 1400<br />
Brustschwimmen, 50 meter/minute 1420<br />
Schi alpin 1460<br />
Schi Langlauf, 10 km/h 1800<br />
OUTPUT
Elektrizität<br />
Für die Unterstufe (3./4. Klasse)<br />
Viele <strong>Zugänge</strong> <strong>zur</strong> Elektrizität in der Unterstufe beginnen mit Atombau und geladenen Teilchen, um sich<br />
danach auf die Begriffe Spannung, Stromstärke und Widerstand zu konzentrieren, die hauptsächlich aus<br />
dem Teilchenmodell begründet werden. Dieser Zugang muss aus didaktischer Sicht zweifach kritisiert<br />
werden.<br />
1. Das Teilchenmodell bringt auf dieser Stufe keine sinnvolle Verständnishilfe für elektrische Phänomene,<br />
sondern eine Komplizierung der Erklärungen. Elektrische Phänomene haben sinnliche <strong>Zugänge</strong> (z.B.<br />
Leuchten von Lämpchen) und sie sind durch Modelle erklärbar, die im Erleben der Schüler wurzeln<br />
(Fahrradkettenmodell). Auch historisch gesehen war es so, dass alle auf dieser Stufe behandelten<br />
Phänomene (und etliche andere, z.B. elektromagnetische Wellen) bereits vor der Entdeckung des Elektrons<br />
(ca. 1900) erklärt waren (Maxwellʹsche Gleichungen). Wenn überhaupt, so bringt dieser Zugang eine Hilfe<br />
für die Verankerung von Teilchenmodellen durch weitere Anwendungen.<br />
2. Die Fokussierung auf die Begriffe U, I und R sowie die überragende Bedeutung des Ohmʹschen<br />
Gesetzes ist aus didaktischer Sicht nicht rechtfertigbar, insbesondere im Verhältnis gesehen zu Energie und<br />
Leistung. Objekte mit konstantem Widerstand gibt es kaum, und wenn, dann nur in begrenzten U- bzw. I-<br />
Bereichen, daher gilt das Ohmʹsche Gesetz auch immer nur in diesen Bereichen bzw. punktuell.<br />
Der hier präsentierte Zugang <strong>zur</strong> Elektrizität Unterstufe hat folgende Charakteristiken:<br />
o Erklärung von Stromkreisen sowie der Begriffe I und U durch Modelle aus der Alltagswelt<br />
(Fahrradkettenmodell)<br />
o Experimentieren mit einfachen Bauteilen, insbesondere Batterien und Lämpchen<br />
o Konzentration auf energetische Aspekte: Quelle, Verbraucher; Leistung und Energie<br />
o Simulation bzw. Auswertung durchgeführter Experimente am PC<br />
Der Unterricht beginnt mit Versuchen mit Batterien und Lämpchen, die auf verschiedene Weise zu<br />
funktionierenden Stromkreisen kombiniert werden. Der Einstieg ist mittelschwer, es werden gleich<br />
Schaltungen mit mehreren Lämpchen gebaut. Trotzdem spielt die Erklärung von Parallel- und<br />
Serienschaltungen eine Nebenrolle, ist doch gerade dafür das verwendete Modell kaum brauchbar. Das<br />
Bauen und Messen ist nicht das eigentliche Ziel, da operatives Wissen nur durch dauernde Übung erhalten<br />
bleibt. Lämpchen und Batterien haben hier auch den Nachteil, dass sie Objekte mit variablen Eigenschaften<br />
sind (Widerstand, Leistung), was jedoch erst in der Oberstufe genauer verfolgt werden kann.<br />
Anhand des Bauens und Messens sollen insbesondere energetische Aspekte von Stromkreisen deutlich<br />
werden.<br />
Quellen:<br />
H. Muckenfuß, A. Walz: Neue Wege im Elektrik-Unterricht. Aulis-Verlag 1997<br />
R. Duit u.a.: <strong>Physik</strong> 5/6, <strong>Physik</strong> 7/8. Lehrbuch für die Sekundarstufe 1, Diesterweg-Konkordia 1994<br />
Gerhard Rath, <strong>BRG</strong> <strong>Kepler</strong> Graz, Inst. f. Experimentalphysik – Fachdidaktik, Uni Graz http://lehrer.brgkepler.at/grath<br />
40
Einfache Schaltungen<br />
1. Diskussion über die Bedeutung des elektrischen Stromes (bzw. der Versorgung mit elektrischer Energie)<br />
für unser Alltagsleben. Wie sähe ein Tag ohne Elektrizität aus?<br />
Mögliche Aufgabe: Verfassen einer Fantasiegeschichte: Ein Tag ohne Strom …<br />
Wozu dient die Elektrizität im Alltag? Sie liefert Energie, und sie transportiert Information.<br />
2. Drei Repräsentationsformen<br />
Ein gut untersuchtes Verständnisproblem ist der Wechsel bzw. die Entsprechung zwischen realer Schaltung<br />
und symbolischer Schaltskizze. Schülerexperimentiergeräte wollen diese Denkprobleme durch Verwendung<br />
von Bauteilen umgehen, die wie jene in der Schaltskizze aussehen und bausteinartig zusammengesetzt<br />
werden. Diesen Weg halte ich für nicht zielführend.<br />
Ziel der folgenden Unterrichtssequenz ist, real gebaute und gemessene elektrische Schaltungen mit<br />
simulierten (Software EDISON) zu vergleichen. Dadurch wird insbesondere die Fähigkeit <strong>zur</strong> Abstraktion<br />
geschult, denn die Schaltungen werden auf 3 Arten verwirklicht.<br />
A. Realer Aufbau<br />
(mit Lämpchen, Fassungen, Verbindungen, Batterie). Dabei verwende ich nicht die Steckbauteile der<br />
Schülerversuchssätze, sondern gekaufte billige, die frei (fliegend) verbunden werden. Dieses System ist<br />
leicht transportabel (z.B. in Klassenräume), realitätsnah und verdeutlicht unmittelbar Schaltungsprobleme<br />
wie Kurzschluss und Wackelkontakt.<br />
Erste Aufgaben: Bringe ein Lämpchen mit einer Batterie (ohne Kabel)<br />
zum Leuchten. Bringe 2 Lämpchen zugleich zum Leuchten (es gibt<br />
mehrere Möglichkeiten!). Mache das Gleiche nun mit Kabeln und<br />
Fassungen.<br />
Was brauchen funktionierende Stromkreise?<br />
Leitende Verbindungen, Verbraucher passt <strong>zur</strong> Quelle …<br />
B. Symbolische Schaltskizze<br />
Beim Aufzeichnen der Schaltungen aus A merken die Schüler bereits die Umständlichkeit der realen<br />
Darstellung. Dies motiviert die Verwendung symbolischer Skizzen -<br />
die jedoch eine Abstraktion darstellen. Wichtigste Regel: Jeder der<br />
(bisher) verwendeten Bauteile hat 2 Anschlüsse.<br />
C. Simulation der Schaltung mit EDISON<br />
Hier sieht das Ganze wieder ähnlich aus wie im Realversuch, nur sind<br />
die Werte berechnet und nicht durch Faktoren wie ungleiche<br />
Lämpchen oder schwache Batterien beeinflusst.<br />
Schaltungsfehler wie Kurzschlüsse werden jedoch direkt und<br />
dramatisch dargestellt.<br />
Gebaut werden:<br />
Schaltungen mit 3 Lämpchen, mit Schaltern (Treppenhauslicht)<br />
Gerhard Rath, <strong>BRG</strong> <strong>Kepler</strong> Graz, Inst. f. Experimentalphysik – Fachdidaktik, Uni Graz http://lehrer.brgkepler.at/grath<br />
41
Modelle für den Stromkreis<br />
1. Eigene Überlegungen der Schüler<br />
Was passiert im Stromkreis? Was ist eigentlich ʺelektrischer Stromʺ? Stelle dir vor, du könntest dich in die<br />
Bauteile hineinzoomen, was ist z.B. in der Batterie oder in der Lampe los?<br />
Aufgabe: Erstellen einer Zeichnung mit Beschreibung - ein Modell des elektrischen Stromes.<br />
2. Gezieltes Ansprechen eines Fehlmodells<br />
Viele Leute glauben, dass der elektrische Strom von zwei ʺStoffenʺ (oder Teilchen...) bewerkstelligt wird:<br />
PLUS und MINUS. An den Polen der Batterie (Buchsen der Steckdose etc.) treten diese aus und treffen sich<br />
dann im Lämpchen, wo sie zusammenstoßen, sich vernichten, oder was auch immer - jedenfalls wird dort<br />
Energie frei. Darum auch die Batterie als QUELLE und die Lampe als VERBRAUCHER.<br />
Dieses Modell ist falsch!<br />
Mit welchen einfachen Versuchen kann man zeigen, dass es nicht stimmen kann?<br />
Mögliche Versuche:<br />
Serienschaltung: Schaltet man mehrere gleiche Lämpchen hintereinander, leuchten sie gleich hell. Wie wäre dies<br />
beim Zweistoffmodell zu verstehen, insbesondere bei mehr als 2 Lampen?<br />
2 Batterien: Ich entnehme einer Batterie die PLUS, der anderen jedoch die MINUS. Das Lämpchen leuchtet nicht.<br />
Erst nach Verbindung der beiden anderen Pole der Batterien leuchtet es.<br />
3. Das Fahrradkettenmodell<br />
Wir vergleichen den Stromkreis mit dem Antrieb eines Fahrrades. Während die ʺElektrizitätʺ (Kette) sich im<br />
Kreis bewegt (der muss geschlossen sein), wird ENERGIE von der Quelle (Pedale/Kurbel/Kettenblatt) zum<br />
Verbraucher (Hinterrad) transportiert.<br />
Der Begriff STROM steht für diesen Vorgang (und nicht für einen Stoff, der ʺfließtʺ), es fließt die Energie,<br />
getragen durch eine Elektrizitätsbewegung.<br />
Im Gegensatz zu irgendwelchen Elektronen- oder Wasserkreismodellen stellt dieses Modell einen unmittelbaren<br />
Bezug <strong>zur</strong> Erfahrungswelt der Schüler her. Die begriffliche Struktur folgt Muckenfuß (siehe Quelle unten).<br />
ʺElektrizitätʺ eignet sich als Bewegtes besser als ʺLadungʺ oder als ʺElektronenʺ.<br />
Gerhard Rath, <strong>BRG</strong> <strong>Kepler</strong> Graz, Inst. f. Experimentalphysik – Fachdidaktik, Uni Graz http://lehrer.brgkepler.at/grath<br />
42
43<br />
Der elektrischen SPANNUNG entspricht die Trittkraft am Pedal. Sie kann auch vorhanden sein, wenn sich<br />
die Kette noch nicht bewegt (leere Batterie).<br />
Der STROMSTÄRKE entspricht die Menge der transportierten Kettenglieder pro Zeit.<br />
Die LEISTUNG als transportierte Energie (pro Zeit) setzt sich also zusammen aus Antriebskraft und<br />
Geschwindigkeit. Man überträgt viel Energie, wenn man stark und oft tritt.<br />
Insofern ist ʺStromstärkeʺ ein ungünstiger Name für eine reine Mengengröße, die Stärke (als Maß der<br />
Beladung mit Energie) entspricht eher der Spannung.<br />
Spannung und Stromstärke<br />
Elektrische Spannung<br />
Sie wird als treibende Kraft für die Elektrizitätsbewegung gesehen und bestimmt maßgeblich die<br />
transportierte Energie. Sie ist den Schülern in Form ihrer Einheit VOLT meist recht geläufig.<br />
Versuche: Spannungsmessungen mit dem DMM an Schaltungen mit einem und mehreren Lämpchen - Verteilung der<br />
Spannung im Kreis. Diese Messungen lassen sich mit EDISON simulieren.<br />
Elektrische Stromstärke<br />
Obige Messungen (insbesondere an 3 Lämpchen) zeigen, dass die Spannung mit der Helligkeit (Leistung) nicht direkt zusammenhängt - bei einer einfachen Serienschaltung sind die einzelnen Lämpchen<br />
wesentlich schwächer als die gemessene Spannung nahe legen würde. Es spielt eben auch die Menge bzw.<br />
ʺSchnelligkeitʺ des Transports von Elektrizität eine Rolle, welche durch den Begriff der STROMSTÄRKE<br />
(Ampere) beschrieben werden kann.<br />
Versuche:<br />
Messungen von Stromstärken in Schaltungen mit mehreren Lämpchen bzw. Simulation mit EDISON.<br />
Mit dem Verankern sinnstiftender Grundvorstellungen zu diesen beiden Begriffen wird auch das richtige<br />
Messen gelernt und geübt. Begleitend zum realen Messen mit dem DMM (Volt und Ampere) werden<br />
entsprechende Messungen mit Edison simuliert.<br />
Weiters wird versucht, Schaltskizzen in WORD zu zeichnen. Dazu wurden die Basis-Elemente als<br />
Autoformen vorgegeben.<br />
Didaktisch zielt der Unterrichtsgang ab hier auf den Begriff der Leistung (als Produkt aus Spannung und<br />
Stromstärke). Die reale Helligkeit der Lämpchen wird physikalisch durch die Leistung beschrieben.<br />
Gerhard Rath, <strong>BRG</strong> <strong>Kepler</strong> Graz, Inst. f. Experimentalphysik – Fachdidaktik, Uni Graz http://lehrer.brgkepler.at/grath
NATURWISSENSCHAFTLICHES LABOR<br />
<strong>BRG</strong> KEPLER GRAZ<br />
Titel des Versuchs:<br />
Schaltungen mit 3 Lämpchen<br />
Datum: Klasse:<br />
Gruppe:<br />
Aufgabe:<br />
Baue verschiedene Schaltungen mit einem, 2 oder 3 Lämpchen!<br />
Notiere jeweils die Helligkeit (im Vergleich zu einem Lämpchen allein) und zeichne die<br />
Schaltbilder!<br />
Material: 3 gleiche Lämpchen, 4,5V-Batterie, Kroko-Verbindungen, Lampenfassungen<br />
Ein Lämpchen allein:<br />
Schaltungen mit 3 Lämpchen:<br />
2 in Serie<br />
Helligkeiten:<br />
2 parallel<br />
A B<br />
A<br />
Helligkeiten:<br />
B<br />
44<br />
erstellt von: Gerhard Rath
ELSA – 3B<br />
<strong>BRG</strong> KEPLER GRAZ<br />
Titel des Versuchs:<br />
Virtuelle Schaltungen 1<br />
Datum:<br />
Gruppe::<br />
Aufgabe:<br />
„Baut“ mit dem Programm EDISON die vier möglichen<br />
Schaltungen mit je 3 Lämpchen! Schließt an jedem Lämpchen<br />
ein Voltmeter (Spannungsmessgerät) an und vergleicht die<br />
gemessenen Spannungen mit den Helligkeiten der Lämpchen<br />
(im Realexperiment)!<br />
Kopiert die Schaltungen (wie das nebenstehende Beispiel) in<br />
die entsprechenden Felder unten! (Menü DATEI – Kopieren ins<br />
Clipboard)<br />
Druckt den Zettel für jedes Gruppenmitglied aus!<br />
Erklärungen:<br />
45<br />
erstellt von: Gerhard Rath
ELSA – 3B<br />
<strong>BRG</strong> KEPLER GRAZ<br />
Titel des Versuchs:<br />
Virtuelle Schaltungen 2<br />
Datum:<br />
Gruppe::<br />
Aufgabe:<br />
Gesucht sind 2 Schaltungen, die SCHALTER verwenden. Edison hat 3 verschiedene Schalter,<br />
die im HILFE-Dokument (Edison-Hilfe.doc) erklärt werden.<br />
1. Wie geht das?<br />
Material: Batterie, 2 Lämpchen, (Ein/Aus) Schalter, Verbindungen<br />
Aufgabe: Wenn der Schalter ausgeschaltet ist, sollen beide Lämpchen gleich hell leuchten, wenn<br />
er eingeschaltet wird, soll ein Lämpchen heller werden, das andere dunkler.<br />
Kopiere die Lösung hier herein! Zusatz: Zeichne die Schaltskizze (Dafür findest du unten<br />
fertige Schaltelemente)!<br />
2. Treppenhauslicht<br />
Eine Wechselschaltung funktioniert mit zwei Umschaltern.<br />
Vervollständige die Schaltskizze! Erkläre die Funktion!<br />
„Baue“ eine entsprechende Schaltung mit EDISON und<br />
kopiere das Ergebnis.<br />
Schaltelemente:<br />
Quelle Wechselschaltung: http://www.zum.de/dwu/pek004vs.htm erstellt von: Gerhard Rath<br />
L<br />
S1 S2<br />
46
ELSA – 3B<br />
<strong>BRG</strong> KEPLER GRAZ<br />
Titel des Versuchs:<br />
Volt-Ampere-Messungen<br />
Datum:<br />
Gruppe::<br />
Aufgabe:<br />
Mit Edison sollen Schaltungen mit einem, zwei oder drei Lämpchen gebaut werden.<br />
Bei jedem Lämpchen ist die Spannung (Volt) und die Stromstärke (Ampere) zu messen!<br />
Kopiert die Schaltbilder in diese Datei und ergänzt sie durch die entsprechenden<br />
Schaltskizzen (Unten findet ihr die fertigen Schaltelemente)<br />
Schaltelemente:<br />
A V<br />
47<br />
erstellt von: Gerhard Rath
Von der Quelle zum Verbraucher<br />
Der Unterricht Elektrizität in der 3. Klasse baut generell auf den energetischen Aspekten der Stromkreise<br />
auf. Die Bewegung der Elektrizität im Kreis hat insbesondere die Aufgabe, Energie von der ʺQuelleʺ zum<br />
ʺVerbraucherʺ zu transportieren - beide stellen Energie-Umwandler dar. Die Leistung kann als<br />
Energiestromstärke verstanden werden. Die diesbezüglichen Aufgaben für Schüler (am PC) sind im Prinzip<br />
Recherchen, allerdings mit unterschiedlichen Produkten. Ergänzt werden diese Aktivitäten durch die Arbeit<br />
mit dem Lehrbuch bzw. Schülerexperimente.<br />
Dabei beginne ich mit Verbrauchern (hier: Geräte im Haushalt), da diese den Schülern näher stehen und die<br />
entsprechenden Tätigkeiten einen Gegenpol <strong>zur</strong> vorangegangenen Arbeit mit den Schaltungen bietet.<br />
Aufgabenstellungen für Schüler<br />
1. Elektrische Haushaltsgeräte<br />
Sucht Euch ein Elektrogerät aus, das euch interessiert. Es muss bei euch im zu Hause vorhanden sein und<br />
auch im Lehrbuch vorkommen (siehe z.B. ab Seite 57 (<strong>Physik</strong> erleben 3, hpt)).<br />
Über dieses Gerät sollt ihr eine A4-Seite (in Farbe) gestalten - diese wird dann ausgedruckt und ausgestellt!<br />
Inhalte:<br />
o Beschreibung, Bild, technische Funktion<br />
o Energieumwandlungen<br />
o Energieverbrauch, -sparen<br />
o Leistung<br />
Quellen:<br />
Lehrbuch, Encarta ,WWW<br />
Die Quellen und eure Namen sollen unten auf der Seite angeführt sein!<br />
2. Wie wird STROM erzeugt?<br />
Du sollst ein WORD-Dokument erstellen (eine A4-Seite) <strong>zur</strong> obigen Fragestellung.<br />
1. Die Frage ist in physikalische Fachsprache zu übersetzen!<br />
2. Es sind verschiedene Möglichkeiten aufzulisten (eventuell mit Bildern) - und die Quellen anzugeben<br />
(Lehrbuch Seite, WWW-Seite, Encarta)<br />
Denke an die Regel: Alles was am Blatt steht, musst du verstehen und eventuell den anderen Schülern<br />
erklären können!<br />
3. Formatiere das Dokument, gib deinen Namen in die Fußzeile und drucke es aus!<br />
4. Zusatzaufgabe: Du kannst dir eine Möglichkeit aussuchen und diese genauer beschreiben! Eine<br />
klassische Recherchearbeit.<br />
3. Schülerexperimente zu Spannungsquellen<br />
Untersuche verschiedene Arten der Erzeugung elektrischer Spannung anhand des gegebenen<br />
Versuchsprotokolls.<br />
1. Metalle in Salzlösung (Elektrochemische Spannungsreihe)<br />
2. Der Mensch als Batterie<br />
3. Eine Batterie aus Münzen4. U/I-Messungen an: Blockbatterie, Solarzelle, Handgenerator (-> Bestimmung<br />
der maximalen Leistung)<br />
Dabei geht es wieder um mögliche Leistungen, die sich näherungsweise aus maximaler Spannung und<br />
maximaler Stromstärke bestimmen lässt. Eine besondere Erfahrung bietet der Handgenerator - er macht<br />
Leistung erfahrbar. Ohne Verbraucher lässt er sich spielend drehen, kurzgeschlossen (z.B. über ein<br />
Amperemeter) bietet er einen hohen mechanischen Widerstand ...<br />
Gerhard Rath, <strong>BRG</strong> <strong>Kepler</strong> Graz, Inst. f. Experimentalphysik – Fachdidaktik, Uni Graz http://lehrer.brgkepler.at/grath<br />
48
ELSA-<strong>BRG</strong> KEPLER GRAZ<br />
Titel des Versuchs:<br />
Wir stellen STROM her<br />
Elektrochemische Spannungsreihe<br />
1. Versuchsbeschreibung<br />
2. Messtabelle<br />
Datum: Klasse:<br />
Gruppe:<br />
Metall Cu Pb Al Zn Sn C<br />
Cu<br />
Pb<br />
Al<br />
Zn<br />
Sn<br />
C<br />
Reihe vom edelsten zum unedelsten<br />
Metall<br />
Spannung<br />
Der Mensch als Batterie (Lehrbuch S. 40): Welche Spannung bringt ihr zusammen?<br />
Eine einfache (Münzen)-Batterie (mit 1-5cent --- 10-50cent) (Lehrbuch S. 41)<br />
Was leistet eine 4,5V-Batterie maximal?<br />
1. Messung der Spannung<br />
2. Messung der Stromstärke (auf 20 A einstecken!) – kurzzeitig!<br />
3. Berechnen der Maximalleistung<br />
Was leistet eine Solarzelle maximal? (z.B. auf dem Overhead-Projektor). Messung wie zuvor.<br />
Was leistet ein Dynamo? (Messung wie zuvor)<br />
49<br />
erstellt von: Gerhard Rath
Kennlinien<br />
Die abschließende Sequenz wiederholt und festigt die gelernten Begriffe und fügt dem (Fahrradketten-<br />
Modell) den Begriff des WIDERSTANDES hinzu. Dieser kann als Ursache für Bremsung bzw. Anstrengung<br />
gesehen werden (nicht als die bremsende Kraft selbst - dieser entspräche eher die Gegenspannung).<br />
Begonnen wird mit Schülerexperimenten <strong>zur</strong> Kennlinienaufnahme an verschiedenen Bauteilen, die sich gut<br />
mit EXCEL grafisch auswerten lassen. Dabei kann auch mit ohmʹschen Widerständen gearbeitet werden<br />
(Farbcode). In den U-I-Diagrammen erscheint der Widerstand als Anstieg der erhaltenen Linie (bzw. Anstieg<br />
1/R). Der Zusammenhang R=U/I wird als formelmäßige Definition des Widerstandes eingeführt.<br />
Das Ohmʹsche Gesetz erscheint dann als umgeformte Formel: Gegeben sind in Stromkreisen meist Spannung<br />
und Widerstand, es ergibt sich jeweils die Stromstärke: I=U/R.<br />
Aufgabenstellungen für Schüler<br />
1. Aufnahme von Kennlinien<br />
Wenn wir die Eigenschaften von Objekten oder Bauteilen im Stromkreis untersuchen wollen, können wir<br />
z.B. eine angelegte Spannung hoch regeln und gleichzeitig die sich ergebende Stromstärke messen. So ein I-<br />
U-Diagramm nennt man Kennlinie.<br />
Je steiler die sich ergebende Kurve zeigt, desto schneller steigt die Stromstärke bei steigender Spannung.<br />
Bauteile mit steilen Kennlinien haben einen niedrigen Widerstand.<br />
Umgekehrt: Flache Kennlinien bedeuten, dass die Stromstärke nur langsam steigt - der Widerstand ist<br />
höher. Den Widerstand kann man punktuell auch ausrechnen: R=U/I.<br />
Ist die Kennlinie eine Gerade, so bleibt der Widerstand konstant (U=R.I – „Ohmsches Gesetz“). Der<br />
menschliche Körper hat eine Kennlinie, die mit steigender Spannung bzw. Stromstärke steiler wird -<br />
unglücklicherweise sinkt unser Widerstand, wenn wir in den Stromkreis geraten!<br />
Die Messwerte werden mit EXCEL in grafische Form gebracht und ausgewertet.<br />
2. Widerstandsmessung<br />
Wir bestimmen den elektrischen Widerstand von verschiedenen Objekten auf verschiedene Arten:<br />
o Messung mit dem DMM als Ohmmeter<br />
o U-I-Messung (Schaltung wie bei Kennlinienaufnahme) - berechnen als U/I<br />
o Nennwert von Bauteilen (Farbcode)<br />
Gerhard Rath, <strong>BRG</strong> <strong>Kepler</strong> Graz, Inst. f. Experimentalphysik – Fachdidaktik, Uni Graz http://lehrer.brgkepler.at/grath<br />
50
ELSA – 3B<br />
<strong>BRG</strong> KEPLER GRAZ<br />
Titel des Versuchs:<br />
Kennlinien<br />
Datum:<br />
Gruppe:<br />
Aufgabe:<br />
Kennlinien sind zu erklären, zu messen und am PC auszuwerten<br />
1. Was ist eine Kennlinie?<br />
(Notiere hier das Wesentliche der Erklärungen des Lehrers)<br />
2. Messung<br />
Baue folgende Schaltung auf:<br />
0..6V (Netzgerät)<br />
A<br />
Die Spannung wird in 1V-Schritten hoch geregelt und jeweils die Stromstärke abgelesen und<br />
notiert.<br />
3. Messwerttabelle und Diagramm<br />
Spannung Stromstärke (Ampere)<br />
(Volt)<br />
0<br />
1<br />
2<br />
3<br />
4<br />
5<br />
6<br />
Lampe Motor Widerstand<br />
Die Messwerte werden mit EXCEL in ein Diagramm ausgewertet!<br />
V<br />
Bauteil abwechselnd<br />
M<br />
51<br />
erstellt von: Gerhard Rath
NATURWISSENSCHAFTLICHES LABOR<br />
<strong>BRG</strong> KEPLER GRAZ<br />
Titel des Versuchs:<br />
Widerstandsmessung<br />
Datum: Klasse:<br />
Gruppe:<br />
Aufgabe:<br />
Mit dem DMM sind verschiedene Widerstands-Werte (in Ohm) zu bestimmen!<br />
Material: Widerstände, Lämpchen, 4,5V-Batterie, Kroko-Verbindungen, Lampenfassungen,<br />
DMM<br />
1. Direkte Messung:<br />
Die Werte werden am DMM abgelesen.<br />
Bestimme:<br />
Körperwiderstand<br />
Lämpchen (kalt)<br />
Wasser<br />
Obst<br />
Bleistiftmine<br />
…<br />
…<br />
2. Indirekt: Über das Ohm’sche Gesetz<br />
In einem geschlossenen Stromkreis<br />
wird eine U- und eine I-Messung<br />
durchgeführt.<br />
Dann dividiert man U/I -> V/A=Ω<br />
Miss auf diese Weise:<br />
Bauteil Widerstand<br />
Lämpchen (in Betrieb)<br />
Vergleiche die Ergebnisse!<br />
Schaltskizze:<br />
Bauteil Widerstand:<br />
Farbcode Messwert<br />
Vergleiche mit dem Nennwert (Farbcode!<br />
Siehe unten)<br />
Farbcodetabelle für Bauteil Widerstand<br />
Farbe 1. Ring 2. Ring 3. Ring Letzter Ring<br />
(1. Ziffer) (2. Ziffer) (Multiplikator) (Toleranz)<br />
Schwarz - 0 (10 0 ) -<br />
Braun 1 1 0 (10 1 ) 1 %<br />
Rot 2 2 00 (10 2 ) 2 %<br />
Orange 3 3 000 (103)<br />
Gelb 4 4 0000 (10 4 )<br />
Grün 5 5 00000 (105) 0,5 %<br />
Blau 6 6 000000 (10 6 )<br />
Violett 7 7 -<br />
Grau 8 8 -<br />
Weiß 9 9 -<br />
Gold - - (10 -1 ) 5 %<br />
Silber - - (10-2) 10 %<br />
52<br />
erstellt von: Gerhard Rath
Wege zum Teilchenmodell<br />
Grundgedanken<br />
Auf die Frage, was die wesentlichste Erkenntnis der <strong>Physik</strong> des 20. Jhdts. sei, antwortete R. Feynman<br />
sinngemäß: Dass die Welt aus Teilchen besteht. Damit meinte er nicht nur die Materie, sondern auch Energie<br />
und Feld - sie werden durch gequantelte Größen beschrieben.<br />
Der Zugang zum Teilchenmodell in der Unterstufe steht vor einem Dilemma: Erkenntnis und Verständnis<br />
wird durch Anschaulichkeit erreicht, durch Möglichkeit von Anbindung an Bekanntes - die Welt der<br />
Teilchen ist jedoch grundsätzlich unanschaulich und abstrakt.<br />
Daraus resultieren etliche gut untersuchte Fehlvorstellungen, an denen jedoch der Unterricht oft nicht ganz<br />
unschuldig ist. Meist werden die Teilchen als kleine Kugeln oder Bälle dargestellt.<br />
Literatur dazu: R. Duit: Alltagsvorstellungen und <strong>Physik</strong> lernen. In: Kircher u.a.: <strong>Physik</strong>didaktik in der Praxis, S. 20<br />
ff. Springer-Verlag<br />
Schülervorstellungen:<br />
Zwischen den Teilchen ist etwas, z.B. Luft. Auch zwischen Luftteilchen ist Luft. Diese Vorstellung ist jedoch<br />
ausbaubar - denn zwischen den Teilchen ist wirklich etwas, wir bezeichnen es jedoch als Feld: Die Teilchen<br />
interagieren, sie wirken in ihre Umgebung.<br />
Den Teilchen werden Eigenschaften der realen Welt zugeordnet: Sie sind farbig, hart oder weich - sie haben<br />
Reibung und kommen irgendwann <strong>zur</strong> Ruhe ...<br />
Im folgenden meint Teilchen zuerst Atome bzw. Moleküle, später dann auch Objekte im subatomaren<br />
Bereich. Das Atom stellt aus meiner Sicht eine Grenze dar: Atome können wir noch abbilden, sie erscheinen<br />
als ʺKugelnʺ - daher liegt diese Vorstellung nicht ganz so falsch. Weit überzogen ist es aber, sich innerhalb<br />
des Atoms noch kleinere Kugeln vorzustellen, herumschwirrende Elektronen etc.<br />
Darum versuche ich, Atommodelle eher spät einzuführen. Für den Anfangsunterricht aus Elektrizität sind<br />
diese nicht notwendig - wir brauchen sie erst für Phänomene wie Elektrizitätsleitung in Flüssigkeiten oder<br />
Gasen, für Elektronik, Spektren oder Radioaktivität.<br />
Der präsentierte Zugang orientiert sich an: R. Driver, P. Scott: Schülerinnen und Schüler auf dem Weg zum<br />
Teilchenmodell. In: NiU <strong>Physik</strong> 5/94, S. 22 ff.<br />
1. Einfache Versuche - Schülervorstellungen<br />
Den Schülern werden in Gruppen einfache Versuche bzw. Beobachtungen ermöglicht, zum Beispiel:<br />
o 3 Spritzen, gefüllt mit Luft, Wasser und Sand<br />
o zwei gleich große, aber verschieden schwere Metallstücke (z.B. Eisen und Aluminium)<br />
o Salz löst sich in Wasser<br />
o Ein Parfümfläschchen<br />
Sie werden aufgefordert, diese Beobachtungen zu erklären: Was wäre, wenn man mit einem ganz starken<br />
Mikroskop in die Materie hineinschauen könnte? Warum lässt sich Luft zusammendrücken, aber Wasser<br />
nicht? Warum ist Eisen schwerer als Aluminium? Wo ist das Salz hin - wir sehen es nicht mehr, können es<br />
aber schmecken ... Die Erklärungen werden in Form von Plakaten zeichnerisch präsentiert und diskutiert.<br />
Üblicherweise werden auch Teilchenvorstellungen verwendet.<br />
Heimversuch: Wir lassen ein Glas Wasser einige Tage offen stehen - es verschwindet mit der Zeit. M.<br />
Wagenschein stellte dazu die Frage: Verdunstet es durch inneren Drang, ʺflüchtetʺ es - oder wird es von der<br />
Luft ʺentführtʺ?<br />
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53
2. Der Forscher als Detektiv<br />
(Eventuell mit einem Spiel) wird den Schülern erklärt, dass wir mit solchen Fragen in einer ähnlichen Lage<br />
sind wie ein Detektiv bei einem mysteriösen Fall: Wir haben Anhaltspunkte, Indizien - aber wir wissen nicht<br />
genau, was dahinter steckt, was eigentlich passiert ist - wir müssen uns eine Theorie, ein Modell<br />
<strong>zur</strong>echtlegen.<br />
Bereits in der Antike kam die Idee auf, die Materie könnte aus sehr kleinen Teilchen bestehen. Nehmen wir<br />
dies als unser Modell - was können wir dann aus den Beobachtungen auf die Eigenschaften dieser Teilchen<br />
schließen? Welche Eigenschaften der Materie könnten von den Teilchen selbst stammen, welche von ihren<br />
Bindungen untereinander?<br />
Im Weiteren geht es darum, die Mächtigkeit dieses Modells zu zeigen. Auch wenn wir noch keinen Beweis<br />
dafür haben, erklärt es eine große Menge von Phänomenen und Vorgängen.<br />
3. Eigenschaften der Teilchen - Schlüsse auf elementarem Niveau<br />
Gewicht: Das verschiedene Gewicht von Metallen kann sowohl aus verschiedenem Gewicht der einzelnen<br />
Bestandteile wie aus der verschieden dichten Anordnung stammen.<br />
Elastizität, Härte, Oberflächenbeschaffenheit: Diese Eigenschaften kommen von der Bindung der Teilchen<br />
untereinander.<br />
Farbe: Die Teilchen selbst sind sehr klein, sie sind für uns unsichtbar (z.B.: Luft). Daher kommt auch die<br />
Farbe von Bindungen der Teilchen untereinander. Jedoch gibt es auch farbige Gase - die Teilchen selbst<br />
können Farben erzeugen, sie können auch leuchten.<br />
Bewegungen: (Dazu ist ein Versuch bzw. Film <strong>zur</strong> Brownʹschen Bewegung hilfreich) Die Teilchen sind in<br />
ständiger Unruhe, sie bewegen sich. Am wenigsten in Festkörpern, mehr in Flüssigkeiten und am stärksten<br />
in Gasen. Wir fühlen bzw. messen diese Bewegung als Temperatur. Es besteht ein innerer Antrieb, dass z.B.<br />
Wasser verdunstet.<br />
Atommodelle<br />
Historischer Zugang<br />
Mit der Entwicklung der Atommodelle lässt sich der Modellbegriff an sich veranschaulichen: Was können<br />
Modelle jeweils leisten, was sind ihre Stärken, was ihre Grenzen? Modelle waren jeweils mit Experimenten<br />
gekoppelt, zu deren Erklärung sie erstellt wurden. Auf diese Experimente muss natürlich eingegangen<br />
werden.<br />
E. P. Fischer bietet im lesenswerten Buch ʺDie andere Bildungʺ (Ullstein) einen guten Überblick, gedacht für<br />
ʺNormalbürgerʺ: Was sollte jeder (Gebildete) über Naturwissenschaft wissen?<br />
Atome als ʺharteʺ Kugeln:<br />
Dieses Modell reicht für die Thermodynamik. Damit lassen sich makroskopische Größen wie Druck und<br />
Temperatur auf die Bewegungen der Atome bzw. Moleküle <strong>zur</strong>ückführen - was L. Boltzmann auch<br />
quantitativ gelang, unter Verwendung von statistischen Methoden.<br />
Thomsons Rosinenkuchenmodell:<br />
1897 wurde das Elektron in Gasentladungen entdeckt - ein (negativ geladenes) Objekt, das zumindest 2000<br />
mal kleiner (bzw. leichter) war als das Atom. J.J. Thomson beschrieb das Atom als positive Kugel (Teig), in<br />
der sich die negativ geladenen Elektronen anordneten (wie Rosinen).<br />
Rutherfords Planetenmodell:<br />
Das berühmte Rutherford-Experiment (Prototyp von Streuversuchen) ergab, dass das Atom ein sehr kleines<br />
positiv geladenes Zentrum hatte, das fast die ganze Masse in sich vereinigt - es wurde ʺKernʺ genannt.<br />
Rutherford ließ die Elektronen um diesen Kern kreisen wie Planeten um die Sonne, mit 2 Problemen:<br />
Gerhard Rath, <strong>BRG</strong> <strong>Kepler</strong> Graz, Inst. f. Experimentalphysik – Fachdidaktik, Uni Graz http://lehrer.brgkepler.at/grath<br />
54
55<br />
Die Atome waren keine richtigen Kugeln mehr, und sie gehorchten nicht der klassischen Elektrodynamik<br />
(die Elektronen müssten Energie abstrahlen und in den Kern stürzen).<br />
Das Bohrʹsche Atommodell<br />
Dieses Modell konnte Rutherfords Probleme nicht wirklich ausräumen - jedoch erklärte es die<br />
Wechselwirkung von Atomen mit Licht, insbesondere die Spektren, für Wasserstoff auch quantitativ.<br />
Seine Verbreitung auch heute noch - es war das letzte anschauliche Modell - muss kritisch gesehen werden:<br />
Es verführt <strong>zur</strong> Fehlvorstellung von Kugeln, die auf Bahnen im Atom herumsausen; es verbaut den Zugang<br />
<strong>zur</strong> quantenmechanischen Sicht des Atoms.<br />
Der Mythos vom ʺleerenʺ Atom: Zur effektvollen Veranschaulichung Rutherfordscher und Bohrscher<br />
Modelle werden oft Größenvergleiche bemüht: Wenn das Atom so groß ist wie ein Fußballstadion, dann hat der<br />
Kern die Größe eines Fußballs, der Rest ist eigentlich leer.<br />
Wie soll dann verstanden werden, dass diese leeren Atome etwa uns selbst aufbauen - und wir empfinden<br />
uns gar nicht als leer?<br />
Atome sind schon nahezu ʺleerʺ - allerdings für Alpha-Teilchen, wie sie Rutherford benutzte. Für schnelle<br />
Gewehrkugeln bin ich ja auch nahezu ʺleerʺ, sie durchdringen mich. Ansonsten sind Atome überhaupt nicht<br />
leer, sie sind gefüllt mit etwas, das wir Feld, Energie oder auch Licht nennen können. Außerdem sind sie<br />
sehr stabil, die meisten von ihnen bestehen schon seit dem Urknall ...<br />
Das Quantenmechanische Modell<br />
Darin werden die Atome wieder räumlich und bekommen insbesondere Bindungsverhalten - daher stellt<br />
dieses Modell die Grundlage der Chemie dar. Allerdings wird gerade die Atomhülle völlig unanschaulich.<br />
Als beste Analogie erscheint mir noch jene zu Musikinstrumenten: Man kann das Atom als schwingendes<br />
System verstehen, mit genau definierten Zuständen, mit ʺEnergieniveausʺ, die man nicht räumlich sehen<br />
darf.<br />
Strukturen, Hierarchien und Ebenen<br />
In der Chemiedidaktik gibt es seit einigen Jahren eine Auseinandersetzung um den Einsatz des<br />
Teilchenmodells für den Chemieunterricht. Eine Gruppe um P. Buck und T. Seilnacht kritisiert die<br />
ʺabbildhafte Atomistikʺ mit ihrer Forcierung von gegenständlichen Modellen wie verschiedenfärbigen<br />
Kugeln mit Bindungsarmen.<br />
(P. Buck: Die Teilchenvorstellung - ein Unmodell. In: Chemie in der Schule 41/94, S. 12 ff; T. Seilnacht: Der<br />
Positionenstreit um den Atombegriff im Chemieunterricht. In: Chemie in der Schule 2/98 - siehe auch:<br />
www.seilnacht.com)<br />
Als Alternative wird der Mikrokosmos durch Systeme beschrieben, die auf ihrer jeweiligen Ebene<br />
Ganzheiten bilden und deren funktionales Zusammenwirken höhere Ebenen bildet, neue Ganzheiten. Jede<br />
Ebene hat ihre ganz spezifischen Eigenschaften, die sich zum Teil auf darunter liegende Ebenen<br />
<strong>zur</strong>ückführen lassen, zum Teil aber ganz neu entstehen. Bestes Beispiel für letzteres ist das Leben, das<br />
plötzlich auf der Ebene von Zellen auftritt.<br />
Veranschaulichung: Hühnerei -> Hühnerstall -> Bauernhof -> Dorf -> Land -> Erde -> Universum<br />
Hühnerei -> Eidotter -> Zelle -> Zellbestandteil -> Molekül -> Atom<br />
Gerhard Rath, <strong>BRG</strong> <strong>Kepler</strong> Graz, Inst. f. Experimentalphysik – Fachdidaktik, Uni Graz http://lehrer.brgkepler.at/grath
Elektronen<br />
?<br />
Mensch<br />
Organ<br />
Zelle<br />
Gen<br />
Molekül<br />
Atom<br />
DIE HIERARCHIE<br />
Objekte – Theorien – Größenordnungen – Energien<br />
Atomkern<br />
Quarks<br />
Anthropologie,<br />
Soziologie<br />
Medizin<br />
Biologie<br />
Biochemie<br />
Chemie<br />
Quantenmechanik<br />
Quantenelektrodynamik<br />
Kernphysik<br />
Quantenchromodynamik<br />
GUT<br />
TOE<br />
Typische<br />
Größe (m)<br />
Typische<br />
Energie<br />
Gerhard Rath <strong>BRG</strong> <strong>Kepler</strong> Graz<br />
1<br />
10 -2<br />
10 -6<br />
10 -8<br />
10 -9<br />
10 -10<br />
10 -15<br />
10 -17<br />
10 -33<br />
56<br />
1 eV<br />
1 keV<br />
1 MeV<br />
1 GeV<br />
10 19 GeV
Elektronen<br />
OBJEKT<br />
Mensch<br />
Organ<br />
Zelle<br />
Gen<br />
Molekül<br />
Atom<br />
In den MIKROKOSMOS<br />
Objekte – Theorien – Größenordnungen<br />
Atomkern<br />
Quarks<br />
Wissenschaft,<br />
Theorie<br />
Typische<br />
Größe (m)<br />
Gerhard Rath <strong>BRG</strong> <strong>Kepler</strong> Graz<br />
57
Ordne die Cartoons den Atommodellen zu! Was ist jeweils der physikalische Hintergrund?<br />
Quelle: P. Evers: Die wundersame Welt der Atomis. Wiley-VCH<br />
58
Wie kam man auf das Wissen über den Aufbau von Atomen?<br />
Vergleiche jeweils das Modell mit dem Experiment. Was kann das Modell erklären, was nicht?<br />
1. J.J. Thomson: Rosinenkuchen<br />
2. E. Rutherford: Planetensystem<br />
3. N. Bohr: Schalen-Modell<br />
4. E. Schrödinger, W. Heisenberg: Orbital-Modell<br />
59
Astronomie: Die Geometrisierung des Weltbildes<br />
Ein übersichtsartiger Zugang <strong>zur</strong> Astronomie kann über ihre historische Entwicklung erfolgen. Der Aspekt<br />
der Geometrisierung zeigt eine spezifische Art der Mathematisierung unserer Vorstellung von der Welt, die<br />
auch zum Ziel hatte, den Menschen aus der Herrschaft irrationaler Mächte zu befreien. Noch heute<br />
verstehen wir den Kosmos geometrisch. Allerdings verfügen wir seit Newton nicht mehr über Weltbilder –<br />
diese integrieren die menschliche Existenz und haben religiöse Aspekte – sondern „nur“ über Weltmodelle:<br />
Wir blicken durch das geometrische Fenster auf einen Aspekt der Welt, und bleiben selbst aus dem Modell<br />
ausgespart.<br />
Antike<br />
Bereits 500 v. Chr. erstellte Anaximander Modelle der Erde und des Himmels, ausgehend vom Schattenstab<br />
(Gnomon G).<br />
1 Verfolgt man den Schattenlauf über ein ganzes Jahr, so sind Sommer‐ und Winterbeginn recht leicht zu<br />
sehen: Zu diesen Zeiten ist der Mittagsschatten am kürzesten (K) bzw. am längsten (L). Schwerer<br />
bestimmbar ist die Zeit der Tag‐ und Nachtgleichen. Die Schattenlänge liegt zwar irgendwo zwischen K<br />
und L, aber nicht genau in der Mitte!<br />
2 Genau hier erfolgt der Übergang <strong>zur</strong> geometrischen Betrachtung. Zeichnen wir einen Kreis mit<br />
Mittelpunkt am Ende von G. Dann finden wir den Schatte n zu den Tag‐ und Nachtgleichen als<br />
Winkelsymmetrale zwischen G‐K und G‐L. (M: Mittlerer Schatten)<br />
3 Was wir aber hier vor uns haben, ist gleichzeitig ein Modell unserer Erde! Die Spitze von G befindet sich<br />
im Erdmittelpunkt, die 3 Linien zu K, M und L markieren die Einfallsrichtung der Sonnenstrahlen zu<br />
Sommer‐, Frühlings (bzw Herbst)‐ sowie Winterbeginn. Somit markiert die Linie zu M auch den Äquator<br />
der gedachten Erde. Normal dazu steht die Richtung der Erdachse, die ganze Kugel liegt im Winkel der<br />
geografischen Breite.<br />
Gehen wir noch einen Schritt weiter:<br />
4 Die gedachte Kugel erscheint uns auch als Himmelskugel über uns! Dazu denken wir uns die Erde ganz<br />
klein im Mittelpunkt, sozusagen an der Spitze des Gnomons; wir auf unserem Beobachtungsort stehen<br />
ʺobenʺ. Dann stellt der Kreis die Himmelskugel dar, der Äquator wird zum Himmelsäquator, die<br />
Erdachse zeigt zum Polarstern. Dessen Höhe gibt uns auch wieder unsere geografische Breite. Die Winkel<br />
zu K bzw. L betragen 23,5°, sie markieren die Ekliptik – das ist die scheinbare Bahn der Sonne über den<br />
Himmel im Laufe eines Jahres.<br />
Literatur: A. Szabo: Anfänge der Astronomie bei den Griechen. In: Sterne und Weltraum 1984/10, S. 498 ff<br />
C. Ptolemaios<br />
(ca. 100 n. Chr.) stellte das geozentrische Weltbild auf eine mathematische Basis und integrierte die Arbeiten<br />
seiner Vorgänger in einem Modell. Ausgehend vom Dogma der gleichmäßigen Kreisbewegung, wie sie<br />
Himmelskörpern nur zukommen sollte, arrangierte er die Bewegungen der 7 Planeten mit einer großen Zahl<br />
aufeinander abrollender Kreise (Epizykel/Deferenten). Damit schuf er ein Berechnungsmodell, das<br />
eineinhalb Jahrtausende in Verwendung bleiben sollte.<br />
Mittelalter<br />
Die römisch katholische Kirche integrierte Glaubenswahrheiten in das Geozentrische Weltbild des<br />
Aristoteles (ineinander geschachtelte Sphären). Thomas von Aquin (ca. 1200 n.Chr.) gelang die Integration.<br />
a) Antike Wurzeln: Geozentrik. Mitte: Erde. 4 Elemente Erde‐ Wasser –Luft – Feuer hier als Temperamente<br />
enthalten.<br />
Es folgen die Sphären der 7 Planeten: Mond, Merkur, Venus, Sonne, Mars, Jupiter, Saturn (als Symbole),<br />
danach der Fixsternhimmel (als Tierkreis‐Symbole). Ab dem Mond besteht die Welt aus dem 5. Element<br />
(Äther).<br />
b) Christliche Beiträge: Auf den Sternenhimmel folgen die Engelshierarchien, ganz oben/außen: Gott. Die<br />
Hölle/das Böse findet sich im Zentrum der Erde.<br />
Gerhard Rath, <strong>BRG</strong> <strong>Kepler</strong> Graz, Inst. f. Experimentalphysik – Fachdidaktik, Uni Graz http://rath.brgkepler.at<br />
61
62<br />
Entsprechung Mensch‐Kosmos: Im Menschen spiegelt sich diese Ordnung: Seele, Geist, Körper.<br />
Der Raum war endlich, begrenzt und sinnvoll geordnet – alles hat seinen rechten Platz. Er wird als Kosmos<br />
bezeichnet (griechisch für Ordnung). Er ist nicht allzu groß, da alle Sphären um die Erde rotieren. Auch<br />
optisch erscheint uns die Sternenkuppel nicht allzu weit entfernt (10‐100 km)<br />
Man verwendete also parallel ein Weltbild und ein Rechenmodell (nach Ptolemäus, für die<br />
Planetenbewegungen)<br />
N. Kopernikus<br />
Der polnische Domherr wollte Weltbild und –modell vereinheitlichen. Gott musste die Welt doch einheitlich<br />
„konstruiert“ haben. Gleichzeitig sollte die Sonne als edelster Himmelskörper im Mittelpunkt stehen statt<br />
der Hölle im Inneren der Erde. Sein erster Entwurf brachte diese Einfachheit und erreichte große<br />
Verbreitung. Nebenbei enthielt er die Möglichkeit einer unendlichen Welt: Da die Fixsterne nun still<br />
standen, mussten sie nicht auf einer Kugel angeordnet sein. Das Fehlen einer Parallaxe (Spiegelung der<br />
Erdbewegung um die Sonne) wies überhaupt auf sehr große Entfernungen hin.<br />
Um sein Modell jedoch berechenbar und ebenso genau wie das Ptolemäische zu machen, benötigte er auch<br />
eine Vielzahl von Hilfskreisen. „De Revolutionibus“ erschien in seinem Todesjahr 1543 und wurde von der<br />
Kirche vorerst als Rechenmodell, als Hypothese ohne Wahrheitsanspruch akzeptiert.<br />
J. <strong>Kepler</strong><br />
Für Johannes <strong>Kepler</strong> waren geometrische Formen und Körper die Urbilder der menschlichen Seele,<br />
gleichzeitig die Sprache Gottes. Sein erstes Modell, das „Mysterium cosmographicum“ (Graz, 1596) sollte<br />
Gottes Plan enthüllen. Die (heliozentrischen) 6 Planeten schuf Gott wegen der 5 vollkommenen<br />
(platonischen) Körper, die er zwischen die Sphären einpasste. Kugel und Kreis kamen Gott zu, die geraden<br />
Flächen und Körper der Welt. Gott Vater entsprach die Sonne, Gott Sohn die Kugel der Fixsterne (<strong>Kepler</strong><br />
diskutierte jedoch auch die Möglichkeit eines unendlichen Alls). Daher war er überzeugt, dass die<br />
bewegende Wirkung von der Sonne ausgeht, vermutete jedoch eine magnetische Kraft. Die rotierende Sonne<br />
sollte mit magnetischen Armen die Planeten vorwärtstreiben.<br />
Mit den genauen Daten Tycho Brahes erkannte <strong>Kepler</strong> jedoch, dass dieses Bild so nicht stimmen konnte. Er<br />
fand seine berühmten Planetengesetze und nahm als erster Abschied von der gleichmäßigen Kreisbahn. Für<br />
ihn waren diese Gesetze jedoch nur Rechenregeln ohne Wahrheitsanspruch, Zeit seines Lebens suchte er<br />
nach den dahinter stehenden Ideen Gottes.<br />
I. Newton<br />
Er war derjenige, der <strong>Kepler</strong>s Schriften richtig lesen konnte und aus ihnen sein Gesetz der universellen<br />
Gravitation erstellte. Obwohl selbst fanatisch religiös, hinterließ er der Welt damit ein rein mathematisches<br />
Weltmodell. Im leeren, absoluten Raum bewegen sich Massenpunkte unter dem Einfluss von Kräften.<br />
Die religiösen Bestandteile dieses Modells wurden erst später deutlich: Absoluter Raum und Zeit und eine<br />
fernwirkende Kraft.<br />
A. Einstein<br />
Bereits E. Mach hatte die metaphysischen Anteile in Newtons System kritisiert, aber erst A. Einstein gelang<br />
es, ein neues, genaueres Weltmodell an dessen Stelle zu setzen: Die allgemeine Relativitätstheorie. Sie<br />
konfrontiert uns mit einer vierdimensionalen Geometrie der Raum‐Zeit, in welcher die fernwirkende Kraft<br />
durch Krümmungen ersetzt wird. Damit entstand wiederum die Möglichkeit eines endlichen Universums –<br />
als in sich gekrümmter, unbegrenzter Raum, analog der Oberfläche einer Kugel im Dreidimensionalen.<br />
Gerhard Rath, <strong>BRG</strong> <strong>Kepler</strong> Graz, Inst. f. Experimentalphysik – Fachdidaktik, Uni Graz http://rath.brgkepler.at
Anaximander<br />
Geometrisierung des Weltbildes - 1 - Gerhard Rath<br />
G<br />
1. Schattenstab<br />
G<br />
2. Tag- und Nachtgleichen<br />
K<br />
K<br />
L<br />
M<br />
L<br />
63
Äquator<br />
Südlicher Wendekreis<br />
geografische Breite<br />
φ<br />
3. Modell der Erde<br />
G<br />
Nördlicher Wendekreis<br />
K<br />
M<br />
Erdachse<br />
L<br />
geografische Breite<br />
zum Himmelspol<br />
Himmelsäquator<br />
Geometrisierung des Weltbildes - 2 - Gerhard Rath<br />
Ekliptik<br />
φ<br />
G<br />
Zenit<br />
4. Modell des Himmels<br />
Horizont<br />
64
Armillarsphäre<br />
Ptolemäisches System<br />
Geometrisierung des Weltbildes - 3 - Gerhard Rath<br />
65
Mittelalterliches Weltbild<br />
Geometrisierung des Weltbildes - 4 - Gerhard Rath<br />
66
Kopernikanisches Weltmodell<br />
Geometrisierung des Weltbildes - 5 - Gerhard Rath<br />
67
Johannes <strong>Kepler</strong><br />
Geometrisierung des Weltbildes - 6 - Gerhard Rath<br />
68
Isaac Newton<br />
M ⋅ m<br />
2<br />
r<br />
Geometrisierung des Weltbildes - 7 - Gerhard Rath<br />
F G<br />
=<br />
G<br />
⋅<br />
69
Albert Einstein<br />
Geometrisierung des Weltbildes - 8 - Gerhard Rath<br />
70