16.04.2014 Aufrufe

DIE LINKE. Kreisverband Oder-Spree

DIE LINKE. Kreisverband Oder-Spree

DIE LINKE. Kreisverband Oder-Spree

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

26 Widerspruch 9/2005 Widerspruch 9/2005 27<br />

Brandenburgs Bildungsminister Holger Rupprecht (SPD) reduziert die Geschichte<br />

„DDR-Geschichte besser vermitteln“<br />

Alle 440 weiterführenden Schulen im Land<br />

haben jetzt Mappen mit Informationen über<br />

den Staatssicherheitsdienst (Das Verwirrspiel<br />

beginnt schon bei der Nachwende-Namensgebung<br />

für das MfS – Ministerium für Staatssicherheit<br />

der DDR, d. Red.) erhalten, berichtete<br />

das Bildungsministerium. Daneben<br />

gebe es Materialien<br />

als gezielte Angebote<br />

für Lehrkräfte, wie<br />

Veranstaltungskataloge<br />

für Schulklassen<br />

und Schülergruppen,<br />

Ausleihangebote für<br />

Ausstellungen sowie<br />

didaktisch aufgearbeitete<br />

Auszüge aus<br />

Stasi-Akten für den<br />

Unterricht.<br />

Verdachtskultur<br />

Politiker bestreiten<br />

diesmal den Bundestagswahlkampf<br />

mangels<br />

Sachthemen mit<br />

Verdächtigungen der<br />

Ostdeutschen und<br />

deren undifferenziertem<br />

Verhältnis zur<br />

DDR-Vergangenheit.<br />

Während Brandenburgs<br />

Innenminister,<br />

Jörg Schönbohm, daraus auf die menschliche<br />

Unzulänglichkeit der Ostdeutschen schließt,<br />

sorgt sich der Bayerische Ministerpräsident,<br />

Edmund Stoiber, um deren politische Zuverlässigkeit.<br />

Nun hat auch Brandenburgs<br />

Bildungsminister, Holger Rupprecht, einen<br />

Beitrag zum Thema geleistet. Zugegebenermaßen<br />

weniger grobschlächtig und aus offiziellem<br />

Anlass. Bei der Entgegennahme einer<br />

von der Birthler-Behörde erstellten Mappe<br />

über die Stasi für den Unterricht an Brandenburgs<br />

Schulen beklagte sich der Minister über<br />

„von der Wende bitter enttäuschte“ Eltern<br />

und Verwandte, die „der nachwachsenden<br />

Generation“ erklärten, „dass zu DDR-Zeiten<br />

alles viel besser war“. Vor allem „ein sicherer<br />

Arbeitsplatz und soziale Absicherung“<br />

zeichne die DDR „für immer mehr in der<br />

Rückschau“ aus. Mit<br />

Hilfe besagter Unterrichtsmappe<br />

aus der<br />

Stasiunterlagenbehörde<br />

sind die Pädagogen<br />

nun aufgefordert,<br />

das staatsbürgerliche<br />

Bewusstsein junger<br />

Ostdeutscher zu stärken,<br />

indem sie das<br />

einseitige Bild von<br />

der DDR zurechtrücken.<br />

Schließlich dürfe<br />

es nicht sein, dass<br />

Jugendliche aus den<br />

genannten Gründen<br />

„unseren Staat und<br />

die soziale Marktwirtschaft<br />

ablehnen“. Die<br />

DDR hieß auch, so<br />

der Minister, „Bevormundung,<br />

staatliche<br />

Gängelung bis hin zu<br />

einem riesigen Spitzelapparat“.<br />

Woher der Minister,<br />

der von Hause aus Sportlehrer ist, seine<br />

Weisheiten hat, ist schleierhaft. Empirische<br />

Untersuchungen über die Einstellung der<br />

Ostdeutschen kommen jedenfalls zu einem<br />

anderen Ergebnis. Demnach wollen junge<br />

Ostdeutsche keineswegs die DDR wiederhaben.<br />

Allerdings ist die überwiegende Bejahung<br />

der Wende und der deutschen Einheit<br />

nicht gleichbedeutend mit der Zustimmung<br />

zum neuen Gesellschaftssystem. Hier überwiegen<br />

Skepsis und Kritik. Und das hat seine<br />

Gründe. Doch die dürften wohl weniger<br />

in den Bestrebungen frustrierter Erwachsener<br />

zu suchen sein, die ihren Kindern ein<br />

verklärtes Bild von der Wirklichkeit in der<br />

DDR vermitteln. Eher schon dürften es<br />

die Erfahrungen sein, die die jungen Leute<br />

selbst mit den gegebenen Verhältnissen machen.<br />

Darunter sind Arbeitslosigkeit, soziale<br />

Unsicherheit, keine oder nur eine geringe<br />

berufliche Qualifikation und nicht zu vergessen:<br />

Armut – keine Seltenheit, sondern<br />

das Schicksal vieler. Die Gesellschaft, um<br />

es einmal so abstrakt zu formulieren, gibt<br />

ihnen nicht gerade das Gefühl gebraucht zu<br />

werden. Zeugt es dann nicht von einigem<br />

politischen Bewusstsein, wenn die Mehrheit<br />

der jungen Leute trotz der schlechten<br />

Perspektiven, die ihnen die angeblich „soziale“<br />

Marktwirtschaft bietet, die DDR nicht<br />

wiederhaben will. Und fragen werden sie<br />

doch noch dürfen, warum Arbeitslosigkeit<br />

unabänderlich sein soll.<br />

Politische Bildung – wieder Pfl ichtfach!<br />

Anstatt Elternschelte zu betreiben, sollte der<br />

Minister lieber das tun, was seines Amtes<br />

ist. Er könnte beispielsweise dafür sorgen,<br />

dass Politische Bildung in der Sekundarstufe<br />

II wieder Pflichtfach wird. Dann stünde<br />

mehr Zeit zur Verfügung, die DDR umfassend<br />

zu behandeln. Schon aus dem Grunde<br />

sind Ermahnungen der Lehrkräfte, die repressive<br />

Seite der DDR im Unterricht herauszustreichen,<br />

fehl am Platze. Wenn dann<br />

noch mehr Schulen erhalten und eine bessere<br />

Personalpolitik betrieben würden, gäbe es<br />

vielleicht bald keine „von der Wende bitter<br />

Enttäuschten“ mehr. Schon gar nicht unter<br />

der Lehrerschaft des Landes, die oft unter<br />

Bedingungen unterrichten muss, die dem<br />

staatsbürgerlichen Bewusstsein junger Menschen<br />

abträglich sind.<br />

Viola Weinert, Sprecherin der LAG „Schule“<br />

bei der PDS Brandenburg, 17. 8. 2005

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!