Sammler Journal Email - Camille Fauré (Vorschau)
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Lassen Sie sich entführen in eine Zeit<br />
zwischen circa 1640 und 1800. Im<br />
Westfälischen oder in den norddeutschen<br />
Küstenländern wird eine<br />
Hochzeit gefeiert oder der Einzug in<br />
einen Neubau. Es gibt ein tagelanges<br />
Gelage, gegen dessen Ausuferungen<br />
behördliche Auflagen bestehen.<br />
Nachbarn und Freunde haben<br />
bunt bemalte, handgroße Fensterscheiben<br />
mitgebracht, die später im<br />
Haus zu einem Fenster zusammengefügt<br />
werden. Auf ihnen steht der<br />
Spendername geschrieben, oft auch<br />
Ort und Jahr. Solche Fensterbierscheiben<br />
stellen als Geschenke eine<br />
Art Baukostenzuschuss dar. Diese<br />
Benennung erhalten sie erst um<br />
1900 von Volkskundlern. Vielleicht ist<br />
ursprünglich gar nicht das beim Fest<br />
fließende Bier gemeint gewesen,<br />
denn die zeitgenössische Bezeichnung<br />
Fensterteer leitet sich von Verzehr<br />
ab. Boerenruitjes (Bauernscheiben)<br />
heißen sie treffender in den<br />
Niederlanden; sie sind dort aber viel<br />
weniger verbreitet.<br />
Glasmalereien gibt es nicht nur als<br />
Kirchenfenster. In der Barockzeit besitzt<br />
der einfache Bürger einzelne<br />
sog. Kabinettscheiben, die auf Nahsicht<br />
konzipiert und daher kleiner<br />
sind. Die Sitte privater Fensterschenkungen<br />
kommt aus der Schweiz.<br />
Dort hat man schon im 16. Jahrhundert<br />
bunte, technisch ausgefeilte Kabinettscheiben<br />
hergestellt, als monolithe<br />
(einteilige) Rundscheiben<br />
oder briefbogengroß und zusammengesetzt.<br />
Oft sind sie mit Texten<br />
versehen, stets mit Stifternamen<br />
und Datierung. Auch in den damals<br />
wohlhabenderen Niederlanden waren<br />
Kabinettscheiben weiter verbreitet<br />
als bei uns. Nach 1600 dominieren<br />
dort einteilige Ovalscheiben. Danach<br />
herrschen größere Rechteckscheiben<br />
mit einem Textfeld und einer<br />
breiten Bordüre vor. Norddeutsche<br />
Fensterbierscheiben stellen als<br />
Kabinettscheiben der kleinen Leute<br />
auf dem Lande ein vereinfachtes Proen<br />
ter<br />
Fensterbierscheiben<br />
Klaus Tiedemann<br />
Westfälische Fensterbierscheiben von 1716 im Verbund. Alle von Männern Gestifteten<br />
zeigen die gleiche Willkommenstrunk-Szene mit Reiter, die mit Frauennamen nur<br />
eine simple Ranke. Einzelscheiben 8,5 x 11,5 cm<br />
KABINETTSCHEIBEN