Claudia Fraas & Stefan Meier - Multimodale Stil-Frameanalyse .pdf
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134 <strong>Multimodale</strong> <strong>Stil</strong>- und <strong>Frameanalyse</strong><br />
FrameNet stellt eine komplexe, hierarchisch aufgebaute semantische Netzstruktur dar,<br />
in der Frame-Elemente von abstrakteren Frames auf weniger abstrakte vererbt und zum<br />
Teil zu eigenen Frames entfaltet werden können. So ist EVENT ein Frame-Element im<br />
übergeordneten CHANGE OF STATE SCENARIO-Frame, das auf einer niedrigeren Abstraktionsstufe<br />
einen eigenen Frame (den EVENT-Frame) entfaltet (vgl. Abb. 1). Frame-Elemente<br />
des CHANGE OF STATE SCENARIO-Frames sind ENTITY, EVENT, REASON, PLACE<br />
und TIME. Der Sub-Frame EVENT enthält davon die Elemente PLACE, TIME und REASON<br />
(ebenfalls) und darüber hinaus die Elemente DURATION, FREQUENCY und MANNER. Auf<br />
Grund dieser in der hierarchischen Netzstruktur angelegten semantischen Beziehungen<br />
zwischen den Frames und Frame-Elementen können Schlüsselkonzepte, die die Sinnstrukturen<br />
von Diskursen tragen und dementsprechend mit diskursiven Schlüsselausdrücken<br />
verbunden sind, auf übergeordnete Frames zurückgeführt werden. Diese übergeordneten<br />
Frames stellen als Kontextualisierungspotential die Slot-Struktur für die<br />
Frames konkreter Ausdrücke zur Verfügung (Ruppenhofer; Ellsworth; Petruck et al.<br />
2010; auch Konerding 1993, der Frames für konkrete lexikalischen Ausdrücke aus<br />
übergeordneten sogenannten Matrixframes herleitet).<br />
Framing – Perspektivierung und Interpretation<br />
Framing betrifft den Prozess der Aktivierung kognitiver Strukturen in konkreten Kommunikationssituationen,<br />
also den Prozess der Kontextualisierung, Bedeutungskonstitution<br />
und Interpretation, der mit Komplexitätsreduktion, Kategorisierung, Perspektivierung,<br />
Selektion und Salienz verbunden ist. Dieser Prozess wird in den unterschiedlichen<br />
Forschungsrichtungen auf unterschiedlichen Ebenen beschrieben: 1. als Prozess der<br />
Bedeutungskonstitution beim Sprachverstehen, 2. als Prozess der Interpretation von<br />
konkreten Situationen zur Handlungsermöglichung und 3. als Praxis der Wissens-Aktivierung<br />
in komplexeren diskursiven Zusammenhängen bis hin zur strategischen Deutungsarbeit.<br />
Auf allen drei Ebenen lässt sich der Prozess des Framings auch als ‚Impulsgeber‘<br />
für die bedeutungsstiftende Korrespondenz unterschiedlicher Zeichensysteme<br />
in multimodalen Kommunikaten verstehen. Insofern kann das Konzept des v i -<br />
s u a l f r a m i n g (vgl. Scheufele 1999, 2001; Geise 2011) aus sozialsemiotischer und<br />
framesemantischer Perspektive erweitert werden. Der e r s t e Punkt, also der Prozess<br />
der Bedeutungskonstitution beim Sprachverstehen, betrifft zunächst die linguistische<br />
Semantik, die mit Hilfe des Frame- bzw. Framing-Ansatzes semantische und grammatische<br />
Phänomene wie Bedeutungskonstitution, Bedeutungsdifferenzen, Polysemie oder<br />
Verbvalenz erklären will. Dabei wird Framing als im Rahmen von Verstehensprozessen<br />
durch sprachliche Kontextualisierung angeleitete Interpretation und Perspektivierung<br />
verstanden. Ähnlich lässt sich diese Wirkungsweise auch für das Verstehen bildlicher<br />
Darstellungen übertragen, denn auch Bildinhalte sind nur durch ihre Kontextualisierung<br />
bestimmbar. In der Semantik wird Framing so erklärt, dass Konzepte, die das gleiche<br />
Phänomen betreffen, vor dem Hintergrund unterschiedlicher Frames interpretiert wer-