Mercedes-Benz Offroad
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MBO-Archiv<br />
R A T G E B E R | 23<br />
cherheitsverordnung den Beschäftigten<br />
nur Arbeitsmittel bereitgestellt werden,<br />
die für die am Arbeitsplatz gegebenen<br />
Bedingungen geeignet sind. Zu den Arbeitsmitteln<br />
gehören auch Firmenfahrzeuge.<br />
Der Arbeitgeber trägt also für die<br />
Eignung des Fahrzeuges – und dessen<br />
Bereifung – grundsätzlich die Verantwortung.<br />
Verantwortlich ist aber auch der Fahrer,<br />
denn er entscheidet letztlich, ob die<br />
Ausrüstung der Wetterlage angepasst<br />
ist. Wenn sich der Arbeitnehmer deshalb<br />
aus triftigem Grund weigert, die Risiken<br />
und rechtlichen Unsicherheiten auf sich<br />
zu nehmen, darf ihm kein arbeitsrechtlicher<br />
Nachteil entstehen.<br />
Besondere Verantwortung trifft übrigens<br />
auch Autovermietungen, wenn<br />
diese Fahrzeuge zur Teilnahme am Straßenverkehr<br />
anbieten, die keine geeignete<br />
Bereifung aufweisen. Hier kann der<br />
Mieter vor Ort vom Vertrag zurücktreten<br />
oder eine Umbereifung verlangen.<br />
Die Entwicklung<br />
<strong>Mercedes</strong>-<strong>Benz</strong> überlässt bei der Entwicklung<br />
eines Fahrzeugs nichts dem<br />
Zufall. Schon gar nicht die Reifen, die wesentlich<br />
die Fahreigenschaften und Fahrsicherheit<br />
mitbestimmt. Deshalb arbeitet<br />
auch die Versuchsabteilung eng mit führenden<br />
Reifenherstellern zusammen.<br />
Ein großer Zaun, zahlreiche Videokameras<br />
und der grimmige Werkschutz<br />
signalisieren: Zutritt verboten. Fotografieren<br />
verboten. Und Filmen ebenfalls.<br />
Das Testgelände scheint besser bewacht<br />
als die amerikanische Goldreserven in<br />
Fort Knox.<br />
Die parallel ablaufende Entwicklung<br />
eines neuen Reifens und eines neuen<br />
Autos ist schließlich keine Publikumsveranstaltung.<br />
Auf dem Handlingkurs<br />
zieht ein in Mattschwarz getarnter<br />
<strong>Mercedes</strong> seine Kreise.<br />
Der über zwei Millionen Euro teure<br />
Prototyp dient den praxisnahen Tests von<br />
Reifen-Mustern. „Reifen sind die einzige<br />
Verbindung zur Straße. Das macht sie zu<br />
einem maßgeblichen Sicherheitsfaktor“,<br />
erklärt der Entwicklungsingenieur. Statt<br />
bequem einen Reifen aus dem Regal zu<br />
nehmen, entwickelt <strong>Mercedes</strong>-<strong>Benz</strong> für<br />
jedes neue Modell auch den speziell<br />
maßgeschneiderten Pneu. Bevor dieser<br />
die Serienfreigabe erhält, muss er die<br />
Vorgaben bis ins Detail erfüllen. Zu den<br />
Kriterien zählen Handling, Geradeauslauf,<br />
Aquaplaningverhalten, Komfort,<br />
Rollgeräusch, Laufleistung, Verschleißbild<br />
und Vibrationen.<br />
„Die tagelangen Testfahrten auf abgesperrten<br />
Strecken sind unerlässlich,<br />
um zu überprüfen, wie weit die Vorgaben<br />
des Lastenheftes erfüllt sind“, meint<br />
Jean-Luc Hagenmüller als technischer<br />
Projektleiter von Michelin.<br />
Das sensibelste Messinstrument bleiben<br />
dabei die Testfahrer. Sie können<br />
angeblich fühlen, ob ein Zwei-Euro-<br />
Stück mit der Zahl oder dem Adler auf<br />
der Straße oben liegt. Das behauptet<br />
zumindest die Legende. Die Ingenieure<br />
gleichen ihre Beurteilung permanent ab<br />
und tasten sich auf diese Weise immer<br />
näher an den gewünschten Serienstandard<br />
heran.<br />
Beim Optimieren der Versuchsreifen<br />
helfen Hightechverfahren mit Lasern,<br />
Beschleunigungsaufnehmern, Schwingungsmessern<br />
und Computersimulationen.<br />
Mit rund 200 verschiedenen Stoffen<br />
experimentieren zum Beispiel die<br />
Michelin-Chemiker in Versuchsreihen,<br />
bis sie die optimale Rezeptur gefunden<br />
haben. Diese Fortschritte werden täglich<br />
nach Sindelfingen übermittelt, wo sie<br />
die Reifenentwickler von <strong>Mercedes</strong>-<strong>Benz</strong><br />
mit ihren Vorgaben vergleichen.<br />
Insgesamt dauert dieser Prozess rund<br />
vier Jahre. Am Anfang steht das Lastenheft,<br />
in dem alle Eigenschaften des<br />
Reifens definiert sind. Etwa drei Jahre<br />
vor der Markteinführung eines neuen<br />
<strong>Mercedes</strong>-<strong>Benz</strong> wie der M- oder GL-Klasse<br />
beginnt die Entwicklung.<br />
Schließlich sind Zielkonflikte zu lösen:<br />
Ein Reifen, der durch geringeren<br />
Rollwiderstand deutlich Kraftstoff spart,<br />
hat erst einmal schlechtere Nässe-Eigenschaften.<br />
Eine hohe Laufleistung geht<br />
grundsätzlich zu Lasten der Griffigkeit,<br />
hoher Komfort mindert die Fahrstabilität.<br />
Eine Sisyphos-Aufgabe: Bis die optimale<br />
Lösung für ein neues Modell gefunden<br />
ist, vergehen gut zwei Jahre.<br />
Dann müssen die besten Reifen-Prototypen<br />
– bis dahin als Einzelstücke in<br />
Handarbeit hergestellt – auch als Großserienprodukt<br />
die hohen Qualitätsanforderungen<br />
erfüllen.<br />
Die Zukunfts-Aussichten<br />
Der perfekte Winter- oder Sommerreifen<br />
läuft leicht und leise, bremst gut<br />
auf nasser Straße, verschleißt kaum und<br />
senkt obendrein den Kraftstoffverbrauch.<br />
Doch das ist physikalisch unmöglich.<br />
Ein Reifen ist eben immer ein Kompromiss<br />
– zwischen Nässe-Eigenschaften<br />
und Verschleiß, zwischen Laufleistung<br />
und Griffigkeit, zwischen Komfort und<br />
Fahrstabilität. Mit innovativen Materialien,<br />
optimierten Profil-Entwürfen und<br />
Feintuning am Reifenaufbau gilt es den<br />
bestmöglichen Pneu zu finden.<br />
Die Reifen von morgen sind aber nicht<br />
nur sicher, sondern intelligent: Sensoren<br />
direkt im Profil werden zum Beispiel bei<br />
jeder Radumdrehung die Verformung<br />
bestimmen. Aus der Deformation und<br />
ihrem Zeitverlauf lassen sich zahlreiche<br />
Größen wie Antriebs-, Brems- und Querkräfte,<br />
Radlast, Luftdruck und Reibwert<br />
bestimmen.<br />
Die Vorläufer dieser Alleskönner rollen<br />
bereits. So wacht bei einigen <strong>Mercedes</strong>-<br />
Fahrzeugen die Elektronik über den<br />
Luftdruck in den Reifen. Bei der M- oder<br />
GL-Klasse wird dies über den sich bei<br />
einer Druckveränderung ändernden Abrollumfang<br />
gemessen, bei anderen über<br />
Sensoren in den Ventilen.<br />
Mehr Sicherheit, aber vor allem mehr<br />
Komfort verspricht die Idee, dass der<br />
Reifen nicht nur allein den Druck misst,<br />
sondern ihn während der Fahrt auch<br />
selbst verändert. Ein Kompressor kann<br />
die benötigte Luft in die Felge pumpen.<br />
Gesteuert wird das System über eine<br />
Anzeige im Display: Der Druck wird<br />
während der Fahrt entweder per Befehl<br />
oder automatisch an die Fahrgeschwindigkeit,<br />
Straßenoberfläche oder Beladung<br />
angepasst.<br />
Ohne Kompressor, weil ganz ohne<br />
Luft, könnte die Zukunft der Reifen aber<br />
auch aussehen. Viel weniger Gewicht<br />
und einen geringeren Rollwiderstand<br />
verspricht zum Beispiel die Zukunftsstudie<br />
Michelin Tweel. In der Kombination<br />
aus Rad (tyre) und Reifen (wheel)<br />
übernehmen hochflexible Speichen die<br />
Feder- und Dämpfungswirkung der Luft.<br />
Sie verbinden die Lauffläche aus Gummi<br />
mit der integrierten Leichtmetallfelge<br />
und federn Fahrbahn-Unebenheiten ab.<br />
Gut für die Umwelt: Ein Tweel ist praktisch<br />
unverwüstlich, lediglich die Lauffläche<br />
aus Gummi muss von Zeit zu Zeit<br />
erneuert werden.<br />
Auch der Michelin Airless braucht keine<br />
Luft. Im Gegensatz zum Tweel wird<br />
der Hightech-Reifen auf herkömmliche<br />
Felgen montiert. Die Grundkonstruktion<br />
des Reifens, die Karkasse ist stark<br />
genug, um das Fahrzeuggewicht zu tragen.<br />
Möglich macht das eine neue Gewebestruktur.<br />
Dieser Unterbau des Reifens<br />
soll ein Autoleben lang halten, lediglich<br />
die Kautschuk-Lauffläche wird runderneuert.<br />
Doch das sind Visionen – das anstehende<br />
Umbereifen auf Winterpneus dagegen<br />
Realität.