Das Gymnasium in Rheinland-Pfalz 1-2011 - Philologenverband ...

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22 VORTRAG Gymnasialtag 2010 bieten. Wenn dennoch einmal wenige Plätze nicht besetzt werden konnten, so liegt das einfach an der Tatsache, dass es leider immer wieder Bewerberinnen und Bewerber gibt, die so spät absagen, dass trotz mehrfacher Nachrückverfahren, die noch bis kurz nach Ausbildungsbeginn durchgeführt werden, ein Besetzen dieses Platzes nicht mehr möglich ist. Dass Rheinland-Pfalz im Hinblick auf die Lehrkräfteversorgung auf dem richtigen Weg ist, zeigen auch die Studierendenzahlen. Betrug die Zahl der Lehramtsstudierenden im Jahr 2000 noch 8403, so ist sie im Studienjahr 2010 auf über 17 000 angestiegen. Kommen wir zur Unterrichtsversorgung der Gymnasien. Auch da, denke ich, sprechen die Zahlen für sich. Sie alle sind sicher über die Unterrichtsversorgung im laufenden Schuljahr informiert. Die Soll-Ist-Differenz an den Gymnasien beträgt 2,2 Prozent und hat damit den niedrigsten Stand seit neun Jahren erreicht. Das war angesichts steigender Schülerzahlen und angesichts des bundesweiten Mangels an Lehrkräften ein gewaltiger Kraftakt. Die Unterrichtsversorgung nicht nur zu halten, sondern sogar schrittweise zu verbessern, war nur möglich durch eine kontinuierliche Einstellungspolitik über viele Jahre hinweg. Seit mehr als fünf Jahren wurden im Bereich der Gymnasien in jedem Schuljahr zwischen 450 und 500 Lehrkräfte (Personen) eingestellt. Dabei sind die Seiteneinsteiger noch nicht mitgezählt. Das Seiteneinsteigerprogramm bietet seit Jahren eine deutliche Unterstützung gerade in Mangelfächern. Allein zu Beginn des laufenden Schuljahres wurden beispielsweise zwölf Seiteneinsteiger mit Physik/Chemie eingestellt, acht mit Mathematik, zwei mit Informatik, aber auch vier mit Bildender Kunst und drei mit Musik. Ich weiß, dass viele Gymnasien mit diesen Seiteneinsteigern sehr zufrieden sind, weil sie gute und hervorragend qualifizierte Lehrkräfte gewonnen haben. Darüber hinaus haben wir alle Möglichkeiten genutzt, um die in Rheinland-Pfalz ausgebildeten Lehrkräfte auch im Land zu halten. So werden seit mehreren Jahren jeweils zum 1. Februar bereits Lehrkräfte im Vorgriff auf das folgende Schuljahr eingestellt. Der Erfolg unserer kontinuierlichen Einstellungspolitik zeigt sich übrigens auch darin, dass Rheinland-Pfalz bei der Altersgruppe der Lehrkräfte unter 35 Jahren mit einem Anteil von zwanzig Prozent deutlich an der Spitze aller Bundesländer liegt. 34,8 Prozent der rheinland-pfälzischen Lehrerinnen und Lehrer in der Sekundarstufe I ist jünger als vierzig Jahre, während es bundesweit nur 24,3 Prozent sind. Ich möchte aber auch noch einen anderen Punkt nennen, nämlich die Unterstützung großer Gymnasien. Aufgrund der steigenden Schülerzahlen und der großen Nachfrage nach dem gymnasialen Bildungsgang sind die Gymnasien in den letzten Jahren im Schnitt immer größer geworden. Im letzten Schuljahr hatten wir landesweit acht Gymnasien mit mehr als 1400 Schülerinnen und Schülern. Das bringt zusätzliche Herausforderungen, die wir sehen und auf die wir mit mehreren Maßnahmen reagiert haben. Zum einen haben wir seit dem Schuljahr 2006/2007 schrittweise die Schulleitungsanrechnung für große Gymnasien erhöht, da die Schulleitungsaufgaben an sehr großen Gymnasien nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ ausgeweitet sind. Speziell für sehr große Oberstufen wurde auch die Schulleitungsanrechnung für die MSS-Leitung von vier auf bis zu sechs Stunden erhöht. 140 zusätzliche A 15-Stellen für die Gymnasien haben ermöglicht, dass Gymnasien, die in den letzten Jahren deutlich gewachsen sind, eine weitere Studiendirektorenstelle in Anspruch nehmen können. Daneben wurden auch die Beförderungsmöglichkeiten von A 13 nach A 14 deutlich erhöht. Waren es 2002 noch 177 Stellen für die Gymnasien, sind es in diesem Jahr 242 – jeweils ohne den Pool. Das ist eine Steigerung um fast vierzig Prozent. Direkt auf den Unterricht wirkt sich die Erhöhung der Schwerpunktstunden aus, die in der VV Unterrichtsorganisation vom Januar dieses Jahres festgeschrieben ist. Danach können Gymnasien mit mehr als 24 Klassen in der Sekundarstufe I das eineinhalbfache an Schwerpunktstunden in Anspruch nehmen, Gym- Heft 1/2011
Gymnasialtag 2010 BILDUNGSMINISTERIN DORIS AHNEN 23 nasien mit mehr als 36 Klassen sogar das Doppelte. Meine Damen und Herren, ich denke, diese Beispiele können zeigen, dass wir die rheinland-pfälzischen Gymnasien auf allen Ebenen dabei unterstützen, ihre wichtige und anspruchsvolle Aufgabe zu erfüllen. Ich kann deshalb wirklich nicht nachvollziehen, wie man zu der Aussage kommen kann: »Die Förderung von Gymnasien ist in den vergangenen Jahren im Vergleich zu den politisch gewollten Schularten extrem vernachlässigt worden.« 3 Ich bin der Auffassung, dass mit solch einer Aussage vor allem Vorurteile gepflegt werden. Ich schätze das Gymnasium und, wie in der Vergangenheit, können Sie sich auch für die Zukunft sicher sein, dass wir Sie unterstützen werden. Wir wollen beispielsweise die demografischen Spielräume, die sich aufgrund des Rückgangs der Schülerzahlen in den kommenden Jahren ergeben, für das Schulsystem nutzen. Das gilt selbstverständlich auch für das Gymnasium. 3 Blick ins Gymnasium Nr. 227, Artikel »Gymnasiale Bildung ist gefährdet« Lassen Sie mich ein paar Anmerkungen zur Schulstrukturreform machen, mit der wir nicht nur auf die demografische Entwicklung reagiert haben, sonder mit der wir auch pädagogische Ziele verbinden: Mehr individuelle Förderung, mehr Durchlässigkeit zu höheren Abschlüssen, eine bessere Berufsorientierung und einen guten Übergang in eine berufliche Zukunft. Die Gesamtschülerzahl an den allgemeinbildenden Schulen in Rheinland- Pfalz sinkt seit 2004 kontinuierlich und zwar mit zunehmender Geschwindigkeit. In den Grundschulen macht sich der Rückgang der Schülerzahlen schon seit Ende der neunziger Jahre bemerkbar, vorübergehend abgeschwächt durch die Flexibilisierung des Einschulungsalters. In der Sekundarstufe I aller Schularten sinken die Schülerzahlen seit 2004, und lediglich in der gymnasialen Oberstufe ist aktuell noch ein leichter Anstieg zu verzeichnen. Der zweite Aspekt, der eine Schulstrukturänderung erforderlich gemacht hat, ist die Bedeutung, die Bildung künftig in unserer Gesellschaft haben wird. Der Zusammenhang von Ausbildungsniveau und Arbeitsplatzsicherheit wird sich in Zukunft noch weiter verfestigen. Unsere wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit und damit unser wirtschaftlicher Wohlstand werden immer mehr von der Generierung und Anwendung wissenschaftlich-technischen Wissens abhängen. Dies bedeutet, dass in Zukunft die Qualität der Bildungsabschlüsse noch mehr als heute schon über die Lebenschancen der Menschen entscheiden wird. Hinzu kommt, dass in Deutschland bereits jetzt ein Mangel an hoch qualifizierten Fachkräften besteht, der sich durch die demografische Entwicklung noch verstärken wird, wenn es uns nicht gelingt, mehr Jugendliche als bisher in eine hoch qualifizierende Ausbildung zu bringen. Um es an einem Beispiel deutlich zu machen: Die Zahl der Studienanfängerinnen und -anfänger in den Ingenieurwissenschaften ist seit 1997 stetig gestiegen – von knapp 60 000 auf fast 100 000. Aber das wird mehr als kompensiert durch den steigenden Bedarf an hoch qualifizierten Fachleuten und durch die absehbar zurückgehenden Schülerzahlen. So meldete Focus im Sommer dieses Jahres, dass es im Juni für Ingenieure 59 000 offene Stellen, aber nur 25 000 Bewerberinnen und Bewerber gab. Die Antwort kann nur lauten: Alle Schülerinnen und Schüler müssen so gefördert werden, dass sie ihre Potenziale bestmöglich ausschöpfen können. Das bedeutet auch: Wir dürfen niemanden verlieren, und alle Schularten müssen ihre Schülerinnen und Schüler zu möglichst hoch qualifizierenden Abschlüssen führen. Prof. Manfred Prenzel, seit 2009 Gründungsdekan der School of Education an der TU München beschreibt es so: »Wir müssen die Durchlässigkeit nach oben erhöhen.« Wir müssen aber auch ermöglichen, dass es unterschiedliche Wege zum gleichen Ziel gibt. Kinder und Jugendliche lernen unterschiedlich schnell, sie lernen auf unterschiedliche Weisen, sie entwickeln sich in unterschiedlichen Schritten. Darauf müssen wir reagieren, indem beispielsweise das Abitur auf unterschiedlichen Wegen – natürlich bei gleichem Qualitätsanspruch – erworben werden kann. Die neue Schulstruktur in Rheinland- Pfalz ist auf diese Ziele hin ausgelegt. Wir wollen klare Wege, gute Perspektiven, bessere Aufstiegsmöglichkeiten und damit auch ein Mehr an Chan- > Heft 1/2011
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