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Das Gymnasium in Rheinland-Pfalz 1-2011 - Philologenverband ...

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30<br />

VORTRAG Gymnasialtag 2010<br />

Ne<strong>in</strong>, das <strong>Gymnasium</strong> steht <strong>in</strong> solchen<br />

Diskussionen pars pro toto für etwas<br />

anderes, und ganz grundsätzlich für<br />

e<strong>in</strong> anderes Bild vom Menschen als<br />

Individuum, das ganz unabhängig von<br />

se<strong>in</strong>em Schulabschluss und von se<strong>in</strong>en<br />

schulischen Leistungen e<strong>in</strong>en immer<br />

gleichen, höchsten Wert hat.<br />

Jede Schüler<strong>in</strong> und jeden Schüler <strong>in</strong><br />

diesem S<strong>in</strong>ne Wert zu schätzen heißt,<br />

sie und ihn bei der Entfaltung se<strong>in</strong>er<br />

Stärken und bei Behebung se<strong>in</strong>er<br />

Schwächen zu unterstützen, ihnen<br />

aber auch das Recht auf Verschiedenheit<br />

zuzugestehen.<br />

<strong>Das</strong> heißt dann auch, die Existenz e<strong>in</strong>es<br />

<strong>Gymnasium</strong>s und eben auch anderer<br />

Schulformen nicht als e<strong>in</strong> Zeichen<br />

ungerechter oder ungerechtfertigter<br />

Verh<strong>in</strong>derung von Bildungschancen zu<br />

sehen, sondern die Existenz des <strong>Gymnasium</strong>s<br />

als Stachel im Fleisch der Gesellschaft<br />

zu verstehen, dessen Stechen<br />

uns daran er<strong>in</strong>nert, dass unsere<br />

Gesellschaft gerade darauf aufbaut,<br />

dass Menschen nicht nur verschieden<br />

s<strong>in</strong>d, sondern auch verschieden se<strong>in</strong><br />

dürfen – und dass das nichts an ihrem<br />

<strong>in</strong>dividuellen Wert ändert, sondern<br />

dass ihnen <strong>in</strong> ihrer Verschiedenheit gerade<br />

Gleichbehandlung (nicht aber<br />

Gleichheit!) garantiert ist.<br />

Diese zutiefst ideologische Frage immer<br />

wieder aufflammen zu lassen ist,<br />

aus me<strong>in</strong>er Sicht, heute e<strong>in</strong>e besondere<br />

Rolle des <strong>Gymnasium</strong>s als Leit<strong>in</strong>stitution<br />

des Bildungssystems.<br />

Aus dieser besonderen aktuellen Rolle<br />

heraus ergibt sich dann me<strong>in</strong>es Erachtens<br />

nach auch, was die zukünftige<br />

Rolle des <strong>Gymnasium</strong>s <strong>in</strong> der Bildungsrepublik<br />

Deutschland se<strong>in</strong> soll,<br />

wird oder muss, womit ich zum letzten<br />

Teil me<strong>in</strong>er Ausführungen komme.<br />

Die Rolle e<strong>in</strong>er Leit<strong>in</strong>stitution besteht<br />

nämlich vor allem dar<strong>in</strong>, immer wieder<br />

auch selbstkritisch zu prüfen, ob<br />

man denn noch <strong>in</strong> die richtige Richtung<br />

leitet, oder ob auch Kurskorrekturen<br />

nötig s<strong>in</strong>d.<br />

Ich habe gerade versucht, die besondere<br />

Situation des Umgangs mit Verschiedenartigkeit<br />

bei Wahrung und<br />

Betonung der Gleichwertigkeit sozusagen<br />

theoretisch zu beschreiben, aber<br />

dieses vom <strong>Gymnasium</strong> vertretene<br />

und symbolisierte Konzept verlangt<br />

auch nach praktischer Umsetzung im<br />

schulischen Alltag.<br />

Ganz konkret heißt das, dass es die<br />

Rolle des <strong>Gymnasium</strong>s <strong>in</strong> Zukunft<br />

se<strong>in</strong> wird, <strong>in</strong> enger Abstimmung mit<br />

den anderen schulischen Angeboten<br />

des Bildungssystems optimale Angebote<br />

für verschiedene – aber gleichwertige<br />

– Lerntypen zu entwickeln<br />

und anzubieten. Prof. Olbertz, der frühere<br />

Wissenschaftsm<strong>in</strong>ister Sachsen-<br />

Anhalts und jetziger Präsident der<br />

Humboldt-Universität Berl<strong>in</strong> hat das<br />

e<strong>in</strong>mal so umschrieben: Es gehe um<br />

die richtige Schule für jeden statt um<br />

e<strong>in</strong>e Schule für alle.<br />

Diese <strong>in</strong>haltliche Überlegung, die den<br />

Schüler und se<strong>in</strong> Lernverhalten <strong>in</strong> den<br />

Mittelpunkt stellt – ist aus me<strong>in</strong>er Sicht<br />

wesentlich bedeutsamer für die qualitative<br />

Weiterentwicklung des Schulsystems<br />

als so manche strukturelle Frage.<br />

Verschiedenen Lerntypen gerecht zu<br />

werden, heißt, koord<strong>in</strong>iert verschiedene<br />

Wege durch die differenzierten<br />

Angebote des Bildungssystems, aber<br />

eben auch verschiedene Lernmöglichkeiten<br />

für e<strong>in</strong> und denselben Bildungs<strong>in</strong>halt<br />

anzubieten.<br />

Es bedarf ganz zweifellos guter Absprachen<br />

unter den verschiedenen Schulenformen,<br />

viel Koord<strong>in</strong>ierungsarbeit<br />

und e<strong>in</strong>er langen Entwicklungs- und<br />

E<strong>in</strong>führungsphase, aber e<strong>in</strong> Bildungssystem,<br />

das den Grundsatz der Verschiedenartigkeit<br />

bei Gleichwertigkeit<br />

ernst nimmt, bietet eben auch unterschiedliche<br />

Lernwege, die verschiedenen<br />

Schülertypen gerecht werden.<br />

Damit eng verbunden ist e<strong>in</strong>e Rolle,<br />

die das <strong>Gymnasium</strong> aus me<strong>in</strong>er Sicht<br />

zukünftig gut im Bildungssystem spielen<br />

kann, nämlich die, die Selbstverantwortung<br />

se<strong>in</strong>er Schüler<strong>in</strong>nen und<br />

Schüler für ihren Lernprozess <strong>in</strong> besonderer<br />

Weise e<strong>in</strong>zufordern und zu<br />

fördern. Es mag den e<strong>in</strong> oder anderen<br />

verwundert haben, dass ich bisher<br />

nicht von der allgeme<strong>in</strong>en Hochschulreife<br />

gesprochen habe – ich will es<br />

nun hier, beim Ausblick – tun.<br />

Und zwar möchte ich fragen, wor<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />

allgeme<strong>in</strong>e Hochschulreife bestehen<br />

kann, angesichts e<strong>in</strong>es Hochschulsektors,<br />

der sich immer weiter<br />

und immer unübersichtlicher ausdifferenziert,<br />

bis h<strong>in</strong> <strong>in</strong> duale Studiengänge,<br />

die man zum Teil kaum noch<br />

als zum Hochschulsystem gehörig<br />

identifizieren kann.<br />

Die Antwort auf diese Frage sche<strong>in</strong>t<br />

mir <strong>in</strong> der Mischung aus etwas zu bestehen,<br />

das üblicherweise als traditionell<br />

und bewährt wahrgenommen wird<br />

und etwas, was plötzlich sehr neu zu<br />

se<strong>in</strong> sche<strong>in</strong>t: nämlich aus Allgeme<strong>in</strong>bildung<br />

und Selbstverantwortung. Allgeme<strong>in</strong>bildung,<br />

wie sie das <strong>Gymnasium</strong><br />

immer angestrebt hat, ist die folgerichtige<br />

Antwort auf gleich zwei Anforderungen<br />

der Zeit: Zum e<strong>in</strong>en der, e<strong>in</strong>e<br />

allgeme<strong>in</strong>e Hochschulreife zu vergeben<br />

und zum anderen der, darauf reagieren<br />

zu müssen, dass man ehrlicher<br />

Weise nicht die leiseste Ahnung hat,<br />

welches Wissen dem heutigen Fünftklässler<br />

wohl beim E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> se<strong>in</strong><br />

Master-Studium nützlich se<strong>in</strong> könnte.<br />

Genau deshalb ist Allgeme<strong>in</strong>bildung<br />

e<strong>in</strong> wichtiges Ziel: als breite Basis, die<br />

e<strong>in</strong> gewisses Grundwissen zum<strong>in</strong>dest<br />

für e<strong>in</strong>e Fülle von Studiengängen darstellt<br />

und als die Konfrontation mit Inhalten,<br />

die den Geist tra<strong>in</strong>ieren und fit<br />

machen für Aufgaben, an die wir heute<br />

noch gar nicht denken. Jürgen Kaube<br />

von der Frankfurter Allgeme<strong>in</strong>en<br />

Zeitung hat auf die Frage, warum man<br />

Heft 1/<strong>2011</strong>

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