POWIZEI - Institut für Politikwissenschaft - Johannes Gutenberg ...
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kostenlos<br />
P OW I Z E<br />
wir schauen nach dem rechten - und dem linken...<br />
I<br />
ausgabe<br />
01 :: juni 2008<br />
M AG I S T E R<br />
V S<br />
B AC H E L O R<br />
pOWIZEI<br />
powizei - eine zeitung des fachschaftsrats politikwissenschaft
INNERES<br />
| 23 |
INNERES<br />
Tatort: <strong>Johannes</strong>-<strong>Gutenberg</strong> Universität Mainz;<br />
<strong>Institut</strong> für <strong>Politikwissenschaft</strong><br />
Stehen bleiben! POWIzei!<br />
In deinen Händen hältst Du die wiederauferstandene<br />
Zeitung des Fachschaftsrates <strong>Politikwissenschaft</strong>.<br />
Nachdem unser Vorgänger einen langsamen<br />
und schmerzvollen Tod starb, steigt nun wie<br />
der Phoenix aus der Asche die brisante, brandaktuelle,<br />
investigative, überparteiliche und unterschätzte<br />
Pflichtlektüre für jede Politikstudentin.<br />
Nach einem halben Jahr unter die Haut gehender<br />
und intravenöser Recherche, schweißtreibendem<br />
Korekturlehsen und wundgetippter Finger ist das<br />
Meisterwerk schließlich vollendet.<br />
Damit Du nun endlich nach jahrelanger politikwissenschaftlich-publizistischer<br />
Flatulenz den<br />
Uni-Alltag besser verdauen kannst, hilft dir jetzt<br />
die <strong>POWIZEI</strong>. Denn: Wir schauen nach dem<br />
Rechten und dem Linken! Hast Du deine Hausarbeit<br />
immer noch nicht zurück? Ist der Aufzug<br />
im SB II mal wieder stecken geblieben? Oder hast<br />
Du deinen Dozenten und seinen Hiwi heimlich<br />
im Kopierraum beobachtet? Wir decken auf! Wir<br />
schauen nicht nur in die dunklen, sondern in alle<br />
Ecken des <strong>Institut</strong>s und wirbeln den Staub auf.<br />
Wir füttern Dich mit zuverlässigen und willkürlich<br />
ausgewählten Fakten, gefälschten Statistiken<br />
und zensierten Interviews – Du kannst dein ZEIT-<br />
Abo also getrost kündigen.<br />
Wir – der Fachschaftsrat, dein Freund und Helfer<br />
ohne Schlagstock – steht Dir aber auch bei<br />
den weniger brisanten Problemen zur Seite: Wir<br />
bieten kompetente Unterstützung bei der Stundenplanerstellung,<br />
erste Hilfe bei akutem Partymangel<br />
und schwören Dir ewige Treue - bis zum<br />
Studienabschluss.<br />
Doch auch wir benötigen deine Hilfe: Trotz unserer<br />
hohen Mitgliederdichte sind wir für eine<br />
erfolgreiche Weiterführung der <strong>POWIZEI</strong> auf<br />
Nachwuchsjournalisten wie Dich angewiesen, die<br />
unser <strong>Institut</strong> auch in Zukunft unter die Lupe<br />
nehmen wollen!<br />
Ihre Meldeauflagen: Einmal<br />
pro Semester POWIzei lesen!<br />
| 3 |
P OW I Z E<br />
I INHALT<br />
VORWORT<br />
05<br />
INNERES<br />
08<br />
GRUSSWORT<br />
«Ich habe viel Routine in<br />
der Zwischenzeit» Jürgen W-<br />
Falter im Interview<br />
WAS LANGE WÄHRT... Das neue<br />
SoWi Gebäude<br />
«dann hat der herr<br />
schoen...» Ein Interview<br />
FREUNDE DER POLITIK-<br />
WISSENSCHAFT<br />
«ich bin ein politischer<br />
mensch» Nele Möhlmann im FBR<br />
DIE FACHSCHAFT IM SOMMER-<br />
SEMESTER 2008<br />
Powi Ringvorlesung<br />
NACHGEFRAGT<br />
TITEL :: BACHELOR/MASTER<br />
WAS JUNGESELLE UND MASTER<br />
SO ALLES MIT SICH BRINGEN<br />
WEIHNACHTEN ODER<br />
UNWETTER?<br />
ÄUSSERES<br />
06<br />
08<br />
15<br />
16<br />
19<br />
20<br />
22<br />
23<br />
24<br />
26<br />
29<br />
15<br />
HINTER DEN KULISSEN –<br />
<strong>Politikwissenschaft</strong> mal anders<br />
33<br />
| 45 |
40<br />
34<br />
36<br />
DIGITAL VS. ANALOG<br />
<strong>Politikwissenschaft</strong>ler im<br />
Beruf<br />
FREIZEIT<br />
38<br />
40<br />
44<br />
45<br />
46<br />
48<br />
50<br />
AUS DEM LAND DER POESIe<br />
Kulturtip: Poetry Slam im KUZ<br />
schöne kneipen hat das<br />
land... Zwei Kneipen im Test<br />
RÄTSEL<br />
WO SIND DIE FEHLER?<br />
WO IST FALTER? Das Suchspiel<br />
MALEN NACH ZAHLEN<br />
IMPRESSUM<br />
34<br />
38<br />
| 5 |
INNERES<br />
GruSSwort<br />
Dass es wieder eine Zeitung der Fachschaft <strong>Politikwissenschaft</strong> gibt, ist großartig ...<br />
und auch höchste Zeit. Die Menge der <strong>Institut</strong>smitglieder, die sich noch an den Vorgänger,<br />
die „PoliTzeiT“, erinnert, ist nämlich bereits drastisch geschrumpft. Und diese<br />
Erinnerung, zumindest bei mir, ist zwar eine gute, aber auch eine inzwischen ziemlich<br />
vage.<br />
Und das ist auch gut so. <strong>POWIZEI</strong> kann damit in ihr erstes Jahr völlig unbelastet<br />
von nostalgisch verklärten Vergleichen mit dem Vergangenen starten, das per definitionem,<br />
weil vergangen, immer besser war. Ich wünsche ihr eine große und begeisterte<br />
Leserschaft, den Kreativen viel Spaß und dass ihnen nie der Nachwuchs ausgeht und<br />
dem <strong>Institut</strong>, dass die neue Fachschaftszeitung durch Information und Kritik (und<br />
gelegentlich ein freundliches Wort) dazu beiträgt, das hochschulpolitische Bewusstsein<br />
der Studierenden zu schärfen, die Responsivität der Mitarbeiter zu erhöhen und insgesamt<br />
eine Atmosphäre der Zusammengehörigkeit aller zum <strong>Institut</strong> für <strong>Politikwissenschaft</strong><br />
zu schaffen.<br />
Vor allem aber gratuliere ich der Fachschaft ganz herzlich zur ersten Ausgabe der neuen<br />
<strong>POWIZEI</strong>; ich freue mich sehr über ihr großes Engagement.<br />
Annette Schmitt<br />
10. April 2008<br />
| 67 |
| 7 |<br />
INNERES
INNERES<br />
«Ich habe viel<br />
Routine in der<br />
Zwischenzeit»<br />
| 89 |
INNERES<br />
Professor Dr. Jürgen W. Falter<br />
stand <strong>POWIZEI</strong> Rede und Antwort<br />
und sprach mit uns über seine Projekte,<br />
das Leben in den Medien und<br />
die anstehende Bachelor-/Masterumstellung.<br />
Herr Falter, was macht ein Universitäts-Professor<br />
eigentlich in den Semesterferien?<br />
Typischerweise schreibt ein Universitätsprofessor<br />
in den Semesterferien die Aufsätze und Buchkapitel,<br />
zu denen er während des Semesters nicht<br />
gekommen ist. Bei mir sind viele andere Sachen<br />
dabei. Ich bin ja auch Dekan des Fachbereichs,<br />
das heißt ich habe viele Verwaltungsaufgaben. Ich<br />
bin in unendlich vielen Gremien der Universität:<br />
Im akademischen Senat, ich bin der Vorsitzende<br />
des Fachbereich-Prüfungsausschusses, ich bin im<br />
Vorstand des <strong>Gutenberg</strong>-Kollegs, der <strong>Gutenberg</strong>-<br />
Akademie der besten Doktoranden der Universität,<br />
in der Akademie der Wissenschaften. Schon<br />
allein dadurch hab ich keine Langeweile. Zusätzlich<br />
kommen bei mir ja auch noch immer mal wieder<br />
Medienauftritte und Interviewanfragen dazu,<br />
sowie vielerlei Vortragsverpflichtungen, die ich<br />
irgendwann einmal eingegangen bin. Und auch<br />
ein bißchen Politikberatung: Ich habe gerade von<br />
einer Partei die Bitte erhalten, an zwei Terminen<br />
bei deren Vorstandssitzungen dabei zu sein. Das<br />
liegt alles in den Semesterferien. Da reist man hin,<br />
bereitet sich vor, dann ist man dabei, reist wieder<br />
zurück, und schon sind drei Tage weg.<br />
Sie haben gerade erwähnt, dass Sie Dekan des<br />
Fachbereiches 02 sind. Beschreiben Sie bitte,<br />
was man als Dekan so zu tun hat.<br />
Der Dekan ist erstens der Vorgesetzte von vielen<br />
Leuten in der Fachbereichsverwaltung. Er hat<br />
das Haus- und Budgetrecht, er leitet die Sitzungen<br />
des Fachbereichsrats und des Haushalts- und<br />
Strukturausschusses, sowie mancher Berufungskommission.<br />
Darüber hinaus ist er der Vorsitzende<br />
des Fachbereichs-Prüfungsausschusses, ferner qua<br />
Amt Mitglied des Akademischen Senats, er führt<br />
in mehreren Etappen die Berufungsverhandlungen<br />
mit den Bewerbern um eine Professur, zuerst<br />
alleine, dann mit dem Kanzler, schließlich mit dem<br />
Berufenen, dem Kanzler und dem Präsidenten gemeinsam.<br />
Er versucht manchmal Frieden in den<br />
Laden, sprich den Fachbereich selbst oder einzelne<br />
| 9 |
INNERES<br />
<strong>Institut</strong>e zu bekommen, die Stimmung zu erhalten<br />
und außerdem die Verwaltung unten am Laufen<br />
zu halten, was allerdings am Besten dadurch<br />
geschieht, dass man im Normalfall möglichst<br />
wenig eingreift, aber manchmal muss man das<br />
dann eben doch tun. Es sind regelmäßig immer<br />
Riesen-Stapel von Postmappen auf dem Tisch,<br />
und ich habe pro Woche etwa 100 bis 150 Unterschriften<br />
unter Prüfungsurkunden zu leisten.<br />
Wenn das nicht auch Spaß machen würde, wäre<br />
das schon eine ziemliche zeitliche und psychische<br />
Belastung.<br />
Was war denn eigentlich ihre Motivation, Professor<br />
zu werden, also in die Lehre zu gehen,<br />
anstatt in andere Bereiche?<br />
Also, das Feuer in mir für die Wissenschaften ist in<br />
den letzten Semestern meines Studiums entfacht<br />
worden. Da fand ich, dass das was Schönes, Selbstimmtes<br />
sei. Dann bin ich nach meinem Diplom<br />
in die USA gegangen, und als ich dort war, bekam<br />
ich eine Assistentenstelle angeboten in Deutschland.<br />
Das war ja schon mal ein Traum, und die<br />
hab ich dann auch angenommen und den USA-<br />
Aufenthalt etwas früher abgebrochen. Während<br />
meiner Assistententätigkeit habe ich promoviert<br />
und während des<br />
P r o m ov i e r e n s<br />
dann wirklich<br />
entdeckt, wie viel<br />
Spaß mir Wissenschaft<br />
macht. Ab<br />
da war es mein<br />
Lebensziel, Professor zu werden. Ich hatte das<br />
aberwitzige Glück - ich hatte eine gute Dissertation<br />
geschrieben und bereits die eine oder andere<br />
kleine Publikation veröffentlicht -, dass ich mit 29<br />
tatsächlich einen Ruf auf eine Professur bekam.<br />
Eine Lebenszeit-Professur die ich natürlich auch<br />
angenommen habe. Auf diese Weise habe ich einen<br />
Lebenstraum mit 29 erfüllt und bedaure diese<br />
Entscheidung bis heute nicht, auch wenn ich in einem<br />
andren Beruf wahrscheinlich sehr viel mehr<br />
Geld hätte verdienen können. Aber diese Selbstbestimmung,<br />
die man dann doch weitgehend hat im<br />
Inhaltlichen, die Tatsache, dass man immer mit<br />
jungen Leuten zu tun hat, dass man hochbegabte<br />
Mitarbeiter hat, mit denen man sich intellektuell<br />
auseinander setzt, dass man eine „scientific community“<br />
hat von Kollegen, die auf dem gleichen<br />
oder ähnlichen Gebieten forschen, mit denen man<br />
zusammenarbeiten kann, und außerdem noch in<br />
einem Beruf tätig ist, der nach wie vor ein hohes<br />
gesellschaftliches Ansehen genießt, das alles ist<br />
ein Geschenk des Himmels, über das man sich nur<br />
freuen kann.<br />
Sie sind ja nun schon seit 1993 hier in Mainz,<br />
also mittlerweile 15 Jahre. Warum hat es Sie<br />
gerade hierher verschlagen?<br />
Das war der fünfte Ruf, den ich erhalten habe,<br />
nach der Hochschule der Bundeswehr München<br />
und der Freien Universität in Berlin, wo ich meinen<br />
ersten großen Lehrstuhl hatte. Ich hatte zwischenzeitlich<br />
einen Ruf nach Genf in die Schweiz<br />
erhalten, den ich aber dann abgelehnt hatte, ich<br />
hatte die Möglichkeit nach Heidelberg zu gehen,<br />
die habe ich aber wegen Genf nicht wahrgenommen,<br />
und als das Mainzer Angebot kam merkte<br />
ich, die Mainzer wollen mich unbedingt haben.<br />
Nicht alle, aber die meisten Kollegen, die Universitätsspitze,<br />
das Dekanat wollten mich haben, da<br />
war eine gewisse Begeisterung da, und das Angebot<br />
war auch recht günstig. Dann kam noch etwas<br />
rein Biographisches dazu: Meine Eltern, die<br />
inzwischen im Ruhestand waren, lebten damals<br />
50 Kilometer von hier, in Heppenheim an der<br />
Bergstraße. Das war<br />
natürlich ein weiterer<br />
Aspekt, da ich ja wußte:<br />
die werden nicht<br />
jünger und allzu oft<br />
und lange werde ich<br />
sie nicht mehr sehen.<br />
Und dann haben die Berliner auch noch miserabel<br />
mit mir verhandelt, die wollten mich halten,<br />
aber das Mainzer Angebot war dann doch sehr<br />
viel besser. Deswegen habe ich mich für Mainz<br />
entschieden, und ich bedaure diese Entscheidung<br />
eigentlich immer nur dann, wenn ich nach Berlin<br />
komme und merke, was das für eine vitale<br />
und interessante Stadt ist. Aber die Universität<br />
gewechselt zu haben, habe ich eigentlich nicht bedauert.<br />
Ich hätte ja auch die Chance gehabt noch<br />
mal weg zu gehen, ich hatte auch noch einen Ruf<br />
nach Bonn, den habe ich abgelehnt, weil ich mich<br />
hier wohlfühle.<br />
«als das Mainzer Angebot kam<br />
merkte ich, die Mainzer wollen<br />
mich unbedingt haben»<br />
Bemerken Sie Unterschiede zwischen den Studenten<br />
heute und den Studenten zu ihrer Studienzeit?<br />
| 10 11 |
INNERES<br />
Wir waren viel kritischer. Das ist ein Riesenunterschied.<br />
Der wichtigste Unterschied ist die Masse,<br />
es gibt einfach in der Zwischenzeit fast die zehnfache<br />
Zahl an Studenten gegenüber der Zeit, als<br />
ich studiert habe. Damals gingen 5 bis 6 % eines<br />
Jahrgangs auf die Universität, in der Zwischenzeit<br />
sind es etwa 30 %. Das ist der erste Punkt.<br />
Der zweite Punkt ist, dass wir damals insgesamt<br />
homogener waren, homogener was die Herkunft<br />
anging, die meisten kamen einfach aus bürgerlichen<br />
Elternhäusern, aus bildungsbürgerlichen Elternhäusern<br />
zum Teil. Insofern war eine gewisse<br />
Homogenität des Hintergrundes gegeben, die Homogenität<br />
einer gemeinsamen Bildung, das heißt<br />
jeder hat zwei lebende Fremdsprachen gesprochen,<br />
fast jeder hatte in der Schule Latein gehabt,<br />
jeder hat einen bestimmte literarischen Kanon<br />
durchgearbeitet, bestimmte historische Kenntnisse<br />
ausgewiesen, was heute in der ausdifferenzierten<br />
Bildungslandschaft der Bundesrepublik nicht<br />
mehr der Fall ist. Das heißt es war vermutlich<br />
einfacher für unsere akademischen Lehrer, ein intellektuell<br />
einigermaßen anspruchsvolles Seminar<br />
zu führen. Und wir waren insgesamt kritischer,<br />
weniger wissenskonsumorientiert und waren auch<br />
rein zahlenmäßig viel weniger. Massenseminare,<br />
wie wir sie heute kennen, gab es nicht, Massenvorlesungen<br />
waren die absolute Ausnahme. Am<br />
Otto-Suhr-<strong>Institut</strong> in Berlin, wo ich nach meinen<br />
Heidelberger Semestern studierte, gab es<br />
350 Hauptfach-<strong>Politikwissenschaft</strong>sstudenten<br />
für 10 Professuren. Das heißt man kannte seine<br />
Professoren auch im Allgemeinen persönlich. Es<br />
herrschte einfach ein anderes intellektuelles Klima.<br />
Ich glaube es war insgesamt leichter für uns<br />
als für Ihre Generation.<br />
Ihre beiden wissenschaftlichen Schwerpunkte<br />
sind ja einerseits der politische Extremismus<br />
und zum Anderen die Wahlforschung. Worin<br />
liegt für sie die Faszination an diesen Themen,<br />
was interessiert Sie daran?<br />
Ich bin eigentlich auf die Kombination beider gestoßen<br />
worden, als ich Student war, das war in der<br />
zweiten Hälfte der 60er Jahre, ich habe 1968 Diplom<br />
gemacht in Berlin. Die NPD wurde ab Mitte<br />
der sechziger Jahre erstmals groß, sie ist damals<br />
in sieben Landtage eingezogen und ich war völlig<br />
fassungslos darüber, wie so kurz nach dem Krieg<br />
- das war ja erst 20 Jahre nach Kriegsende, es<br />
war die Zeit, als die Auschwitz-Prozesse geführt<br />
wurden, wo man also noch relativ stark in der<br />
Verarbeitung des Nationalsozialismus lebte, speziell<br />
in meinen Fächern <strong>Politikwissenschaft</strong> und<br />
Geschichte - die Deutschen eine Partei wie die<br />
NPD wählen konnten und ich habe mich gefragt:<br />
warum. Ich habe dann eine Hausarbeit darüber<br />
geschrieben in einem Seminar, das über die NPD<br />
ging und habe festgestellt, dass die Umfragen alle<br />
etwas andere Ergebnisse brachten. Ich dachte,<br />
das kann doch nicht wahr sein, da war – erstmals<br />
– mein Zutrauen in die Umfrageforschung erschüttert.<br />
Dann begann ich mich mit dem Thema<br />
zu beschäftigen, schrieb eine Diplomarbeit über<br />
wirtschaftliche Einflussfaktoren von Wahlverhalten,<br />
in der ich einen Vergleich zwischen den Erfolgsbedingungen<br />
der NPD und einem Wahlerfolg<br />
der SPD zog. Danach habe ich angefangen, mich<br />
für ein Dissertationsthema zu interessieren: über<br />
den Rechtsextremismus der deutschen Landbevölkerung,<br />
der war damals ein bisschen stärker<br />
gegeben als heute, die NPD hatte zeitweise Erfolge<br />
bei Bauern, wie schon die NSDAP in den<br />
30iger Jahren. Ich bin aber zunächst einmal in<br />
die USA gegangen, bekam die Assistentenstelle<br />
in Saarbrücken und hab dann über Wahlen im<br />
Saarland gearbeitet. Darüber habe ich dann die<br />
Dissertation geschrieben und damit war ich in der<br />
Wahlforschung.<br />
Das hatte mich immer interessiert, vor allem aus<br />
demokratietheoretischen Gründen: Warum wählen<br />
welche Leute welche Partei? Was sind die Stabilitätsbedingungen<br />
von Demokratie? Welche politischen<br />
Einstellungen haben die Menschen? Wie<br />
stark tragen diese Einstellungen die Demokratie?<br />
Und schon bin ich wieder thematisch am Extremismus<br />
dran. Und dann kam bei mir das eigentlich<br />
immer vorhandene historische Interesse dazu.<br />
Da war auch wieder ein biographischer Zufall im<br />
Spiel: Als ich als junger Professor ein Gastsemester<br />
an der Harvard-University verbrachte, wurde<br />
ich auf eine Tagung, die im Historischen Kolleg zu<br />
Berlin stattfand, eingeladen. Ich wurde gefragt,<br />
ob ich nicht etwas erzählen könne über Wählerbewegungen<br />
in der Europäischen Geschichte. Und<br />
dann kam ich auf die Idee, zu berichten, wer die<br />
NSDAP gewählt hat. Ich stellte innerhalb der drei<br />
oder vier Wochen, in denen ich mich in den USA<br />
mit diesem Thema beschäftigt habe, fest, dass der<br />
Forschungsstand ausgesprochen miserabel war.<br />
Dieses habe ich dann in Berlin vorgetragen, wur-<br />
| 11 |
INNERES<br />
de dafür fürchterlich angegiftet, vor allem von<br />
den anwesenden Historikern und zwar deswegen,<br />
weil die dachten, sie wüssten schon alles darüber.<br />
Als Wahlforscher hatte ich mehr methodische,<br />
statistische Vorbildung als der Normal-Historiker<br />
und hatte festgestellt, dass die empirische Basis<br />
unserer Kenntnisse über die NSDAP-Wähler ausgesprochen<br />
schlecht war. Und da dachte ich, da<br />
muss ich ein<br />
Forschungsprojekt<br />
darüber<br />
machen. Ich<br />
habe dann zunächst<br />
ein Forschungsprojekt<br />
formuliert über<br />
die Wähler des Nationalsozialismus in Deutschland<br />
und Österreich. Da ich sehr skeptisch über<br />
die Erfolgaussichten der Projektfinanzierung war,<br />
habe ich ein zweites Forschungsprojekt formuliert<br />
über Wahlen in der Weimarer Republik, habe den<br />
einen Projektantrag an die Deutsche Forschungsgemeinschaft,<br />
den anderen an die Stiftung Volkswagenwerk<br />
geschickt. Ein halbes Jahr später bekam<br />
ich innerhalb von wenigen Tagen gleich zwei<br />
positive Bescheide und hatte somit zwei sehr hoch<br />
dotierte Forschungsprojekte mit vielen Mitarbeitern<br />
zu leiten. Ich hatte das Glück, dafür sehr gute<br />
Mitarbeiter zu bekommen. Die nahm ich dann,<br />
als der Ruf nach Berlin kam, dorthin mit und<br />
habe dann in Berlin weiter an diesen Projekten<br />
gearbeitet und mich insgesamt 12 Jahre mit der<br />
Frage, wer die NSDAP gewählt hat, beschäftigt.<br />
Und da ist dann das Buch «Hitlers Wähler» raus<br />
gekommen und bestimmt 30 Aufsätze auf Englisch,<br />
Französisch, Deutsch und Spanisch. Das ist<br />
ein Themenkreis, der mich bis heute beschäftigt,<br />
unter anderem, weil ich glaube, dass das nicht<br />
ausgestanden ist. In allen Industrieländern wird<br />
es immer mindestens einen Bodensatz an Extremismus<br />
geben. Und zwar auf der Rechten wie auf<br />
der Linken. Und man muss immer untersuchen:<br />
Wer sind diese Leute? Was denken diese Leute?<br />
Können sie der Demokratie gefährlich werden?<br />
Das ist eigentlich das, was mich zeit meines wissenschaftlichen<br />
Lebens aus, sagen wir einmal aus<br />
staatsbürgerlichem Interesse vorantreibt.<br />
Wie ist bei Ihnen beim Aufwand das Verhältnis<br />
zwischen Forschung und Lehre?<br />
«Ich hab es mal die Fachhochschulisierung<br />
der Universität genannt,<br />
und das sehe ich nicht so<br />
gerne»<br />
Ich war früher stärker forschungsorientiert, die<br />
Lehre stellte für mich manchmal auch ein bisschen<br />
Störung der Forschung dar. Das hat sich<br />
drastisch geändert, ich investiere in der Zwischenzeit<br />
sicherlich genauso viel in die Lehre wie in die<br />
Forschung. Ich glaube allerdings, dass sich ohne<br />
eigene Forschung eine<br />
gute Lehre nicht machen<br />
lässt, weil man nur dann<br />
ein Gespür für die Qualität<br />
dessen, was man<br />
vorträgt, bekommt. Aber<br />
das ist vielleicht ein Altersphänomen,<br />
mittlerweile<br />
nehme ich die Lehre insgesamt ernster, als ich das<br />
vielleicht vor 20 Jahren getan habe. Auch damals<br />
habe ich gerne gelehrt, aber auf engeren Gebieten.<br />
Das war am Otto-Suhr-<strong>Institut</strong> auch leichter<br />
möglich, wo man 45 Professoren der <strong>Politikwissenschaft</strong><br />
hatte, da konnte jeder sein Schrebergärtlein<br />
nach Gutdünken bearbeiten. Hier habe<br />
ich den größten Lehrstuhl des <strong>Institut</strong>s, das ist<br />
einfach viel breiter ausgelegt als meine Professur<br />
in Berlin, die die schöne Bezeichnung «<strong>Politikwissenschaft</strong>/Vergleichende<br />
trug.<br />
Haben Sie im Moment ein aktuelles<br />
Forschungsprojekt?<br />
Faschismusforschung»<br />
Ja, ich habe an meinem Lehrstuhl seit ein paar<br />
Monaten ein hochinteressantes, von der Deutschen<br />
Forschungsgemeinschaft mit rund 300.000<br />
Euro gefördertes Forschungsprojekt. Und zwar<br />
gibt es das Phänomen bei Umfragen, dass sich<br />
immer weniger Leute beteiligen. Es gibt mit anderen<br />
Worten immer mehr Verweigerer. Das geht<br />
soweit, dass in der Zwischenzeit sich bei sogenannten<br />
Adress-Stichproben, die man aus dem<br />
Einwohner-Melderegister rauszieht, im Schnitt<br />
60 Prozent nicht mehr beteiligen, so dass wir nur<br />
noch 40 Prozent der Stichprobe in der realisierten<br />
Umfrage überhaupt noch erreichen. Es stellt sich<br />
die Frage: Wer sind diese 60 Prozent, über die wir<br />
nichts wissen? Wenn die nicht in die Umfragen eingehen,<br />
wissen wir auch nichts über sie. Also stellt<br />
sich zunächst einmal rein demographisch die Frage:<br />
Wer ist das? Alte, Junge, Männer, Frauen? Wo<br />
wohnen die? Zweitens: Wie politisch interessiert<br />
| 12 13 |
INNERES<br />
und engagiert sind die Verweigerer?<br />
Sind das wirklich die Uninteressierten?<br />
Da gibt es Verweigerer, die interessiert<br />
sind, aber dann nicht mitmachen wollen,<br />
sogenannte „Protest-Verweigerer“.<br />
Was denken die politisch? Sind sie von<br />
extremistischen Parteien ansprechbar?<br />
Um das herauszukriegen, hatte ich mir<br />
ein Forschungsprojekt ausgedacht, wo<br />
wir versuchen, den Leuten einmalig ihre<br />
Antwort „abzukaufen“. Die, die sagen<br />
«keine Zeit, kein Bock, kein Interesse,<br />
macht euren Dreck alleine», die versuchen<br />
wir zunächst zu überreden. Wenn<br />
das nicht klappt, versuchen wir, ihnen<br />
die Zeit im wahrsten Sinne des Wortes<br />
abzukaufen, indem wir ihnen Geld bieten.<br />
Das lassen wir uns etwas kosten:<br />
10 Euro, 20 Euro, 30 Euro, dann ist<br />
das Ende der finanziellen Fahnenstange<br />
erreicht. Für 20 Minuten ist das gut<br />
bezahlt. Und wir haben die Hoffnung,<br />
dass wir mindestens 70 bis 80 Prozent<br />
derer, die normalerweise verweigern, ein<br />
einziges Mal bekommen, um zu wissen,<br />
wer diese Gruppe ist und was sie denkt.<br />
Dieses Projekt ist jetzt mitten im Laufen<br />
und ist derzeit im Feld.<br />
Unter Studenten ist die Diskussion<br />
über die Umstellung der Studiengänge<br />
auf Bachelor und Master groß. Ab kommendem<br />
Wintersemester gibt es keine andere Wahl<br />
mehr. Wie ist ihre Meinung dazu?<br />
Wir sind nun mal Gefangene dieser Entscheidung<br />
der Kultusminister und Ministerpräsidenten, über<br />
deren Weisheit man nach wie vor streiten kann.<br />
Diese Entscheidung im laufenden Betrieb – bei<br />
sich ständig ändernden Rahmenbedingungen – zu<br />
realisieren, hat uns unendlich viel Kraft, unendlich<br />
viel Zeit gekostet, es hat den Universitätsbetrieb<br />
bei uns am <strong>Institut</strong> über Monate, fast Jahre<br />
halb lahm gelegt, weil wir ständig an der Ausarbeitung<br />
von neuen Prüfungsordnungen, Studiengängen<br />
und Strukturplänen waren. Für die<br />
Studenten wird das, glaube ich, sehr unerfreulich<br />
werden, weil sie kaum noch Zeit zur Reflektion<br />
haben werden, keine Zeit, sich mal in ein Thema<br />
zu verbeißen, mal vier Wochen nichts anderes zu<br />
tun, als einem Dozenten nachzuweisen, dass er<br />
Unrecht hat. Das wird nicht mehr möglich sein,<br />
weil einfach das konsumptive Element viel stärker<br />
sein wird als bisher, die reine Lehrstoffvermittlung<br />
mit ständig begleitenden Prüfungen. Es wird eine<br />
viel stärkere Verschulung geben, ich hab es mal die<br />
«Fachhochschulisierung» der Universität genannt<br />
und das sehe ich nicht so gerne.<br />
In der Politikberatung haben Sie ja auch persönlich<br />
mit Politikern zu tun. Gewinnt man dadurch<br />
einen anderen Eindruck von Politik?<br />
Absolut. Zunächst einmal erleben wir ja Politik<br />
durch die Printmedien und durch das Fernsehen.<br />
Das Fernsehen verzerrt, vergröbert und vereinfacht.<br />
Menschen, die vor der Fernsehkamera gewinnend<br />
erscheinen, können hinter der Kamera ein<br />
Ekel sein und Menschen, die auf dem Bildschirm<br />
ekelhaft und abstoßend wirken, können absolut<br />
umgänglich sein. Es gibt einfach eine potentielle<br />
| 13 |
INNERES<br />
Verzerrung der Realität dadurch. Nicht bei Vielen,<br />
aber bei Manchen. Roland Koch ist so ein Beispiel<br />
für mich. Der ist viel umgänglicher im persönlichen<br />
Umgang, als er jemals über einen Fernsehbildschirm<br />
wirken würde. Die Claudia Roth von<br />
den Grünen ist ein wunderbares Beispiel. Das ist<br />
eine absolut nette Person, die für viele doch ziemlich<br />
unerträglich wirkt in ihrer Betroffenheitsmanie,<br />
wenn sie vor einem Mikrofon steht. Aber<br />
die ist im richtigen Leben absolut kumpelhaft,<br />
humorvoll und angenehm. Wie gesagt, da gibt es<br />
manche Verzerrungen dieser Art. Man merkt vor<br />
allem in vielen Gesprächen mit Politikern etwas<br />
über die informellen Eigenschaften, wie Politik<br />
tatsächlich verläuft. Politik verläuft einerseits auf<br />
einer Bühne, wo viel inszeniert und verkündet<br />
wird, aber die tatsächliche Politik verläuft eher in<br />
Hinterzimmern und Gremien, eher unter vier oder<br />
sechs Augen. Das sind Aushandlungsprozesse, «do<br />
ut des», wenn du mir das gibst, dann gebe ich dir<br />
jenes. Das sind Kompromisse, die geschlossen werden<br />
müssen und dann in der Öffentlichkeit als faul<br />
gebrandmarkt werden. Aber sie sind einfach ein<br />
Element der Demokratie. Das mitzukriegen, das<br />
ist ein Geschenk, der Preis dafür ist, dass man sich<br />
ein klein bisschen stärker in der politischen Öffentlichkeit<br />
bewegen muß, so wie ich das manchmal<br />
tue.<br />
in Beziehung auf die Richtlinienkompetenz des<br />
Kanzlers. Solche Dinge klar zu machen, das ist ja<br />
auch ein bisschen ein staatsbürgerlicher Bildungsauftrag.<br />
Und ich gebe zu, das macht mir nach wie<br />
vor Spaß, ebenso wie dieses Interview.<br />
Herr Falter, vielen Dank für dieses Gespräch.<br />
| lennart |<br />
Sie kennen die Politik nicht nur abseits der<br />
Öffentlichkeit, sondern saßen in vielen Talksendungen<br />
und bei vielen Wahlanalysen auch vor<br />
der Kamera. Ist ein solcher Auftritt im Fernsehen<br />
für Sie immer noch etwas Besonders?<br />
Also ich stelle fest, dass ich heute weniger aufgeregt<br />
bin als die meisten anderen, die mit mir in einer<br />
Talkrunde sitzen. Aber wenn sie 23mal bei Sabine<br />
Christiansen waren, dann wissen sie irgendwann:<br />
Man kriegt das einigermaßen hin. Manchmal finde<br />
ich geradezu, dass ich inzwischen bei solchen Gelegenheiten<br />
zu wenig Adrenalin im Blut habe. Ich<br />
muss mich dann zusammenreißen, weil ich, wenn<br />
ich ein bisschen aufgeregt bin, insgesamt besser<br />
bin. Ich hab viel Routine in der Zwischenzeit. Und<br />
das ist nicht nur positiv. Andererseits macht es mir<br />
immer noch Spaß, auch kompliziertere Zusammenhänge<br />
so zu verdeutlichen, dass auch Menschen,<br />
die sich nicht täglich in der Politik bewegen,<br />
etwas davon verstehen. Vielleicht auch etwas<br />
zu sagen über die Gewissensfreiheit von Abgeordneten,<br />
oder was Kompetenz-Kompetenz bedeutet<br />
| 14 15 |
INNERES<br />
Was lange währt...<br />
Das Neue Sowi Gebäude<br />
Jeder, der in diesen Tagen den Weg am Philosophicum<br />
vorbei in Richtung UB geht, hat<br />
sie schon gesehen: Die Baustelle. Aber was<br />
wird dort gebaut? Man munkelt, es soll der<br />
lang ersehnte Neubau für die Sozialwissenschaften<br />
sein, der die Powis, Sozis, Pädas und Publis<br />
aus ihrer<br />
SBII Hölle<br />
holen und in<br />
ein gerechteres<br />
Lernumfeld<br />
bringen<br />
soll. Mit einer<br />
Cafeteria, die<br />
vielleicht aus<br />
ein bisschen<br />
mehr besteht<br />
als Cola- und<br />
S ü ß i g k e i -<br />
tenautomat,<br />
mit architektonisch<br />
klug konzipierten Toiletten (mit einem<br />
Volumen, dass eine(n) StudentIn UND Rucksack<br />
fasst!), mit Aufzügen, die nicht stecken bleiben und<br />
einem Feuerschutz, der den heutigen Standards<br />
entspricht. Träumerei? Nein, es gibt ihn und er ist<br />
in Planung! Der «Neubau Sozialwissenschaften».<br />
Das jetzige Baukonzept ist zwar<br />
noch nicht offiziell abgesegnet,<br />
wird aber in seinen Grundzügen<br />
so verwirklicht: Das neue Gebäude<br />
steht ganz im Sinne der<br />
Energieeffizienz. Vom Welderweg<br />
aus zu erreichen, befindet<br />
sich gleich im Erdgeschoss eine<br />
Mensaria und der Haupteingang<br />
zu der neuen Bibliothek. Das<br />
Besondere am Neubau: Er ist<br />
über einen zweigeschossigen Brückenbau<br />
mit der UB verbunden, was eine Symbiose<br />
zwischen UB und den Fachbereichsbibliotheken<br />
der Sozialwissenschaften ermöglicht. In letzter<br />
Konsequenz bedeutet dies neben der gewohnten<br />
Wochenendausleihe auch noch eine 24stündige<br />
Öffnungszeit! Falls sich jemand morgens um drei<br />
von dem Verlangen gepackt fühlt, Max Webers<br />
«Wirtschaft und Gesellschaft» zu wälzen:<br />
Willkommen in der neuen SOWI Bibliothek! Ansonsten<br />
erstreckt sich die neue Bibliothek über insgesamt<br />
zwei Geschosse und verfolgt das Konzept<br />
der «Open Space Libary» mit einer großzügigen<br />
Aufteilung und einem Glasdach.<br />
Auch das Philo wird in diesen<br />
Gebäudekomplex integriert:<br />
Über einen Brückenbau wird<br />
der weiträumige Flur im Philo in<br />
den Neubau überführt.<br />
Die Seminarräume sind, genauso<br />
wie die Mensaria, im vorderen<br />
Teil des Gebäudes untergebracht.<br />
Im hinteren Teil befinden sich<br />
die <strong>Institut</strong>sräume und die<br />
Bibliothek. Das Bauprojekt wird<br />
voraussichtlich im Jahre 2009<br />
starten und zwei Jahre später<br />
abgeschlossen sein. Der SBII<br />
Bau wird zwar Ende dieses Jahres<br />
(natürlich nur voraussichtlich…) mit der lang<br />
ersehnten Feuertreppe versehen, blickt aber nach<br />
der Fertigstellung des Neubaus keiner allzu rosigen<br />
Zukunft entgegen: Ihm steht wahrscheinlich<br />
der Abriss bevor.<br />
Im Lichte dieser zukünftigen Ereignisse mag es einige<br />
von euch melancholisch<br />
stimmen,<br />
wenn ihr das nächste<br />
Mal den SBII betretet:<br />
Trotz seiner<br />
Macken ist das Gebäude<br />
doch immer<br />
noch das langjährige<br />
Zuhause der<strong>Politikwissenschaft</strong>ler,<br />
ein bisschen Marode<br />
aber trotzdem mit<br />
Charakter und ….wer ist schon perfekt?<br />
| michaela |<br />
| 15 |
INNERES<br />
«DANN HAT HERR<br />
SCHOEN EINFACH MAL GESAGT...»<br />
Harald Schoen, wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter aus dem Bereich Innenpolitik,<br />
sprach mit uns über seine Projekte,<br />
das Wechselspiel von Lehre &<br />
Forschung und seine Zukunftspläne.<br />
«Herr Schoen, können wir wohl noch<br />
ein Foto von Ihnen machen?»<br />
«Oh Schreck!»<br />
Herr Dr. Schoen, war Ihre Tätigkeit hier am <strong>Institut</strong><br />
schon immer Ihr Wunschberuf?<br />
Ich habe bis kurz vor Ende meines Studiums<br />
nicht daran gedacht, an der Uni zu bleiben. Und<br />
dann habe ich, als ich damals noch Hilfskraft bei<br />
Professor Rattinger in Bamberg war, eine ausgedruckte<br />
Mail in meinem Postfach erhalten, in der<br />
es hieß, dass Herr Falter Mitarbeiter suche und<br />
dann hat er gemeint, ich soll mich einfach mal bewerben<br />
und ich hab mich beworben. Da hat der<br />
Herr Schoen offenbar<br />
den besten Eindruck<br />
unter den<br />
Bewerbern hinterlassen<br />
und dann<br />
hat Herr Schoen<br />
einfach mal gesagt<br />
ok, probieren wir es doch einfach mal. Sie sehen<br />
also, dass Karrierefragen am Ende oft nur von<br />
Zufällen abhängen.<br />
Und trotzdem macht Ihnen Ihre<br />
Arbeit immer noch Freude und Spaß?<br />
Ja, wenn nicht beim Essen der Appetit gekommen<br />
wäre, säße ich jetzt nicht mehr hier.<br />
Wir möchten gerne noch etwas über Sie als<br />
Menschen erfahren, und deswegen würde uns<br />
interessieren, womit Sie denn Ihre Zeit verbringen,<br />
wenn Sie nicht an der Uni forschen, lehren<br />
oder Interviews geben?<br />
Ach Gott. Zum einen Sport, vor allem Laufen,<br />
und dann viel Lesen, und zwar jetzt nicht wissenschaftlich<br />
lesen, sondern Belletristik genauso<br />
wie Sachbücher. Das Schreckliche ist, dass man<br />
im Laufe des Lebens feststellt, dass es im Prinzip<br />
«Ich habe bis kurz vor Ende<br />
meines Studiums nicht daran gedacht,<br />
an der Uni zu bleiben»<br />
Millionen von interessanten<br />
Sachen gibt<br />
man aber nur eine<br />
sehr begrenzte Zeit<br />
hat, sich damit zu<br />
beschäftigen.<br />
Was ist denn Ihre genaue Aufgabe am <strong>Institut</strong>?<br />
Als Student hat man keine genaue Vorstellung<br />
davon.<br />
Das erinnert mich an eine legendäre Hilfskraft die<br />
uns gestand, dass sie sich immer gefragt habe, wie<br />
beispielsweise Herr Schoen den lieben langen Tag<br />
die Zeit verbringe. Und als sie dann selbst Mitarbeiterin<br />
war, meinte sie, jetzt wisse sie es. Also<br />
was ist die Aufgabe: natürlich auf der einen Sei-<br />
| 16 17 |
INNERES<br />
te die Lehre. Darüber hinaus habe ich auch noch<br />
das Vergnügen, Bafög und alle andern Finanzgeschenke<br />
an Studenten verwalten zu dürfen und<br />
natürlich Forschen.<br />
Zu diesem Stichwort: Könnten Sie uns Ihre aktuelle<br />
Forschung kurz vorstellen?<br />
Es gibt da nicht nur eine.<br />
Dann vielleicht Ihr größtes oder liebstes<br />
Projekt?<br />
Das Schlimme ist folgendes: Dass, wenn man<br />
sich mit einer Frage erst einmal genauer beschäftigt,<br />
bevor man sich versieht, alles interessant<br />
wird. Und deswegen kann ich auch nicht sagen,<br />
das ist jetzt meine<br />
Super-Lieblings-<br />
Forschungsarbeit<br />
oder mein Super-<br />
Lieblings-Projekt,<br />
an dem ich im<br />
Moment arbeite. Im Moment beschäftige ich<br />
mich mit Bevölkerungseinstellungen zu außensicherheitspolitischen<br />
und europapolitischen Fragen,<br />
was auch Hauptgegenstand meiner Habilitation<br />
ist. Zurzeit tendiere ich auch stärker zu<br />
politischer Psychologie, wo es dann beispielsweise<br />
darum geht, was für Konsequenzen Ambivalenz<br />
für die politische Meinungsbildung hat.<br />
«...das sind dann wirklich<br />
nur reine Lehrsklaven»<br />
Wir haben festgestellt, dass Sie ziemlich viel<br />
publiziert haben. Nimmt eher die Forschung<br />
oder die Lehre mehr Zeit in Anspruch?<br />
Das variiert über die Zeit. Also beispielsweise die<br />
Vorbereitung eines neuen Seminars bedeutet für<br />
mich, dass es erstmal etwa so in meinem Büro<br />
aussieht wie jetzt, dass ich Berge von Literatur<br />
durchlesen muss, um mir einen Überblick zu verschaffen.<br />
Genauso dominiert die Lehre vollends,<br />
wenn ich das Glück habe mal wieder mit 60, 70,<br />
80 Hausarbeiten beglückt zu sein, was dann dazu<br />
führt, dass Herr Schoen so eine Woche lang überhaupt<br />
nichts anderes macht als Hausarbeiten zu<br />
korrigieren. Aber wenn ich den Leuten diese stringenten<br />
Termine vorgebe, dann sehe ich es genauso<br />
als gewisse Service-Leistung, dass die Studenten<br />
die Möglichkeit haben, zwei oder drei Wochen<br />
nach der Abgabe das Ergebnis ihrer Hausarbeit<br />
zu haben. Und das sind dann genau solche Phasen<br />
in denen die Lehre auch wenn die Lehrveranstaltung<br />
schon vorbei ist, eindeutig dominiert.<br />
Gibt es Überschneidungen zwischen Lehre und<br />
Forschung zum Beispiel in den Hauptseminaren?<br />
Natürlich, natürlich. Es ist einfach ein Wechselspiel,<br />
auf der einen Seite ist es definitiv so, dass<br />
man, ob nun in Haupt- oder Grundseminaren<br />
durchaus auf die eigene Forschung zurückgreifen<br />
kann. Gleichzeitig ist es aber auch so, dass auch<br />
Lehrveranstaltungen Anregungen für die Forschung<br />
geben können. Sei es, dass einem irgendwann<br />
während dem Seminar auffällt, das wäre<br />
mal eine interessante Frage oder sei es, dass eine<br />
Frage eines Kursteilnehmers einen drauf bringt,<br />
zu sagen, das wäre doch mal was, was man untersuchen<br />
könnte. Also ist es ein Wechselspiel und<br />
so sollte es auch sein. Aber ich<br />
fürchte, dass die wundervolle<br />
neue Bachelor/Master-Welt<br />
dazu führen wird, dass das<br />
nicht mehr der Regelfall sein<br />
wird. Die neuen Lehrkräfte<br />
werden dann bis zu 18 Stunden in der Woche<br />
lehren, das sind dann wirklich nur reine Lehrsklaven.<br />
Sie haben gerade schon anklingen lassen, dass<br />
sich Lehre und Forschung ab und zu gegenseitig<br />
inspirieren, wie setzten Sie denn Ihre Seminarschwerpunkte?<br />
Das sind im Prinzip zwei Faktoren, nämlich<br />
Pflicht und Neigung. Ganz einfach: Ein Faktor<br />
bei Hauptstudiumsveranstaltungen ist natürlich<br />
die Frage, inwieweit wir insgesamt als <strong>Institut</strong><br />
den Studenten ein gutes Angebot machen können.<br />
Und innerhalb dieser Vorgaben versucht<br />
man dann natürlich schon, den eigenen Neigungen<br />
nachzugehen.<br />
Sie haben eben schon angedeutet, wenn Sie ein<br />
neues Seminar vorbereiten, sieht ihr Büro so<br />
aus wie jetzt. Heißt dass, Sie planen ein neues<br />
Seminar?<br />
Also im nächsten Semester hab ich das Vergnügen<br />
ein BRD-Seminar anzubieten und ein Hauptseminar<br />
zu «Politische Eliten in Deutschland».<br />
Haben Sie irgendwelche Grundsätze, was Sie<br />
insbesondere Studienanfängern vermitteln<br />
wollen?<br />
Grundsätze, das hört sich so onkelhaft, altväterlich<br />
an, aber trotzdem kann ich Ihnen dazu<br />
schon eine valide Antwort geben: Was man den<br />
| 17 |
INNERES<br />
Leuten neben irgendwelchen Lehrbuchweisheiten<br />
beibringen sollte, das ist einfach eigenständig zu<br />
denken. Das ist mir das allerwichtigste. Genau<br />
aus dem Grund ist das A und O die Fragestellung<br />
in einer Hausarbeit; wo keine Fragestellung ist,<br />
da muss sich dann ein Kandidat bei der Bewertung<br />
schon relativ warm anziehen.<br />
<strong>Institut</strong> wird im Zuge der Bachelor-/ Masterumstellung<br />
umstrukturier. Vielleicht können Sie<br />
kurz dazu Stellung nehmen, welche neue Ausrichtung<br />
Ihrer Meinung nach gut wäre.<br />
Das ist eine Frage, zu der ich wenig sagen kann,<br />
weil das Gastspiel von Herrn Schoen in Mainz<br />
irgendwann einmal zu Ende gehen wird und das<br />
wird in nicht allzu ferner Zukunft sein.<br />
Gibt es denn da schon Pläne?<br />
Mein Vertrag läuft laut Hochschulrecht im Herbst<br />
2009 aus und dann darf ich nicht mehr länger<br />
Mitarbeiter sein. Ob Herr Schoen dann irgendein<br />
Projekt hat, über das er sich dann finanzieren<br />
kann, oder ob ich die Ehre und das Vergnügen<br />
habe, irgendwo eine Professur zu bekommen. Das<br />
ist dann die Frage.<br />
| marie | saskia |<br />
Bei der nächsten Frage können Sie vielleicht<br />
aus Erfahrung sprechen: Für wie wichtig erachten<br />
Sie denn das Hochschulengagement der<br />
Studenten?<br />
Ich kann mir vorstellen, dass es denjenigen, die<br />
das machen, auf jeden Fall etwas bringt. Das ist<br />
unbestritten. Man muss natürlich, wie bei allen<br />
anderen Sachen, aufpassen, dass das Ganze nicht<br />
von einer Nebentätigkeit zu einer Haupttätigkeit<br />
wird. Was jetzt die Wirkung fürs <strong>Institut</strong> angeht,<br />
es geht natürlich so, dass die Fachschaft auf jeden<br />
Fall wichtige Anregungen geben kann, nämlich<br />
Rückmeldungen darüber, was gut und was weniger<br />
gut ist.<br />
Wenn Sie Student wären, was wäre für Sie ein<br />
Grund, hier an der Uni Mainz zu studieren?<br />
Oh Schreck! Ich denke wieder nur von studentischer<br />
Seite her, weil man schon annehmen kann,<br />
dass ein großer Teil einfach die heimatliche Nähe<br />
als großes Kriterium genommen hat. Wenn man<br />
sich für bestimmte Themen interessiert zum Beispiel<br />
für politische Soziologie und empirische Sozialforschung,<br />
dann ist Mainz auf jeden Fall eine<br />
gute Adresse.<br />
Die IB-Professur wird neu vergeben und das<br />
| 18 19 |
INNERES<br />
Freunde der<br />
<strong>Politikwissenschaft</strong><br />
Über den Verein der Ehemaligen, Förderer, Freunde und<br />
Studierenden der <strong>Politikwissenschaft</strong> an der <strong>Johannes</strong><br />
<strong>Gutenberg</strong>-Universität Mainz<br />
Der Verein der Freunde der Mainzer <strong>Politikwissenschaft</strong><br />
wurde im Mai 2006 von<br />
Studierenden, Absolventen, und Mitarbeitern<br />
des <strong>Institut</strong>s für <strong>Politikwissenschaft</strong><br />
gegründet. Dieser Verein organisiert<br />
Veranstaltungen, um Kontakte zwischen<br />
Studenten, Mitglieder und Alumni, die jetzt bereits<br />
im Berufsleben sind, zu knüpfen. Dazu zählen, in<br />
Zusammenarbeit mit dem <strong>Institut</strong> der <strong>Politikwissenschaft</strong><br />
unserer Universität, das jährliche Akademische<br />
Abschlussfest, bei dem die Absolventen<br />
des letzten Jahres geehrt werden und die Vortragsreihe<br />
»Berufschancen für <strong>Politikwissenschaft</strong>ler».<br />
Im Rahmen des Abschlussfestes, das immer im<br />
Sommersemester stattfindet, verleiht der Verein<br />
den Tectum-Preis, der für die beste Magisterarbeit<br />
des Jahres vergeben wird. Diese wird danach veröffentlicht.<br />
Die oben genannte Vortragsreihe findet mindestens<br />
einmal im Semester statt und ermöglicht den<br />
Studenten einen Einblick in das Berufsleben von<br />
ehemaligen Politikstudenten und macht konkret<br />
erfahrbar, wie man nach dem Studium in den Arbeitsmarkt<br />
einsteigen kann.<br />
zu können, wie zum Beispiel gute Teamarbeitsfähigkeit<br />
und Gespür für Zahlen. Auch gute Tipps,<br />
was man während dem Studium machen kann, um<br />
sich besser für einen Job vorzubereiten, hat Herr<br />
Loosen den Zuhörer gegeben.<br />
Geplant werden andere Projekte, wie zum Beispiel<br />
ein Mentorenprogramm, wo Studenten sich mit<br />
einer berufstätigen Ansprechperson unterhalten<br />
können und von ihnen beraten werden, oder auch<br />
eine Praktikumsbörse, wo Stellen und Angebote in<br />
Zukunft veröffentlicht werden.<br />
Das zentrale Ziel des Vereins ist die Förderung von<br />
Forschung und Lehre an unserem <strong>Institut</strong>. Jeder<br />
kann jederzeit Mitglied werden. Macht einfach<br />
mit!<br />
www.politik.uni-mainz.de/fmp<br />
| stefanie |<br />
Beim letzten Vortrag im Wintersemesters<br />
2007/2008 referierte René Loosen, aktueller Leiter<br />
der Abteilung Mediaplanung und strategischer<br />
Einkauf der Mediaagentur Aegis Media. Er berichtete<br />
über sein Berufsleben, seine Aufgaben in<br />
der Mediaagentur und wichtige Eigenschaften, die<br />
man haben sollte, um in diesem Bereich arbeiten<br />
| 19 |
INNERES<br />
«Ich bin ein<br />
politischer<br />
Mensch»<br />
Nele Möhlmann im<br />
Fachbereichsrat<br />
| 20 21 |
INNERES<br />
D<br />
ie Wahl ist entschieden. Die zuvor<br />
den FBR dominierenden Sportler<br />
sind entmachtet und für die <strong>Politikwissenschaft</strong>en<br />
konnte sich Nele<br />
Möhlmann Platz 2 erkämpfen.<br />
«Gleichberechtigung fördern», fordert<br />
sie groß auf ihren Wahlplakaten. Doch<br />
was genau ist gemeint und was können wir<br />
von unserer neuen Vertreterin erwarten?<br />
Die Fünfundzwanzigjährige, die seit 2002 an<br />
der Uni Mainz studiert, ist – was die Hochschulpolitik<br />
betrifft – alles andere als ein unbeschriebenes<br />
Blatt. Durch ihren Beitritt zur<br />
Hochschulgruppe Campusgrün im Jahre 2003 angestachelt,<br />
zog sie schnell ins Studierendenparlament<br />
ein, um auch wenig später schon ihre Arbeit<br />
als Pressereferentin im AStA aufzunehmen und<br />
auch im Senat tätig zu werden. Nun ist sie zum<br />
zweiten Mal im Senat für Campusgrün, möchte<br />
aber näher ans <strong>Institut</strong>, näher an die Fachbereiche.<br />
Befürchtungen, dass ihre politische Orientierung<br />
sich negativ auf ihre Arbeit im FBR<br />
auswirken könnte, hält sie zwar für unberechtigt,<br />
glaubt aber dennoch an gewisse Einflüsse:<br />
«Es gibt bestimmt Auswirkungen. Ich bin ein<br />
politischer Mensch und könnte das nie ausklammern.<br />
Ich hab gelernt – auch im Senat – dass es<br />
immer politisch ist, selbst wenn man das manchmal<br />
gern raushalten würde, geht es nicht anders.<br />
Es gibt immer Interessengegensätze, es gibt immer<br />
verschiedene Richtungen und es hat immer<br />
etwas mit Politik zu tun. Ob Interessenschwerpunkte<br />
gelegt werden, etwa auf Lehre oder auf<br />
Forschung und wie viel Druck man ausüben<br />
kann z.B. auf die Unileitung oder aufs Ministerium,<br />
das ist immer auch eine Sache von Politik.»<br />
Sie sieht sich allerdings nicht als Vertreterin<br />
einer gewissen politischen Richtung im<br />
FBR, sondern als studentische Vertretung, als<br />
<strong>Politikwissenschaft</strong>lerin. «Ich bin im<br />
FBR als ‚ich‘ drin», sagt sie, «aber<br />
ich bin auch für die Fachschaft dort.»<br />
Wenn es auch noch schwer abzuschätzen ist, ob<br />
sich alle Interessen vertreten lassen werden und<br />
wie groß letztlich der Einfluss einer einzelnen<br />
studentischen Vertreterin der <strong>Politikwissenschaft</strong><br />
im FBR sein wird, hat sich die POWI-Vertreterin<br />
dennoch klare Ziele gesteckt. Dazu gehört der<br />
Einsatz für eine sinnvolle Verwendung finanzieller<br />
Überschüsse, sowie die Forderung nach einer<br />
Frauenbeauftragen. Ebenso sieht sie starke<br />
Lücken in der Barrierefreiheit an der Universität<br />
Mainz. «Es gibt immer noch Probleme für<br />
Studierende in Rollenstühlen und mit anderen<br />
Handicaps. Und das kann man auch im Fachbereichsrat<br />
ansprechen», so die 10. Semestlerin in<br />
einem Interview. Gleichberechtigung fördern also.<br />
Nun, wir haben wieder eine Stimme. Die<br />
Dynastie der Sportler ist beendet. Und wir<br />
haben eine Vertreterin, die weiß was und wohin<br />
sie will. Man kann also gespannt sein.<br />
| nico |<br />
Gerade deshalb soll es auch eine enge Zusammenarbeit<br />
mit der POWI-Fachschaft geben,<br />
die als Anlaufpunkt aber auch als Schnittstelle<br />
zwischen Studierenden und FBR fungieren soll.<br />
| 21 |
INNERES INNERES<br />
Die Fachschaft im Sommersemester<br />
2008<br />
Dass die <strong>Politikwissenschaft</strong> eine Fachschaft besitzt, die hin und wieder Partys<br />
organisiert, ist jedem Studierenden eigentlich bekannt. Dass POWI Partys aber nicht<br />
alles sind, möchten wir in einem kleinen Überblick über unsere Arbeit zeigen<br />
Unser erstes Projekt für das Sommersemester<br />
2008 habt ihr bereits in den Händen: unsere neue<br />
Politikzeitung PowiZei, die sich vor allem mit<br />
aktuellen Problemen und Anliegen von Politikstudenten<br />
beschäftigt. Auch hier nochmal der<br />
Aufruf an euch: Wenn ihr an der Zeitung mitarbeiten<br />
wollt oder Ideen, Vorschläge, Meinungen<br />
habt, dann kommt auf uns zu.<br />
Ebenfalls ganz neu ist die Ringvorlesung, die in<br />
diesem Semester erstmals in Zusammenarbeit des<br />
<strong>Institut</strong>s mit der Fachschaft zum Thema «Facetten<br />
der Globalisierung» stattfindet. Näheres dazu<br />
gibt’s im Artikel zur Ringvorlesung.<br />
anderem gegen eine Dozenten- und eine Fachschaftsmannschaft<br />
kicken. Das Turnier findet am<br />
28. Juni statt, Anmeldungen können ab sofort im<br />
Fachschaftsraum eingereicht werden.<br />
Falls uns im Laufe des Semesters dann noch ein<br />
paar andere Ideen kommen, erfahrt ihr das über<br />
unsere Homepage, auf der auch alles andere über<br />
uns zu finden ist (zum Beispiel Bilder von fast all<br />
unseren Veranstaltungen).<br />
Also, wir sehen uns!<br />
www.politik.uni-mainz.de/fachschaft<br />
Wie jedes Semester gab es natürlich auch im Sommer<br />
2008 ein Erstsemester-Wochenende, das bei<br />
sommerlichen Temperaturen ein voller Erfolg<br />
war.<br />
Auch das legendäre POWI-Sommerfest auf der<br />
Geowiese wird wieder stattfinden. Dieses Jahr am<br />
05. Juni ab 18 Uhr.<br />
Geplant ist zudem unseren POWI-Cup wieder<br />
aufleben zu lassen. Bei diesem Fußballturnier<br />
kann sich jeder, der eine Mannschaft von 7 Leuten<br />
zusammen bekommt anmelden und unter<br />
| 22 23 |
INNERES<br />
POWI<br />
Ringvorlesung<br />
Politik bemüht sich<br />
um die verbindliche<br />
Regelung aller öffentlichen<br />
Angelegenheiten.<br />
Wer Politik analysieren,<br />
verstehen und erklären<br />
möchte, der ist folglich gezwungen, sich ein breit<br />
gefächertes Wissen aus verschiedensten Themenfeldern<br />
anzueignen. Nur wer über den eigenen Tellerrand<br />
hinausblickt, erkennt Zusammenhänge und Details des politischen<br />
und somit auch des gesellschaftlichen Geschehens.<br />
Um die Möglichkeiten der Horizonterweiterung am <strong>Institut</strong> für<br />
<strong>Politikwissenschaft</strong> zu ergänzen, hatte sich der Fachschaftsrat zu<br />
Beginn des letzten Semesters daran gemacht, eine Ringvorlesung ins<br />
Leben zu rufen. Bei diesem Veranstaltungstyp werden, rund um ein zentrales<br />
Thema, von unterschiedlichen Referenten Vorträge mit anschließenden<br />
Diskussionsrunden gestaltet. Verschiedene Facetten eines Phänomens<br />
werden somit aus unterschiedlichen Blickwinkeln näher beleuchtet. Die<br />
Fachschaft einigte sich auf das Phänomen Globalisierung als Rahmen, weil es<br />
häufig die Medienschlagwörter sind, die eine Spezifizierung und Erklärung benötigen.<br />
Qualifizierte Forscher die bereit waren, trotz des unbezahlten Zusatzaufwandes,<br />
eine Sitzung zu übernehmen, fanden sich erstaunlicherweise sehr schnell.<br />
Nicht selten trafen die Verantwortlichen auf offene Türen und große Herzlichkeit.<br />
Am Anfang unserer Arbeit stand nun der Begriff Globalisierung, eine grobe Vorstellung,<br />
ein loses Konzept und die Bereitschaft mit einer Menge Aufwand aus diesen Komponenten<br />
etwas zu kreieren, das sowohl den Studenten als auch den Dozenten Spaß macht.<br />
Vom Ergebnis dieser Bemühungen kann man sich nun jeden Mittwoch von 12-14 Uhr im Hörsaal<br />
10 selbst ein Bild machen…<br />
| daniel |<br />
| 23 |
INNERES<br />
nachgefragt...<br />
Da das <strong>Institut</strong> für <strong>Politikwissenschaft</strong> in Umfragewerten oftmals alles andere als<br />
positiv abschneidet, hat <strong>POWIZEI</strong> selbst nachgehört und einige Studenten nach ihrer<br />
Meinung zum Studium der <strong>Politikwissenschaft</strong> an der Universität Mainz befragt.<br />
Mariel, 20 Jahre, Publizistik im<br />
HF, Powi und Soziologie im NF, 5.<br />
Semester<br />
«Ich fühle mich generell relativ wohl an unserem<br />
<strong>Institut</strong>, aber ich finde, man könnte<br />
das Lehrangebot verbessern. Mehr Arbeitsgemeinschaften<br />
und ein paar außergewöhnliche,<br />
«exotischere» Veranstaltungen, die über<br />
das Pflichtprogramm hinausgehen, fände ich<br />
interessant. Deswegen halte ich die Ringvorlesung<br />
zum Thema Globalisierung für eine<br />
gute Idee.»<br />
metawolf, politik im nf<br />
«Ich studiere <strong>Politikwissenschaft</strong> im Nebenfach<br />
und stehe kurz vor meiner Abschlussprüfung.<br />
Jetzt habe ich aber das Problem, dass ich die<br />
Prüfungen bei einem Prof absolvieren muss,<br />
alle Grundseminare aber nur bei wissenschaftlichen<br />
Angestellten gemacht habe. Das heißt ich<br />
hatte bis dato gar keinen oder kaum persönlichen<br />
Kontakt zu Professoren, muss mich jetzt<br />
aber bei einem von ihnen prüfen lassen. Diese<br />
Regelung finde ich ziemlich unsinnig und problematisch.<br />
Ansonsten bin ich aber mit dem<br />
Lehrangebot zufrieden und wurde von den Dozenten<br />
immer gut betreut.»<br />
| 24 25 |
INNERES<br />
Lisa, 20 Jahre, Politik HF und Publizistik/Soziologie<br />
im NF<br />
«Die Atmosphäre am <strong>Institut</strong> empfinde ich<br />
im Allgemeinen als positiv, weil die meisten<br />
Kommilitonen sympathisch und die Dozenten<br />
nett sind. Allerdings finde ich, dass die<br />
Studienordnung recht anspruchsvoll ist, weil<br />
durch die Seminare der Schwerpunkt auf<br />
den Hausarbeiten liegt, was mir persönlich<br />
missfällt. Außerdem ist der Studienverlauf zu<br />
stark vorgegeben, weil man kaum Wahlmöglichkeiten<br />
hat und das restliche Vorlesungsangebot<br />
im Vergleich zu anderen Fächern nicht<br />
sehr groß ist.»<br />
Tim-Sebastian, 27 Jahre Politik<br />
HF, Publi/Psychologie im NF<br />
«Ich schätze den empirisch-analytischen<br />
Schwerpunkt des <strong>Institut</strong>s sehr, auch wenn<br />
ich finde, dass der wissenschaftstheoretische<br />
Diskurs stellenweise etwas einseitig ist. Aber<br />
insgesamt halte ich die Professoren an unserem<br />
<strong>Institut</strong> für engagiert und finde, dass sie<br />
gute Reputationen vorweisen können.»<br />
| marie | jonas |<br />
| 25 |
titel :: Bachelor/Master<br />
Was Junggeselle und<br />
Meister so alles mit<br />
sich bringen<br />
Mit dem Wintersemester 08/09 verabschiedet<br />
sich die Uni Mainz als<br />
eine der letzten Universitäten in<br />
Deutschland von Magister, Diplom<br />
und bisherigen Lehramtsstudiengängen.<br />
An ihre Stelle treten Bachelor und Master.<br />
Ein Wandel, der wohl erst in ein paar Jahren<br />
zeigen wird, wie tiefgreifend seine Folgen tatsächlich<br />
sein werden.<br />
Nun wird seit Längerem viel über den Sinn und<br />
die Umsetzung des neuen Studienmodells diskutiert.<br />
Studenten die bereits in den Genuss des<br />
Bachelors gekommen sind, klagen über übermäßigen<br />
Leistungs- und Zeitdruck, über unkoordinierte<br />
Stundenpläne und über das verschulte Lernen,<br />
das mit den romantischen Vorstellung eines<br />
Studiums soviel gemein hat, wie Braunkohle mit<br />
Umweltschutz. Nichtsdestotrotz wird der Wandel<br />
stattfinden und die Fakultät der <strong>Politikwissenschaft</strong><br />
an der Uni Mainz musste sich mit den<br />
neuen Richtlinien auseinandersetzen. Folgendes<br />
Ergebnis ging daraus hervor:<br />
Die politische Fakultät wird, sobald die Umstellung<br />
greift, vier verschiedene Studiengänge anbieten.<br />
Den Bachelorstudiengang <strong>Politikwissenschaft</strong><br />
und den Masterstudiengang Empirische<br />
Demokratieforschung auf der einen Seite, als<br />
Entsprechung zum bisherigen Magisterstudium,<br />
und die Bachelor- und Masterstudiengänge Sozialkunde<br />
auf der anderen Seite, die zusammen<br />
den Lehramtsstudiengang ersetzen werden. Noch<br />
ist der genaue Aufbau der verschiedenen Studiengänge<br />
nicht in Beton gegossen. Das Gerüst steht<br />
jedoch und wird wohl auch so umgesetzt werden.<br />
| 26 27 |
titel :: Bachelor/Master<br />
Wie sehen die einzelnen Studiengänge nun konkret<br />
aus?<br />
Bachelor <strong>Politikwissenschaft</strong><br />
Der Bachelorabschluss wird sechs Semester Studienzeit<br />
erfordern. Innerhalb dieser Zeit stehen<br />
8 Module und eine Abschlussprüfung auf dem<br />
Lehrplan. Es gibt ein Einführungsmodul, fünf<br />
Basismodule (entsprechend den bisherigen Themenfeldern)<br />
und zwei Aufbaumodule. Die Aufbaumodule<br />
bieten den Studenten die Möglichkeit<br />
sich je nach Interesse auf Themengebiete ihrer<br />
Wahl zu spezialisieren. Damit sind Übungen im<br />
Umgang mit Statistikprogrammen wie SPSS,<br />
Übungen zu Diplomatie und Politikberatung<br />
gemeint. Außerdem erhält man innerhalb dieser<br />
Aufbaumodule weitere Kenntnisse in Umgang<br />
und Anwendung mit Statistik und Methoden der<br />
Empirie. Schließlich wird das Bachelorstudium<br />
mit einem kompletten Prüfungssemester gekrönt.<br />
Hinter dem lieblich klingenden Namen „Modul“<br />
verbergen sich jeweils mehrere Seminare, Vorlesungen,<br />
Übungen und eine Abschlussprüfung.<br />
Natürlich wird es auch weiterhin Nebenfächer geben,<br />
nur nennt sich dieses in Zukunft „Beifach“.<br />
Das Beifach soll voraussichtlich ein abgeschwächtes<br />
Einführungsmodul und 4 weitere Module enthalten.<br />
Die Anzahl der Semesterstunden soll die<br />
Hälfte des Politikstudiengangs betragen.<br />
Klares Ziel der neuen <strong>Politikwissenschaft</strong>sstudiengänge<br />
wird sein, besonderes Gewicht auf politische<br />
Theorie und analytische und empirische Methoden<br />
zu legen. Da Mainz momentan die einzige<br />
deutsche Hochschule ist, die ihren Schwerpunkt<br />
auf Methoden legt und mit Falter, Schoen und Co<br />
entsprechende personelle Kompetenz vorzuweisen<br />
hat, wird dies das Mainzer Profil in Zukunft<br />
richtungsweisend schärfen. Auch der Masterstudiengang<br />
wird methodisch gefärbt sein. Was<br />
den Bachelorabschluss betrifft, so lässt sich vermuten,<br />
dass er alleinstehend sein Glück nicht finden<br />
wird.<br />
Master Empirische Demokratieforschung<br />
Voraussetzung für den Masterstudiengang wird<br />
voraussichtlich ein Bachelorabschluss mit der<br />
Note 2,5 sein. Er wird sich auf die Stärke der<br />
Mainzer <strong>Politikwissenschaft</strong> konzentrieren: die<br />
empirische Demokratieforschung. Im Prinzip<br />
verläuft der Masterstudiengang gleich wie der<br />
Bachelorstudiengang, zumindest was die zeitliche<br />
Schichtung in verschiedene Module und das<br />
gesonderte Semester, das der Abschlussprüfung<br />
gewidmet ist, betrifft.<br />
| 27 |
titel :: Bachelor/Master<br />
Der Masterstudiengang soll sich im Gegensatz<br />
zum Bachelorstudiengang vor allem auf die Forschung<br />
konzentrieren. Er soll jedoch genügend<br />
Freiraum lassen, sich gegebenenfalls auch in andere<br />
berufliche Richtungen weiterzuentwickeln.<br />
Als mögliche Berufsfelder kommen, wie auch<br />
schon zu Magisterzeiten, Journalismus, Öffentlichkeitsarbeit,<br />
Erwachsenenbildung, Politikberatung,<br />
Meinungsforschung, sowie die Arbeit in<br />
Parteien, Verbänden, Organisationen oder Taxigesellschaften<br />
in Frage.<br />
Bachelor und Master Sozialwissenschaft<br />
Lehramtsstudenten werden dieselben Veränderungen<br />
zu spüren bekommen wie die zukünftigen<br />
Bachelorstudenten. Generell lässt sich sagen, dass<br />
die beiden Bachelorstudiengänge vom Aufbau und<br />
Inhalt her ähnlich verlaufen werden. Natürlich<br />
werden Lehramtsstudenten weniger Semesterwochenstunden<br />
in die <strong>Politikwissenschaft</strong> investieren,<br />
da sie Platz für zwei gleichberechtigte Fächer<br />
und für Pädagogiklehre auf dem Stundenplan<br />
benötigen. Der Bachelorstudiengang <strong>Politikwissenschaft</strong><br />
soll dennoch kompatibel mit dem Lehramtsstudiengang<br />
Sozialkunde sein, was den Studenten<br />
die Möglichkeit bieten soll, gegebenenfalls<br />
zwischen den beiden Studiengängen zu wechseln.<br />
Bei den Lehrämtlern wird noch deutlicher, dass<br />
der Bachelorabschluss für sich allein nicht viel<br />
Wert ist. Anders als bei den Bachelor <strong>Politikwissenschaft</strong>lern,<br />
soll bei den künftigen Pädagogen<br />
jedoch jeder Student die Möglichkeit erhalten,<br />
sich in den Masterstudiengang Sozialwissenschaft<br />
einzuschreiben. Ein Masterabschluss ist auch Voraussetzung<br />
für den späteren Beruf als Gymnasiallehrer.<br />
noch von einer schwer bedrohten und sicherlich<br />
aussterbenden Rasse bewohnt. Den Magisterstudenten.<br />
Was wird sich für sie durch die Umstellung<br />
verändern? Welche Rechte und Möglichkeiten<br />
werden sie durch die Umstellung haben. Und<br />
welche Gefahren hält der Bachelor für sie in der<br />
Hinterhand?<br />
Von Seiten der Fakultät wird versprochen, dass<br />
die Magisterstudenten problemlos in die Bachelor<br />
und Masterstrukturen eingefügt werden können.<br />
Ihnen soll dasselbe Studienangebot zur Verfügung<br />
stehen wie den Studenten, die bisher an der<br />
Universität Mainz studiert haben. Auch zeitlich<br />
soll genügend Spielraum zur Verfügung stehen<br />
um das Studium ungehindert zu Ende zu bringen.<br />
In Zahlen ausgedrückt heißt das: Den letzen Magisterstudenten<br />
steht die eineinhalbfache Regelstudienzeit<br />
zur Verfügung, also 13 Semester. Das<br />
heißt, spätestens 2015 wird der letzte Magisterstudent<br />
der <strong>Politikwissenschaft</strong> die Universität<br />
Mainz verlassen. Mit ihm vielleicht auch eine Lebensweise,<br />
die vermutlich nicht mehr in das moderne<br />
Lebensbild einer schnellen und intensiven<br />
Bildung passt.<br />
| seb | stephan |<br />
Das Gerüst steht, doch noch bleiben viele Fragen<br />
offen. Beispielsweise ist noch völlig unklar, wo ein<br />
mögliches Auslandsemester in dem enggestrickten<br />
Zeitplan Platz finden soll. Die neuen Studiengänge<br />
liegen in naher Zukunft, bald werden sie Alltag<br />
sein. Doch die nächsten Jahre wird der Campus<br />
| 28 29 |
titel :: Bachelor/Master<br />
Weihnachten oder<br />
Unwetter?<br />
Was kommt mit der Umstellung auf die Mainzer <strong>Politikwissenschaft</strong><br />
zu?<br />
Im Wintersemester 2007/2008 steht dem<br />
<strong>Institut</strong> für <strong>Politikwissenschaft</strong> die wohl<br />
größte Reform ins Haus: Bachelor und<br />
Master treten<br />
ihren<br />
Dienst an und<br />
noch lässt sich nur<br />
erahnen, welche<br />
Auswirkungen dies<br />
auf den Alltag von<br />
Dozenten und Studierenden<br />
haben<br />
wird. Die Hochschuldozenten<br />
Dr.<br />
Annette Schmitt<br />
und Dr. Christoph<br />
Wagner, beide ehemalige<br />
Studenten<br />
der <strong>Politikwissenschaft</strong><br />
in Mainz<br />
und seit mehr<br />
als 10 Jahren als<br />
wissenschaftliche<br />
«Es ist sicher schwierig,<br />
das organisatorisch ohne<br />
Probleme<br />
hinzubekommen»<br />
Mitarbeiter am<br />
<strong>Institut</strong> für <strong>Politikwissenschaft</strong><br />
tätig, standen uns dazu Rede und Antwort. Sie<br />
sprachen über allgemeine Befürchtungen und<br />
Hoffnungen, mögliche Veränderungen im Erasmusprogramm<br />
und Auswirkungen auf Forschung<br />
und Lehre.<br />
Egal ob in Deutschland, Frankreich, Italien oder<br />
Spanien – Studienabschlüsse sollen in ganz Europa<br />
vergleichbar sein. 1998 wurde dazu der Grundstein<br />
gelegt und ein Großteil<br />
der europäischen Staaten<br />
unterzeichnete das Bologna-<br />
Abkommen. Dieses sieht die<br />
Umstellung der Studienabschlüsse<br />
auf das zweistufige<br />
Bachelor-Master-System vor.<br />
Für das politikwissenschaftliche<br />
<strong>Institut</strong> in Mainz steht<br />
diese Umstellung zum nächsten<br />
Semester an. Bereits bei<br />
der Unterzeichnung vor 10<br />
Jahren kamen bundesweit<br />
auch kritische Stimmen auf:<br />
Der Bachelor, so die Verfechter<br />
der derzeitigen Abschlüsse,<br />
qualifiziere nicht für den<br />
Beruf, das Studium würde<br />
verschult, die Umsetzung<br />
an den Universitäten müsse<br />
ständig generalüberholt werden<br />
und brächte ein enormes<br />
Chaos bei der Überschneidung<br />
der Magister- und Bachelorabschlüsse mit sich.<br />
DIE UMSTELLUNG AM INSTITUT<br />
Ein solches Chaos wird in Mainz aber nicht er-<br />
| 29 |
titel :: Bachelor/Master<br />
wurden die vorgesehenen 21 Prüfungsleistungen,<br />
die in den 6 Bachelor-Semestern erbracht werden<br />
sollten, als nicht realisierbar angesehen und um<br />
knapp die Hälfte gekürzt.<br />
Trotz ähnlicher Inhalte ändert sich für Studierende,<br />
die ihr Studium im kommenden Semester antreten,<br />
einiges. Erfahrungen mit dem vergleichbaren<br />
Bachelor in den USA und Großbritannien<br />
zeigen, dass die Modularisierung einen gehörigen<br />
Mehraufwand mit sich bringt. «Man wird viel<br />
arbeiten müssen, man wird viel Zeit in der Bibliothek<br />
verbringen», meint Annette Schmitt,<br />
«Studium wird zum Fulltime-Job, man wird sehr<br />
konzentriert studieren, auf die Art und Weise viel<br />
mehr lernen, als wenn man es, wie bisher möglich,<br />
eher locker angeht. »<br />
WENIGER STUDIENABBRECHER?<br />
«Man wird viel arbeiten<br />
müssen»<br />
wartet. «Es ist sicher schwierig, das organisatorisch<br />
ohne Probleme hinzubekommen. Ich denke<br />
aber, dass wir solche Probleme, wie etwa, dass<br />
Magisterstudierende Schwierigkeiten haben werden<br />
fertig zu studieren, hier in Mainz nicht haben<br />
werden», so Christoph Wagner zuversichtlich. Für<br />
die Magisterstudenten wird sich nicht viel ändern,<br />
glaubt auch Annette Schmitt. Die Veranstaltungen<br />
werden weiterhin angeboten. Dennoch wird<br />
die Umstellung generell eine Vielzahl von Problemen<br />
mit sich bringen, derer sich das <strong>Institut</strong><br />
durchaus bewusst sei. Dies liegt mitunter auch<br />
daran, dass versucht wurde, den Bachelorstudiengang<br />
nach der Struktur des Magister-Grundstudiums<br />
auszurichten und somit die Stärken<br />
der Mainzer <strong>Politikwissenschaft</strong> beizubehalten.<br />
Ob sich die Pläne und Rahmenvorgaben für den<br />
Studienaufbau eins zu eins umsetzen lassen,<br />
bleibt abzuwarten, denn schon in der Planungsphase<br />
zeigten sich erste Schwierigkeiten bei der<br />
Realisierung der vorgesehenen Ausgestaltung. So<br />
Die Einteilung in Module, weg von der freien Studiengestaltung,<br />
hin zu einem gestrafften, vorab<br />
schon vorgeschriebenen Studienablauf, erfährt<br />
Kritik von vielen Seiten. Befürchtet wird, dass<br />
durch die starke Verschulung des Studiums und<br />
durch ein Mehr an Reproduktion die wissenschaftliche<br />
Anschlussfähigkeit nicht gewährleistet ist.<br />
Auch wenn Qualifikationen wie Selbstorganisation<br />
und Eigenverantwortung verloren gehen,<br />
glaubt Wagner dennoch, dass Studierende von<br />
klareren Vorgaben und besserer Strukturierung<br />
profitieren können. Annette Schmitt schließt sich<br />
dem an und vermutet, dass viele Studenten, die<br />
sich heutzutage erst in höheren Semestern eingestehen,<br />
dass sie mit dem wissenschaftlichen<br />
Arbeiten nicht zurechtkommen und dann ohne<br />
Abschluss abbrechen, durch das straffere Studium<br />
schneller merken, ob sie in der Lage sind das<br />
Studium zu beenden.<br />
GUTE LEHRE LEBT VON GUTER<br />
FORSCHUNG<br />
Das schlägt natürlich auch in der Lehre zu Buche,<br />
da der Bachelor mehr Lehrveranstaltungen als<br />
der bisherige Magister umfasst und die Betreu-<br />
| 30 31 |
ung intensiver werden soll. Ohne den Hochschulpakt<br />
also, eine Bund-Länder-Vereinbarung zur<br />
Schaffung neuer Studienplätze, wäre der Ausbau<br />
der Lehre im Sinne der Strukturreform sicherlich<br />
nicht möglich. Diese neuen Stellen sind allerdings<br />
nur befristet. Wie die Mainzer <strong>Politikwissenschaft</strong><br />
ihre Lehre langfristig gestaltet, bleibt<br />
daher unklar. «Es ist nicht zu erwarten, dass sich<br />
hinsichtlich der Mitarbeiterzahlen auf Dauer viel<br />
bewegt», prognostiziert Wagner. Möglicherweise<br />
werden irgendwann weniger Studierende zugelassen,<br />
um die gestiegenen Anforderungen in der<br />
Lehre umsetzen zu können. «Wir haben im Prinzip<br />
die Studierendenzahlen als Stellschraube, die<br />
sich drehen lässt; faktisch allerdings soll es nicht<br />
weniger Studienanfänger geben als bisher. » Fest<br />
steht jedoch, dass sich die Gestaltung des Lehrplans<br />
an der Kapazitätsberechnung der Verwaltung<br />
orientieren muss und gegebenenfalls auch<br />
Zusatzveranstaltungen und exotischere Lehrangebote<br />
des <strong>Institut</strong>s gestrichen werden. «Gute<br />
Lehre lebt von guter Forschung», gibt Wagner<br />
in diesem Zusammenhang zu bedenken. Abzuwarten<br />
bleibt, ob die Wissenschaft angesichts der<br />
aufwändigen Prüfungs- und Betreuungslage auf<br />
der Strecke bleibt.<br />
ALS BACHELOR IM AUSLAND<br />
Was aber ändert sich für Auslandsaufenthalte?<br />
Lässt der straffe Arbeitsplan überhaupt noch<br />
Zeit dafür? Ein verpflichtendes Auslandssemester<br />
ist im Bachelorstudiengang jedenfalls nicht<br />
vorgesehen, ist aber empfohlen und soll folglich<br />
weiterhin möglich sein. Allerdings müssen mit der<br />
Vereinheitlichung durch den Bachelorabschluss<br />
Anerkennungsfragen von Leistungen im Auslandsstudium<br />
genauer geklärt werden. Waren die<br />
Anforderungen an ein Auslandsstudium vorher<br />
relativ offen, wird nun viel transparenter, welche<br />
Leistungen kompatibel zum Studium in Mainz<br />
sind und somit anerkannt werden. Idealerweise<br />
würden äquivalente Veranstaltungen des Auslandsstudiums<br />
anerkannt, so dass sich das Studium<br />
nicht verzögern würde. Obwohl sich das in<br />
| 31 |<br />
Kurz nachgedacht<br />
titel :: Bachelor/Master<br />
Große Unruhe an der Uni Mainz: Im kommenden<br />
Wintersemester werden unsere lieb gewonnenen<br />
Studienabschlüsse reformiert, verbessert und von<br />
Grund auf umgekrempelt. Keine Panik, so schlimm<br />
wird’s wohl nicht…zumindest bekommen sie erstmal<br />
neue Namen. Aber was steckt eigentlich dahinter?<br />
Wer ist dieser schmierige, kosmopolite Bachelor,<br />
der unseren bärtigen, gemütlichen und etwas kauzigen<br />
Magister ablöst? Was bringt uns dieser ominöse<br />
Master? Und vor allem – warum ist die Banane<br />
krumm? Fragen über Fragen! Vielleicht wissen die<br />
Experten von der Studiberatung weiter?! «Das ist<br />
folgendermaßen…», teilt mir eine rauchige Frauenstimme<br />
am Telefon glaubwürdig mit, «nicht alle<br />
Bananen haben gekrümmte Fruchtstände. Bei den<br />
bekanntesten Sorten der handelsüblichen Dessertbanane<br />
ändert sich jedoch die Wuchsrichtung, wenn<br />
sie mit Sonnenlicht in Kontakt geraten. Wie das<br />
jetzt mit dieser Studienreform laufen soll wissen wir<br />
doch auch nicht!» Aufgelegt! Aber möglicherweise<br />
hilft ja, wie so oft, ein Blick in einschlägige Wörterbücher<br />
und Lexika weiter. Die bisherige monolithische<br />
Struktur des Studiums soll modularisiert<br />
werden, heißt es in einer Info-Broschüre. Aha! Nach<br />
kurzem Blättern im Wörterbuch finde ich das griechische<br />
monólithos. Mono bedeutet «Eins», Lithos<br />
ist die Bezeichnung für «Stein». Ein-Stein? Schnell<br />
werde ich fündig: Scheinbar handelt es sich hier um<br />
einen genialen Forscher und Wissenschaftler des<br />
vergangenen Jahrhunderts, der sich unter anderem<br />
für Völkerverständigung und Frieden eingesetzt<br />
hat. Hört sich eigentlich nicht schlecht an, oder?<br />
Aber was verbirgt sich hinter diesem Bachelor,<br />
durch den die Studierenden schlauer, Deutschland<br />
wieder wettbewerbsfähig und der Klimawandel abgewendet<br />
werden soll? Im «Dictionary of Contemporary<br />
English» finde ich Bachelor mit ‚Junggeselle’<br />
übersetzt. Passend oder? – hat doch angesichts des<br />
straffen Arbeitsplans bald kein Mensch mehr Zeit<br />
für eine Freundin. Oder sollte das etwa bedeuten,<br />
dass ab dem Wintersemester 2008/09 Frauen der<br />
Weg zu einem akademischen Abschluss verwehrt<br />
wird? Unbestätigten Angaben zufolge setzen sich<br />
die weiblichen Studenten und Studentinnen im<br />
Frauenbüro der Uni Mainz derzeit massiv für eine<br />
Umbenennung in Bachelorette ein. Wer auch an<br />
den RTL-Quotenknüller mit den Rosen denkt, beschäftigt<br />
sich wohl besser mit Bauklötzen als mit<br />
Modulen, auch wenn es da laut Fremdwörterlexikon<br />
keinen Unterschied zu geben scheint. Ich jedenfalls<br />
werde aus dieser Reform nicht schlau und die künftigen<br />
BA/MA-Testpiloten wohl auch nicht schlauer.<br />
Trotzdem genießt Bologna unter uns Studierenden<br />
weiterhin ein hohes Ansehen. Allerdings nicht wegen<br />
dieser fragwürdigen Hochschulreform, sondern<br />
aufgrund einer fantastischen Nudelsoße.<br />
| jonas |
titel :: Bachelor/Master<br />
der Praxis kaum realisieren lässt, rät das <strong>Institut</strong><br />
jedem dazu, praktische Erfahrungen außerhalb<br />
Deutschlands zu sammeln. «So gut wie jeder Arbeitgeber<br />
weiß es zu schätzen, wenn man im Ausland<br />
war, dort studiert, sich selbstständig versorgt<br />
und die Sprache verbessert hat.» Ob man seine<br />
berufliche Zukunft in der Wissenschaft sieht oder<br />
nicht, ein Auslandsaufenthalt bringt Zusatzqualifikationen<br />
mit sich, die einem niemand nehmen<br />
kann. Auch wenn sich das Studium dadurch verlängert,<br />
ist es keine verlorene Zeit. Um die Verzögerung<br />
zu minimieren, bemüht sich das <strong>Institut</strong>,<br />
das Auslandsstudium so zu organisieren, dass tatsächlich<br />
viele Leistungen anerkannt werden. Generelles<br />
Problem des Erasmus-Programms ist es,<br />
dass der Standort Mainz international nicht sonderlich<br />
attraktiv ist, weil zum Beispiel der größte<br />
Teil des Lehrangebots deutschsprachig ist. Ein<br />
systematischer Ausbau des Erasmusprogramms<br />
im Rahmen der Umstellung ist nicht geplant.<br />
Vielmehr sollen die guten Kontakte des <strong>Institut</strong>s<br />
zu den Partneruniversitäten weiter gepflegt und<br />
intensiviert werden.<br />
Prognosen zutreffen oder die künftigen Bachelor/<br />
Master-Absolventen unter der Umstellung zu<br />
leiden haben, wird sich im kommenden Wintersemester<br />
herausstellen. POWIzei wird dabei sein<br />
und die Arbeit des <strong>Institut</strong>s wohlwollend aber<br />
kritisch unter die Lupe nehmen.<br />
| christoph | jonas | nico<br />
WEIHNACHTEN ODER UNWETTER?<br />
Durch die Reform kommen vielfältige Verwaltungsaufgaben<br />
auf Professoren und Mitarbeiter<br />
zu und lassen wenig Zeit für die Forschung. «Viele<br />
hätten sich gewünscht es wäre alles beim Alten<br />
geblieben», meint Annette Schmitt. Statt sich<br />
mit den eigenen wissenschaftlichen Schwerpunkten<br />
zu beschäftigen, muss nun in unzähligen Sitzungen<br />
der enorme administrative Aufwand bewältigt<br />
werden. Indem die Umstellung von dem<br />
abhält, was als eigentlicher Berufszweck gesehen<br />
wird, schafft sie Unmut. Aber die Reform ist unausweichlich<br />
– wie Weihnachten oder ein Unwetter!<br />
Das <strong>Institut</strong> bemüht sich, die Vorgaben<br />
des Ministeriums bestmöglich im Studienalltag<br />
umzusetzen. Auch die systematische und engagierte<br />
Arbeit der geschäftsführenden Leitung<br />
stimmt optimistisch und lässt auf eine reibungslose<br />
und sinnvolle Umgestaltung des Studiums<br />
der <strong>Politikwissenschaft</strong> hoffen. Ob diese positiven<br />
| 32 33 |
Äusseres<br />
Hinter den Kulissen<br />
<strong>Politikwissenschaft</strong> mal anders<br />
was haben politikwissenschaftliche<br />
Theorien eigentlich mit den<br />
realen Geschehnissen in der Welt<br />
zu tun? Wie lassen sich Krisensituationen<br />
bewältigen und wie<br />
sieht Friedenspolitik in der Praxis aus? Viele Studenten<br />
der <strong>Politikwissenschaft</strong> werden von solchen<br />
Fragen geplagt.<br />
Für alle, die sich neben dem wissenschaftlichen<br />
Studium auch intensiv mit politischer Praxis<br />
auseinander setzen wollen, bieten die Vorträge,<br />
Workshops und Diskussionsrunden der Landeszentrale<br />
für politische Bildung dazu Gelegenheit.<br />
Einen interessanten Blick hinter die Kulissen der<br />
konkreten Friedensarbeit in der Krisenregion Kosovo<br />
bot der Vortrag «Kosovo am Scheideweg –<br />
Kann zivile Konfliktbearbeitung die Eskalation<br />
der Gewalt verhindern?», den die Landeszentrale<br />
für politische Bildung in Kooperation mit der Projektgruppe<br />
«Zivile Konfliktbearbeitung Rhein-<br />
Main» organisierte. Der Referent Kees Wiebering<br />
war viele Jahre als Friedensfachkraft im Kosovo<br />
eingesetzt und berichtete nun von seinen dortigen<br />
Erfahrungen.<br />
Zunächst vermittelte er wichtige Hintergrundinformationen<br />
über den Kosovo und seine Geschichte<br />
und veranschaulichte die Komplexität<br />
der Konflikte zwischen den 90 Prozent Albanern<br />
und den 10 Prozent Serben, die im Kosovo leben.<br />
Albaner und Serben verbindet – abgesehen davon,<br />
dass sie sich ein Land teilen – sehr wenig,<br />
da sie verschiedene Sprachen sprechen und unterschiedlichen<br />
Glaubensrichtungen angehören.<br />
Wiebering sensibilisierte seine Zuhörer für das<br />
ständige Konfliktpotential im Kosovo und für die<br />
Schwierigkeiten, die im alltäglichen Zusammenleben<br />
auftreten. Dies habe sich seit dem Kosovokrieg<br />
1999 wenig verändert, dafür seien weitere<br />
Probleme, wie die Rückkehr der Flüchtlinge, sowie<br />
Eigentums- und Entschädigungsfragen hinzugekommen.<br />
Wiebering erklärte anhand der Projekte zur Stabilisierung<br />
des Friedens, an denen er mitwirkte,<br />
wie aktive Friedenspolitik in solchen Krisengebieten<br />
aussehen kann. Das Projekt «Runder Tisch<br />
für Rückkehrer» sollte unter anderem helfen, den<br />
Dialog zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen<br />
aufzubauen. Auch die mit ziviler Konfliktbearbeitung<br />
verbundenen Schwierigkeiten<br />
wurden thematisiert. Wiebering betont, dass<br />
Friedensfachkräfte eng mit der lokalen Zivilbevölkerung<br />
zusammen arbeiten müssten, damit<br />
diese sich einerseits nicht entmündigt fühlten und<br />
andererseits möglichst schnell eigenständig Friedensförderung<br />
nach ihren Bedürfnissen betreiben<br />
könnten.<br />
Am Beispiel des Kosovos zeigte der Referent<br />
lebendig, wie Friedensarbeit heute in der Realität<br />
aussehen kann und was dabei in Zukunft beachtet<br />
werden sollte. Im Anschluss gab es Gelegenheit<br />
zu diskutieren und kritische Meinungen über<br />
die Arbeit der Friedensfachkräfte auszutauschen.<br />
Derartige Veranstaltungen, bei denen man tiefgründige<br />
Informationen und einen Einblick in<br />
politische Kontroversen gewinnen kann, bietet<br />
die Landeszentrale regelmäßig zu den Themen<br />
Parlamentarismus und Demokratie, Europa,<br />
Extremismus, Israel/Naher Osten, Wirtschaft/<br />
Globalisierung, Migration, Frauen, Medien und<br />
Friedens- und Sicherheitspolitik an. Das vollständige<br />
Programm kann man auf der Seite der Landeszentrale<br />
für politische Bildung unter:<br />
http://www.politische-bildung-rlp.de/fileadmin/download/1.HJ2008.pdf<br />
abrufen oder sich<br />
gedruckt zuschicken lassen.<br />
| marie |<br />
| 33 |
ÄuSSeres<br />
DIGITAL<br />
VS<br />
PRO JOGUSTINE<br />
Die bisherige Software der <strong>Johannes</strong> <strong>Gutenberg</strong><br />
Universität Mainz - zu der auch das UniVis gehört<br />
- ist nicht in der Lage, sich den veränderten<br />
Bedingungen im Rahmen der neuen Studiengänge<br />
anzupassen. Es wird also im nächsten Jahr<br />
zwangsläufig nötig, unser System zu ändern. Nach<br />
Einschätzung von<br />
JOGUSTINE<br />
Sabine Schmitt, der<br />
«Jogustine» ist die Verwaltungssoftware<br />
der Universität Mainz, die im<br />
Sekretärin unseres<br />
<strong>Institut</strong>s für <strong>Politikwissenschaft</strong>,<br />
wird<br />
kommenden Semester eingeführt<br />
wird. Sie soll vor allem den immensen<br />
Verwaltungsaufwand bewältigen sich der befürchtete<br />
Mehraufwand<br />
können, der durch die Umstellung<br />
auf Bachelor/Master Studiengänge im Zusammenhang<br />
mit der neuen<br />
zwangsläufig eintreten wird und darüber<br />
hinaus die Möglichkeit schaffen<br />
nahezu alle organisatorischen<br />
Software vor allem<br />
Probleme zu lösen, die sich im Laufe<br />
darurch ergeben,<br />
eines Studiums an einer Universität<br />
ergeben können. Jogustine wird Studiengänge viel<br />
dass diese neuen<br />
auch den ReaderPlus und das Univis<br />
ersetzen.<br />
sachen. Das neue<br />
mehr Arbeit verur-<br />
System erleichtere<br />
im Gegenteil sogar<br />
die Arbeit, da alle<br />
Arbeitsvorgänge zentral gesteuert werden können<br />
und die umständliche Zettelwirtschaft für Scheine<br />
und Anmeldungen wegfalle.<br />
In Zukunft wird es zudem für alle Studierenden<br />
möglich sein, im Rahmen ihres ZDV-Accounts<br />
ihre bereits erbrachten Leistungen, sowie die noch<br />
zu erbringenden einzusehen. Die Anmeldungen zu<br />
Seminaren, Prüfungen und Übungen werden zentral<br />
und bequem von zuhause aus möglich sein,<br />
wodurch das lästige Anstehen in diversen Fächern<br />
wegfällt. Alle Funktionen des bisherigen UniVis<br />
werden in der neuen Software integriert. Es können<br />
also weiterhin Stundenpläne erstellt und gespeichert<br />
werden, jedoch mit der Erweiterung, dass<br />
man jederzeit einsehen kann, was man eigentlich<br />
überhaupt noch zu besuchen hat.<br />
Auch die befürchteten Schwierigkeiten bei Bewerbungen<br />
für Praktika sind aus der Luft gegriffen:<br />
sollte man einen Nachweis über die erbrachten<br />
Leistungen brauchen, so wird dieser ausgedruckt<br />
und im jeweils zuständigen Sekretariat mit Stempel<br />
und Unterschrift beglaubigt, sodass Täuschungsversuche<br />
aufgrund des Abgleichens mit<br />
der Datenbank verhindert werden können.<br />
Natürlich muss man bei großen Datenbanken<br />
immer vorsichtig sein, damit der Datenschutz<br />
gewährleistet bleibt. Aber nach Meinung unserer<br />
Sekretärin, die seit Monaten mit der neuen Software<br />
arbeitet um unsere neuen Studiengänge in<br />
das System einzuspeisen, besteht kein größeres<br />
Sicherheitsrisiko als zum jetzigen Zeitpunkt mit<br />
der alten Software. Auch in Zukunft werden nur<br />
bestimmte Personen mehr Daten einsehen können<br />
als der gemeine Studierende, wie zum Beispiel das<br />
Studierendensekretariat (das alle Daten auch jetzt<br />
schon einsehen kann).<br />
Jogustine wird definitiv ab dem Wintersemester<br />
2008/2009 mit den Bachelor/Master-Studiengängen<br />
auf uns zukommen und wir sollten die Möglichkeiten<br />
nutzen, die uns damit geboten werden<br />
– ohne es von vorn herein zu verteufeln!<br />
| yvonne |<br />
| 34 35 |
Äusseres<br />
.<br />
ANALOG<br />
CONTRA JOGUSTINE<br />
Der wahrscheinlich wichtigste und zentralste<br />
Kritikpunkt an der neuen Verwaltungssoftware<br />
ist die Tatsache, dass die Sicherheit der Daten<br />
eines jeden Studierenden durch die zentrale Verwaltung<br />
gefährdet wird. Alle Informationen, wie<br />
Studienleistungen, private Mitteilungen, besuchte<br />
Veranstaltungen, Studienkontenguthaben usw.<br />
werden mit einer einzigen Software verwaltet<br />
und liegen dann offen, wenn diese Software Sicherheitslücken<br />
aufweisen sollte. Diese Annahme<br />
ist keineswegs unbegründet: In Hamburg wurde<br />
schon vor einigen Semestern die mit Jogustine<br />
nahezu identische Verwaltungssoftware «Stine»<br />
von der Firma «die Datenlotsen» eingeführt.<br />
Dort wurden erhebliche Sicherheitslücken festgestellt,<br />
durch die es über Tage hinweg möglich<br />
gewesen war, von jedem beliebigen Stine-Account<br />
Einblicke in die persönlichen Nachrichten, Daten<br />
und Zugangspasswörter anderer Studierender zu<br />
erlangen. Im Zusammenhang mit diesen Sicherheitslücken<br />
kritisiert die Fachschaft Informatik<br />
vor allem die mangelnde Bereitschaft der Datenlotsen<br />
die Fehler schnellstmöglich zu beheben<br />
und das System eingehend und für die Studierenden<br />
einsehbar auf Sicherheitslücken zu überprüfen.<br />
Ob für die Studierenden an der Uni Mainz<br />
ähnliche Probleme auftreten werden bleibt abzuwarten.<br />
Unwahrscheinlich ist es allerdings nicht,<br />
dass es auch bei uns zu Sicherheitslücken im System<br />
kommen wird, da eine so umfassende Softwareumstellung<br />
häufig mit anfänglichen Fehlern<br />
und Problemen verbunden ist. Es ist abzusehen,<br />
dass von Beginn an nicht alles optimal laufen<br />
wird. Wenn damit allerdings verbunden ist, dass<br />
viele Studis nicht die Möglichkeit haben werden<br />
sich über die zentralisierte Sofware zu Seminaren<br />
anzumelden oder auch Semesterbeiträge nicht<br />
zugeordnet werden können, kann dies schwerwiegende<br />
Folgen für Studienlaufzeit und etwaige anfallende<br />
Gebühren mit sich bringen.<br />
Von BefürworterInnen der neuen Software werden<br />
Kosteneinsparungen und Vereinfachungen,<br />
die durch Jogustine in der Verwaltung erzielt werden<br />
können, immer als quasi unschlagbares Argument<br />
angeführt. Zu Beginn dieses neuen Software-Projekts<br />
wird es allerdings erstmal zu einem<br />
erheblichen Mehraufwand für das Personal in der<br />
Verwaltung kommen. Die Uni selbst geht von einer<br />
Versechsfachung des Arbeitsaufwandes bei der<br />
Datenverwaltung aus. Um diesen Arbeitsaufwand<br />
bewältigen zu können wird hierzu zwangsläufig<br />
Personal eingestellt werden. Dies wird sicherlich<br />
kein Geld einsparen, sondern eher das Gegenteil<br />
bewirken. Man denke nur an die vielen Klausuren<br />
in den Bachelorstudiengängen, die zentral erfasst<br />
werden sollen und die vielen Dinge die bis jetzt<br />
noch gar nicht verwaltet werden, wie in etwa eine<br />
Sitzplatzgarantie für Seminare.<br />
Es ist fatal zu denken, dass mit der bevorstehenden<br />
Umstellung auf Bachelor/Master Studiengänge<br />
an unserer Uni kein Weg an einer zentralen<br />
Verwaltungssoftware vorbeiführt. Auch<br />
mit den neuen Abschlüssen wäre weiterhin eine<br />
dezentrale Datenverwaltung möglich, wie sie an<br />
anderen Unis erfolgreich durchgeführt wird. Eines<br />
der zentralen Ziele des Bologna-Prozesses war<br />
es, die Mobilität der Studierenden in Europa zu<br />
erhöhen. Die aktuelle Umsetzung der Ziele von<br />
Bologna führt allerdings zum genauen Gegenteil<br />
des Ansatzes und auch Verwaltungssoftwares wie<br />
Jogustine leisten hierzu ihren Beitrag.<br />
| laura-luise |<br />
| 35 |
ÄuSSeres<br />
POLITIKWISSENSCHAFTLER<br />
IM BERUF<br />
Für diejenigen, die bei dem Satz »Ach, du möchtest Politiker<br />
werden?« auch nur noch mit den Augen rollen können, sei vielleicht<br />
mit dieser Rubrik geholfen: »<strong>Politikwissenschaft</strong>ler im<br />
Beruf« stellt im Arbeitsleben etablierte Ex-Studenten wie Christoph<br />
Burkard vor und fragt nach deren Werdegang.<br />
Wann haben Sie in Mainz studiert?<br />
Ich habe von 1984 bis 1990 in Mainz<br />
Publizistik im Hauptfach, dazu Politik<br />
und Jura im Nebenfach auf<br />
Magister studiert. Parallel arbeitete<br />
ich bei verschiedenen Werbeagenturen<br />
und bei der Mainzer Allgemeinen<br />
Zeitung als freier Mitarbeiter.<br />
Wie ist Ihnen die Mainzer Universität<br />
in Erinnerung geblieben? Etwas<br />
besonders Gutes oder Schlechtes,<br />
irgendwelche Eigenheiten? Stand<br />
das SB II schon?<br />
Das SB II stand schon. In Erinnerung<br />
geblieben ist mir aber noch<br />
meine erste Vorlesung in der Muschel,<br />
N1. Professor Buchheim: »Politische<br />
Theorie«. Es war alles vollbesetzt,<br />
selbst die Treppen und ich<br />
habe nur Bahnhof verstanden.<br />
So viele Fremdwörter auf einmal,<br />
das haut selbst den besten Abiturienten<br />
um. Aber um mich herum<br />
haben alle so getan als würden sie<br />
alles verstehen.<br />
In der Pause habe ich gefragt und bekam zur Antwort:<br />
In Wirklichkeit würden sie auch nichts verstehen.<br />
Aber die vielen Fremdwörter seien Teil des<br />
Systems mit dem Ziel, die Anzahl der Vorlesungsteilnehmer<br />
zu reduzieren. Nach wenigen Stunden<br />
würden die Vorlesung<br />
verständlicher<br />
werden.<br />
Können Sie sich<br />
an Dozenten erinnern?<br />
Mir ist besonders<br />
Professor Buchheim<br />
in Erinnerung<br />
geblieben,<br />
selbstverständlich<br />
auch Professor<br />
Weidenfeld, der<br />
aber anders. Der<br />
Wahnsinn war die<br />
Vorlesung »Regierungspraxis«<br />
von<br />
Buchheim. Der<br />
hat tatsächlich<br />
aus dem Nähkästchen<br />
geplaudert<br />
und noch von Adenauer<br />
erzählt. Seine<br />
Exstudenten<br />
Bernhard Vogel<br />
und Rudolf Scharping mussten für<br />
ein Referat antanzen und aus ihrer Praxis erzählen.<br />
Das war wirklich toll.<br />
Cristoph Burkard, 45, ist angestellter<br />
Regionalmanager der Stadt Fulda sowie Geschäftsführer<br />
eines IT-Gründerzentrums<br />
Fiel Ihnen der Jobeinstieg schwer?<br />
Mit ging es wie Vielen: Bis zur Magisterarbeit<br />
| 36 37 |
Äusseres<br />
wusste ich noch nicht, wo und was ich arbeiten<br />
sollte. Aufgrund der freien Mitarbeit haben sich<br />
Jobangebote ergeben. Ich war dadurch kein Medienneuling<br />
mehr.<br />
Hatten Sie bereits ein konkretes Berufsziel vor<br />
Augen?<br />
Nur vage. Ich wollte etwas mit Journalismus machen.<br />
Daraus ist Öffentlichkeitsarbeit geworden.<br />
Hat Ihnen das Studium der <strong>Politikwissenschaft</strong><br />
bei der Arbeitssuche geholfen?<br />
Direkt geholfen nicht. Es wurde vorausgesetzt,<br />
dass ich studiert habe. Das Politikstudium stand<br />
dabei für ein möglichst breites Allgemeinwissen.<br />
Ansonsten zählten Praktika und das persönliche<br />
Auftreten.<br />
Inwieweit nutzen Sie die im Studium angeeigneten<br />
Inhalte in Ihrem Arbeitsalltag?<br />
Ich arbeite hin und wieder empirisch. Für PR-<br />
Mitteilungen habe ich auch schon eigene Umfragen<br />
durchgeführt, um ein berichtenswertes Ereignis<br />
zu schaffen. Das funktioniert. Ich kann immer<br />
wieder Mechanismen aus der Kommunikationswissenschaft<br />
anwenden. Inhalte des Politikstudiums<br />
eher weniger. Dafür helfen sie mir im täglichen<br />
Leben. Ich finde <strong>Politikwissenschaft</strong> gehört<br />
zur Allgemeinbildung.<br />
Zurück zu Mainz: Wo haben Sie während Ihres<br />
Studiums gewohnt?<br />
Zunächst am Rosengarten und dann über der Brücke<br />
in Mainz-Kastel.<br />
Welche Kneipen haben Sie gerne besucht?<br />
Dr. Flotte war ok, Augustinerkeller und natürlich<br />
das Einstein in der Neustadt - gibt es aber glaube<br />
ich nicht mehr. (Doch! Kaiser-Wilhelm-Ring 82.<br />
A.d.R.)<br />
Kommentare zum Mainzer Fasching oder Fussball?<br />
Komischerweise war ich in sechs Jahren Mainz nur<br />
zweimal auf dem Rosenmontagszug. Ob das daran<br />
lag, dass ich nur wenige hundert Meter vom KCK-<br />
Vereinsheim entfernt gewohnt habe? Ich kann nur<br />
eins sagen: In Mainz ist auch außerhalb der Fastnacht<br />
was los. Auch beim Fußball war ich nur einmal.<br />
Zweite Liga Mainz 05 gegen Freiburg - meine<br />
Erinnerung: Zivile Preise und tolle Stimmung,<br />
aber sicherlich nicht mit heute zu vergleichen.<br />
Vielen Dank für das Interview!<br />
| sandra |<br />
Können Sie das Studieren der Sozialwissenschaften<br />
für den heutigen Arbeitsmarkt empfehlen?<br />
Sozialwissenschaften hört sich vielfach so abwertend<br />
an. <strong>Politikwissenschaft</strong>ler oder Kommunikationswissenschaftler<br />
bringt da doch vielmehr. Ich<br />
kann das Studium klar empfehlen, aber bitte mit<br />
begleitenden Praktika bzw. freier Mitarbeit. Als<br />
Hochschulstudium ist es immer noch eine Eintrittskarte<br />
in die Joblandschaft.<br />
Kennen Sie andere <strong>Politikwissenschaft</strong>ler im<br />
Beruf, mit denen Sie sich vergleichen?<br />
Es gibt eine ganze Reihe von <strong>Politikwissenschaft</strong>lern,<br />
aus denen was geworden ist, zum Beispiel<br />
Pressesprecher in einem Landesministerium oder<br />
Moderator im Fernsehen, Redakteur etc.<br />
| 37 |
INNERES Freizeit<br />
Aus dem Land der<br />
Poesie<br />
| 39 38 |
INNERES Freizeit<br />
Die spannende Schlacht zwischen kotzenden<br />
Photonen, Gangbang mit<br />
Gott, Machtrivalitäten zwischen<br />
Leber, Niere und dem Allerwertesten,<br />
pubertierenden Verben, einem<br />
drachentötenden Staubsauger und dem multitasking<br />
Senfglas konnte live beim Poetry Slam im<br />
KUZ miterlebt werden.<br />
Wenn zehn Poeten gegeneinander antreten, dann<br />
verschmelzen Realität und Fantasie miteinander<br />
zu extravaganten Geschichten oder eindrucksvollen<br />
Gedichten.<br />
Das Kulturzentrum Mainz veranstaltet in regelmäßigen<br />
Abständen einen Poetry Slam, also einen<br />
Dichterwettstreit, bei dem Dichter von morgen<br />
ihrer kreativen Ader freien Lauf lassen können.<br />
Das Publikum entscheidet darüber, wer den Sieg<br />
davon trägt.<br />
Zehn bis zwölf Kandidaten, die zufällig ein bis<br />
zwei Texte aus eigener Feder in der Tasche haben,<br />
treten gegeneinander an. Die Anmeldung zum Poetry<br />
Slam kann zuvor per Email oder sofern noch<br />
Plätze frei sind, abends bei den Veranstaltern<br />
erfolgen. Nur mit ihrer Stimme und vollem Körpereinsatz<br />
müssen die Kandidaten das Publikum<br />
in maximal sieben Minuten von sich überzeugen.<br />
Als Jury werden willkürlich fünf Mitglieder des<br />
Publikums ausgewählt, die auf einer Skala von<br />
eins bis zehn die Kandidaten bewerten müssen.<br />
Dabei werden die Wertungen addiert, aber die<br />
höchste und niedrigste werden der Fairness wegen<br />
gestrichen.<br />
Im Finale zählt nicht mehr die Punktzahl, sondern<br />
die Lautstärke des Applauses des gesamten<br />
Publikums. Wer es also schafft einen «kollektiven<br />
Orgasmus» durch poetische Brillanz zu erzeugen,<br />
darf den «Pokal» mit nach Hause nehmen.<br />
Das Publikum wurde zum Beispiel entführt in<br />
die Welt eines Schriftstellers (oder vielleicht<br />
doch eher eines Hausmannes?), der sich vor dem<br />
Staubsaugen drückte, weil er mal schnell einen<br />
Roman schreiben musste und Dostojewski nacheifern<br />
wollte. Als er jedoch angesichts eines weißen<br />
Blattes eine Schreibblockade hatte, beschloss<br />
er aus Frust, doch zu saugen. Bei seinem Kriegszug<br />
gegen die Wollmäuse verwandelte sich der<br />
Staubsauger in einen satanistischen Lindwurm,<br />
der wild sein Unwesen trieb. Mutig versuchte der<br />
Schriftsteller in spe, das Ungetüm zu bändigen,<br />
warf sich auf dessen Rücken, aber konnte leider<br />
nicht verhindern, dass der tobende Schwanz<br />
des Lindwurms die Lanze des Playmobilritters<br />
zum Brechen brachte. Die Frau des tapferen<br />
Drachentöters unterbrach mit ihrer Rückkehr<br />
den blutigen Kampf jäh und sah angesichts des<br />
Chaos’ ein, dass ihr Gatte wohl weniger Unheil<br />
anrichte, wenn er an seinem Schreibtisch über<br />
dem ersten und wahrscheinlich einzigen Satz seines<br />
Romans brüte.<br />
Das phantastische Schlachtfeld verwandelte sich<br />
wenige Minuten später wieder in ein biblisches<br />
Paradies. Doch ganz so paradiesisch ging es auch<br />
hier nicht zu, da sich in Adams Körper die verschiedenen<br />
Organe bitterlich darum stritten, wer<br />
denn nun der Boss sei. Herz und Nieren, Gehirn<br />
und Leber – alle waren der Ansicht, sie seien das<br />
wichtigste Organ. Doch auch der liebe Popo wollte<br />
mitreden, wurde aber nur verspottet. Vor lauter<br />
Stolz und Trotz trat er in den Streik und ließ<br />
nichts mehr hinaus. Klagen über Klagen – die<br />
Folge: Nierenversagen. Und die Moral von der<br />
Geschicht’: «Man muss nicht klug sein, nur Arsch<br />
genug, um Boss zu sein.»<br />
Im Finale begeisterte der Sieger das Publikum<br />
mit der ergreifenden Geschichte von der Identitätskrise<br />
eines Verbs, das endlich erwachsen und<br />
ein Nomen werden wollte.<br />
Ob gesellschaftskritische Satiriker, unbeschwerte,<br />
obszöne Komödianten, lethargische und desillusionierte<br />
Denker oder künstlerische Wortspieler,<br />
phantastische Geschichtenerzähler oder schreiende<br />
Exzentriker – alle entführen das Publikum<br />
in das Land der Poesie. Die nächste Reise dorthin<br />
startet wieder am 18.06 um 20 Uhr im KUZ<br />
Mainz.<br />
| marie | karen |<br />
| 39 |
FREIZEIT<br />
Schöne Kneipen<br />
hat das Land...<br />
| 40 41 |
FREIZEIT<br />
Muffige Kneipen, stylische Lounges,<br />
gemütliche Bars und verschwitzte<br />
Clubs. Im Mainzer Stadtgebiet<br />
sind etwa 65 bis 70 Lokale jeglicher<br />
Couleur verstreut. Wer nicht mindestens<br />
die Hälfte davon kennt, gilt als Streber<br />
und wunderlicher Bücherwurm. Damit ihr in diesem<br />
Wirrwarr den glasigen Durchblick behaltet,<br />
haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, jeweils<br />
zwei Mainzer Gaststätten zu besuchen, zu testen<br />
und für euch zu beurteilen. Alle Erstsemester,<br />
die neben dem lauschigen auch das rauschige<br />
Mainz kennen lernen möchten, sind herzlich<br />
eingeladen, zu Beginn des neuen Semesters<br />
an unserer legendären Kneipentour teilzunehmen.<br />
Die angehenden Langzeitstudenten<br />
unter euch seien darauf hingewiesen, dass<br />
voraussichtlich in der 25. Auflage dieser<br />
Zeitung im Wintersemester 2025/26 eine<br />
vollständige Kneipenrezension vorliegt.<br />
Viel Spaß und zum Wohl!<br />
und wildem Ingwer fehlt, um die weihnachtliche<br />
Atmosphäre perfekt zu machen – und das an einem<br />
verregneten Abend im Februar! Als wir den<br />
Laden betreten, werden wir langsam misstrauisch:<br />
Onkel Willy, der uns vom Tresen aus freundlich<br />
begrüßt, hat verdächtige Ähnlichkeit mit dem<br />
bärtigen Geschenkelieferanten aus der Coca-Cola-<br />
Werbung und die verschlissenen, mit rotem Samt<br />
bezogenen Sitzbänke scheinen auch geradewegs<br />
aus einem ausrangierten Rentierschlitten<br />
montiert<br />
worden zu<br />
Onkel Willys Pub<br />
Montagabend. 20:13 Uhr. Eine zähe FSR-Sitzung<br />
neigt sich dem Ende zu. Zwei Stunden wurde verbissen<br />
diskutiert, abgewägt, entschieden. Sollen<br />
wir für die nächste Weihnachtsfeier Öko-Zimt<br />
kaufen? Und – gibt es überhaupt Öko-Zimt?<br />
Endlich sind alle Themen geklärt, alle Tops besprochen<br />
und doch ist wieder niemand handgreiflich<br />
geworden. Erleichtert wischt man sich den<br />
kalten Schweiß von der Stirn und freut sich auf<br />
ein kühles Bierchen. Doch wohin soll es heute gehen?<br />
Die Mädchen wollen tanzen, die Jungs nicht.<br />
Mir steht der Sinn nach Tischfußball und einer<br />
Hopfenkaltschale. Neben dem Domsgickel, dem<br />
Schröders und dem Kulturcafé findet der passionierte<br />
Stangendreher in «Onkel Willys Pub» eine<br />
geeignete Arena. Auf geht’s!<br />
Stimmungsvoll glimmen zahlreiche 24V-Leuchtdioden<br />
aus den Fenstern der Kneipe und tauchen<br />
die Binger Straße der Mainzer Innenstadt in ein<br />
unwirkliches Licht. Allein der Duft von Nelken<br />
sein. Sollten<br />
wir im Weihnachtsdorf<br />
gelandet sein? «Wenn der jetzt fragt<br />
ob wir auch artig waren, hau ich hab!», raunt mir<br />
von hinten jemand ins Ohr als wir ein Bier bestellen.<br />
Gemütlich zapft Santa Cl… Onkel Willy ein<br />
Pils nach dem anderen und bringt es uns schlurfend<br />
an den Tisch, um sich nach getaner Arbeit<br />
wieder zu seinen Kumpels an den Tresen zu hocken.<br />
Wer hier trinkt, trinkt nie allein. Von den<br />
Wänden blicken die Konterfeie berühmter Persönlichkeiten<br />
aus besseren Tagen würdevoll auf<br />
uns herab: die große Hepburn, der unvergessene<br />
John Wayne und Da Vincis Mona Lisa mit einem<br />
Joint im Mund. Der freie Platz an den Wänden ist<br />
mit unzähligen philosophisch-humoresken Blechschildern<br />
verziert und bietet mehr Lesestoff als<br />
das Lomo jemals in seine Bücherregale quetschen<br />
könnte. Was von außen wie eine kleine Eckkneipe<br />
aussah, entpuppt sich im Schein weiterer Lich-<br />
| 41 |
FREIZEIT<br />
terketten als<br />
g e r ä u m i g e<br />
Turnhalle für<br />
Kneipensport<br />
aller Art. Im<br />
Innenraum<br />
des Pubs<br />
verteilt man<br />
sich schnell<br />
auf die Billardtische,<br />
um sich<br />
mit den anderen Fachschaftlern<br />
zu messen, während am Kicker bereits ein<br />
heißes Duell entbrannt ist. Hier heißt es ‚Jungen<br />
gegen Mädchen’ und bei dem Boden hat wirklich<br />
niemand Lust, nach einer Niederlage unter dem<br />
Tisch durchzukrabbeln. Nach wenigen Minuten<br />
sind die Bälle verspielt, der Schlagabtausch ist<br />
vorbei. Gedemütigt und mit wunden Knien zahle<br />
ich den Mädels ihren Tequila. «Wären wir doch<br />
tanzen gegangen, murmelt «die Mauer», mein<br />
sonst so zuverlässiger Hintermann und ich kann<br />
nur zustimmend nicken. Dennoch war das sicher<br />
nicht der letzte Abend im Pub von unser aller<br />
«Onkel Willy».<br />
Hafeneck<br />
| jonas |<br />
Unsere zweite Kneipenrezension führt die gesammelte<br />
Fachschaft ins Hafeneck, die Heimat der<br />
meisten von uns in greifbarer, oder besser: stolperbarer<br />
Nähe. Wer nicht in der Neustadt wohnt:<br />
Pech gehabt!<br />
Also sitzen wir, nachdem wir uns von dem fetten<br />
Arsch, der einem zur Begrüßung von der Wand<br />
entgegenlacht (und hierbei handelt es sich nicht<br />
um den Wirt), nicht haben abschrecken lassen, in<br />
trauter Fachschaftlichkeit beisammen und genießen<br />
unser Bierchen. Da wir inzwischen viele sind,<br />
gibt es immer einen Geburts-, Namens- oder Nationalfeiertag,<br />
der uns einen willkommenen Grund<br />
zum Verlassen des Fachschaftsraums bietet. Geht<br />
hier auch problemlos,<br />
denn die Getränkepreise<br />
sind moderat. So gibt’s<br />
auch den schmackhaften<br />
Hausschnaps schon für einen<br />
Euro.<br />
Der Getränkelieferant, wir<br />
nennen ihn den «Captain»<br />
,ist dann auch sehr freundlich<br />
und seine Maschinengewehrlache<br />
hat Seltenheitswert.<br />
Anscheinend möchte jener<br />
Gentleman aber auch die ohnehin<br />
viel zu reichlich vorhandenen<br />
romantischen Gefühle der Fachschaftler<br />
befeuern, denn kaum sind die Kerzen heruntergebrannt,<br />
werden schon neue herangeschafft.<br />
Die Einrichtung ruft die unterschiedlichsten Reaktionen<br />
vor. Hier ruft es begeistert «Gaaaanz<br />
viele Schiffe, juchhu!», dort redet einer gewichtig<br />
von «wild-experimenteller Einrichtung, für<br />
Kenner des gepflegten schlechten Geschmacks».<br />
Nur eines ist für alle offensichtlich: hier fehlt eine<br />
pflegende weibliche Hand, denn die armen Pflanzen<br />
am Fenster sind etwa so lebendig wie wir uns<br />
am nächsten Morgen gefühlt haben. Musikalisch<br />
läuft ein stimmungsvolles Potpourri, das wohl mit<br />
‚Country meets Bryan Adams’ adäquat beschrieben<br />
werden kann – hoffen wir mal, dass man sich<br />
tatsächlich an alles gewöhnen kann. Übrigens betitelt<br />
sich diese Kneipe selbst mit: HAFENECK<br />
– Essen, Trinken und sinnvolle Freizeitgestaltung<br />
seit 1998. Man sieht, ein Schuppen mit unendlich<br />
langer Tradition und bereits seit Generationen im<br />
Familienbesitz. Auch wenn den ganzen Abend<br />
weder eine vollbusige Meerjungfrau, noch eine<br />
trinkfreudige Seeräuberbande aufgetaucht ist,<br />
war es ein lustiger Abstecher ins Hafeneck. Gesamturteil<br />
einer am Ende doch recht zufriedenen<br />
Fachschaftsmeute ist dann auch: mal was anderes.<br />
Aber etwas anderes, dass es sich auszuprobieren<br />
lohnt. Ungefähr wie der Schokosoßenpfannkuchen<br />
nach Matrosenart.<br />
| saskia |<br />
| 42 43 |
| 43 |<br />
INNERES
Freizeit<br />
RÄTSEL<br />
2.<br />
5.<br />
7.<br />
8.<br />
1.<br />
3.<br />
4.<br />
6.<br />
9.<br />
1. Fickender Begründer des kritischen Rationalismus<br />
2. Lieblingsgetränk des FSR<br />
3. Willst du in Powi Zeitschriften sehn, musst du in das …... gehn.<br />
4. Anders für Raum + Schiedsrichter im Finale von Bern<br />
5. Wer bringt Weihrauch, Gold und Myrrhe und berät Studis?<br />
6. Kapitalismuskritiker und Dozent für «Wirtschaft und Gesellschaft»<br />
7. Geschäftsführende Leiterin und Zweirad<br />
8. Häufigster Zuname am <strong>Institut</strong><br />
9. Familienname der gebürtigen Andrea Dill und einziges politisches Wort mit «y»<br />
suDoKu<br />
1 2<br />
Die Lösungen gibt es in der nächten Ausgabe<br />
| 44 45 |
Wo sind die Fehler?<br />
Freizeit<br />
Insgesamt 11 Fehler haben sich in Bild 2 eingeschlichen. Findest Du sie?<br />
| 45 |
INNERES<br />
Hallo Freunde,<br />
ich bins, Euer Falter. Ich<br />
reise derzeit durch<br />
Deutschland und werde<br />
nicht pünktlich zu meiner<br />
Vorlesung kommen<br />
können, wenn Du mich<br />
nicht findest.Ich bin an<br />
drei verschiedenen Orten.<br />
Auf gehts, die Studenten<br />
warten schon.....<br />
| 46 47 |
| 47 |<br />
INNERES
Freizeit<br />
Malen nach zahlen<br />
1 40<br />
2<br />
3<br />
4<br />
6<br />
Zeichne entlang der Punkte<br />
und du erhälst ein «hohes Tier»<br />
am politischen <strong>Institut</strong><br />
39<br />
7<br />
5<br />
8<br />
9<br />
38<br />
10<br />
13<br />
12<br />
11<br />
36<br />
37<br />
35<br />
15<br />
16<br />
34<br />
17<br />
14<br />
| 48 49 |
Freizeit<br />
33<br />
32<br />
30<br />
31<br />
29<br />
28<br />
27<br />
26<br />
23<br />
24<br />
25<br />
18 19<br />
20 21<br />
22<br />
| 49 |
impressum<br />
Redaktion<br />
Fachschaftsrat <strong>Politikwissenschaft</strong><br />
Jakob-Welder-Weg 18<br />
Philosophicum, am Hörsaal P5<br />
55128 Mainz<br />
fsrpowi@uni-mainz.de<br />
Mitarbeiter<br />
Daniel Aust, Stephan Braig,<br />
Jonas Brüseken, Marie Demel,<br />
Laura-Luise Hammel, Sandra Hauser<br />
Michaela Jacobs, Yvonne Löv,<br />
Christoph Rost, Lennart Sauerwald, Karen<br />
Schmidt, Nico Simon, Saskia Ulmer,<br />
Sebastian Wanner<br />
Layout und Satz<br />
Nico Simon<br />
Coverfotos<br />
Christoph Rost, Nico Simon<br />
AUFLAGE<br />
900 Stück<br />
Druck<br />
AStA Druckerei, Uni Mainz<br />
NACHWUCHSKRÄFTE GESUCHT<br />
<strong>POWIZEI</strong> soll nicht nur eine Zeitung<br />
des Fachschaftsrat <strong>Politikwissenschaft</strong>,<br />
sondern eine Zeitung von und für Studierende<br />
der <strong>Politikwissenschaft</strong>en sein.<br />
Ob Nachwuchsjournalisten, Lektoren,<br />
Grafiker oder Fotografen – über aktive<br />
Mitarbeit freuen wir uns immer und hoffen<br />
auf Euch.<br />
Am Montag den 30. Juni, um 15 00 Uhr<br />
wird im Fachschaftsraum daher unsere<br />
nächste Sitzung stattfinden, zu der ihr<br />
herzlich eingeladen seid.<br />
Mo, 30. Juni. 15 00 Uhr. Joseph-Welder<br />
Weg 18, Philosophicum, am Hörsaal P5<br />
Die Rechte der Artikel liegen bei den jeweiligen<br />
Autoren. Wiederverwendung des<br />
Inhalts ist nur mit schriftlicher Zustimmung<br />
der Autoren gestattet.<br />
Etwaige Rechtschreibfehler sind nur<br />
Sinnestäuschungen und können<br />
überlesen werden.<br />
| 50 |