Psychophysiologische.. - Jochen Fahrenberg
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7 Interpretation<br />
7.1 Das psychophysiologische Blutdruckvideo als innovative Methodik<br />
Das Interview mit gleichzeitiger Messung des Blutdrucks hat sich als individueller Zugang zur Blutdruck-Reaktivität<br />
im Prinzip bewährt. Das auf ca. 45 Minuten angelegte, halbstrukturierte Interview<br />
konnte basale Emotionen wie Ärger, Angst, Freude in wichtigen Lebenssituationen und wichtige Lebensbereiche<br />
wie Partnerschaft, Familie, soziales Umfeld, Beruf und Finanzen ansprechen.<br />
Für die Patientinnen (und für die Interviewer) war evident, dass durch dieses Interview fokale<br />
Themen und Emotionen aktualisiert und dabei Blutdruckreaktionen ausgelöst wurden. Diese Zusammenhänge<br />
zu erkennen, war für die Patientinnen interessant und oft ein Erlebnis, auf das sie manchmal<br />
gelassen, manchmal etwas erstaunt und manchmal auch etwas ängstlich reagierten. Das Symptom<br />
wurde ihnen veranschaulicht. Einige Patienten zeigten sich zu Ende der Studie auch dankbar hinsichtlich<br />
der erfahrenen und gelernten Zusammenhänge.<br />
Das Blutdruckvideo gibt zwar nicht den realen Lebenskontext wie in einem ambulanten 24-<br />
Stunden-Monitoring wieder, doch besteht kein Zweifel, dass sehr viele der Patientinnen intensive E-<br />
motionen (nach-) erlebten. Dieser Zugang zu den individuellen Emotionen hat gegenüber dem Monitoring<br />
den Vorzug, in relativ kurzer Zeit verschiedene Emotionen und Themen, negative wie positive,<br />
in verschiedenen Lebensbereichen zu aktualisieren. Tatsächlich ergab sich diese Methodenentwicklung<br />
aus den Erfahrungen beim ambulanten 24-Stunden-Monitoring, wo die Tagesläufe in vielen Fällen<br />
relativ ereignisarm waren, d.h. akute emotionale Reaktionen oder besondere Ereignisse eher eine<br />
Ausnahme blieben.<br />
Die inhaltlichen Schwerpunkte, der Ablauf und die Dauer des Interviews haben – nach der ersten<br />
Erprobung durch Wild (1998) – eine Form gefunden, die für den Zweck gut geeignet erscheint, Für die<br />
Patientinnen war die Blutdruckmessung, vor allem durch die Blutdruckmanschetten am Arm und am<br />
Finger gelegentlich störend und die Bewegung war eingeschränkt. Die Patientinnen akzeptierten das<br />
Interview ohne Probleme und beurteilten es im Rückblick auf das Reha-Verfahren positiv (78 %<br />
"ziemlich" bis "völlig" hilfreich) und viele erinnerten sich auch nach sechs Monaten an das Interview.<br />
Die hier entwickelte psychophysiologische Methodik erfordert drei Untersuchungstermine: am ersten<br />
und dritten Termin wurden die Blutdruckvideos aufgenommen. Der zweite Termin diente der<br />
Rückmeldung des Blutdruckverhaltens durch Ansehen der Videoaufzeichnung und durch psychologisches<br />
Eingehen auf die Kommentare und Fragen der Patientin. Hier waren die Veranschaulichung und<br />
die Veränderungsmotivation wichtig und nicht die Konfrontation oder eventuelle kathartische Prozesse.<br />
Die verfügbare Zeit reichte natürlich nicht für eine gründlichere psychologische Bearbeitung der<br />
belastenden Bedingungen oder zu Besprechung von Bewältigungsstrategien aus. Zweifellos bieten<br />
sich hier ein guter Zugang und viele Anknüpfungsmöglichkeiten für weiterführende Gespräche und<br />
auch psychotherapeutische Interventionen. Deswegen ist zu überlegen, ob nicht ein weiterer Besprechungstermin<br />
eingeschoben bleiben sollte (siehe Wild, 1998).<br />
Das psychophysiologische Blutdruckvideo ist eine neue Methode. Als Forschungsmethode kann es<br />
genutzt werden, um Zusammenhänge zwischen (nach-)erlebten Emotionen und Blutdruck-Reaktionen<br />
zu erfassen. Das Blutdruckvideo könnte auch in der Praxis verwendet werden, um mit Patienten über<br />
"ihren" Blutdruck ins Gespräch zu kommen und die Bereitschaft für das Selbstmanagement der Hypertonie<br />
zu fördern.<br />
7.2 Interpretation der Hypothesenprüfung<br />
Die statistische Prüfung der psychologischen Hypothesen ergab empirische Belege für die erwartete<br />
Wirkung des psychologisch vertiefenden Blutdruckvideos<br />
Die psychologische Hypothese eines Effektes des Blutdruckvideos auf die Motivation zur Veränderung<br />
der Risikofaktoren konnte tendenziell bestätigt werden. Zwar ist von den fünf geplanten Vergleichen<br />
zur Einstellungsänderung der Patientinnen nur einer signifikant geworden, doch es handelt sich<br />
um den wichtigsten: es ist der Vorsatz zur Verhaltensänderung, der auf das Blutdruckvideo zurückge-<br />
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